Aus dem Sagenschatz des Oberharzes (1931)
Im Erzgebirge und im Oberharzer weben sich eine Reihe wunderbarer Sagen um
den Beruf des Bergmannes. Dort wie
hier steht ein Bergmann im Mittelpunkt
der Erzählungen, der seinen Kameraden
als Mönch gekleidet erscheint und darum
den Namen Bergmönch trägt. Im Erzgebirge
und im Oberharz ging der erste Bergbau von
Klosterstätten aus. Mönche des Klosters Altencella,
dessen Ueberreste noch in dem heutigen
Gasthof „Klosterhof“ bei Clausthal-Zellerfeld erkennbar
sind, waren hier die ersten Bergleute.
Man kann daher mit großer Sicherheit annehmen, daß die Gestalt des Bergmönchs auf Jene ersten Bergleuten in Mönchskutte zurückzuführen ist.
In den Bergwerken um Clausthal und St. Andreasberg ließ sich von Zeit zu Zeit ein Geist sehen, der die Kleidung eines Mönchs trug. Nur war er überlebensgroß und trug ein riesiges Unschlittlicht in seiner Hand. Dieses Licht besaß die wunderbare Eigenschaft nie zu verlöschen. Wenn die Bergleute morgens einführen, stand der Bergmönch mit seinem Lichte über der Einfahrt und ließ sie unter sich durchfahren. Aber auch in den Schächten ist er ihnen oft begegnet. Dort hielt er die Ordnung aufrecht. Er duldete kein Fluchen, kein Pfeifen, kein Schelten; er half, rettete und warnte den pflichtgetreuen Bergmann.
Bei St. Andreasberg war nun einmal ein Bergmann, der arbeitete in der Samsal (Samson). Er hatte viele Kinder und so wurde es ihm bitter schwer, seine Familie auskömmlich zu ernähren. Da hatte er nun schon oft an den Bergmönch gedacht, der ihm wohl aus seiner Not helfen könnte. Eines Morgens, bevor er einfuhr, Sagte er zu seiner Frau „Wollte Gott, es begegnete mir Heute der Bergmönch, ich wollte ihm mein ganzes Leid klagen, er würde mir vielleicht helfen.“ Seine Frau zwar versuchte ihm diesen Aberglauben auszureden. Er aber bleibt dabei und mit diesem Gedanken fährt er an. Als er nun an den Schacht kommt und einfahren will, ist der Bergmönch da tritt heran, drückt ihm Unschlitt auf seine Lampe; dann winkt er ihm, einzufahren. Der Bergmann glaubt den rechten Augenblick für gekommen und nähert sich dem Bergmönch. Dieser jedoch winkt ihm nochmals, ruhig an seine Arbeit zu gehen. Da gehorcht der Bergmann. Als er am Abend ausfährt, da tritt der Bergmönch wieder heran und drückt ihm einen „Knorbel“ in die Hand, ein großes Stück gewöhnlichen Gesteins. Der verwunderte Bergmann wagt nicht zu fragen; er kommt nach Hause und – – trägt statt des Steins einen Batzen reines Gold bei sich. An dem Unschlitt aber, das ihm der Bergmönch auf die Lampe gedrückt, hat er Zeit seines Lebens genug gehabt, denn es wurde niemals weniger.
Oestlich von Clausthal-Zellerfeld liegt das Mönchstum. Seinen Namen verdankt es dem Bergmönch, der hier seinen Lieblingsaufenthalt gehabt hat. Dort hat es auch früher schon zahlreiche Gruben gegeben. Da ist der Bergmönch Oft in den Gruben erschienen, ja sogar manchmal in die „Bucht“ gekommen, die Geipelstube, wo sich die Bergleute an- und abmeldeten. So gewöhnten sich die Bergleute an den Bergmönch und haben keine Furcht mehr vor ihm gehabt. Aber manchmal hatte er seine Launen. Er hob die Schützen auf, daß man die Wasserräder nicht zum Stehen bringen konnte, oder er hielt die Kunst auf und erschreckte die Bergleute durch
mancherlei abenteuerliche Spiele und Neckereien. Dadurch wurde er schließlich den Bergleuten zur Last, und sie wollten ihn gern los sein. Endlich folgten ihm einmal einige Bergleute und legten, wo sie gingen, hölzerne Kreuze vor sich auf den Erdboden. Da ging der Bergmönch zuletzt in eine Schlucht hinein, welche im Hintergrund durch eine nackte Steinwand abgeschlossen war. Der Bergmönch blickte sich noch einmal um und schaute seine Verfolger zornig an. Darauf rührte er den Stein an, dieser öffnete sich, Und der Bergmönch verschwand. [55] Die Wand schloß sich hinter ihm mit Donnergetöse.
Seit dieser Zeit ist der Bergmönch nicht wieder in die Gruben gekommen. Diese sind darauf alle überschwemmt. An der Stelle, wo der Bergmönch in den Felsen gegangen ist, war auf der Felswand das Bild des Berggeistes zu sehen.
Auf dem Andreasberg hat sich früher in den Gruben ein gar merkwürdiges Wesen gezeigt, wie ein Ochse anzusehen; dann haben die Alten gesagt: „Calvör mit der Ochsenhaut geht um!“ Und damit verhielt es sich wirklich so.
In ganz alter Zeit, als dort in den Gruben noch das Rotgülden gegraben wurde, ließ man keinen Bergmann aus der Grube, den man nicht am ganzen Körper untersucht gehabt hätte; so wertvoll war das Rotgülden. Da trug es sich zu, daß mehrere Bergleute nicht mehr aus der Grube zurückkehrten, auch war alles Suchen vergeblich. Und weil bald Tag für Tag Bergleute Fehlten, wurde die Belegschaft unruhig und verlangte nach Hilfe. Zwei mutige Bergleute erboten sich schließlich, in dem unheimlichen Stollen Obacht zu geben.
Am ersten Tage merkten sie nichts. Doch am zweiten Tage merkten sie plötzlich ein unheimliches Brüllen, wie das eines Ochsen; in dem Augenblick kam auch ein gewaltiger Ochse aus dem Dunkel hervor und wollte sie in die Tiefe stürzen. Sie verstanden aber keinen Spaß, griffen zu den Fäusten und schlugen kräftig darauf los. Da hörte der Ochse auf zu brüllen und flehte sie mit einer menschlichen Stimme um Gnade an. Sie ließen sich auch erweichen; dann fiel die Ochsenhaut, und Steiger Calvör stand vor ihnen am ganzen Leibe zitternd. Er bat, sie möchten ihn doch nicht verraten, er habe ja die Bergleute immer erschreckt, ihnen auch das Rotgülden abgenommen und sie dann abgestürzt. Er bot ihnen Viel Schweigegeld, aber sie wollten den schnöden Lohn nicht und zeigten ihn an. Als sie ihn aus der Grube holen wollten, fanden sie ihn tief unten mit zerschmettertem Leibe; er hatte sich hinabgestürzt.
Er fand aber noch keine Ruhe, sondern mußte lange Zeit umgehen; dann sagten die Bergleute: „Das ist Calvör mit der Ochsenhaut“.