Aus den Werkstätten des Lichts
Aus den Werkstätten des Lichts.
Läßt sich der Fremde, der Berlin besucht, lediglich von seinem Reisehandbuch leiten, so sieht er in der Regel nur die glänzenden Bilder der Hauptstraßen; er bewundert die Residenz mit ihren Schlössern und Museen, mit ihren Verkaufsläden und Cafés, ihren Theatern und Schaustellungen. Er wandert unter den Linden und in der Friedrichstraße umher, durch die Leipzigerstraße, durch den Thiergarten und durch die endlosen Villenzüge des vornehmen Westens. Führt ihn aber Zufall oder Absicht in der Frühe des Morgens in andere Theile von Berlin, nach Norden oder Süden etwa, so wird er ein ganz anderes, aber in seiner Art gewiß nicht weniger großartiges Bild heimwärts tragen. Er wird unabsehbaren Menschenfluthen begegnen, die von der sechsten Stunde ab in die Fabriken und Werkstätten münden, und wird sich durch den Augenschein überzeugen, daß die ehedem als Witzwort aufgestellte Behauptung, Berlin sei der größte Fabrikort Deutschlands, jetzt eine ganz einfache, nüchterne, durch Zahlen zu belegende Wahrheit geworden ist.
Haust nun vor dem Oranienburger Thor die Großindustrie, der Maschinenbau, werden dort Lokomotiven und Torpedos geschmiedet, so ist am entgegengesetzten Pole, im Süden, in der Luisenstadt, die Kleinindustrie, die aus dem Handwerk herausgewachsene Fabrikthätigkeit – und zwar von altersher – angesiedelt. Aus kleinen Anfängen entsprungen, ist gerade sie zu hoher Blüthe gediehen und hat ihren Erzeugnissen Rang und Namen in der ganzen Welt verschafft.
Es ist eigenthümlich, daß Erwerbszweige, die durch Förderung von oben her an die Spree verpflanzt worden sind, nur ein Treibhausleben geführt haben und trotz aller Fürstengunst wieder eingegangen sind oder doch zu keinem wesentlichen Mittel für die Ernährung der zunehmenden Menschenmenge sich zu entwickeln vermochten. Die Seidenwirkerei, dies Lieblingskind zweier Könige, ist nach großen Opfern spurlos verschwunden, nur die vielen Maulbeerbaumpflanzungen zeugen noch von der Seidenwürmerzucht, mit welcher man der Lombardei und der Provence das Feld streitig zu machen trachtete; und die königliche Porzellan-Manufaktur leistet zwar selbst künstlerisch Vollendetes, hat aber ihren Hauptzweck, zur Nachfolge anzueifern, nicht erreicht. Ganz aus eigener Hand haben sich dagegen Industrien nach Berlin gezogen, die den Wettbewerb der Welt aushalten, die für viele Tausende Arbeit und Brot gebracht haben.
Der moderne Mensch braucht Licht, viel Licht: eine gewaltige Summe von Thätigkeit und Intelligenz wird zur Befriedigung dieses stets wachsenden Bedürfnisses aufgewandt, und an diesem Kapital von Schaffenslust und Schaffenskraft ist Berlin in allererster Reihe betheiligt. In der Beleuchtungsindustrie marschiert diese Stadt an der Spitze nicht nur Deutschlands, sondern Europas, ja man darf sagen, der Welt.
Wir sprechen heute nicht vom Kampfe des Gases mit der Elektrizität, in welchem der einstige Reformator von dem Ansturm einer ganz frischen Revolution schwer bedrängt wird, wir haben nicht den Krieg gegen die Finsterniß auf Straßen und Märkten, sondern den gegen die Dunkelheit in den Häusern im Auge, welchen die Petroleumlampe ausdauernd und kräftig führt.
Die Petroleumlampenindustrie ist ein sehr wesentliches Glied im Erwerbsleben der deutschen Reichshauptstadt geworden: die Arbeiter, welche sie jahraus, jahrein beschäftigt, halten der Einwohnerzahl einer kleineren deutschen Stadt die Wage. Und wie winzig sind die Anfänge, aus denen dieses stattliche Heer erwachsen ist!
Es war unter der Herrschaft des Rüböls: der Klempner schnitt nach altem Modell aus Weißblech die Küchenlampe, etwa in der Form einer Bockwindmühle, zurecht, und der aus dicken Fäden gedrehte Docht speiste eine Flamme, die weniger weit leuchtete als sie dunstete und qualmte. Bei der grünen Schirmlampe arbeitete der Gelehrte, noch ehe sie durch den Erfinder zu einem minderen Grad von Flatterhaftigkeit genöthigt worden war.
Andererseits war in Berlin durch die französischen Refugiés die Anfertigung von Lackierwaren in Aufnahme gekommen. Der Samen, den diese unfreiwilligen Pioniere des Geschmacks auf den Wegen ihrer Verbannung ausgestreut, hatte auch an anderen Orten Deutschlands, z. B. in Braunschweig, Wurzel geschlagen. Der Kleinbetrieb hob sich dort in dem Maße, daß ein strebsamer Mann Namens Stobwasser schon im Jahre 1763 eine Art Lackierwarenfabrik ins Leben rufen konnte. Um dem Unternehmen eine größere Ausdehnung zu geben – die Grenzen des eigenen Landes waren gar zu eng und der Zollverein lebte damals nur in patriotischen Träumen – verlegte es einer seiner Nachkommen im Anfang der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts nach Berlin und zwar in die Wilhelmstraße, in Räume, welche die wachsende Fabrik bis vor fünf Jahren benutzt und ausgefüllt hat. Der Betrieb war ein [27] handwerksmäßiger, mit Gewerkmeistern und Gesellen - eine Form, welche, trotzdem inzwischen Maschinen zum großen Theil die Handarbeit ersetzt haben, im Stobwasserschen Geschäft aus alter Anhänglichkeit bis heute äußerlich erhalten geblieben ist, während die seitdem entstandenen ähnlichen Unternehmungen von Anfang an die neuerdings übliche unmittelbare Abrechnung zwischen dem Arbeiter und dem Fabrikanten gewählt haben. – Die Stobwassersche Fabrik zog nun die Anfertigung von Lampen in den Bereich ihrer Thätigkeit und erwarb sich und Berlin einen geachteten Namen in diesem Geschäftszweige. Die messingene Schiebelampe mit ihrem gleichmäßig ruhigen Licht wurde der Hausfreund in den weitesten Kreisen, und wenn sie auch die ihr gespendete Gunst nicht ebenso gleichmäßig vertheilte, wenn auch der Oelkasten zugleich ein Schattenspender war, so daß dies Licht nicht parteilos über die ganze Familie sich ergoß, so war doch der Fortschritt ein derartig „einleuchtender“, daß die „gemüthliche Schiebelampe“ später schwer zu vertreiben war und sogar, trotzdem ihre Anlage gar nicht darauf berechnet war, für Petroleum umgemodelt wurde.
In Frankreich hatte man inzwischen neue praktischere Formen für Rüböllampen erdacht. Nacheinander kamen von Paris aus die „Astrallampe“ mit ihrem kreisrunden Oelbehälter und der „Moderateur“, bei dem das Oel aus dem Reservoir herausgepumpt wurde, nach Deutschland und regten zu Nachbildungen für den deutschen Markt an. Die Firma Stobwasser schenkte allen diesen neuen Erscheinungen ein aufmerksames Auge, und es ist bezeichnend, daß ihre Rübölschiebelampen und Moderateure noch jetzt für gewisse Liebhaber in Deutschland und für die Ausfuhr weiter angefertigt werden. Bald aber regte sich in Berlin selbst ein tüchtiger Wetteifer, und namentlich zwei junge Leute, die von der Pike auf gedient, im Stobwasserschen Geschäft und in Paris ihre Erfahrungen gesammelt hatten, die noch lebenden Inhaber der Firma Wild und Wessel, halfen, aber für eigene Rechnung, in der Mitte der fünfziger Jahre die französischen besseren Lampen durch zuverlässiges inländisches Fabrikat gänzlich vom deutschen Markt verdrängen. Inzwischen waren auch verschiedene Mineralöle auf den Kampfplatz getreten. Photogen und Solaröl trachteten danach, das Kind des Rapses abzulösen, und wenn diese Lichtspeisen auch nicht viel Boden zu gewinnen vermochten, so regten sie doch den Erfindungsgeist mächtig an und gaben Anlaß zu Fortschritten in der Lampenfabrikation, welche bei der großen Umwälzung in der Beleuchtungsfrage, die sich jetzt näherte, von ganz wesentlichem Vorteil waren.
Das Jahr 1859 trat unter denkwürdigen Erscheinungen ins Leben; sein erster Tag brachte den Neujahrsgruß Napoleons III. an den österreichischen Gesandten, welcher die Nationalitätsfrage in Italien aufrollte und in der Folge der Karte Europas eine gänzlich veränderte Gestalt gab; und während so große Ereignisse ihre Schatten voraus warfen, kam eine neue flüssige Lichtquelle von jenseits des Meeres in den sich verjüngenden Welttheil, kam das erste amerikanische Petroleum nach Europa. Schon die erste Sendung erregte eine völlige Revolution. Es fanden sich kühne Leute, welche die vorsorglich mitgesandten Lampen sammt dem neuen Brennstoffe zu probieren sich erdreisteten, und als man gesehen, daß alles gut war, stürzte sich die deutsche und im besonderen die Berliner Fabrikation mit Eifer auf das neue Gebiet und arbeitete so nachhaltig, daß sehr bald zwar das amerikanische Rohprodukt recht gesucht war, die amerikanischen Lampen aber überflüssig waren. Die Lampenfabriken schossen in Berlin aus der Erde hervor [28] und ihre Erzeugnisse gingen bald weit über die Grenzen des Landes hinaus. Längere Zeit wußte man freilich die Petroleumlampe lediglich mit Flachbrennern auszurüsten – dann entstanden Rundbrenner noch ziemlich unpraktischer Bauart und mit schwer zu behandelnden Dochten, bis etwa im Jahre 1865 die im wesentlichen jetzt noch gültige Grundform der Rundbrenner mit flachem Docht zur Annahme gelangte. Auf dieser Grundlage sind sämmtliche neueren Systeme der Petroleumbeleuchtung aufgebaut, und der Firma Wild und Wessel gebührt unzweifelhaft der Ruhm, in ihrem damals eingeführten Kosmosbrenner die erste Konstruktion solcher Art geschaffen zu haben. Die einfachen Flachbrenner sind im Laufe der Jahre völlig aus der Berliner Fabrikation ausgeschieden; auf ganz billige Lampen für die Ausfuhr beschränkt, machen sie nicht mehr die größeren Anfertigungskosten dieses Platzes bezahlt und werden nur noch an einigen anderen Orten Deutschlands hergestellt.
Mit seinen Rundbrennern aber beherrscht Berlin den Weltmarkt, ganz Europa ist ihm tributpflichtig. Trotz Paris und Wien hat es selbst in Frankreich und Oesterreich seine Eroberungen gemacht; in Rußland aber, in Skandinavien, England, im ganzen Süden und im Orient herrscht es unumschränkt, und die Berliner Lampe leuchtet in Hammerfest wie in den Gemächern des türkischen Paschas. Südamerika, Afrika, China und Australien sind besonders günstige Absatzgebiete, und man versichert, daß von der Wiege der Petroleumlampe, von den Vereinigten Staaten, nur der Schutzzoll den deutschen Wettbewerb einigermaßen fernhält.
Wie entsteht nun eine solche Lampe?
Eine Petroleumlampe? Eigentlich gar nicht; sie kommt stets mit einer großen Anzahl Schwestern zugleich zur Welt, und auf welche Weise eine so zahlreiche Gesellschaft ins Leben gerufen und für ihren Beruf tüchtig gemacht wird, wollen wir in großen Zügen dem Leser zu zeigen versuchen.
Sehen wir uns zunächst die Fabrik von außen an: wer da geglaubt hat, eine stolze Ritterburg der Industrie zu finden, wie sie an des Rheines kühlem Strome oder sonst im Lande sich aufbauen, der wird enttäuscht sein. Kein von Mauern umschlossenes Viereck in Ziegelbau, hoch überragt von emporstrebenden Wartthürmen, den mächtigen Schloten, die schwarzes Gewölk ausathmen! Die Berliner Lampenfabrik, wie sie sich gerade in ihren bedeutendsten Anwesen darstellt, steht ganz bürgerlich in Reihe und Glied der Straßenhäuser, und ihr Vorderhaus deutet auf Wohnräume. Im Erdgeschoß befindet sich wohl das Musterlager, da ist die Buchhalterei, das Komptoir, und die gewölbten Kellereien sind von dem viel Platz in Anspruch nehmenden Glaslager gefüllt; der Schornstein aber, das auch hier nothwendige Uebel, ist soweit als möglich nach hinten verbannt. Er verbirgt sich schämig und hat ganz und gar nicht die Aufgabe, Reklame zu rauchen. Drei Höfe mit Quergebäuden: das ist der Typus der Berliner Lampenfabriken, und in diesen Baulichkeiten dehnen sich die Arbeitssäle und thürmen sich bis zum vierten Stock.
Die Lampe besteht in ihren wesentlichsten Theilen aus Zink und Kupfer, und der Urstoff kommt in Barren oder in der Gestalt von Messingblech aus den Hütten. Wir betreten zuerst die Gießerei, wo die „Füße“, die Vasenbehälter und sonstige Untertheile hergestellt werden. Die Zinkgießer haben leichtes Werk; ihr Material läßt sich bequem schmelzen und mit dem Löffel direkt in die Form bringen. Geschwind füllen sich die Körbe mit dem Ergebniß, welches zu den Metalldrehern wandert, um sich an der Drehbank die Ecken und Kanten abschleifen zu lassen.
Mühseligere Arbeit erheischt der „Bronzeguß“. Das hier zur Verarbeitung kommende Metall besteht im allgemeinen aus Kupfer und Zink im Verhältniß von 3 zu 2. Die Erfahrung läßt kleine Zusätze von Zinn oder sonstigem Metall räthlich, für bestimmte Farbenabstufungen auch eine andere Zusammensetzung des Schmelzgutes angebracht erscheinen. Die Modelle hat ein Künstler entworfen und in Thon geformt, der Modelleur in Gips oder Holz nachgebildet; sie sind alsdann in der Fabrik selbst gegossen und sorgfältig ciseliert worden. Sie häufen sich im Laufe der Jahre und zieren, sauber registriert, die Wände als überaus theurer Zimmerschmuck, vor dem nur ein sehr kleiner Theil durch fortlaufenden Gebrauch die Lagerkosten verdient. Die Bronzegießer sind größtentheils auch Former. In schweren eisernen Kästen wird dem schwarzen Formsand das Modell eingedrückt, die so gebildete Form im Trockenofen gehärtet und im Gießofen die Metallmasse in Graphitgefäßen bis zu leichter Flüssigkeit erhitzt. Drei starke Männer nehmen aus der weißen Gluth den gewichtigen Behälter, und rauschend ergießt sich das siedende Metall durch die offen gelassenen Wege bis an die gesteckten Ziele. Die [29] Form kann für den Bronzeguß nur je einmal benützt, für jedes Stück muß sie besonders hergestellt werden. Das spiegelt sich natürlich im Preise ab, und für die billigeren Lampen wendet man deshalb Zinkguß an, dem man entweder in der Lackiererwerkstatt die gewünschte Farbe oder den beabsichtigten Metallglanz giebt, oder den man auf galvanischem Wege vergoldet, versilbert, vernickelt, verstählt, verkupfert, bronziert, vielfach auch durch wiederholte Behandlung zur Annahme zweier oder dreier Metallschattierungen zwingt. Lampenkörper aus Glas, Majolika, Porzellan, die vielfach verwendet, aber in Berlin nicht erzeugt werden, kommen in großen Massen aus Böhmen und Schlesien, Ungarn und Mähren, vom Rhein und selbst aus dem weit entfernten Japan.
Bei den Monteuren vorbei, deren Obliegenheit in dem Zusammensetzen der Lampentheile besteht, kommen wir zu den Arbeitergruppen, welche sich mit der Verarbeitung der Messingbleche beschäftigen. Mit Riesenscheren oder durch „Balanciers“ (Prägewerke, durch Schleuderhebel in Bewegung zu setzen) werden die Bleche zerschnitten, Röhren der verschiedensten Durchmesser werden hergestellt, gezerrt und geglättet, um zur Anfertigung der Brenner vorbereitet zu werden, Glockenringe und Verbindungsstücke werden vorerst roh zubereitet. Sämmtliche Messingtheile gehen alsdann durch die verschiedenen Stationen der Beize, eine Reihe von Säureverbindungen, und verlassen sie, vom Schmutze gereinigt, mit schönem hellen metallischen Glanz.
Mächtige Säle enthalten die Zunft der Metalldrücker, aus deren geschickten Händen der Brenner schon in seiner wesentlichen Form hervorgeht.
Eine ebenso endlose Reihe bilden die Klempner, von denen ein jeder vor seiner Flamme, emsig löthend, sitzt; einen anderen Saal nehmen die Gürtler ein, Handwerksleute, welche mit aufmerksamem Auge jeden Messing– und Bronzetheil zu prüfen und mit der Feile nachzubearbeiten haben. Viel mechanischer ist die Thätigkeit der Schnittarbeiter, deren Balanciers das Unglaublichste an automatischer Wirksamkeit leisten: der eine stößt in eine Brennerhülle zweihundert Löcher und zwar in wechselnder Form und zweierlei Art – genau nach dem 200. Stoß bleibt er stehen, die neue Arbeit erwartend; ein anderer zackt zwei Brenner-Aufsatz-Ringe gleichzeitig und mit einem Schlage in die bekannte zierliche Form aus, ein dritter stanzt eine runde Platte aus, prägt sie von beiden Seiten, zackt zugleich den Rand und setzt endlich noch einen Stift ein.
Scharen von jungen Mädchen sind damit beschäftigt, die fertigen Lampentheile zusammenzusetzen, sie einzupacken und, mit den ihnen gebührenden Zeichen versehen, an die gehörigen Stellen zu legen: denn eine sehr sorgfältige Ordnung ist vonnöthen, will man sich bei der Ausführung der Aufträge in diesem Meer von Formen und Zusammenstellungen, von Farben und Größen zurechtfinden.
Ein Bild dieser unendlichen Vielheit giebt das Musterlager, obgleich dort nur die nothwendigsten Anhaltspunkte für den vorher schon durch Zeichnungen vorbereiteten Käufer gesammelt sind. Da erblickt man Gehänge aus Bronze, aus Zink- und Eisenguß, Tischlampen der werthvollsten und der billigsten Art, für jeden Geschmack und für jedes Land. Hier eine Gattung, die nur in China gekauft wird, dort eine, die dem Sinn der Spanier entspricht, gräcisierende hohe Säulen im Stil des Empire, für England bestimmt, welches für diese Großmuttererinnerungen besondere Vorliebe hat, daneben ein reizendes Modell nach echt hellenischem Vorbild, hohe Ständerlampen für den Salon, mit breitem oft phantastisch geschmücktem Dach, das alles ist in den Räumen zusammengedrängt. Schmucke Arbeiten nach guten Renaissancevorbildern zeigen sich neben dem Barock, das jetzt von der Mode – die auch auf diesem Gebiet herrscht – so lebhaft bevorzugt wird. Dazu kommen noch Besonderheiten aller Art, Lampen für das schwerere Solaröl, Sicherheitslampen, Studier- und hygieinische Lampen mit konzentrierter Flamme und zwiefachem Schutzcylinder – mit einem Wort, das Musterlager ist die Arche Noäh für Beleuchtungsgegenstände.
Der Kampf ums Dasein zeitigt fortwährend neue Formen, neue Erfindungen und – neue Namen. Der Weg zu den letzteren ist ungefähr folgender: Ein Fabrikant ersinnt eine neue Lampe und bringt sie unter dem Namen „Reformlampe“ in den Verkehr. Ein Konkurrent nach dem anderen sieht sich genöthigt, den Grundgedanken des neuen Brenners mit einigen Aenderungen für seine „letzte Neuheit“ zu verwerthen und jenen Vorgänger zum mindesten durch einen schöneren, stolzeren Namen zu schlagen, und auf der Leiter der Phantasie gelangt man von der "Reform" nach und nach zur "Viktoria"-, zur "Gloria", zur "Triumph-Lampe".
[30]
In einer Lampenfabrik, wie die hier beschriebene, sind etwa 250 Arbeiter ständig beschäftigt, welche im Jahr ungefähr 1 000 000 Brenner fertigstellen, die allerdings zum Theil als solche in den Engrosverkehr kommen. Man rechnet, daß etwa 10000 Menschen in Berlin in der Petroleumlampen-Fabrikation ihr Brot verdienen, doch ist die Zahl keine genaue, da die Grenzen dieses Beschäftigungszweiges nicht scharf abzustecken sind. Berlin besitzt etwa zwanzig solcher Fabriken, unter denen die Firma Schuster und Baer und die bereits früher genannten beiden ältesten Anwesen die nahmhaftesten sein dürften. Dann folgt eine Reihe solcher, die nur Lampentheile, entweder Brenner und Messingtheile oder nur Lampenfüße und -körper, anfertigen, endlich solche, die alle Bestandtheile kaufen und nur eine eigene Lackiererei haben oder endlich bei den zahlreichen selbständigen sogenannten „Blech-Lackierermeistern“ lackieren lassen.
Mehrere hundert Firmen bezeichnen sich selbst als Inhaber von Lampenfabriken. Nach ganz mäßiger Schätzung verlassen jährlich zehn bis zwölf Millionen Rundbrenner Berlin. Zu jedem dieser Brenner gehört doch, wenn er seinen Daseinszweck erfüllen soll, endlich einmal eine Lampe und ein Käufer. Man denke, welch eine Fluth von Helle sich damit entfesseln läßt, wieviele Stätten emsiger Arbeit und traulicher Behaglichkeit aus dieser Quelle ihr Licht schöpfen!