Aus der Franzosenzeit
[788] Aus der Franzosenzeit. (Zu dem Bilde S. 776 und 777.) Es ist ein trübes Bild aus der Zeit der schwersten Not und der tiefsten Erniedrigung Deutschlands im Anfange dieses Jahrhunderts, das uns E. Henseler auf seinem Gemälde mit packender Anschaulichkeit vorführt. Der Künstler versetzt uns in ein Bauernhaus der Neumark, wie früher der im Norden an Pommern grenzende und gegen Westen durch die Oder von der Mittel- und Ukermark geschiedene Teil der Mark Brandenburg hieß. Ganz Deutschland war bereits von Napoleon I. unterjocht, als der Weltbezwinger im Frühjahr 1812 eine halbe Million Krieger der russischen Grenze zu in Bewegung setzte. In jener Zeit der immerwährenden Truppendurchzüge hatten sich in einem neumärkischen Bauernhofe Krieger der französischen alten Garde, denen auch ein Kürassier zugesellt war, einquartiert. Sie hausten dort, wie die Franzosen in Deutschland es überall thaten, gleichviel ob sie als Feinde oder als Freunde kamen. Das von den biederen Neumärkern bereitete Essen behagte dem Gaumen der Fremden nicht; was man ihnen vorsetzte, warfen sie voll Hohn samt dem Geschirr auf den Boden und gaben es den Hunden preis. Dann revidierten sie selbst die Geflügelhöfe und Ställe und kochten und brieten, was die Franzosen überhaupt meist vortrefflich verstanden; oft genug sah man Truppen, die Hühner, Enten und Gänse auf ihre Bajonette gespießt trugen. Wie die Krieger der „großen Armee“ auf dem Hof in der Neumark ihr Wesen getrieben, veranschaulicht der Zustand der sonst so ordentlich und reinlich gehaltenen Bauernstube auf unserem Bilde gar lebensvoll. Zum Teil haben sie sich’s jetzt nach Lust und Laune bequem gemacht und rauchen und plaudern. Einer steht links am Herdfeuer, mit der Zubereitung des Mahles beschäftigt, und an dem Tische rechts putzt ein Gardist mit der mächtigen Bärenmütze auf dem Kopfe sein Gewehr. Mit schwerem Herzen sehen die Bewohner, wie die Fremdlinge in ihrem Heim schalten und walten, aber sie dürfen nicht einmal eine unzufriedene Miene machen, wenn sie sich nicht den brutalsten Mißhandlungen aussetzen wollen. In dem alten Manne im Hintergrunde des Gemaches erblicken wir noch einen Zeitgenossen des „Alten Fritz“, dessen Bild dort an der Wand hängt. Wie tief gesunken war der Staat des großen Königs, dessen Nachfolger auf seinen Lorbeeren ruhen zu dürfen geglaubt hatten, ohne den Bedürfnissen einer neuen Zeit Rechnung zu tragen! Schon aber hatte sich im stillen jener Umschwung zum Besseren vorbereitet, der bald so glänzend zu Tage treten sollte. Doppelt mögen wir uns beim Rückblick auf diese „Franzosenzeit“ der vor fünfundzwanzig Jahren erfolgten Einigung Deutschlands erfreuen, die eine Wiederkehr solch trauriger Zustände so Gott will für immer unmöglich gemacht hat! F. R.