Aus der Pariser Welt

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Titel: Aus der Pariser Welt
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aus: Die Gartenlaube, Heft 46, S. 507
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[507] Aus der Pariser Welt. Es ist eine auffallende Erscheinung, daß in Paris namentlich das schöne Geschlecht lebhaft Partei für die Sache des Halbmondes ergreift; in einem Salon der Chaussee d’Antin war ich gestern Abends Zeuge, daß das Projekt einer der höchsten Finanz-Aristokratie angehörigen Dame, einen „Türken-Verein“ zu bilden, von dem ganzen schönen Kreise mit Enhusiasmus aufgenommen wurde. Wie sich doch die Zeiten ändern! Vor einigen zwanzig Jahren zupften in Paris und in ganz Europa tausend schöne Hände Charpie für die Griechen, welche gegen die Türken kämpften und in aller Kürze werden wir vielleicht erleben, daß ein gleiches für die Türken geschieht. Ich habe viel darüber nachgedacht, um einen plausiblen Grund für die plötzliche Türken-Sympathie der schönen Pariserinnen zu finden, und glaube denn, daß diese Sympathie besonders dadurch hervorgerufen wurde, daß der Czar jetzt schon bald neun lange Monate die ganze Männerwelt mit der orientalischen Frage beschäftigt hat. Das schöne Geschlecht hat sich über diese Frage vernachlässigt gesehen, darob der Russenhaß und die Türken-Sympathie. In den Cirkeln der verführerischen Camelien-Damen und Marmor-Mädchen herrscht ein großer Schrecken ob der Möglichkeit eines Bruches mit Rußland. Es ist bekannt, daß seit einigen Jahren die russischen Prinzen und die polnischen Grafen beinahe gänzlich die englischen Lords in diesen Kreisen verdrängt und daß russische Rubel dort jetzt besseren Cours haben, als englische Sovereigns. Wie viel Wittwen würde es daher geben, wenn Herr von Kieseleff seine Pässe forderte, und zugleich „seinen Russen“ die ihrigen zustellte. Trotz alledem ist Paris noch voller Lust und Jubel und amüsirt sich besonders an den Vaudevilles, die mit jedem Tage schlüpfriger und sittenloser werden. Es ist dort schon so weit gekommen, daß die Theater förmlich zu Ausstellungen weiblicher Reize benutzt werden. Eine junge Schauspielerin, welche sich weigerte, das ihr bestimmte Costüm anzuziehen und die ihr zugewiesenen zweideutigen Couplets zu singen, wurde von dem Handelsgerichte verurtheilt, ihre Reize dem Parterre nicht vorzuenthalten oder 1000 Franken Entschädigung zu zahlen. Die Schauspielerin war arm, wollte nicht im Schuldthurm sitzen, also ..... Onkel Tom hat auch in Frankreich viele Millionen Thränen entlockt, daß aber in ihrer eigenen Hauptstadt Menschenhandel und Seelenverkauf getrieben wird, daran denkt Niemand.