BLKÖ:Rzewuski, Wenzel (II.) Graf

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 27 (1874), ab Seite: 353. (Quelle)
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Rzewuski, Wenzel (II.) Graf (Orientalist, geb. im Jahre 1765, ermordet von seinem Diener im Jahre 1831). Der einzige Sohn des im Jahre 1811 zu Wien verstorbenen ehemaligen Hetmans der polnischen Krone, des Grafen Severin Rzewuski. Graf Wenzel erhielt eine äußerst sorgfältige Erziehung und zeigte frühzeitig große Liebe zu den schönen Wissenschaften, denen er in der Folge treu blieb, und Talent zur Musik, namentlich zum Gesange. Er trat jung in österreichische Kriegsdienste, in welchen er bis zum Range eines Rittmeisters verrückte. Während seines mehrjährigen Aufenthaltes in Wien – etwa in den Jahren 1807–1815 – beschäftigte er sich mit großer Vorliebe mit der orientalischen Literatur und betrieb vornehmlich das Arabische und Türkische. Als Jos. v. Hammer, der nachmalige Freiherr von Hammer-Purgstall [Bd. VII, S. 267], damals k. k. Agent in der Moldau, die große Vorliebe des Grafen Wenzel, mit dem er sich befreundet hatte, für das Orientalische gewahr wurde, und der Graf, der über ein bedeutendes Vermögen zu verfügen hatte, die Absicht äußerte, das Studium der orientalischen Sprache durch ein gemeinnütziges Unternehmen zu fordern, entwarf Hammer sofort den Plan zur Herausgabe der „Fundgruben des Orients“, deren Programm mitten unter Kriegswirren am 6. Jänner – als dem Tage der drei Könige des Morgenlandes – 1809 veröffentlicht wurde. Graf R. hatte wesentlichen, wenn nicht den wesentlichsten Antheil an dem Zustandekommen dieses Unternehmens, indem er die erforderlichen Geldmittel fast ganz allein beisteuerte, während Hammer mit der Redaction des Inhalts vollauf zu thun hatte. Dies Werk erschien unter dem Doppeltitel: „Fundgruben des Orients“ und „Mines d’Orient“ zu Wien bei Anton Schmidt 1809–1818 in Folio. Es sind im Ganzen 24 Hefte, welche zusammen 6 Bande (42 Thlr.) bilden und in kurzer Zeit fast vergriffen [354] waren. Alles was nur immer aus dem Orient kam oder auf denselben Bezug nahm und wissenschaftliches Interesse hatte, war Gegenstand der Behandlung in den „Fundgruben“, sie enthalten daher Uebersetzungen und Auszüge aus älteren und neueren orientalischen Werken, Abhandlungen, Schilderungen in deutscher, französischer englischer, spanischer, italienischer und lateinischer Sprache, Notizen u. dgl. m. und gelehrte Europäer in Constantinopel, Persien, Syrien, Egypten und in den Häfen der Levante nahmen daran Theil. Das kostbare und reich ausgestattete Werk bildete somit einen Vereinigungspunct für Freunde und Kenner der orientalischen Literatur im Osten und Westen. Graf Wenzel verließ in einiger Zeit den kaiserlichen Militärdienst und vermälte sich in Wien im Jahre 1805 mit Alexandra Rosalia Prinzessin Lubomirski, welche jedoch nicht aus Neigung, sondern nur dem Willen ihres Vaters gehorchend, dem Grafen, der sie sehr liebte, die Hand reichte. Die unter solchen Verhältnissen geschlossene Ehe war nichts weniger denn glücklich, und der Mangel des Einverständnisses zwischen den Gatten bewog den Grafen zur freiwilligen Trennung, die er, um alles Aufsehen und jede Nachrede zu vermeiden, am einfachsten bewerkstelligte, indem er auf Reisen ging. Er wählte bei seiner Vorliebe für den Orient denselben und verweilte längere Zeit in Aleppo, dann in Bagdad, wo er sich ganz in die Sitten und Gewohnheiten des Orients hinein lebte und sogar einen orientalischen Namen annahm. Er nannte sich dort Tag-el facher Abo el Niszan, Emir und Scheik der Beduinen von Anazeisk in der Wüste Nezd. Der Name Tag-el facher wäre, wie Sprachkundige versichern, nur eine Uebersetzung seines Namens Wenzeslaus, welcher wieder aus den beiden slavischen Worten Wience, d. i. Kränze, und Slava, d. i. Ruhm, zusammengesetzt ist und so viel wie Ruhmeskränze bedeutet. [Tag heißt im orientalischen Kranz und facher, n. A. fechr: Ruhm.) Hier sei auch nebenbei bemerkt, daß der berühmte polnische Dichter Mickiewicz Rzewuski’s Andenken in dem herrlichen Gedichte „Farys“ verewigt hat, dessen Verdeutschung der Herausgeber dieses Lexikons in seinen „Cameen“ (Düsseldorf 1856, Arnz, 12°.) versuchte. Rzewuski lebte nahezu ein Jahrzehend im Orient. Vor einigen Jahren erst veröffentlichte Karl Cieszewski in dem in den Quellen angeführten „Bildern und Skizzen“ einen längeren Brief Rzewuski’s, in welchem eine sehr anziehende Schilderung desselben über die berühmte Wohlthäterin des Orients, Lady Esther Stanhope, und nebenbei einige Andeutungen über seine Reisen im Orient enthalten sind. Im Uebrigen führte der Graf daselbst ein sehr verschwenderisches Leben und soll über eine Million Gulden verausgabt haben. Die Orientalen, die sich sein Geld gern gefallen ließen, ehrten ihn dadurch, daß sie ihm die Ehrenwürde eines Emirs verliehen. Wann der Graf in seine Heimat zurückgekehrt, darüber fehlen alle Angaben. Aber im Jahre 1825 befand er sich auf einer seiner Besitzungen in Podolien mit seinem Marstall arabischer Pferde und seinem Gefolge von Kosaken, deren Abgott er war. Dort durchzog er die Steppen; nächtigte nicht selten unter freiem Himmel und suchte, wie eine der Quellen berichtet, nach Schätzen, im Wahne, deren gewiß zu finden. So erschien er oft mit seinem ganzen Gefolge bei den ihm befreundeten, nicht selten ziemlich fernen Edelleuten, packte die Zelte aus und war immer ein willkommener [355] Gast. Wenn er so da saß in seiner orientalischen Tracht, mit dem langen silbernen Barte, war er bald die Seele der Gesellschaft, welche er mit feinem französischen Witze, mit seinen mannigfaltigen Kenntnissen, mit den Liedern, die er unter Pianobegleitung vortrug, und mit den Berichten über seine denkwürdigen Erlebnisse im Orient auf das angenehmste unterhielt. Sein musikalisches Talent wurde allgemein gerühmt und er galt als ein ganz besonders ausgezeichneter Musikdilettant seiner Zeit. Er arbeitete mit an den Compositionen zu den historischen Gesängen von Niemciewicz, und die Musik zu dem Gedichte Ladislaus von Varna stammt von ihm. Im Jahre 1817 schrieb er auch eine Requiem-Messe auf den Tod des berühmten Thaddäus Czacki. Ueberdieß componirte er mehrere Romanzen mit Pianobegleitung. Als im Jahre 1830 der polnische Aufstand ausgebrochen war, fand auch er sich mit einer Abtheilung auf dem Kampfplatze ein. Mit einem Male war er verschwunden. Im Gefechte bei Daszow (im Mai 1831) war er zum letzten Male gesehen worden. Dann fand sich auch nicht eine Spur von ihm und dieses sonderbare Ende bei seinem abenteuerlichen Leben gab zu den mannigfaltigsten Gerüchten Anlaß. Erst nach vielen Jahren gelang es den sorgfältigsten Nachforschungen der Familie, den wahren Sachverhalt zu entdecken. Als nämlich gegen das Ende des Aufstandes von allen Seiten gegen die Rebellenhaufen Jagd gemacht wurde, ist R., wie es den Anschein hat, von seinem eigenen Diener erschlagen, beraubt und eingescharrt worden. Außer den bereits erwähnten Fundgruben des Orients gab R. noch heraus: „Lettres à M. M. les collaborateurs de Mines de l’Orient“ (Warschau 1817, 8°.) und „Podróż do Palmiry z zastanowieniem się nad wiatrem, Samum zwanym w pustyni tej panujacym, d. i. Reise nach Palmyra mit Rücksicht auf den in der Wüste herrschenden Wind Samum, abgedruckt im zweiten Bande des Jahrgangs 1821, S. 416, des Wilnaer Tagblattes (Dziennik wileński). Auch soll über die sehr reiche Bibliothek des Grafen ein gedruckter Katalog vorhanden sein. Wie schon bemerkt, war R. seit 1805 mit Alexandra Rosalia geb. Prinzessin Lubomirski verheirathet. Aus dieser Ehe stammen vier Kinder, eine Tochter Callista, vermälte römische Fürstin Caetani (nach Anderen Teani), und drei Söhne, Stanislaus, im Alter von 22 Jahren gestorben, Leon, dessen Biographie S. 346 mitgetheilt ist, und ein dritter, der durch eine Tscherkessenkugel im Kaukasus fiel.

Encyklopedija powszechna, d. i. Allgemeine (polnische) Encyklopädie (Warschau 1864, Orgelbrand, gr. 8°.) Bd. XX, 3. 658. – Przyjaciel domowy, d. i. der Hausfreund (ein Lemberger Volksblatt, 4°.) 1857, Nr. 43: „Manuskrypt Wacława Rzewuskiego“ [ein aus dem Nachlasse Rzewuski’s stammendes Manuscript, das vornehmlich Nachrichten über die berühmte Lady Esther Stanhope und auch spärliche biographische Notizen über den Grafen selbst enthält]. – Cieszetwski (Karol), Obrazy i skice, d. i. Bilder und Skizzen (Lemberg 1861, 8°.) Bd. I, S 148. – Allgemeine (Halle’sche) Literatur-Zeitung 1814, Nr. 106–109.