BLKÖ:Laroche, Johann

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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La Roche, Karl
Band: 14 (1865), ab Seite: 161. (Quelle)
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Laroche, Johann, bekannt unter dem Theaternamen Kasperl (Schauspieler, Geburtsort und Jahr unbekannt, gest. zu Wien im Jahre 1807). Ueber die Herkunft und die früheren Schicksale dieses Menschen, der in der Geschichte des deutschen, vornehmlich aber des Wiener Theaters, einen eigenen Abschnitt bildet, ist nichts bekannt. Er tritt meteorartig in den Vordergrund, als der Hanswurst von der Wienerbühne verbannt worden. Laroche brachte an die Stelle des zu Grabe getragenen Hanswurst den Kasperl, eine so drastische Carricatur, daß das Leopoldstädter Theater, in welchem Laroche den Kasperl spielte, durch ein halbes Jahrhundert das Kasperltheater hieß, daß das Wort Kasperl in Wien sprichwörtlich wurde und man selbst die ehemaligen Viertelkronenthaler oder Vierunddreißigkreuzerstücke, weil man so viel für den Eintritt in das erste Parterre dieses Theaters zahlte, „Kasperle“ nannte. Laroche hatte dem Theaterdirector Marinelli, in dessen Truppe er spielte, zu seiner Wohlhabenheit verholfen, denn nur um ihn zu sehen und zu hören, rollten hunderte von Kutschen in die Jägerzeile, wo Marinelli bereits aus den Summen, die ihm Kasperl eingebracht, ein eigenes Schauspielhaus erbaut hatte. Kasperl erschien nun auf diesem Theater, und da ein regelmäßiges Schauspiel fest gegründet war, sich des Schutzes des Kaisers und der lebendigen Theilnahme der besseren Stände erfreute, so war für ein Abirren des Geschmackes nichts mehr zu besorgen; aber das Kasperltheater war für ein Publicum, das sich ergötzen wollte, eben so nothwendig geworden wie das höhere Schauspiel, für welches das Interesse in jenen Tagen immer mehr zunahm. Wie einst der [162] Hanswurst in keiner Posse fehlen durfte, so war jetzt mit dem Kasperl derselbe Fall und endlich mußte er selbst im Titel des Stückes seine bleibende Stelle haben. Am 25. October 1781 erschien: „Kasperl, der Mäusefallen- und Hechelkrämer“, und nun folgten nach einander: „Kasperls Schelmereien“; – „Kasperl Herr und Diener“; – „Kasperl der Hausherr in der Narrengasse“; – „Kasperl unter den Menschenfressern“; – „Kasperl als Mahomet“; – „Kasperl der Plauderer“; – Kasperl der Nachtwächter“; – „Kasperl das Original-Genie“; – „Kasperl bleibt Kasperl“; – „Kasperl als Amor“; – „Kasperl als Fagottist“; und als der „Don Juan“ für das Leopoldstädter Theater eingerichtet wurde, mußte, wenn man eine nachhaltige Wirkung erzielen wollte, der Leporello in einen Kasperl verwandelt werden. Die Mittel, deren sich Laroche bediente, um eine solche Anziehungskraft auf sein Publicum auszuüben, werden von einigen Zeitgenossen, welche diesem Capitel der Culturgeschichte ihre Aufmerksamkeit zugewendet, ziemlich übereinstimmend geschildert. „Laroche hatte wirklich zu seiner Rolle Gaben von der Natur: Eine wahre komische Pöbelsphysiognomie; eine Stimme die zum Hausknecht, Mandolettikrämer und Nachtwächter gestimmt ist. Seine Geberden, wenn das zu Uebertriebene vollends wegbliebe, sind zu der Rolle, die er spielt, immer passend; den schwätzenden Dümmling, den ungeschickten Recruten, den für seinen Neffen duldenden Oheim spielt er wirklich mit vieler Natur.“ Castelli, der ihn noch selbst gesehen, schildert ihn als einen gedrungenen Mann, von mittlerer Statur, mit lebhaften Augen und stark markirten Zügen. Alle seine Bewegungen waren eckig und wurden eben dadurch lächerlich; sein Dialekt war der gemeine Wiener Dialekt, nur sprach er ihn mehr breit als rund und hing oft an einzelne Worte, besonders an das Wort „Er“ ein a an, worüber man nicht wenig lachte. Außer der Bühne soll er ein ernster, ja verdrießlicher Mann gewesen sein, wie viele Komiker. Er extemporirte viel, aber meistens nur Spaßiges, niemals Witziges und der Beifall galt mehr dem Gesichterschneiden, den Lazzis und der geschickten Unbehilflichkeit, womit er sich zu benehmen wußte. Laroche schrieb auch und zwar gewöhnlich die Stücke für seine Einnahmen. Das waren dann immer förmliche Theaterereignisse; acht Tage zuvor wurden die Logen bestellt, und am Tage der Vorstellung drängte sich das Publicum in Haufen vor dem Schauspielhause. Alles wollte an diesem Tage dem Manne, der es das ganze Jahr mit seiner grotesken Laune ergötzt hatte, sein Schärflein beitragen. Die Gegengabe, welche dem Publicum Kasperl mit seinem Stücke dargebracht, war aber eine dramatische Ungeheuerlichkeit, die jedoch immer um so wirksamer war, von je kolossalerem Unsinn sie strotzte. Um an diese Thatsache zu glauben, gedenke man nur der Benefizen von Scholz, die ja in unsere Zeit fallen, und durch ihren Unsinn berüchtigt worden sind. Kasperl-Laroche verschwand mit einemmale von der Bühne des Theaters wie des Lebens. Er starb in den besten Jahren und seine Frau Regina, welche am 15. October 1843 starb, hatte ihn um volle 36 Jahre überlebt.

Realis, Curiositäten- und Memorabilien-Lexikon von Wien (Wien 1846, Lex. 8°.) Bd. 11, S. 96, unter dem Schlagworte „Kasperl“; S. 133, unter dem Schlagworte „Laroche“. – Austria. Oesterreichischer Universal-Kalender (Wien, Klang, gr. 8°.) IX. Jahrg. (1848), S. 187, im Aufsatze: „Die fünf Theater Wiens [163] von ihrer Entstehung bis zum Jahre 1847“. Von F. C. Weidmann. – Castelli (I. F. Dr.), Memoiren meines Lebens. Gefundenes und Empfundenes (Wien und Prag 1861, Kober u. Markgraf, 8°.) Bd. I, S. 249 [auch in der Wiener polit. Zeitung „Wanderer“ 1860, Nr. 149]. – Allgemeine Theater-Zeitung, herausg. von Ad. Bäuerle (Wien, 4°.) Jahrg. 1844, Nr. 47: „Die verstorbenen komischen Schauspieler Wiens“. – Frankl (Ludw. Aug.), Sonntagsblätter (Wien, 8°.) VI. Jahrgang (1847), Beilage „Der Wiener Bote“, Nr. 26, S. 217: „Physiologie des Kasperl. Von einem Zeitgenossen und Augenzeugen geschildert“. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1862, Nr. 115 [im Feuilleton].