BLKÖ:Rainer, Ludwig

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Rainer, Paul
Band: 24 (1872), ab Seite: 281. (Quelle)
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Rainer, Ludwig (Haupt der berühmten Zillerthaler Sängerfamilie, geb. im Zillerthale in Tirol am 18. Juli 1821). Ludwig R. ist der natürliche Sohn des Joseph Rainer und der Marie Rainer. Der Vater Ludwigs, Joseph R., gehörte einer anderen, auch im Zillerthale ansässigen Familie, Namens Rainer, an, wie denn überhaupt der Name Rainer ein im Zillerthale häufig vorkommender ist. Joseph Rainer ist ein Baderssohn, der von seinem Vater, dem alten Chirurgen, zur Strafe für sein Vergehen mit Marie Rainer nach Wien geschickt wurde. Marie Rainer ist aber die Tochter eines Metzgermeisters, Joseph Rainer, aus Fügen, gleichfalls im Zillerthale. Der Metzgermeister Joseph Rainer war selbst ein guter Tenorsänger und Vater von acht Kindern, sechs Knaben und zwei Mädchen. Von diesen Kindern waren fünf mit musikalischen Anlagen ausgestattet. Diese Kinder, darunter Felix, Anton, Joseph, Franz und Marie, arbeiteten theils im Hause, theils in der Fremde. Felix, der längere Zeit in der Schweiz als Knecht gedient, kam eines Tages heim, und erzählte, wie Tiroler Sänger überall gesucht und geehrt seien. Er selbst sei seines Knechtdienstes müde und sei nach Hause zurückgekehrt, um seine Geschwister abzuholen und mit sich als Sänger in die Fremde zu führen. Der Plan fand allgemeine Zustimmung und es wurde nun aus den Geschwistern Franz, Felix, Joseph und Marie, eben jene Marie, die sich mit dem Baderssohn Joseph Rainer vergangen und dem kleinen Ludwig das Leben gegeben, ein Quartett zusammengestellt, welches nun auf gut Glück in die Fremde zog, während der kleine Ludwig in der Heimat blieb und einer alten Färbermeisterin zu Zell in Wart und Pflege gegeben wurde. Seine Mutter Marie durchzog indessen mit ihren Geschwistern die Welt. Nach drei Jahren kehrten sie von ihrer Künstlerfahrt, die gut ausgefallen war, zurück und begaben sich, nach einem zweimonatlichen Aufenthalte in der Heimat, auf die zweite Reise, auf welcher sich Bruder Anton, der bei der ersten heimgeblieben, mittlerweile aber seine treffliche Baßstimme ausgebildet hatte, den Geschwistern anschloß. Auf dieser zweiten Reise kamen die Zillerthaler Sänger zum ersten Male nach England, wo sie an dem österreichischen Gesandten Fürsten Eßterházy einen mächtigen Gönner fanden. Durch denselben wurden sie dem Könige Georg IV. vorgestellt, der sie huldvollst aufnahm, längere Zeit in Windsor beherbergte, wodurch die Tiroler Sänger in London bald fashionable wurden, überall die freundlichste Aufnahme fanden und ganz ungeahnte Summen verdienten. Auch von dieser zweiten Fahrt kehrten die Tiroler zurück in die Heimat, wo sich in der Zeit Einiges verändert hatte. Mariens Geliebter, den sein Vater damals aus Strafe nach Wien geschickt hatte, mußte sich auf das Andringen seines alten Vaters mit einer reichen Pinzgauers Bauerntochter verheirathen. Nun war Marie Mutter [282] eines Kindes, des Knaben Ludwig, und ohne Mann. Aber da sie durch die Treulosigkeit ihres Geliebten nunmehr frei war, fand sich auch ein neuer Geliebter in Cassian Wildauer, der als Hausknecht beim Eignerwirth in Fügen diente und den nun Marie Rainer nach ihrer zweiten Rückkehr aus der Fremde heirathete. Nun wurde die dritte Fahrt angetreten, von welcher die Zillerthaler wieder nach drei Jahren heimkehrten. Marie blieb nun bei ihrem Gatten daheim, holte ihren Sohn Ludwig von seiner Wärterin, der Färbermeisterin in Zell, ab, und behielt ihn im Hause. Daselbst lebte der Knabe in Müßiggang, brachte auch einen Sommer auf der Alm zu – es wird hier auf die ausführliche, in den Quellen angegebene Darstellung von Ludwig Steub verwiesen – nach der Rückkehr von der Alm kam er auf die deutsche Schule nach Innsbruck, von wo er nach einiger Zeit in’s Elternhaus zurückkehrte, und eben zur Zeit, als sich die Geschwister Rainer zu einer vierten Reise, die dieses Mal wieder nach England ging, anschickten. Auch Ludwigs Mutter Marie war wieder mitgegangen. Indessen verlebte Ludwig bei seinem Stiefvater schlechte Tage, welche so lange dauerten, bis eines Tages seine Mutter von ihrer vierten Kunstfahrt, die sehr übel ausgefallen war, heimkehrte. Es waren nämlich in der Zwischenzeit viele „falsche Tiroler“ in England aufgetreten und hatten den anderen Zillerthalern das Geschäft so verdorben, daß diese, um nicht noch größeren Schaden zu erleiden, aber noch immer mit genug großem Verluste heimreisten. Ludwigs Mutter machte nun im Hause, in welchem Ludwigs Stiefvater und dessen Sippschaft in heilloser Weise geschaltet und gewaltet, Ordnung indem sie die Sippschaft aus dem Hause trieb, den Mann zu einem regelmäßigen Leben anhielt und auch über Ludwig ein heilsameres Regiment führte. Eine heitere Liebesepisode Ludwigs mit einer Wirthstochter, Namens Hannele, ferner eine Rettung im Jahre 1838 aus einer Lebensgefahr, bei welcher von der Fügener Schützencompagnie, in der sich auch Ludwig Rainer befand, 16 Schützen ihr Leben in Hall verloren, seine Vorstellung bei Erzherzog Johann und dann bei Kaiser Ferdinand; denen er als Augenzeuge das gräßliche Unglück der Fügener Schützen erzählen mußte, alles dieses berichtet in seiner anmuthigen Weise Ludwig Steub, auf den hiermit verwiesen wird, da diese Episoden für dieses Werk weiter keine Bedeutung haben. Ludwig Rainer war nun 17 Jahre alt und hatte noch nichts Ordentliches gelernt. Seine Cameraden verleiteten ihn zum Zechen und Müßiggehen, und weiß Gott, was unter solchen Umständen aus ihm noch geworden wäre, wenn es ein glücklicher Zufall nicht besser gefügt hätte. Ludwig besaß eine gute Stimme und ein Freund seines Elternhauses, Johann Masserer, der mit seinem Bruder Franz, dann mit Simon Halaus von Zell und Margaretha Sprenger von Kupferberg als Tiroler Sänger auf Reisen gewesen war, hatte Ludwig einmal in der Kirche auf dem Chore singen gehört. Masserer wendete sich an Ludwigs Mutter und forderte sie auf, ihm den Sohn Ludwig auf seine nächste Kunstfahrt mitzugeben. Die Mutter besann sich nicht lange, und nahm mit dem Bescheide: „Ja, wenn du glaubst, daß du mit dem leichtsinnigen Bürschlein etwas machen kannst, so nimm ihn nur mit – schlimmer kann er nimmer werden, als er ist“, den Vorschlag [283] an. Und so ging Ludwig Rainer mit Masserer und seiner Gesellschaft in die Welt. Er kam zuerst nach München, wo sie bei Herzog Maximilian von Bayern sangen und er noch kurzer Zeit sich achtzig Gulden erspart hatte, welche er seiner Mutter schickte mit den Worten: „Der Leichtsinnige lasse sie Alle schön grüßen und er sei jetzt schon ein besserer Mensch geworden“. Von München ging die Reise über Nürnberg, Bamberg, Kissingen, von da nach Würzburg, Frankfurt bis Bad Ems und von da wieder zurück nach Karlsruhe und Baden-Baden. Nun wurde die Heimreise angetreten. Nach einem längeren Aufenthalte in der Heimat Fügen nahm Ludwig das Engagement eines Franzosen, Namens Eugen Burnaud, an, der ihn und einige andere Fügener nach Amerika mitnahm. Die anderen waren Simon Halaus, Margaretha Sprenger und Ludwigs Base Helene Rainer. Der Aelteste unter ihnen zählte kaum 22 Jahre. Diese junge Gesellschaft, unerfahren und voll Vertrauen, wurde von dem französischen Abenteurer auf das Arglistigste betrogen. Als sie nach vierzehn Monaten endlich Abrechnung und Auszahlung ihres Verdienstes verlangte, war Herr Eugen Burnaud verschwunden und kam nicht wieder zum Vorschein. Die Zillerthaler saßen nun ohne Mittel, ganz verlassen zu New-Orleans; aber mit Hilfe einiger Schweizer Kaufleute gingen sie wieder unverzagt ihrem Berufe nach und errangen sehr schöne Erfolge, bis sie in Boston ein neues Mißgeschick befiel. Helene Rainer hatte sich heimlich mit einem Amerikaner versprochen und eröffnete den Andern erst wenige Tage vor der Hochzeit, daß sie aus der Gesellschaft treten werde. So standen die Verlassenen allein, ohne Sopran in der Welt. Glücklicher Weise aber fand sich bald ein hübscher irischer Knabe, in welchem Ludwig Rainer zufällig Anlage zum Jodeln entdeckt hatte. Es war gelungen, denselben zu gewinnen und nach einiger Zeit trat der irische Junge zu Boston mit den Zillerthalern als Tiroler Jodler auf und fand allgemeinen Beifall. Aber auch dieß dauerte nicht lange, nach einem halben Jahre schlug des Irländers feiner Sopran in eine Baßstimme um, die Gesellschaft war wieder in großer Noth. Sie schrieb nun in ihre Heimat Fügen und bat um Hilfe. Endlich kamen nach dreimonatlichem Warten zwei Zillerthaler in Halifax an, aber leider solche „die besser mit der Heugabel umzugehen wußten, als mit Alpengesang“. Nach so bitterer Enttäuschung blieb nichts übrig, als in die Heimat zurückzukehren. Trotz aller Mißgeschicke brachte doch damals jedes Mitglied sechstausend Gulden nach Hause. In der Heimat entschloß sich Ludwig Rainer zu heirathen, und zwar dieselbe Margaretha Sprenger, welche mit ihm in Amerika gewesen. Aber diese starb nach ihrer ersten Entbindung. Seine Jugendliebe Hannele hatte sich längst schon nach Wien verheirathet, wo sie Besitzerin einer großen Meierei und Milchwirthschaft war und wohl noch ist. Ludwig heirathete nun zum zweiten Male und kaufte das Hirschenwirthshaus in Rattenberg. Im Jahre 1848 zog er gegen Garibaldi und seine Schaaren als Schützenlieutenant nach Welschtirol. Als das Jahr 1831 und mit ihm die große Weltausstellung in London herankam, regte sich aber wieder eine tiefe Sehnsucht nach dem alten Wander- und Sängerleben in der weiten Welt in ihm. Auch Freund Halaus wollte nicht mehr zu Hause bleiben, und so stellten sie ein Quartett zusammen, welches sie nach [284] London führten. Das Unternehmen hatte den besten Erfolg; die Zillerthaler sangen sogar mehrere Male in Windsor Castle vor der Königin Victoria, dann traten sie in Schottland und Irland auf und der Name Rainer übte allenthalben seinen Zauber. Kaum zurückgekehrt, zog Ludwig R. nach Italien und im Jahre 1855, von Graf Morny eingeladen, zur Weltausstellung nach Paris, wo er und seine Gesellschaft sich öfter in den Tuilerien hören ließen. Von Paris wandten sich Rainer’s nach dem Norden und sangen an den scandinavischen Höfen. Im J. 1858 nahm Ludwig Rainer ein langes Engagement in St. Petersburg und blieb gegen zehn Jahre dort. Da auch seine zweite Frau gestorben, so vermälte er sich im Jahre 1865 am Newastrande zum dritten Male, und zwar mit Anna Prantl, der Wirthstochter in Margreten, einem Dorfe in der Nähe von Schwaz. Das war eine großartige Hochzeit und mußten sämmtliche geladene Gäste, mehrere Hundert an der Zahl, in Tiroler Tracht erscheinen. Die schöne Feier ist in der „Tiroler Volks- und Schüren-Zeitung“ 1865, Nr. 153, S. 798, beschrieben. Aus Rußland zog den Sänger Rainer 1868 das Wiener Schützenfest heraus. Er blieb mit seiner Gesellschaft sechs Monate in der Kaiserstadt an der Donau, bereiste dann Ungarn, Siebenbürgen, das Land der Walachen und drang sogar in die Türkei vor. Im Jahre 1869 sang die Gesellschaft in München und im August 1870 in Steiermark, wo Schreiber dieser Zeilen sie in Graz hörte, mit ihnen in einem Hotel, beim Elephanten, wohnte und ein paar angenehme Stunden in ihrer anregenden Gesellschaft zubrachte. Die freie Zeit, welche Ludwig Rainer zwischen hinein in seiner Heimat verlebte, hatte er rührig benützt, um am Achensee, nicht weit von der bekannten Scholastica, einen neuen Gasthof zu gründen, der seit 1868 eröffnet ist. Während Ludwig R. mit seiner mittlerweile auf mehr als 15 Personen angewachsenen Gesellschaft in den europäischen Hauptstädten Zillerthaler Lieder singt, waltet seine Gattin Anna, geb. Prantl, als züchtige Hausfrau jetzt von den Gästen des Achenthals nicht minder hochgestellt als freundliche, tüchtige Wirthin, wie vordem vor Russen und Tartaren als kunstreiche Jodlerin. Ueberdieß hat Ludwig Rainer in die Wirthsfamilie Prantl zu Margreten, aus welcher er sich seine Anna als Hausfrau mitgeführt, die Liebe zum Gesange, den Unternehmungsgeist und die Thatenlust gebracht und sich dort eine blühende Pflanzschule angelegt, so daß er immer drei oder vier Kinder des Hauses in seinem musikalischen Gefolge mit sich führen konnte. So waren Anna, Therese, Isabella und Alois Prantl mit ihm nach Rußland gegangen, haben sich dort jahrelang in St. Petersburg, Moskau und in anderen Städten aufgehalten und Therese Prantl reiste noch im Jahre 1870 als Directrice einer Tiroler Sängergesellschaft in Rußland, wo sie bereits bis nach Nischnei Nowgorod vorgedrungen war. In Margreten besitzt Ludwig Rainer ein kleines Familien-Museum, wo er alles zusammengestellt hat, was er und die Familie Prantl von ihren Reisen als Erinnerungen und Andenken mitgebracht: Bilder, Photographien, Kränze, Bänder, Fahnen und allerlei, mitunter sehr werthvolle Geschenke.

Die Gartenlaube. Illustrirtes Familienblatt (Leipzig, E. Keil’s Verlag, gr. 4°.) 1870 S. 798, 821 u. 839: „Eine Zillerthaler Sängerfamilie“. Von Ludwig Steub; 1872, S. 91 u. 107: „Die Anfänge der Geschwister Rainer“, von Ebendemselben. – [285] (Steub (Ludwig), Drei Sommer in Tirol (München, 8°.) S. 543. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt, Fol.) 1865, Nr. 477: „Eine Tiroler Hochzeit in St. Petersburg“. – Buch der Welt (Stuttgart, bei Hoffmann, 4°.) Jahrg. 1867, S. 240, im Artikel: „Zell am Ziller“. – Die Illustrated London News enthalten im Jahrgange 1851 eine Bildnißgruppe der „The Tyrolese Minstrels“, in welcher Ludwig Rainer und seine damalige Gesellschaft ziemlich ähnlich abconterfeit sind.