BLKÖ:Stichlberger, Max

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Stich, Johann Wenzel
Band: 38 (1879), ab Seite: 340. (Quelle)
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Stichlberger, Max (Schriftsteller, geb. zu Rattenberg in Tirol am 28. Februar 1841), der Sohn eines Buchbinders in Rattenberg. Die Familie lebte in Ausübung ihres Gewerbes im Anbeginne in ganz günstigen Verhältnissen, welche erst, als die Zahl der Kinder wuchs und auch die Zeiten schlechter wurden, sich allmälig drückender gestalteten. So geschah es denn, daß Max, der bereits die Schule besuchte, aus derselben genommen und in die väterliche Werkstätte gestellt wurde, wo er als verläßlicher und billiger Gehilfe dem Vater zur Hand war. Das aber war dem Knaben, der, wenn er auch noch nicht vom Baume der Erkenntniß genossen, doch den Unterschied zwischen geistiger Ausbildung und mechanischem Tagewerke zu würdigen gelernt hatte, nichts weniger denn angenehm und er wollte die Bücher alle, welche er zu falzen und zu heften hatte, lieber lesen. Nun, die Zeit dazu wußte er sich trotz der einförmigen und ununterbrochenen Arbeit doch zu schaffen, und es ließe sich kaum aufzählen, was er damals Alles – nicht las – sondern verschlang. An eine Wahl war natürlich dabei nicht zu denken, denn der Stoff flog ihm von den Kunden ins Haus, die alles Erdenkliche, Vernünftiges und Albernes, Neues und Altes, Belehrendes und Aufregendes in die Werkstatt brachten. Ein Servitenpater, Franz Sales Benedetti, hatte in dem aufgeweckten Knaben den strebsamen Geist erkannt und endlich bei den Eltern die Erlaubniß erwirkt, daß Max das Untergymnasium Innsbruck besuchen durfte. Aber dieses Glück sollte nicht lange dauern. Max hatte zwei Jahre das Gymnasium besucht, [341] als er wieder in die väterliche Werkstätte zurückkehren mußte, in welcher alle seine Ideale und Zukunftsträume im Kleistertopfe untergingen. Zum Glücke nicht für immer. Mit Widerstreben fügte sich der Jüngling diesem Gebote, aber der einmal gesäete Samen ließ sich nicht vollends ersticken. Er falzte und heftete und band Bücher, aber er las und nur mit mehr Wahl, mit größerer Aufmerksamkeit und bildete sich selbst geistig weiter fort. Wie er selbst in einem Briefe an einen seiner Gönner schreibt: er schöpfte aus dem Jungbrunnen der Classiker und keine wichtigere Erscheinung der neuen Literatur entging ihm. Niemand ahnte, nur die Mutter wußte es, daß hinter der pappigen Schürze ein Dichterherz steckte. Wir sagen, nur die Mutter, denn diese war sein ganzes Lesepublicum, sie hatte er, wie er schreibt; „gar viel mit seinen Gedichten gequält“. Nun war er siebzehn Jahre alt geworden und als die Lehrjahre überstanden waren, sollte er auf die Wanderung gehen. So schritt er denn im Jahre 1858, den stattlichen Berliner am Rücken, vor die Thore von Rattenberg hinaus in die Fremde, überschritt die Grenze Tirols und kam nach Salzburg, wo er einige Monate bei einem Meister arbeitete; darauf ging er nach Bayern, arbeitete wieder einige Monate in München und von da kam er nach Wien, wo er ein paar Jahre verweilte. Diese Wanderung hatte ihn erfahrener, reifer gemacht und auch das Dichtertalent – denn vom „Dichtern“ konnte er nun einmal nicht lassen – gezeitigt. Doch war dieses Sinniren in Wort und Reim nunmehr zu einem stillen harmlosen Vergnügen geworden; was er damals in sein Tagebuch niederschrieb, blieb in demselben verborgen, Niemand wußte von seinem Schaffen, Niemand las er vor, was er in seinen Weihestunden schuf. Als aber G. Obrist – wohl ein Bruder des Stanzer Gärtners Hans Obrist, der im Jahre 1848 die zu Innsbruck im Jahre 1850 wiedergedruckten Zeitbilder „Zither und Pflug“ veröffentlichte – im Jahre 1865 die periodische Schrift „Die Dorflinde“ herauszugeben begann und Stichlberger schon nach einigen Nummern die Wahrnehmung machte, daß an diesem Blatte nur junge Kräfte aus dem engeren Vaterlande mitarbeiteten und die Redaction bei Aufnahme der Beiträge mit nicht zu großer Strenge vorging, da beherzigte Stichlberger weniger das erste als das zweite Wort des Spruches „Wieg’s! wag’s! und ohne erst sein Werk weiter zu erwägen, wagte er dessen Einsendung und halte bald die Freude, sich mit einer von ihm bearbeiteten Volkssage gedruckt zu sehen. So war denn Stichlberger erst großjährig und zu gleicher Zeit Schriftsteller geworden. Das Eis war gebrochen, alles weitere Bedenken war geschwunden und fortan wanderten seine Arbeiten nach Wien, Stuttgart, Leipzig, Gera und fanden freundliche Aufnahme. Auf seinem Arbeitstische, schreibt er an einen Freund, lagen neben dem Kleistertopfe immer auch Papier und Feder, so daß in dem Maße, als eine zu bindende Bücherpartie ihrer Vollendung entgegenging, auch eine Novelle ihrem Schlusse entgegenschritt. Neben novellistischen Arbeiten veröffentlichte er dann und wann im „Innsbrucker Tageblatt“ Gedichte und politische und nicht politische Correspondenzen in Wiener Blättern oder im „Tiroler Boten“. Endlich aber sollte die Stunde der Erlösung von Heftlade und Preßbengel kommen, als er im Juli 1873 die Redaction der „Bozener Zeitung“ übernahm, zu der er wiederholt und auf das Eindringlichste [342] aufgefordert worden war. In dieser Stellung ist der ehemalige Buchbinder noch zur Stunde thätig. Von seinen bisher in die Oeffentlichkeit gelangten novellistischen Arbeiten sind mir bekannt geworden: in C. Amthor’s[WS 1]Alpenfreund“ außer mehreren Schilderungen aus der Umgebung von Rattenberg die Erzählungen: „Der Adjutant des Sandwirths“ und „Lutherische Leute“; – in H. Schönlein’s in Stuttgart herausgegebenen „Blättern für den häuslichen Kreis“ die Erzählungen: „Der Paria des Dorfes“; – „Der Geldteufel“ und „Der graue Teufel“; – im Feuilleton der „Bozener Zeitung“ die zwei längeren Erzählungen: „Gefunden und verschwunden“; – „Die Braut des Seemüllers“ und die kleineren Novelletten: „Aus der Rohrmühle“; – „Der Schloßbauer“; – „Der Ganglalppfarrer“ und „Der Einsiedl“.

Presse (Wiener polit. Blatt) 1871, Nr. 25, im Feuilleton: „Wanderungen in Tirol. I. Rattenberg“. Von Ludwig Steub.

Anmerkungen (Wikisource)