BLKÖ:Zimmermann, Ludwig Richard

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 60 (1891), ab Seite: 128. (Quelle)
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Zimmermann, Ludwig Richard (Journalist, geb. zu Alsfeld in Hessen-Darmstadt, Geburtsjahr unbekannt, dürfte aber in das erste Viertel des laufenden Jahrhunderts fallen, gest. 1887). Er kam frühzeitig nach Oesterreich, wo er in die kaiserliche Armee trat. Vielleicht ist er identisch mit Ludwig Zimmermann, welcher 1843 der jüngste Cadet bei Kaiser-Infanterie Nr. 1 war. Er wurde Officier. Die strenge Disciplin, der er sich als Cadet fügte – wahrscheinlich um dadurch seine Beförderung zu beschleunigen – war nicht ganz nach dem Sinne des Officiers, der im vormärzlichen Gamaschenzwange sich öfter so unbehaglich fühlte, daß es zu Reibungen mit seinen Vorgesetzten kam, die ihm endlich das goldene Porteépeé verleideten und ihn veranlaßten, seine Charge zu quittiren. Doch zu sehr eine soldatische Natur, um mit dem Verlassen der kaiserlichen Armee auch den Kriegerstand aufzugeben, trat er in die neapolitanische Armee. In derselben hatte er nicht so sehr das Bewußtsein der Abhängigkeit; jeder Commandant besaß vielmehr fast unumschränkte Macht, war Niemandem verantwortlich, als sich und seinem Gewissen und durfte ungestraft auf eigene Faust hin thätig sein. Als die italienische Revolution die einzelnen italienischen Regierungen und auch das Königreich Neapel stürzte, hielt der zum Major beförderte Zimmermann am Könige Franz II. fest und ging zum Brigantenthum über, welches in den Provinzen Terra di lavoro, Abruzzo ulteriore 1 und 2, Abruzzo citeriore, Molise, Capitanata und Basilicata die Sache des Königs zu der seinigen erhob und weil es kein geschlossenes Ganze bilden konnte, in einzelnen Guerillahaufen nur um so hartnäckiger focht und den Truppen der neuen italienischen Regierung lange und viel zu schaffen machte. Zimmermann wurde Brigantenchef, und in den von ihm im Selbstverlag zu Wien 1864 herausgegebenen „Erinnerungen eines ehemaligen Brigantenchefs“, von denen aber nur der erste Theil erschien, gibt er ein lebendiges Bild der dortigen Verhältnisse und seiner eigenen ziemlich abenteuerlichen Erlebnisse, die mit Situationen à la Casanova gewürzt sind. Als endlich die Sache des Königs Franz II. nicht mehr zu halten war, und er auch den Boden in Neapel unter seinen Füßen nicht mehr für ganz sicher hielt, verließ [129] er Neapel und kehrte nach Oesterreich zurück. Seiner ursprünglichen Absicht, sich der Publicistik zu widmen, traten mehrfache Hindernisse entgegen, in den damaligen politischen Verhältnissen des Kaiserstaates war ein Publicist vom Schlage Zimmermann’s selbst den Zeitungen nicht willkommen, und da er sich ohne alle Subsistenzmittel befand, sah er sich gezwungen, in Privatdienste zu treten; so kam er, wenn ich nicht irre, zur Südbahn. Daselbst lebte er längere Zeit unbeachtet, nur mit dem Volke verkehrend, dessen Gebahren, Verhältnisse er beobachtete und studirte, so den Grundstein seiner späteren Thätigkeit legend. 1864 machte er für ein militärisches Journal den Feldzug in Schleswig-Holstein mit, 1866 ging er als Kriegscorrespondent nach Böhmen. Im Jahre 1867 begründete er in Graz das radicale Journal „Freiheit“, und nun beginnt die Leidensgeschichte des Journalisten. Das Motto des Blattes lautete: „Unversöhnlichen Kampf der Gewalt, dem Betrug und der Dummheit; unvergängliche Treue der Freiheit, Ehr und Vernunft“, und die Sprache, welche er in Aufrechthaltung dieses Mottos führte, brachte ihm Preßprocesse – er mag wohl fünfzig Mal innerhalb dreier Jahre vor den Geschwornen gestanden sein – Verwarnungen, Haft und konnte schließlich nach den damals bei uns obwaltenden Rechtsanschauungen nichts Anderes als die Ausweisung Zimmermann’s zur Folge haben, der überdies kein österreichischer Staatsbürger war, und dessen Gesuche um Erlangung der Staatsbürgerschaft abschlägig beschieden worden waren. Diese Ausweisung erfolgte mit Statthaltereibeschluß ddo. Gratz 24. Jänner 1871. Zimmermann wurde über die Grenze gebracht, kam nach Passau und schleuderte von dort noch energischen Protest gegen dieses Vorgehen. Ueber seine ferneren Geschicke aber sind wir in völliger Unkenntniß. Von seinen Schriften kennen wir noch: „Lose Skizzen aus dem österreichischen Soldatenleben“ (Gratz 1866, 8°.) und „Pfaffenpeitsche. Sammlung anticlericaler Aufsätze aus der Zeitschrift: Freiheit“ 1. und 2. Bd. (Braunschweig 1876, 8°.; auch wiederholt aufgelegt).

Gratzer Volksblatt, 1868, Nr. 99. – Dasselbe. Beil. zur Nr. vom 10. April 1868: „Ein Bischen Kriegsgeschichte. Herrn Ludw. Rich. Zimmermann freundlichst gewidmet vom „deutschen Landsknecht“. – Neues Wiener Tagblatt, 1870, Nr. 40, Nr. 111 in der polit. Rundschau, Nr. 248: „Geschwornengericht in Gratz“. – Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1871, Nr. 2305, 2307, 2308. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1871, Nr. 31: „Affaire Zimmermann“; Nr. 41.
Porträt. Holzschnitt im „Kikeriki“ 1871, Nr. 8. Ueberschrift: „Dr. Zimmermann und sein merkwürdiger Lorberkranz“ [dieser besteht aus lauter Papierblättern mit den Aufschriften: Straferkenntniß, Strafantritt, Urtheil, Vorladung, Ausweisung u. s. w.].