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BLKÖ:Oettingen-Wallerstein, Philipp Karl Graf

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 21 (1870), ab Seite: 27. (Quelle)
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Oettingen-Wallerstein, Philipp Karl Graf (Staatsmann, Ritter des goldenen Vließes, geb. auf dem Stammschlosse seiner Ahnen Wallerstein 8. Februar 1759, gest. zu Wien 16. December 1826). Ein Sohn des damals regierenden Reichsfürsten Philipp Karl zu Oettingen-Wallerstein aus dessen Ehe mit Juliane Karoline, gebornen Reichsgräfin von Oettingen-Baldern. Ursprünglich für den geistlichen Stand bestimmt, wurde der Graf schon frühe als Domizellar in das Capitel des Erzstiftes Cöln [28] aufgenommen. Als sich aber Neigungen und Talente entwickelten, wurde dieser Plan aufgegeben und der junge Graf kam nach Wien, wo er im herzoglich Savoyischen Stifte seine wissenschaftliche Ausbildung erhielt. Nachdem dieselbe beendet war, ging er auf Reisen und nach seiner Rückkehr von denselben begann er das gewählte Geschäftsleben in der Eigenschaft eines kais. Reichshofrathes. In kurzer Zeit wurde er zum katholischen Präsidenten am Reichskammergerichte zu Wetzlar befördert, wurde dann Reichskammerrichter und darauf als Präsident des Reichshofrathes nach Wien berufen. In dieser Stellung erlebte der Graf die Auflösung der ehemaligen deutschen Reichsverfassung und wurde nun als Präsident an die Spitze des in der Monarchie bestehenden obersten Gerichtshofes berufen. Ueberdieß wurde der Graf mit den Insignien des goldenen Vließes ausgezeichnet, im Verlaufe seiner weiteren Dienstleistung zum kais. kön. Staats- und Conferenzminister ernannt und ihm zuletzt auch die Würde des Obersthofmarschalls verliehen. So hatte denn der Graf nacheinander die höchsten Würden in der Justizverwaltung des deutschen Reiches sowohl als der österreichischen Monarchie bekleidet. Als Staatsmann das oberste Richteramt ausübend, stand er seines allgemein gekannten Gerechtigkeitssinnes bei Hoch und Nieder in höchster Achtung, „Quod aequum et justum est“ war sein Wahlspruch und sein ehemaliger Hausarzt, Hofrath Schultes hat im Nekrologe eine interessante Charakteristik dieses „Aristokraten von reinstem Wasser“ entworfen. Als die Ereignisse der Revolution ihn um einen großen Theil seiner Einkünfte gebracht, war er Anfangs genöthigt, Schulden zu machen, um nur einigermaßen seinem Stande entsprechend leben zu können. Um in der Folge diese Schulden zu bezahlen, versagte er sich seine einzigen Erholungen: Spazierritte und Musik. Als ihm der Arzt das Bedürfniß des Reitens zur Erhaltung seiner Gesundheit vorstellte, erwiederte er: „ich wollte wohl reiten, aber ich will nicht, daß andere auf mir reiten“. So wurden denn Reit- und Kutschenpferde verkauft und dann auch seine reiche Musikalien-Sammlung, die auf mehr denn 10.000 fl. geschätzt wurde. „Als Präsident der obersten Justizstelle im Kaiserthum muß ich, sagte er eines Tages, als man ihm diese Strenge gegen sich selbst vorhielt, doch meinen Parteien zeigen, wie sie ihre Schulden zahlen und den Gerichtshof vermeiden können“. Er spielte Violine, Violoncelle und das Clavier mit Virtuosität. „Wenn man uns Aristokraten davonjagt, sagte er eines Tages, so nehme ich meine Violine oder mein Violoncell und die Sansculottes werden am Ende doch tanzen müssen, wie ich will.“ Dabei war er von einer Herzensgüte ohne Gleichen beseelt. Sein Arzt hatte das Recht, von der Casse des Grafen für arme Kranke nach Belieben Gebrauch zu machen. Als dieß einmal durch längere Zeit nicht der Fall war, rief er dem Arzte zu: „Du bist ein schlechter Doctor, du bringst zu wenig Leute um, sonst würdest du für Witwen und Waisen kommen, wenn du für Kranke nichts brauchst“. Alle Schnurpfeiferien und Spitzfindigkeiten aus dem Grunde seiner Seele verachtend, durchschaute sein feiner Verstand sehr bald die Kunstgriffe der Rabulisten unter seinen Räthen, aber sein strenges Rechtlichkeitsgefühl ließ es nicht zu, daß, so lange er an der Spitze des obersten Gerichtshofes stand, jene summa justitia geübt worden, [29] die nicht selten zur summa injuria ausartet. So blieb bei O. der offene Justizmann immer in unzertrennlicher Verbindung mit dem inneren Menschen und erhielt in allen Verhältnissen des Lebens seinen Charakter fleckenlos. Der Graf starb im Alter von 67 Jahren, er war unvermält geblieben.

Wiener Zeitung 1827, Nr. 15: „Nekrolog“ – ’’Neuer Nekrolog’’ der Deutschen (Ilmenau (vormals Weimar), Bernh. Fr. Voigt, kl. 8°.) IV. Jahrg. (1826), 2. Theil, S. 718, Nr. LXVIII. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV, S. 104.