BLKÖ:Petzmayer, Johann

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Nächster>>>
Petzold und Petzolt
Band: 22 (1870), ab Seite: 152. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Johann Petzmayer in der Wikipedia
Johann Petzmayer in Wikidata
GND-Eintrag: 116138335, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Petzmayer, Johann|22|152|}}

Petzmayer, Johann (Zither-Virtuos, geb. zu Wien im Jahre 1803, nach Anderen erst 1810). Der Sohn eines Gastwirthes in Neulerchenfeld bei Wien, war er zum väterlichen Geschäfte bestimmt. Als er schon 18 Jahre alt war, bekam er zufällig eine gewöhnliche Zither in die Hand, versuchte, unkundig der Noten, deren Kenntniß er auch später sich nicht angeeignet, darauf zu spielen und gewann für das Instrument eine solche Vorliebe, daß er damit den größten Theil des Tages verbrachte und mit solchem Erfolge, daß sein väterliches Haus einen merklichen Zulauf von Gästen gewann, die den unter dem Namen „Heiligen-Jean“ in Wien immer bekannter werdenden Zitherspieler sehen und hören wollten. In Folge seines Rufes mußte er sich bald in den Häusern des hohen Adels hören lassen, ja Se. Majestät der Kaiser selbst beschied ihn vor sich und fand an den ebenso originellen Liedern, wie an der vortrefflichen Vortragsweise des jungen Zitherspielers Gefallen. Diese allseitige Ermunterung bestimmte P., jede andere Beschäftigung aufzugeben und sich ausschließlich auf das Zitherspiel zu verlegen. Dieses Instrument wurde schon von mehreren, die es mit Virtuosität spielten, verschiedenen Operationen unterzogen, um es aus der untergeordneten Stelle, die es im Reiche der Töne einnimmt, zu einiger Bedeutenheit zu erheben. Es hat aber damit sehr große Schwierigkeit. Der Zither sind sehr enge Grenzen gezogen, wenn sie aber durch Verbesserungen diese Grenzen überschreitet, verliert sie ihren eigenthümlichen Charakter, ohne jedoch irgend eine musikalische Bedeutung sich errungen zu haben. Anfänglich spielte P. die Schlag-Zither, die in den bayerischen und österreichischen Gebirgsgegenden zur Begleitung [153] der wehmüthigen Gesänge dient, welche die in der einsamen Gebirgswelt den Sommer verlebenden Senner und Sennerinen in ihrer Sehnsucht nach dem bevölkerten flachen Lande ertönen lassen. Dieses einfache Instrument sagte unserm P., je mehr er sich im Spiele vervollkommnete, nicht mehr zu und auch er formte sich ein handsameres, wirksameres, die sogenannte Streich-Zither. Es ist dieß ein herzförmig gestalteter, mit drei Stahlsaiten bezogener Schallkörper, der gleich den drei obersten Violinsaiten gestimmt und mit einem gewöhnlichen Violinbogen gestrichen wird, jedoch einen von diesem Instrumente ganz verschiedenen und mit keinem anderen vergleichbaren Tone erzeugt. Dadurch büßte die Zither ihren ursprünglich einfachen Charakter nicht ein, wie dieß der Fall, wenn man die Zahl ihrer Saiten von 17 auf 30 und mehr erhöht. Auf der obbeschriebenen Streichzither vervollkommnete sich P. in so vollendeter Weise, daß er sich im Jahre 1833 zu einer Kunstreise entschloß – er war der Erste, der sich als Virtuos auf der Zither hören ließ – auf welcher er die meisten norddeutschen Höfe und auch andere größere Städte, wie Breslau, Berlin, Hamburg, Bremen, Leipzig, Prag, Mainz und Frankfurt besuchte und überall große Anerkennung fand. Alles staunte, mit welcher Meisterschaft P. dieses fast unbekannte Instrument behandelte. Er haucht ihm eine lebendige Seele ein, die bald tändelt und scherzt, liebt und schwärmt, schmollt und zürnt, in raschen Uebergängen zur Freude, Wehmuth, Rührung stimmt. Die mechanische Gewandtheit vergißt man über der Wärme der Phantasie. Anfänglich hatte P. sein Spiel von Natursängern, von Violine und Guitarre begleiten lassen, später trat er in vollkommener Orchesterbegleitung auf. Als im Frühlinge 1837 P. zu Bamberg in einem Concerte spielte, hörte ihn der Herzog Maximilian in Bayern und fand an dem Spiele und überhaupt an dem Instrumente solches Gefallen, daß er selbst es zu erlernen beschloß und Petzmayer’s Schüler wurde. Seitdem gehört P. zum Gefolge des Herzogs, den er auf seinen Besuchen an Fürstenhöfen und auf seinen Reisen, oft in ferne Länder, begleitet. Vortheilhafte Anträge, die ihm Strauß von Paris und London gemacht, lehnte er ab, er blieb Kammervirtuose des Herzogs, welchen Titel derselbe ihm verliehen hatte. In dieser Eigenschaft begleitete er auch den Fürsten auf seiner merkwürdigen Reise nach Afrika und Asien. Andere Kunstreisen unternahm er seither nicht, nun folgt er alljährlich seinem Fürsten in die beliebteren Bäder, wo die von ihm veranstalteten Concerte zu den glänzendsten der Saison gerechnet werden. Zu jener Zeit, als er mit seinem Instrumente concertirte, gab es noch keine Auswahl von Compositionen für dasselbe, und so war er gezwungen, das Gehörte nachzuspielen oder eigene Werke vorzutragen Unter letzteren befinden sich Variationen über verschiedene Themata aus beliebten Opern, Potpourris, Walzer, Divertissements über ungarische Melodien und Steirerlieder u. dgl. m. Mehreres davon, unter anderen seine Compositionen auf der egyptischen Reise sind im Drucke erschienen. Noch sei bemerkt, daß sein[WS 1] Beiname „Heiligen-Jean“, mit dem er in der ersten Zeit seines öffentlichen Auftretens in Wien gewöhnlich bezeichnet zu werden pflegte, und der sich von dem einstigen Besitzthume eines Gasthauses in Neulerchenfeld ableitet, irrthümlich zu, „Heiling-Jean“ und gar zu „Heiligenschein“ entstellt wurde. Auch hat P. auf seinem [154] Instrumente zahlreiche und darunter ganz ausgezeichnete Schüler herangebildet.

Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber kl. Fol.) XXI. Bd. (1853), S. 333. – Schilling (G. Dr.). Das musikalische Europa (Speyer 1842, F. C. Neidhard, gr. 8°.) S. 265. – Sammler (Wiener Unterhaltungsblatt, 4°.) Jahrg. 1839, S. 111. – Allgemeine Wiener Musik-Zeitung, herausg. von Dr. Aug. Schmidt (4°.) IV. Jahrg. (1844), Nr. 118, S. 472; – dieselbe 1847, S. 300. – Der Freischütz (Hamburger belletristisches Blatt, 4°.) 1839, Sp. 119. – Gaßner (F. S. Dr.), Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Köhler, Lex. 8°.) S. 683 [daselbst heißt es: „was Paganini auf der Violine, ist Petzmayer auf seinem Instrument“, damit ist wohl Alles gesagt] u. S. 913 [m Artikel „Zither“]. – Porträte. 1) Lith. von Correns (München, Mey u. Widmayer, Fol.); – 2) Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen in der Illustrirten Zeitung 1853, Nr. 542, S. 334.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: seine.