BLKÖ:Skarbek, Stanislaus Graf

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Skąpski, Franz
Band: 35 (1877), ab Seite: 48. (Quelle)
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Skarbek, Stanislaus Graf (Humanist, geb. zu Obertyn im Jahre 1778, gest. zu Lemberg 27. October 1848). Entstammt einer alten polnischen Adelsfamilie, dem Wappengeschlecht der Abdank (Habdank), von dem schon im elften Jahrhundert ein Michael Skarbek (gest. zu Krakau im Jahre 1101) urkundlich aufgeführt wird [vergl. die Quellen]. Des Grafen Stanislaus Großvater war zweimal verheirathet. Die erste Gattin brachte ihm eine Mitgift von 100 Dörfern, die zweite den ganzen Janower Schlüssel, womit ein ganzer Complex von Besitzungen bezeichnet wird, in der Nähe von Trębowla, dessen Flächen-Inhalt über 600.000 Morgen betrug. Des Stanislaus Vater, Graf Johann, war wenig auf Erhaltung eines so großen Grundbesitzes bedacht, da er mehrere Dörfer in den Karten verspielte. Seine Mutter Therese war eine geborene Bielska. Stanislaus kam zum Unterricht in das Piaristen-Collegium zu Zloczow, verlor aber in noch jungen Jahren seine Eltern, worauf er zugleich mit seinem Bruder Ignaz um 1795 bei seiner Tante Julie geborenen Rzewuska in Burstin wohnte. Als die Tante starb, verschrieb sie ihrem Neffen Stanislaus ihr ganzes nicht unbedeutendes Vermögen. Bald darauf verheirathete sich der Graf mit Sophie geborenen Gräfin Jablonowska, von der er sich aber später scheiden ließ. Die Gräfin vermälte sich dann mit dem bekannten polnischen Lustspieldichter Alexander Graf Fredro [Bd. IV, S. 347]. Graf Stanislaus lebte nun, obgleich er bereits ein ungemein großes Vermögen besaß, in einfachster, ja, man sagt nicht zu viel, dürftigster Weise, so daß er allgemein verlacht und geradezu für einen Geizhals gehalten wurde. Dabei aber forderte er die öffentliche Meinung, die sich bei seinen Standesgenossen in einer an Verachtung streifenden Geringschätzung kundgab, insbesondere dadurch heraus, daß er viele Güter, die bei der Verschwendung des polnischen Adels oft genug unter den Hammer kamen, und dann ob Mangel an Käufern nicht selten unter ihrem wahren Werthe hintangegeben wurden, käuflich an sich brachte und so ein Vermögen aufhäufte, von dessen Erträgnissen er kaum das für sich benöthigte, was dem einfachsten Privatmanne unentbehrlich gewesen wäre. Hingegen beschäftigte ihn seit Jahren nur Ein [49] Gedanke, nämlich der: durch eine großartige Stiftung bei seinen Landsleuten sich ein unvergängliches Andenken zu erringen. Keine menschliche Seele ahnte auch nur Etwas von seinem Vorhaben, zu dessen planmäßiger Ausführung er sich durch Reisen in den bedeutenderen Culturstaaten des Continentes vorbereitete. Auf diesen Reisen lebte er, wie daheim, knickerisch, besichtigte aber mit aller Genauigkeit alle Wohlthätigkeits- und Humanitätsanstalten und machte sich mit den verschiedenen Einrichtungen derselben, sie prüfend und ihre Zweckmäßigkeit erwägend, genau bekannt. Endlich war der Augenblick gekommen, und es kam zu Tage, womit sich der Graf, der Millionen besaß und karger lebte als der Diener, der ihn bediente, seit Jahren getragen. Im Jahre 1839 erklärte der Graf der Regierung, daß er sein kolossales Vermögen wohlthätigen Zwecken widme. Am 1. August 1843 – bis dahin hatten die Vorbereitungen zur rechtskräftigen Fassung der großartigen Stiftung gedauert – stellte der Graf die Gründungsurkunde einer Anstalt aus, die damals – Peabody hatte noch nicht seine berühmten Stiftungen gemacht – ihres Gleichen in Europa kaum aufzuweisen hatte. Auf einem Boden, dessen sumpfartiger Niederschlag vorher Kröten und ähnliches Gethier hervorgebracht, ließ er in Lemberg ein prachtvolles Gebäude von einem Umfange ausführen, wie ihn kein anderes Gebäude in Lemberg besaß. Im mittleren Schiffe des großartigen Baues erhob sich das große elegante Theater, Parterre und drei Logenreihen hoch, und rings um dasselbe eine Menge von Räumlichkeiten zu öffentlichen Zwecken und Privatgewerben, wie der Landtagssaal, das adelige Casino, das größte Kaffeehaus der Stadt, viele Wirthshauslocalitäten und Privat-Wohnungen. Die Einkünfte dieses Riesen-Gebäudes, ferner jene von 37 Dörfern und vier Städten sollten zur Erhaltung einer Armen- und Waisenanstalt von etwa Eintausend Personen verwendet werden. Sollte das Theater, dessen Oberleitung, er einige Zeit selbst führte, zur Erweckung des nationalen Bewußtseins und zur Hebung der geistigen Entwicklung des durch die jahrhundertlange Bedrückung von Seite des Adels und den Schnapps der Judenschenken völlig herabgekommenen Volkes beitragen, so sollte wieder die Armen und Waisenanstalt einerseits dem Elend ein Asyl bieten und andererseits dem Fortschreiten desselben Einhalt thun. 30.000 fl. von dem Erträgniß, des von dem Grafen aufgeführten Theatergebäudes wurden zur Erhaltung des Theaters und der dasselbe bildenden und umgebenden Baulichkeiten bestimmt. Sollte durch unvorhergesehene Ereignisse das Erträgniß diesen Betrag nicht erreichen, so soll dieselbe von den Einkünften der übrigen bedeutenden Güter ergänzt werden. Alle diese Anordnungen des Stifters bildeten bei den nationalen Verwicklungen, die in den Jahren nach dem Ableben des Grafen sich folgten und als die Deutschenhetze begann, den Keim zu zahllosen Streit-Objecten. Im Theater waren für deutsche Vorstellungen 20 Tage im Monat normirt und hierauf wurde ein Privilegium auf 50 Jahre ausgestellt. Mit einem Male bekämpften der galizische Landtag und der Lemberger Magistrat die Erhaltung der deutschen Vorstellungen. Die Verhandlungen darüber zwischen den genannten Corporationen und der Regierung schweben noch, wie es scheint. Dabei scheint die Verwaltung der Stiftung auch nicht eine geordnete gewesen zu sein, denn dieselbe war im Laufe der Jahre um ein Ansehnliches ärmer geworden. Die Nothwendigkeit [50] eine Ordnung in den verwickelten Stand der Angelegenheit zu bringen, machte sich immer fühlbarer und endlich schufen im Jahre 1872 der Landes-Ausschuß und der Verwaltungsrath der Skarbek’schen Fundation eine solche, indem sie gemeinschaftlich die Sache in die Hand nahmen. Im Herbst 1875 endlich trat die Anstalt, wie Graf Skarbek sie geplant hatte, freilich nicht mehr in den ursprünglich angelegten Dimensionen, da die Erträgnisse der Stiftung durch schlechte Verwaltung sich vermindert hatten, in’s Leben. Die Anstalt ist nun bestimmt, erstens für Leute, die Alters halber ganz und gar außer Stande sind. durch eigene Arbeit sich erhalten zu können; zweitens für eitern- und vermögenlose Waisen beiderlei Geschlechts, Knaben im Alter von sieben bis zehn, Mädchen im Alter von sechs bis acht Jahren. Die Kinder genießen den Unterricht aus allen in der Volksschule vorgeschriebenen Gegenständen, dann in der Gymnastik, im Gesang und in der Musik. Der Elementarunterricht dauert vier Jahre. Je nach dem Alter, der Leibesbeschaffenheit und Neigung der Zöglinge werden dieselben nebstbei in verschiedenen Handwerken ausgebildet; dieser technische Curs dauert drei Jahre und ist damit die Erlernung aller darauf bezüglichen Lehrgegenstände verbunden. Jünglinge, die sich durch Fleiß und gute Verwendung besonders hervorthun, weiden dadurch belohnt, daß sie in’s Corps der Feuerwehr aufgenommen werden. Haben die Zöglinge ihre theoretische Ausbildung und praktische Fertigkeit in einem Handwerke erlangt, so werden sie entlassen und erhalten nun ein Reisegeld, das sie in den Stand setzt, die größeren Fabriken und Werkstätten des In- und Auslandes zu besuchen, die besonders begabten und fleißigsten Zöglinge erhalten endlich auch einen Vorschuß zur Errichtung einer eigenen Werkstätte. Diese so zweckmäßig eingerichtete und großartige Anstalt befindet sich zu Drohowicze, einem unweit Lemberg gelegenen Dorfe. Ueber das Gedeihen der erst in den letzten Jahren eröffneten Anstalt liegen keine Nachrichten vor. Der Stifter, als er im October 1848 starb, hatte das Alter von 70 Jahren erreicht. Im Jahre 1871 wurde, um sein Andenken zu ehren, seine von dem Bildhauer Filippi ausgeführte Statue in ganzer, etwas überlebensgroßer Gestalt im Vestibul des Theatergebäudes aufgestellt.

Strzecha d. i. Die Hütte (illustr. Unterhaltungsblatt in Lemberg, 4°.) 1871, Nr. 390: „Stanislaw hr. Skarbek i jego fundacya“, d. i. Stanislaus Graf Skarbek und seine Stiftung. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1868, Nr. 8: Das Testament des Grafen Skarbek, gestorben 1848.