Zum Inhalt springen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof - Aufstieg in die Laufbahn des höheren Bibliotheksdienstes

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Entscheidungstext
Gericht: Verwaltungsgerichtshof
Ort: München
Art der Entscheidung: Urteil
Datum: 5. Februar 1992
Aktenzeichen: 3 B 91.1354
Zitiername:
Verfahrensgang: vorgehend Verwaltungsgericht München (12. März 1991)
Erstbeteiligte(r): N.N., Bibliotheksoberamtsrat
(Kläger = Berufungsbeklagter)
Gegner: Freistaat Bayern
(Beklagter = Berufungskläger)
Weitere(r) Beteiligte(r):
Amtliche Fundstelle:
Quelle: Scan von: Entscheidungssammlung zum Bibliotheksrecht, 2. Aufl. 2003, Nr. 79
Weitere Fundstellen:
Inhalt/Leitsatz: Beamtenrecht: In Bayern ist ein Beamter des gehobenen Bibliotheksdienstes ohne fachwissenschaftliches Studium vom Aufstieg in den höheren Bibliotheksdienst ausgeschlossen. (Leitsatz des Wikisource-Bearbeiters)
Zitierte Dokumente:
Anmerkungen:
Artikel in der deutschen Wikipedia
fertig
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Link zur Indexseite]]

[470] Aufstieg in die Laufbahn des höheren Bibliotheksdienstes

§§ 42, 51 BayLbV

Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 5. Februar 1992
Aktenzeichen 3 B 91.1354

(Aufstiegseignung nur bei Befähigung zur Wahrnehmung der einem Beamten der höheren Laufbahn typischerweise obliegenden Aufgaben)

Tatbestand

[1] Der Kläger ist Bibliotheksoberamtsrat im Dienst des Freistaates Bayern (Beklagter). In den dienstlichen Beurteilungen von 1974 bis 1982 erhielt der Kläger jeweils das Gesamturteil „sehr tüchtig“. Am 3. Oktober 1988 wurde er erneut periodisch beurteilt und erhielt das Gesamturteil „hervorragend“. Die dienstliche Beurteilung enthielt jedoch keinen Vermerk über die Eignung zum Aufstieg in den höheren Dienst.

[2] Nach Eröffnung der dienstlichen Beurteilung beantragte der Kläger mit Schreiben vom 23. Oktober 1988 die Ergänzung seiner dienstlichen Beurteilung durch einen entsprechenden Aufstiegsvermerk. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 4. November 1988 ab, weil für den Kläger ein Aufstieg in den höheren Bibliotheksdienst ohne eine besondere wissenschaftliche Qualifikation (Fachstudium) nicht möglich sei. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 16. November 1988 „Widerspruch“, den der Beklagte wegen der noch ausstehenden Überprüfung der dienstlichen Beurteilung durch das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus als ergänzende „Einwendungen“ behandelte.

[3] Gegen die (im Einvernehmen mit dem Staatsministerium endgültige) Versagung des Aufstiegsvermerks erhob der Kläger mit Schreiben vom 4. Januar 1990 Widerspruch, den die Generaldirektion der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 1990 zurückwies.

[4] Mit der am 30. März 1990 beim Bayer. Verwaltungsgericht München anhängig gemachten Klage begehrte der Kläger ..., den Widerspruchsbescheid der Generaldirektion der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken vom 7. Februar 1990 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über die Aufstiegseignung des Klägers in der dienstlichen Beurteilung vom 3. Oktober 1988 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu befinden.

[5] Mit Urteil vom 12. März 1991 gab das Verwaltungsgericht der Klage statt.

[6] Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, [471]
     unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

[7] Der Kläger tritt der Berufung entgegen.

Entscheidungsgründe

[8] Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.

[9] Mit dem Verwaltungsgericht ist zunächst davon auszugehen, dass der Kläger den streitgegenständlichen Aufstiegsvermerk im Sinne des § 51 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung über Laufbahnen der bayerischen Beamten (Laufbahnverordnung - LbV) vom 17. Juli 1980 (BayRS 2030-2-1-2 F) nur beanspruchen kann, wenn ein Aufstieg in die höhere Bibliothekslaufbahn nicht grundsätzlich ausscheidet. Bei der Beurteilung dieser Frage kann mit dem Verwaltungsgericht ferner angenommen werden, dass es hierbei nicht auf den Ausschlusstatbestand des § 42 Abs. 9, erste Alternative LbV ankommt, weil es sich bei den dort genannten „besonderen Vorschriften“, die eine bestimmte Vorbildung, Ausbildung oder Prüfung vorschreiben, nicht um Laufbahnbestimmungen oder sonstige auf der Grundlage des Art. 19 Abs. 2 BayBG erlassene Regelungen handeln darf (vgl. dazu Niedermaier/Pühler, Loseblattkommentar zur Bayerischen Laufbahnverordnung, 4. Aufl. 1989, RdNr. 23 zu § 46). In diesem Zusammenhang kann für die Auslegung des § 42 Abs. 5 LbV der Sache nach nichts anderes gelten wie im Falle der insoweit übereinstimmenden Vorschrift des § 46 Abs. 2 LbV über die Bestellung „anderer Bewerber“ an Stelle eines Laufbahnbewerbers.

[10] Im Ergebnis braucht daher der Kläger grundsätzlich nicht die Voraussetzungen der aufgrund des Art. 19 Abs. 2 und Art. 115 Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Beamtengesetzes erlassenen Zulassungs-, Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den höheren Bibliotheksdienst bei den Wissenschaftlichen Bibliotheken in Bayern (ZAPOhBiblD) in der seit 1. November 1982 geltenden Fassung (BayRS 2738-3-4-10-3-K) zu erfüllen.

[11] Der Kläger ist jedoch von einem Aufstieg in den höheren Bibliotheksdienst auch dann ausgeschlossen, wenn für eine künftige Tätigkeit in diesem Bereich nach deren Eigenart eine bestimmte Vor- und Ausbildung zwingend erforderlich ist (§ 42 Abs. 5 2. Alternative LbV). Davon ist hier entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auszugehen.

[12] Für die Beantwortung der hiernach maßgeblichen Rechtsfrage kommt es darauf an, ob der in diese Laufbahn aufsteigende Beamte deren speziellen Aufgabenstellung nur bei Vorliegen einer besonderen Vorbildung bzw. Ausbildung gerecht werden kann (vgl. ähnlich Niedermaier/Pühler RdNr. 25 zu § 46). Wie im Verhältnis eines „anderen Bewerbers“ gegenüber einem Laufbahnbeamten ist auch im Vergleich zwischen einem Aufstiegsbeamten und den „originären“ Angehörigen der höheren Laufbahn grundsätzlich zu fordern, dass ersterer in der Befähigung für das angestrebte Amt grundsätzlich nicht zurücksteht (vgl. § 46 Abs. 4 Satz 1 LbV). Demzufolge müsste der Kläger aufgrund seiner Lebens- und Berufserfahrung, die seinen ursprünglichen Vorbildungsmangel im Hinblick auf das fachwissenschaftliche Studium ersetzen soll, in gleicher Weise und ebenso vielseitig im höheren Bibliotheksdienst einsetzbar sein wie ein ursprünglich dafür laufbahnmäßig ausgebildeter Akademiker. Dies ist jedoch, wie der Beklagte überzeugend dargetan hat, nicht der Fall.

[13] Die Vor- und Ausbildungsvorschriften für bestimmte „originäre“ Laufbahnbewerber haben naturgemäß auf deren künftige berufliche Verwendung abzustellen. Das für die Zulassung zum höheren Bibliotheksdienst in § 3 ZAPOhBiblD vorgeschriebene fachwissenschaftliche Studium mit anschließender Hochschulprüfung, möglichst einer Promotion, dient vornehmlich der „grundtypischen“ Funktion eines höheren Bibliotheksbeamten als Fachreferent, [472] dessen Hauptaufgabe die wissenschaftliche Betreuung der Fachgebiete in bibliothekarischer Hinsicht ist. Nur auf der Grundlage eines solchen Studiums kann sich der Bewerber die spezifisch fachbezogenen methodischen Kenntnisse aneignen, die er zusammen mit der (im Vergleich zum gehobenen Bibliotheksdienst andersartigen) bibliothekarischen Ausbildung benötigt, um die von ihm in seinem späteren Berufsalltag schwerpunktmäßig fachwissenschaftlich geprägte Tätigkeit ausüben zu können. Diese vorwiegend als wissenschaftlich zu qualifizierende Tätigkeit (vgl. auch BVerwGE 29, 77 und BVerwG v. 24.3.1988 PersV 1989, 264 f.) ist nach Auffassung des Senats nicht durch die Berufs- und Lebenserfahrung ersetzbar, ähnlich wie ein juristisch nicht vorgebildeter Verwaltungsbeamter (abgesehen von den insoweit entgegenstehenden gesetzlichen Vorschriften) nicht mit richterlichen Aufgaben betraut werden kann. Nicht ausschlaggebend ist in diesem Zusammenhang die nach Meinung des Klägers bessere bibliothekarische Ausbildung der gehobenen Bibliotheksbeamten im Rahmen eines dreijährigen Fachstudiums.

[14] Demgegenüber erscheint es besonders wichtig, dass der Aufstiegsbeamte nach dem Laufbahnwechsel ebenso vielseitig verwendbar ist wie der regulär ausgebildete höhere Bibliotheksbeamte. Er muss also insbesondere auch als Fachreferent zur Verfügung stehen. Demgegenüber kann der Kläger nicht unter Hinweis auf die besonderen konkreten Verhältnisse an der S.-Bibliothek darauf verweisen, dort sei das Fachreferentensystem nicht oder allenfalls nur sehr eingeschränkt verwirklicht. Darauf kann es nämlich schon deshalb nicht ankommen, weil der Dienstherr die Möglichkeit haben muss, ihn jederzeit je nach Bedarf an eine (wegen der andersartigen Aufgabenstellung unterschiedlich strukturierte) Universitätsbibliothek zu versetzen und ihm dort die Aufgaben eines Fachreferenten zuzuweisen; wäre es anders, würde es an der laufbahnadäquaten Verwendbarkeit des Klägers fehlen.

[15] Dieser kann sich ferner nicht darauf berufen, bei den höheren Bibliotheksbeamten in Leitungsfunktionen in Katalog-, Benutzungs- und Technischen Abteilungen oder in bibliothekarischen Ausbildungsstätten liege überhaupt kein Bezug zum studierten Fach mehr vor. Auch betreuten Fachreferenten zum Teil studienfremde Fächer; insoweit seien aber ihre fachwissenschaftlichen Kenntnisse (deren Fehlen man insbesondere ihm anlaste) ebenfalls nicht ausreichend.

[16] Mit diesem Vorbringen lässt der Kläger außer acht, dass das hier maßgebliche Anforderungsprofil eines höheren Bibliotheksbeamten als „Sollzustand“ zu verstehen ist, der nicht am Maßstab der konkreten tatsächlichen Verhältnisse gemessen werden kann. Von dem erwähnten Sollzustand müssen nämlich in der dienstlichen Praxis, in der es darum geht, mit dem jeweils verfügbaren Personal die gerade anfallenden Aufgaben zu bewältigen, immer Abstriche gemacht werden. Daher kann es nur entscheidend sein, ob der höhere Bibliotheksbeamte überwiegend, d. h. in der Hauptsache, wissenschaftlich arbeitet (BVerwG a.a.O. PersV 1989 S. 265); gewisse Überschneidungen mit niedriger bewerteten Verrichtungen sind also stets möglich. Aus derartigen faktischen Gegebenheiten kann der Kläger jedoch nichts für sich herleiten. Denn er muss als „aufgestiegener“ Beamter regelmäßig mit einer „laufbahnadäquaten“ Verwendung rechnen und wäre im Gegensatz zu einem akademisch ausgebildeten Beamten des höheren Bibliotheksdienstes nicht einmal in dem von diesem studierten „beliebigen“ Fach (oder in einer entsprechend sachverwandten Disziplin) einsetzbar. Falls hierfür an der jeweiligen Dienststelle kein Bedarf besteht, wäre auch an eine Versetzung oder Abordnung zu denken. Jedenfalls muss dem Kläger generell die Befähigung zum höheren Bibliotheksdienst dann abgesprochen werden, wenn er aufgrund eines Vorbildungsmangels außerstande ist, die typischerweise einem Beamten der höheren Laufbahn obliegenden Aufgaben wahrzunehmen. So liegt es jedoch hier, weshalb sich der Kläger auch nicht auf eine Verletzung des Leistungsgrundsatzes berufen kann. [473]

[17] Entgegen der Auffassung des Klägers und des Verwaltungsgerichts ist es ferner ohne Belang, wenn die Laufbahnvorschriften für den höheren Bibliotheksdienst des Bundes (vgl. § 19 ff. der Laufbahn-, Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Laufbahn des höheren Dienstes an wissenschaftlichen Bibliotheken des Bundes vom 13. Juli 1990, GMBl 1990 S. 402) oder anderer Bundesländer einen Aufstieg zulassen. Solche Regelungen binden den bayerischen Normgeber auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG, wie der Kläger meint.

[18] Innerer Grund hierfür ist das föderative Prinzip, welches gebietet, die Gesetzeskompetenz des Landes Bayern für die seiner Hoheit unterstellten Beamten grundsätzlich zu achten (BVerfGE 3,58/158 und Schmidt-Bleibtreu/Klein, Komm. zum GG, 7. Aufl. 1990, RdNr. 21 zu Art. 3). Im übrigen hat der Beklagte zu Recht auf die Strukturunterschiede der wissenschaftlichen Bibliotheken in Bayern im Vergleich zu denen im Bundesbereich (dort grundsätzlich keine Universitätsbibliotheken) hingewiesen.

[19] Nach alledem war der Berufung unter Aufhebung des angefochtenen Ersturteils und unter Abweisung der Klage stattzugeben.

[20] Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

[21] Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

[22] Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO und § 127 BRRG nicht vorliegen.