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Bekanntmachung, betreffend das Strafverfahren vor den Seemannsämtern

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Gesetzestext
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Titel: Bekanntmachung, betreffend das Strafverfahren vor den Seemannsämtern.
Abkürzung:
Art:
Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1903, Nr. 7, Seite 42 - 45
Fassung vom: 13. März 1903
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 19. März 1903
Inkrafttreten:
Anmerkungen:
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(Nr. 2930.) Bekanntmachung, betreffend das Strafverfahren vor den Seemannsämtern. Vom 13. März 1903.

Auf Grund des § 123 Abs. 4 der Seemannsordnung vom 2. Juni 1902 (Reichs-Gesetzbl. S. 175) hat der Bundesrat in seiner Sitzung vom 13. März 1903 die nachstehende Verordnung beschlossen:

Verordnung,
betreffend
das Strafverfahren vor den Seemannsämtern.

§ 1.

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Die Einleitung des Strafverfahrens auf Grund des § 122 der Seemannsordnung erfolgt unbeschadet der Vorschriften der §§ 5, 12 dieser Verordnung durch Beschluß des Seemannsamts.

§ 2.

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In den Fällen, in welchen die Entscheidung unter Zuziehung von Beisitzern ergeht (§ 5 Abs. 2 der Seemannsordnung), steht die Beschlußfassung über die Einleitung des Strafverfahrens dem Vorsitzenden zu. Der Vorsitzende hat auch die Obliegenheiten wahrzunehmen, welche in den §§ 3, 4, 6, 7, 15, 16 dieser Verordnung dem Seemannsamte zugewiesen sind.

§ 3.

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Der Beschluß über die Einleitung des Strafverfahrens (§ 1) ist zu den Akten des Seemannsamts zu bringen. Er soll die Bezeichnung des Angeschuldigten, des Schiffes und des Heimatshafens, in Ermangelung eines solchen des Registerhafens, der strafbaren Handlung, der verletzten Strafvorschrift, der etwaigen Beweismittel sowie gegebenen Falles des Antragstellers enthalten.

§ 4.

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Der Einleitungsbeschluß ist dem Angeschuldigten zuzustellen (§ 16). Der Angeschuldigte ist zur mündlichen Verhandlung vor dem Seemannsamte schriftlich mit der Aufforderung zu laden, die zu seiner Verteidigung dienenden Beweismittel mit zur Stelle zu bringen oder dem Seemannsamte so zeitig anzuzeigen, daß sie zum Termine für die mündliche Verhandlung herbeigeschafft werden können. Die Ladung muß ferner die Eröffnung enthalten, daß im Falle des Ausbleibens des Angeschuldigten in seiner Abwesenheit gegen ihn verhandelt werden könne (§ 11).
Ist der Angeschuldigte auf dem Seemannsamt anwesend, so kann die Ladung durch mündliche Bestellung ersetzt werden. [43]

§ 5.

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Ist der Angeschuldigte auf dem Seemannsamt anwesend und stehen der mündlichen Verhandlung Hindernisse nicht entgegen, so kann sofort ohne vorgängigen Einleitungsbeschluß (§ 1) in die Verhandlung eingetreten werden.

§ 6.

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Der Angeschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Das Seemannsamt kann Personen, die nicht Rechtsanwälte sind, als Verteidiger zurückweisen. Hat das Seemannsamt seinen Sitz außerhalb des Reichsgebiets, so ist die Zulassung eines Verteidigers von dem Ermessen des Seemannsamts abhängig.

§ 7.

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Der Termin zur mündlichen Verhandlung ist möglichst nahe anzusetzen. Das Seemannsamt hat die erforderlichen Beweismittel herbeizuschaffen.

§ 8.

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Die zur Entscheidung zugezogenen Beisitzer des Seemannsamts sind, falls dies nicht bereits bei ihrer Bestellung ein für allemal geschehen ist, von dem Vorsitzenden auf die Erfüllung der Obliegenheiten ihres Amtes eidlich zu verpflichten.

§ 9.

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Die Leitung der mündlichen Verhandlung, die Vernehmung des Angeschuldigten sowie die Aufnahme des Beweises erfolgt, wenn unter Zuziehung von Beisitzern verhandelt wird, durch den Vorsitzenden. Der Vorsitzende hat den Beisitzern auf Verlangen zu gestatten, an die zur Vernehmung erschienenen Personen Fragen zu stellen. Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörige Fragen kann der Vorsitzende zurückweisen.

§ 10.

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In der mündlichen Verhandlung ist der Angeschuldigte über die ihm zur Last gelegte strafbare Handlung zu vernehmen. Soweit erforderlich, ist der Tatbestand durch Beweisaufnahme festzustellen. Nach deren Abschluß ist dem Angeschuldigten das Wort zu seinen Ausführungen und Anträgen zu erteilen.

§ 11.

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Ist der Angeschuldigte gehöriger Ladung ungeachtet nicht erschienen, so kann in seiner Abwesenheit gegen ihn verhandelt werden. Das Seemannsamt kann jedoch das persönliche Erscheinen des Angeschuldigten anordnen und ihn im Wege polizeilichen Zwanges vorführen lassen.

§ 12.

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Macht sich in der mündlichen Verhandlung ein Kapitän oder Schiffsmann einer Zuwiderhandlung gegen § 115 der Seemannsordnung schuldig, so kann [44] die Festsetzung einer Strafe wegen dieser Zuwiderhandlung ohne Einleitung eines besonderen Verfahrens (§ 1) erfolgen. Der Zuwiderhandelnde ist jedoch zuvor auf das Strafbare seines Verhaltens hinzuweisen; auch ist ihm zur Erklärung darüber Gelegenheit zu geben.

§ 13.

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Die mündliche Verhandlung schließt mit dem Erlasse des Bescheids. Wird unter Zuziehung von Beisitzern verhandelt, so wird der Bescheid mit Stimmenmehrheit festgestellt.
Der Bescheid muß auf Festsetzung einer Strafe, Freisprechung oder Einstellung des Verfahrens lauten. Die Einstellung des Verfahrens ist zu beschließen, wenn sich herausstellt, daß es an dem erforderlichen Strafantrage fehlt oder wenn der Strafantrag zurückgenommen wird.
Dem Angeschuldigten, gegen welchen eine Strafe festgesetzt wird, sind die baren Auslagen des Verfahrens aufzuerlegen.
Der Zeitpunkt der Verkündung und der Zustellung des Bescheids ist zu den Akten zu vermerken.

§ 14.

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Über die mündliche Verhandlung vor dem Seemannsamt ist ein Protokoll aufzunehmen, welches die Namen der an der Verhandlung Beteiligten enthalten, den Gang und die Ergebnisse der Verhandlung, insbesondere auch der Vernehmungen, im wesentlichen wiedergeben und die Entscheidung im Wortlaut anführen muß. Die Protokollführung ist, sofern sie nicht durch den leitenden Beamten erfolgt, einem vereidigten Protokollführer oder einem Beisitzer des Seemannsamts zu übertragen. Das Protokoll ist von dem leitenden Beamten und, sofern es von einem anderen geführt wird, auch von diesem zu unterzeichnen.

§ 15.

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Trägt der Angeschuldigte gegen den Bescheid auf gerichtliche Entscheidung an, so hat das Seemannsamt den Zeitpunkt des Einganges des Antrags zu vermerken und ohne Rücksicht darauf, ob die Frist gewahrt ist, die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem für die weitere Verhandlung zuständigen Gerichte vorzulegen.

§ 16.

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Die Zustellungen im Verfahren vor dem Seemannsamt erfolgen, wenn dieses seinen Sitz im Reichsgebiete hat, nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Zustellungen von Amts wegen (§§ 208 bis 212 der Zivilprozeßordnung) mit der Maßgabe, daß die Obliegenheiten des Vorsitzenden des Prozeßgerichts und des Gerichtsschreibers von dem Seemannsamte wahrgenommen worden, und daß die Zustellung auch durch einen Beamten des Seemannsamts vollzogen werden kann.
Hat das Seemannsamt seinen Sitz in einem Schutzgebiete, so erfolgen die Zustellungen nach den in dem Schutzgebiete für Zustellungen in bürgerlichen [45] Rechtsstreitigkeiten geltenden Vorschriften mit der Maßgabe, daß die Obliegenheiten der bei der Zustellung mitwirkenden Beamten von dem Seemannsamte wahrgenommen werden.
Hat das Seemannsamt seinen Sitz im Auslande, so erfolgen die Zustellungen an Personen im Auslande nach den für Zustellungen durch die Konsuln geltenden Vorschriften mit der Maßgabe, daß das Seemannsamt bei Zustellungen außerhalb seines Bezirkes die erforderlichen Ersuchungsschreiben erläßt. Zustellungen an Personen im Reichsgebiet erfolgen durch die Gerichtsvollzieher; der § 162 des Gerichtsverfassungsgesetzes findet entsprechende Anwendung. Zustellungen an Personen in den Schutzgebieten erfolgen durch Ersuchen der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten.
Die Zustellung kann auch durch Aushändigung des Schriftstücks gegen einen Empfangsschein derjenigen Person erfolgen, für welche das Schriftstück bestimmt ist.

§ 17.

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Diese Verordnung tritt am 1. April 1903 in Kraft.
Berlin, den 13. März 1903.
Der Reichskanzler.

In Vertretung:
Graf von Posadowsky.