Bekanntmachung, betreffend die Besetzung der Kauffahrteischiffe mit Kapitänen und Schiffsoffizieren

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Gesetzestext
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Titel: Bekanntmachung, betreffend die Besetzung der Kauffahrteischiffe mit Kapitänen und Schiffsoffizieren.
Abkürzung:
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Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1903, Nr. 32, Seite 247 - 251
Fassung vom: 16. Juni 1903
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 23. Juni 1903
Inkrafttreten:
Anmerkungen:
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[247]

(Nr. 2975.) Bekanntmachung, betreffend die Besetzung der Kauffahrteischiffe mit Kapitänen und Schiffsoffizieren. Vom 16. Juni 1903.

Auf Grund des § 4 der Seemannsordnung vom 2. Juni 1902 (Reichs-Gesetzbl. S. 175) hat der Bundesrat die nachstehenden

Vorschriften, betreffend die Besetzung der Kauffahrteischiffe mit Kapitänen und Schiffsoffizieren,
erlassen:

§ 1. Abgrenzung der Fahrten.[Bearbeiten]

Im Sinne dieser Vorschriften ist
a) Nahfahrt: die Fahrt auf Watten, Bodden, Föhrden, Flußmündungen, soweit diese zur Seefahrt gehört, sowie Tagesfahrt in See auf eine Entfernung von nicht mehr als 50 Seemeilen vom Beginne der Seegrenze (§ 1 der Ausführungsbestimmungen vom 10. November 1899 zum § 25 des Flaggengesetzes – Centralblatt für das Deutsche Reich S. 380);
b) Küstenfahrt: die Fahrt
zwischen allen Plätzen der Festland- und Inselküste von Antwerpen bis Windau mit Einschluß der Insel Helgoland, jedoch ausschließlich der Strecke nördlich vom Aggerkanal und Frederikshavn sowie der Umfahrt um Skagen;
an der Küste der im Kattegat und südlicher gelegenen dänischen Inseln einschließlich der Insel Bornholm;
an der schwedischen Küste von Gothenburg bis Kalmar mit Einschluß der Insel Öland,
soweit diese Fahrt die Grenzen des Nahverkehrs überschreitet; [248]
c) Kleine Fahrt: die Fahrt
in der Ostsee, in der Nordsee bis zu 61 Grad nördlicher Breite und im Englischen Kanale,
soweit diese Fahrt die Grenzen der Küstenfahrt überschreitet;
d) Mittlere Fahrt: die Fahrt
zwischen europäischen Hafen, nichteuropäischen Häfen des Mittelländischen und Schwarzen Meeres, Häfen der westafrikanischen Küste nördlich von 12 Grad nördlicher Breite und Häfen auf den Kapverdischen und Kanarischen Inseln sowie auf Madeira,
soweit diese Fahrt die Grenzen der kleinen Fahrt überschreitet;
e) Große Fahrt: diejenige Fahrt, welche die Grenzen der mittleren Fahrt überschreitet.

§ 2. Beförderung von Reisenden.[Bearbeiten]

Im Sinne dieser Vorschriften gilt ein Schiff als zur Beförderung von Reisenden dienend, wenn es außer seiner Besatzung mehr als 10 Personen an Bord hat. In diese Zahl werden Seeleute und andere Personen, welche als hilfsbedürftig oder straffällig mitgenommen werden, nicht eingerechnet.

§ 3. Nahfahrt.[Bearbeiten]

In der Nahfahrt muß der Kapitän eines Schiffes, welches nicht zur Beförderung von Reisenden dient, ein Befähigungszeugnis als Schiffer auf Küstenfahrt besitzen.
Die Landesregierungen können bestimmen, daß die Vorschrift des Abs. 1 nicht Anwendung zu finden hat auf Personen, welche selbstgewonnene Erzeugnisse oder selbstverfertigte Waren zu Wasser anfahren, um sie zu Markte zu bringen.
Der Kapitän eines Schiffes, welches zur Beförderung von Reisenden dient, muß das Befähigungszeugnis als Schiffer auf kleiner Fahrt besitzen.
Dampfschiffe sind außerdem mit einem Maschinisten IV. Klasse zu besetzen.

§ 4. Küstenfahrt.[Bearbeiten]

In der Küstenfahrt muß unbeschadet der Vorschriften in Abs. 2, 3 der Kapitän
1. auf Schiffen von weniger als 200 Kubikmeter Bruttoraumgehalt, welche nicht zur Beförderung von Reisenden dienen, ein Befähigungszeugnis als Schiffer auf Küstenfahrt,
2. auf Schiffen von weniger als 200 Kubikmeter Bruttoraumgehalt, welche zur Beförderung von Reisenden dienen, sowie auf Schiffen von 200 bis zu 400 Kubikmeter Bruttoraumgehalt ein Befähigungszeugnis als Schiffer auf kleiner Fahrt,
3. auf Schiffen von 400 Kubikmeter oder mehr Bruttoraumgehalt ein Befähigungszeugnis als Schiffer auf großer Fahrt
besitzen.
Für Seeleichter jeder Größe genügt ein Schiffer auf Küstenfahrt. [249]
Segellustfahrzeuge dürfen von Mitgliedern deutscher Seglervereine auch ohne Befähigungszeugnis geführt werden.
Schiffe von 400 Kubikmeter oder mehr Bruttoraumgehalt, mit Ausnahme der Seeleichter, sind neben dem Kapitäne mit einem Steuermanne zu besetzen.
Dampfschiffe sind außerdem mit einem Maschinisten IV. Klasse, wenn sie aber zur Beförderung von Reisenden dienen, mit einem Maschinisten III. Klasse als leitendem Maschinisten zu besetzen. Dauert die Fahrt voraussichtlich mehr als 16 Stunden ohne Unterbrechung, so muß mindestens noch ein Maschinist IV. Klasse an Bord sein.

§ 5. Kleine Fahrt.[Bearbeiten]

In kleiner Fahrt muß unbeschadet der Vorschrift im Abs. 2 der Kapitän
1. auf Schiffen von weniger als 400 Kubikmeter Bruttoraumgehalt ein Befähigungszeugnis als Schiffer auf kleiner Fahrt,
2. auf Schiffen von 400 Kubikmeter oder mehr Bruttoraumgehalt ein Befähigungszeugnis als Schiffer auf großer Fahrt
besitzen.
Für Seeleichter jeder Größe genügt ein Schiffer auf kleiner Fahrt.
Schiffe von 400 Kubikmeter oder mehr Bruttoraumgehalt, mit Ausnahme der Seeleichter, sind neben dem Kapitäne mit einem Steuermanne zu besetzen.
Dampfschiffe sind außerdem mit einem Maschinisten III. Klasse als leitendem Maschinisten und mindestens einem Maschinisten IV. Klasse, wenn sie aber zur Beförderung von Reisenden dienen, mit einem Maschinisten II. Klasse als leitendem Maschinisten und mindestens einem Maschinisten III. Klasse zu besetzen.
Für Segelschiffe, die mit einer zur Fortbewegung dienenden Hilfsmaschine versehen sind, genügt ein Maschinist IV. Klasse.

§ 6. Mittlere Fahrt.[Bearbeiten]

In mittlerer Fahrt muß der Kapitän ein Befähigungszeugnis als Schiffer auf großer Fahrt besitzen.
Schiffe von 250 Kubikmeter oder mehr Bruttoraumgehalt sind neben dem Kapitäne mit einem Steuermanne, Schiffe von 3.000 Kubikmeter oder mehr Bruttoraumgehalt mit zwei Steuerleuten zu besetzen.
Dampfschiffe sind außerdem mit einem Maschinisten II. Klasse als leitendem Maschinisten und mindestens einem Maschinisten III. Klasse zu besetzen.
Für Segelschiffe, die mit einer zur Fortbewegung dienenden Hilfsmaschine versehen sind, genügt ein Maschinist III. Klasse.

§ 7. Große Fahrt.[Bearbeiten]

In großer Fahrt muß der Kapitän ein Befähigungszeugnis als Schiffer auf großer Fahrt besitzen.
Schiffe von 250 Kubikmeter oder mehr Bruttoraumgehalt sind neben dem Kapitäne mit einem Steuermanne, Schiffe von 2.000 Kubikmeter oder mehr Bruttoraumgehalt mit zwei Steuerleuten zu besetzen. [250]
Dampfschiffe sind außerdem mit einem Maschinisten I. Klasse als leitendem Maschinisten und mindestens zwei Maschinisten II. Klasse zu besetzen.
Dampfschiffe in ostasiatischer Fahrt innerhalb 11 Grad südlicher und 55 Grad nördlicher Breite und 90 Grad und 150 Grad östlicher Länge von Greenwich sowie Dampfschiffe in ostafrikanischer und westafrikanischer Küstenfahrt sind mit mindestens zwei Maschinisten II. Klasse zu besetzen.
Für Segelschiffe, die mit einer zur Fortbewegung dienenden Hilfsmaschinen versehen sind, genügt cm Maschinist III. Klasse.

§ 8. Kenntnis in Gesundheitspflege.[Bearbeiten]

Auf solchen Schiffen in großer Fahrt, welche nicht zur Führung eines Schiffsarztes verpflichtet sind, muß der Kapitän oder ein Steuermann ein Zeugnis über erfolgreiche Ablegung einer amtlichen Prüfung in der Gesundheitspflege besitzen. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die Befähigungszeugnisse des Kapitäns und sämtlicher Steuerleute des Schiffes vor dem 1. Januar 1900 ausgestellt sind.

§ 9. Kapitän mit Befähigungszeugnis als Steuermann.[Bearbeiten]

In allen Fällen, für welche ein Kapitän mit dem Befähigungszeugnis als Schiffer auf kleiner Fahrt oder auf Küstenfahrt vorgeschrieben ist, ist auch ein solcher mit dem Befähigungszeugnis als Steuermann zugelassen.

§ 10. Verantwortlichkeit des Kapitäns.[Bearbeiten]

Unbeschadet der Verpflichtung des Reeders liegt dem Kapitän ob, sein Schiff gemäß diesen Vorschriften mit Schiffsoffizieren zu besetzen, soweit es die Umstände gestatten.

§ 11. Ausnahmen.[Bearbeiten]

Der Reichskanzler ist befugt, im Einvernehmen mit der beteiligten Landesregierung Ausnahmen von diesen Vorschriften zu gestatten.

§ 12. Hochseefischereifahrzeuge.[Bearbeiten]

Diese Vorschriften finden auf Hochseefischereifahrzeuge keine Anwendung.

§ 13. Inkrafttreten.[Bearbeiten]

Diese Vorschriften treten am 1. April 1904 in Kraft. Zu demselben Zeitpunkte treten alle entgegenstehenden Vorschriften außer Kraft, insbesondere werden aufgehoben:
§§ 1 bis 3, § 4 Abs. 2, § 15 der Bekanntmachung, betreffend den Nachweis der Befähigung als Seeschiffer und Seesteuermann auf deutschen Kauffahrteischiffen, vom 6. August 1887 (Reichs-Gesetzbl S. 395),
die Bekanntmachung, betreffend die Führung von Segellustfahrzeugen, vom 9. Juni 1891 (Centralblatt für das Deutsche Reich S. 144), [251]
die Bekanntmachung, betreffend Ergänzung der Vorschriften über die Prüfung der Seeschiffer usw., vom 2. Dezember 1885 (Reichs-Gesetzbl. S. 319),
die Bestimmung im § 2 Abs. 1 unter a der Bekanntmachung, betreffend die Vorschriften über Befähigungsnachweis und die Prüfung der Maschinisten auf Seedampfschiffen der Deutschen Handelsflotte, soweit sie sich auf Schleppdampfschiffe bezieht, sowie ferner § 2 Abs. 5 und § 7 dieser Bekanntmachung,
die Bekanntmachung, betreffend die Leitung der Maschinen von Seedampfschiffen in ostasiatischer Fahrt, vom 19. Juli 1890 (Centralblatt für das Deutsche Reich S. 281).
Berlin, den 16. Juni 1903.
Der Reichskanzler.

In Vertretung:
Graf von Posadowsky.