Bemerkungen über den Feldzug gegen Rußland in den Jahren 1812 und 1813

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Autor: F. W. Winkler
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Titel: Bemerkungen über den Feldzug gegen Rußland in den Jahren 1812 und 1813
Untertitel: mit Hinsicht auf Cultur, Sitten Landesart und Gebräuche
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Einleitung

Der Autor F. W. Winkler

Durch Theodor Daniel Goethe, einen Regimentskameraden Winklers, wissen wir, dass F. W. Winkler beim sächsischen Husarenregiment als Stabssekretär diente und später als Magistratsassessor in Freyburg an der Unstrut starb:

Der schon vor mehreren Jahren als Magistratsassessor in Freyburg an der Unstrut verstorbene ehemalige Stabssekretär Winkler vom sächsischen Husarenregimente hat von jener Zeit ab [Goethe berichtet vom Aufbruch des Regiments von Guben am 27. März 1812, fs] über den Marsch desselben nach Rußland, sowie während des Feldzugs daselbst, ein Tagebuch geführt und mir, als seinem ehemaligen Regimentskameraden, einen Auszug davon mitgeteilt. (Holzhausen, Ein Verwandter Goethes, S. 50)

Winklers Darstellung des Russlandfeldzuges

Theodor Daniel Goethe, der die Aufzeichnungen seines Kameraden Winklers als ergänzende Quelle für seinen eigenen Bericht über den Russlandfeldzug heranzog, betont die Zuverlässigkeit von Winklers Bericht:

Da Winkler, vermöge seiner Stellung als Stabssekretär, immer in der Nähe des Regimentskommandanten und dessen Adjutanten sein konnte, so hatte er Gelegenheit, von allen Begebenheiten eine genaue Kenntnis zu erlangen, weshalb denn wohl anzunehmen ist, daß das von ihm geführte Tagebuch ganz zuverlässige Angaben enthält. (Holzhausen, Ein Verwandter Goethes, S. 50)

Holzhausen, der Herausgeber der Erinnerungen Goethes, stellt dessen positive Bewertung der Winklerschen Aufzeichnungen in Frage: „Aber auch der Stabssekretär Winkler konnte von dem inneren Zusammenhang der Begebenheiten nur eine verhältnismäßige Kenntnis besessen haben“ (Holzhausen, Ein Verwandter Goethes, S. XXVIII). Goethes Lob zu Winkler könnte insofern allein dazu gedient haben, die Bedeutung der eigenen Darstellung gegenüber dem Leser abzusichern. Immerhin diente Goethe selbst als „Fourier“ und kannte damit die politischen und strategischen Hintergründe des Feldzuges noch weniger als Winkler aus eigener Anschauung. Dies ist auch der Grund dafür, dass Goethe neben Winkler auch andere Berichte wie etwa Cerrinis Die Feldzüge der Sachsen in den Jahren 1812 und 1813 als Quellen für seine Ausführungen heranzog.

Zur Datierung des Manuskripts

Theodor Daniel Goethe, der Regimentskamerad Winklers, starb 1853. Im selben Jahr veröffentlichte er seine Erinnerungen unter dem Titel „Aus dem Leben eines sächsischen Husaren“ erstmals bei der Hinrichschen Buchhandlung in Leipzig (Holzhausen, Ein Verwandter Goethes, S. III, V und XXVIII). Wenn Goethe in seinen Aufzeichnungen von dem „vor mehreren Jahren […] verstorbenen“ Winkler (Holzhausen, Ein Verwandter Goethes, S. 50) spricht, muss Winklers Darstellung des Feldzuges also „mehrere Jahre“ vor 1853 verfasst worden sein.

Dass der Text aus der Rückschau – und nicht etwa während des Feldzuges selbst entstand, ist zunächst dem Schriftbild zu entnehmen. Die einheitliche und saubere Handschrift deutet darauf hin, dass es sich nicht um eine Erstaufzeichnung, sondern um eine Reinschrift handelt. Allein im zweiten Teil des Manuskripts wurden russische Ortsbezeichnungen von gleicher Hand nachträglich korrigiert. Ob diese Reinschrift als Vorlage für einen späteren Druck bestimmt war, oder welchem anderen Zweck sie diente, lässt sich heute nicht mehr bestimmen.

Literatur

Quellen
  • Ein Verwandter Goethes im Russischen Feldzuge 1812. Aus dem Leben eines sächsischen Husaren, bearbeitet und herausgegeben von Paul Holzhausen, Berlin 1912
  • Karl Wilhelm Ferdinand von Funck: Erinnerungen aus dem Feldzuge des sächsischen Korps unter dem General Grafen Reynier, Dresden und Leipzig 1829
  • Ernst Otto Innozenz von Odeleben: Sachsen und seine Krieger in den Jahren 1812 und 1813: ein Beitrag zur Würdigung der strategisch-politischen Ereignisse jener Zeit, Leipzig 1829
  • Theodor Philipp Wilhelm von Papet: Tagebuch über den russischen Feldzug 1812


Darstellungen
  • Julia Murke: Bayerische Soldaten im Russlandfeldzug 1812. Ihre Kriegserfahrungen und deren Umdeutung im 19. und 20. Jahrhundert, München 2006
  • Claus Scharf: Einführung, in: Anton Wilhelm Nordhof, Die Geschichte der Zerstörung Moskaus im Jahre 1812, herausgegeben von Claus Scharf unter Mitwirkung von Jürgen Kessel, München 2000, S. 7–84 (dort auch Hinweise auf weitere Quellen und Literatur, S. 285–322).
  • Paul Holzhausen: Die Deutschen in Russland 1812: Leben und Leiden auf der Moskauer Heerfahrt, Berlin 1912

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Transkription

[vii]
Bemerkungen
über
den Feldzug gegen Rußland
in den Jahren 1812 und 1813.
mit
Hinsicht auf Cultur, Sitten,
Landesart und Gebräuche.
_____________________
gesammelt bei der AvantGarde des VII.ten
Armée Corps.
von
F. W. W.


[ix]
Vorrede.

Groß, – und in strategischer Hinsicht, fast unübersehbar war der Flächenraum, auf welchen der Krieg von 1812/1813 geführt wurde, groß waren die Heeresmaßen die man gegen­einander führte und sich für so verschiedenes Intereße stritten, – groß waren die Ereigniße, die theils dieser Feldzug momentan mit sich führte, theils später noch zur Folge hatte, aber größer noch, und in der Geschichte wenig seines Gleichen habend, waren die Verheerungen, Auflösungen und das Dahinschwinden der Kriegermaßen, die Hunderte von Meilen ihrer Heimath entrückt wurden, und – solche meist nie wieder sahen.

     Übermäßige Kraftanstrengungen in einem Winterfeldzuge auf den eisigen Gefilden des Nordens, eine anhaltende strenge Kälte von 30. Graden und darüber bei einer Blöße von den nothdürftigsten Bekleidungsstücken, die selbst den Insaßen[1] gefährdete, – ein vorhergegangenes Misjahr, das schon bei der gewöhnlichen Volkszahl manchem Einwohner mit dem Hungertodte bedrohete, ein größtentheils schlecht organisirtes, oder vielmehr gar kein festgeregeltes Verpflegungssystem, welches auch die wenigen Vorräthe die ja noch hin und wieder bestanden, dem ersten besten der sie ausmittelte, der willkührlichen Vergeudung Preis gaben, und zulezt eine erdrückende Übermacht, dies waren die Hauptursachen, die jener Verheerung zum Grunde lagen.

     Wie dieß bereits in strategischer Hinsicht über diesen Feldzug geschrieben, – viel beleuchtet und mehreres geahndet [x] worden, doch die Detaills und näheren Erörterungen über den Grund und Boden auf den man sich schlug, – über die Bewohner und ihre Verhältniße, mit welchen wir wegen unserer Verpflegung in so öftere Berührung kamen, – über Sitten und Gebräuche, denen wir durch Vertrautheit uns annähern sollten, und endlich über sonstige Eigenheiten und LocalVerhältniße, die so wesentlich in diesen Feldzug mit einwürkten, sind meines Wißens nach noch wenig in seiner wahren Gestalt umschrieben und mitgetheilt worden.

     Die nachstehenden Detaills gründen sich auf eine genaue umsichtliche Kunde und Erfahrung, bei der Avantgarde des siebenten franzößischen (sächßischen) Armee Corps gesammelt. Nur bei der Vorhut, die täglich von umschwärmten leichten Truppen umstält und unsicher war, und durch Kreuz- und Querzüge beinahe gegen die nachfolgenden Divisionen, das doppelte der Märsche zurücklegen mußte, konnte eine mehrere Vertrautheit mit dem Grund und Boden und seinen Bewohnern erlangt, und die Anstrengungen und hieraus hervor­gehenden Auflösungen, denen dieser TruppenTheil am ersten ausgesezt war, um so mehr empfunden und gewürdert werden, und diese voll Treue und Wahrheit niederzuschreiben, ist der Zweck gegenwärtiger Bogen.


[1] Aufbruch aus Sachsen.Es war am Charfreytage den 27ten Martz, 1812 früh um 8. Uhr, an welchem wir Niemaschkleba[2] ohnfern Guben, (woselbst wir vom 12ten Februar ac.[3] bis dahin cantonnirt[4] hatten,) an einem bereiften heitern FrühlingsMorgen verließen.

     Eine halbe Stunde hinter Niemaschkleba schied uns die brandenburgische Grenze von unserm Vaterlande. – Ein breiter, mit Buschholz und Eichen bewachsener Graben mit daran liegenden neu, gebaueten Häusern, wovon die dießeitige Colonie Augustuswalde, die jenseitige preußische aber Friedrichswalde hieß, marquirte die GrenzLinie.

     Die Gegend nach Crohsen[5] zu ist flach, sandig und mit Nadelholz bewachsen, nach der Oder hin, mit schönen Wiesen, und einen hohen breiten und mit Eichen bewachsenen Damm versehen, hin und wieder mit Sümpfen durchschnitten. Unser Marsch führte uns bis nahe an die Vorstädte Crohsens, doch von dort nahmen wir direction rechts, und gingen der Oder entlang, Schlesien zu. – Bei Neubrück[6] paßirten wir am 28ten ejsdem[7] den nicht ganz unbedeutenden Bober auf einer vor einiger Zeit nur erst wieder erbaueten hölzernen Brücke. Marsch durch einen Theil der Marck und Nieder Schlesien.Neubrück liegt sehr romantisch; von der rechten Seite mit bedeutenden Anhöhen begrenzt; – mehrere jenseits den Bober gelegene hübsche Gebäude von Hammerwerken mit PappelAlléen versehen, die sich mit der Straße den Fluß hinaufziehen, geben dem Ganzen ein ins Auge fallendes Ansehn. Ohnfern Pohlnisch Nettkow[8], einem Flecken der Herzogin von Curland gehörig, betraten wir Schlesien. – Boden und Cultur, Einwohner und Sitten sind noch die der Brandenburger, und laßen keinen bedeutenden Übergang aus einer so verschiedenen Provinz gegen die andere verspüren, nur etwas weiterhin, wo die Gegend immer fruchtbarer wird, der Weinstock sich im Ganzen mehr angesiedelt befindet, und der Chatolicism sich unter die herrschende protestantische Religion mit einmischt, nur dann erst vermißt man lebhafter die Mark Brandenburg und überzeugt sich, daß man in [2] Schlesien ist.

      Den 1sten und 2ten Osterfeyertag, den wir in den kleinen, größtentheils abgebrannten, noch nicht wieder aufgebaueten und den Fürsten Kalorath zugehörigen Landstädtchen Sabor[9] zubrachten, zeigte unter den dasigen Einwohnern, wovon die mehresten Tuchmacher sind, der Kleidung nach viel Luxus und Wohlstand, und sowohl die innere Einrichtung ihrer Wirthschaften als auch unsere Bewirthung gaben keinen Contrast hiervon. Die Fabrication von gewöhnlichen Landtüchern scheint überhaupt in Schlesien sehr im Schwange zu seyn, in Wernburg[10] und Grünberg[11], zeugten die vielen vor der Stadt angebrachten Tuchrahmen, ebenfalls von der Menge dieser InnungsVerwandten. Bei Wernburg und Grünberg giebt es mehrere Weinberge, auf welchen ein von weißen und rothen Trauben melirter Wein erzeugt wird, der unsern sächßischen Landweinen jedoch nachstehet. Grünberg ist den Vorstädten nach die wir paßirten, ein sehr hübsches Städtchen, worinnen preußische Dragoner in Garnison standen. Die Dörfer dieser Provinz sind auf dem Striche den wir passirten, zwar nicht ansehnlich gebaut, doch trift man viel reinliche und gut eingerichtete Wirthschaften an. Die in keine verstellende Tracht gekleideten Frauenzimmer waren in dieser Jahreszeit Haus vor Haus mit Weben des von ihnen den Winter über gesponnenen Garns zu Leinewand beschäftiget, und die in der ganzen Ober und Nieder Lausiz üblichen Kaminfeuer versehen auch hier die Stelle des Geleuchtes, und mischen in die Gruppen abendlicher häuslicher Beschäftigung so manche das Ganze erhöhende Schattirung.

     Die der obern Elbe ähnliche Oder windet sich in mehrern Krümmungen, durch hohe und breite Dämme eingeengt, in einen schönen, reich mit Holz und Wiesen versehenen Thale, majestätisch hindurch, und entfernte steile weis sandige Ufer begrenzen dem Auge in der Ferne ihren Lauf. – Brücken darüber, existiren von Crohsen bis Glogau nicht, Fähren hingegen (nach schleßischer Mundart: [3] Passage der Oder. Prahme genannt) sezen die auf beiden Ufern gelegenen Ortschaften auf mehrere Puncten in Verbindung.

     Drey dergleichen Prahme, deren jeder an 20. Pferde faßte, sezten am 3ten Osterfeyertage als am 31. Marz 1812 einen Theil unserer AvantGarde bei der Stadt Neusalze[12] unter einen anhaltenden Regenwetter über die Oder, die übrigen Colonnen folgten successive auf einer Tags darauf geschlagenen Schiffbrücke.

     Die in Schlesien stehende preußische Cavallerie befand sich zum Theil auf den Dörfern einquartiert, und erhielt von den Einwohnern ihre benöthigte Verpflegung. Ob diese Einrichtung blos jezt existirte, wo man mehrere zum Contingent zufallende Regimenter mobil machte, oder ob selbige seit der neuen Reform der Armee angenommen war, kann ich bei nicht eingezogener Erkundigung hierüber, nicht bestimmen. Auffallend war der Uniformsschnitt des schleßischen Dragoner Regiments. Als Kurtka[13] gemacht, bis an die halben Schenkel reichend, vorne und hinten ganz zu, außen Kragen ohne Rabatten[14] und couleurten[15] Aufschlag, schien dieses Costüme für einen leichten Reuter zu plump, obschon es in Hinsicht der Bedeckung sehr zweckmäßig sein kann.

Eintritt in das Herzogthum Warschau     Den 3ten April betraten wir einige Stunden hinter dem Dorfe Tzschepplau[16] links der Festung Glogau das pohlnische Gebiete. – Keine besondere Kennzeichen durch Grenzpfähle unterschieden das Territorium. Fraustadt[17] mit einigen hübschen modernen Gebäuden versehen, war die erste pohlnische Stadt auf unserer Route, die wir noch an diesen Tage passirten. Der Anblick von mehrere 90. Windmühlen, die dieses etwas erhöht liegende Städtchen umgeben, und welche gröstentheils im Gange waren, bieten dem Auge, hauptsächlich in einiger Entfernung, ein koloßalisches ungewohntes Schauspiel dar, so, daß man die Windmühlen einen Provinz hier im Wettkampf miteinander zu sehen glaubt, doch schon die nächst darauffolgenden Dörfer sind mit 6, 8. und mehrere derselben umkreiset, und flösen den Gedanken ein, daß, da wenig fließende Bäche oder große Teiche zu sehen sind, man theils aus Nothwendigkeit, theils zu Vermeidung großer Geldausgaben [4] durch Anlegung kostspieliger Waßerbetten, zu dieser Bauart geschritten ist.

Ansichten desselben. Der Eintritt in Pohlen wird sicht- und fühlbarer als je in einer anderen Provinz. Die deutsche Sprache, die sich schon von der Grenze an mit der pohlnischen vermischt, hört in einer ganz kurzen Entfernung schon ganz auf, und nur das an der Straße, im oder am Dorfe befindliche Wirthshaus, (hier Krug genannt) ist von einer jüdischen Familie gepachtet und bewohnt, die im gebrochenen jüdischen Dialect deutsch spricht, und zum Dollmetscher mit den LandesEinwohnern dient. Alle diese Krüge sind mit großen Stallungen versehen, die oft 50. und mehr Pferde geräumig faßen können, und deren Aus- und Eingänge auf die fahrbare Straße stoßen, der übrige inwendige Raum dient zur Remiße[18] für das Fuhrwerk. Außer schlechtem Bier, Brandewein (nach jüdischer Aussprache Bramben genannt) Brodt, Butter und Rauchtaback darf der deutsche Reisende in einemsolchen Dorfkruge nur wenig Erhohlung suchen, und ein Glück ist es noch für ihn, wenn er einen jüdischen Pachtinhaber findet, der von der angestammten Unreinlichkeit einige Ausname macht, und das so schon frugale[19] Mahl nicht durch ungewohnte Salupperie[20] noch um so mehr vereckelt.

Fortgesetzter Marsch gegen Westgallizien.     Kobylin[21] und Ostrowo[22] sind kleine unbedeutende, meist von Juden bewohnte Städtchen, die kaum den Namen eines Fleckens verdienen, und höchstens mit einem sächßischen Dorfe in Paralelle zu stellen sind. – Krotoczyn[23] ist schon etwas bedeutender. Beßere Häuser wie die gewöhnlichen, ein etwas geräumigerer Marktplaz, mehrere Geschäftigkeit unter den Juden und Profeßionisten[24] verschiedener Art, wovon viele aus den nahegelegenen Oberschlesien herstammen und Deutsche sind, geben dem Orte einiges Leben und Ansehn, Kalisch.Kalisch[25] hingegen, welches wir am 9.ten April paßirten ist schon unter die Mittelstädte Pohlens zu zählen, und die ausgehangenen Firmus[26] so mancher nicht leicht im Herzogthum Warschau aufzufindender Luxus Articel, laßen eine nicht geringe Handlung [5] hier vermuthen. Leipzig als der Stapelort[27] von halb Europa in merkantilischer[28] Hinsicht, war hier allgemein bekannt, und wird nach Versicherung mehrerer Kaufleute fleißig von ihnen besucht. Obschon mehrere Kirchen und Klöster hier vorhanden sind, so gewähret doch Kalisch auf der von Krotoczyn dahinführenden Landstraße nicht den Prospect[29] und erregt diejenige Erwartung nicht, die man bei Durchpaßirung selbst findet, indem die Stadt von dieser Seite nicht Front macht, sondern sich in der Länge Bergein ziehet. Gleich hinter derselben passirt man auf einer Brücke das Flüßgen [30]Prosna[31] und der Flecken Opatoweck[32] nahm uns an diesem Tage in ein Nachtquartier auf. Als einen ganz unbedeutenden Ort, würde ich selbigen in keine Berührung ziehen, wenn nicht das dasige schöne, dem pohlnischen General Lieutenant Grafen Zayoczeck[33] zugehörige Schloß einige Erwähnung verdiente. Für seine bei Opatoweck. Formirung der pohlnischen Armée und in den Campagnen 1806 und 1807 treugeleisteten Dienste, die er noch jezt fortsezte, erhielt er von denen beim Friedensschluße 1807 sich vorbehaltenen Dotationen[34], vom Kaiser Napoleon diese Domaine[35] wozu noch 18. Dorfschaften gehören, als ein Geschenk und den Werth derselben erachtend, und aus Dank für den großen Geber, erbauete er auf einer terrassenmäßigen Anhöhe, dieses schöne massive im modernen Geschmack aufgeführte Schloß mit einem auf korinthischen Säulen ruhenden Portale, worauf mit großen bronzenen Buchstaben die Worte: „Magni Napoleonis Donum[36] dem Vorübergehenden die Stiftung deßelben öffentlich anzeigen. Das Innere, ganz nach französischen Geschmack meublirt[37], entspricht dem Äußern. Schöne Tapeten, prächtige Meubles[38] von Mahony[39] und bronzirt, – geschmackvolle Kronenleuchter und kunstreiche Gemälde, eine schöne Bibliothek, eine ausgezeichnete Karten Sammlung in Capseln[40] geordnet und aufgestellt, und ein aus den gewöhnlichen Wohnzimmer (worinnen die Büste Napoleons von beinahe Lebensgröße aus [6] canarischen Marmor aufgestellt war) anstoßendes schönes Gewächs-Haus mit blühender Orangerie[41] und ausländischen Blumen angefüllt, machten dieses Schloß zu den schönsten von Pohlens mit. Ein vor diesem Schloße angelegter englischer Parc war noch nicht vollendet, so wie auch eine sehr ins Auge fallende Brauerey. Der Besizer war bei unserm Hierseyn bereits zur Armee abgegangen, so wie auch seine übrige Familie abwesend war.

     Die OberSchleßische Grenze immer mehr rechts laßend gingen wir Westgallizien entgegen, und paßirten die Städtchen Blaczkow[42], Burzenin[43] und Widowa[44]: – Burzenin wo wir 3. Tage im Cantonnement[45] verweilten, war für ein Städtchen ein äußerst unbedeutender, nur aus 42. Häusern bestehender und von vielen Juden bewohnter Ort bei welchen kaum die nothwendigsten Bedürfniße für einen äußerst theuern Preis zu erlangen waren. In Widowa welches wir den 15ten April passirten und wo ein sächßisches Hospital etablirt wurde, waren bereits Störche als die ersten Bothen des Frühlings sichtbar.

Petrikau.     Die Stadt Petrikau[46] beinahe von ähnlichen Range wie Kalisch, nur von unbedeutendern Handel und finsterern altmodischen Ansehn, passirten wir am 17.ten ejsdem, und übernachteten in dem Dorfe Lenczno[47] ebenfalls einer Dotation des Kaisers Napoleon, dem französischen DivisionsGeneral Friant[48] zugehörig. Obgleich mit mehrern Pertinenzien[49] und reich an Pfründen[50] versehen, bemerkte man doch schon an dem Äußern, daß der Besizer deßelben die Revenüen[51] nicht zur Verschönerung benuzte, sondern außerhalb Landes verzehrte. Ein blos wie gewöhnlich in Pohlen par terre, ohne Stockwerk versehenes Gebäude bezeichnete das Schloß, welches von einem sehr artigen Manne einen gebohrenen Franzosen, der zugleich die DistrictsVerwaltung mit versahe, administrirt[52] wurde.

     Am Ausgange des Städtchen Sulejow[53] (wo späterhin ebenfalls ein sächßisches Hospital hinkam) passirt man mittelst einer Brücke die nicht unbedeutende Pilica[54], und überschreitet zugleich die [7] Eintritt in Westgallizien Grenze des sonst zu Pohlen gehörig gewesenen, seit 1795. an Österreich gefallenen, und durch den Friedensschluß 1809. wieder an das Herzogthum Warschau abgetretenen WestGalliziens. –

     Opoczno[55] ist die erste bedeutende Stadt, die man auf dieser Tour erreicht, woselbst wir vom 18ten bis zum 21.ten April im Cantonnement verweilten. In alten Zeiten nach damaliger Art als Opoczno. eine bedeutende Festung geltend, ist sie durch die Verheerung und Einäscherung Königs Carl XII. von Schweden[56] zu einen Steinklumpen herabgesunken, der, Troz der langen Vergangenheit sich noch nicht aus seinen Trümmern hat wieder empor heben können.

     Ausgebrannte massive Häuser von mehrern Stockwerken, viele ohne Bedachung, deren Mauern dem sonst so zerstörenden Zahne der Zeit noch jezt trozen, und wovon mehrere ganz evacuirt, andere hingegen blos par terre oder höchstens im ersten Geschoß bewohnt sind, große gewölbte, zum Theil eingestürzte und schlecht verwahrte Keller, Breschen an den Stadtmauern und demolirte Festungswerke sind es, die dem Beobachter ein lebhaftes Bild vormaliger Größe und Wohlstandes, und jezigen Verfalls und Dürftigkeit darstellen. Blos die außerhalb den Ringmauern gelegenen Vorstädte sind nach der gewöhnlichen Bauart, meist par terre wiederhergestellt. Ein Theil davon, welchen die JudenGemeinde bewohnt, ist durch eine auf hohen Stangen quer über die Gaße gezogene Leine als das JudenQuartier marquirt.

Nach unserm Wiederaufbruche von Opoczno passirten wir die kleine Stadt Przysucha[57] wo viele Gewehre fabrizirt werden, Ilza[58] mit einen, auf einen hohen Berge gelegenen alten Schlosse und hohen runden Thurme, in Form der, in den Ritterzeiten üblichen Warthen, Cassanow[59], und trafen den 23. April. in dem Städtchen Ciepelow[60], dem Grafen Karzewsky[61] gehörig, ein, woselbst und in den Umgebungen ein Theil des Regiments, der andere aber längs der Weichsel bis zum 17ten Maii 1812. cantonnirte. –

Während dieser Zeit hatte ich mehrere Gelegenheit, über Gegenstände [8] die meine Aufmerksamkeit reizten, und wo es währenden Marsches die kurze Zeit nicht erlaubte, Erkundigungen einzuziehen, welche dem Nachstehenden zum Grunde liegen:

Landesart.     Die vorbezeichneten Gegenden Pohlens, von Fraustadt[17] längst der Oberschleßischen Grenze bis an die Weichsel, sind im Durchschnitt mehrst flach als bergicht, bestehen größentheils aus sandigen Boden und haben sehr viele und große Waldungen aus Laub- und Nadelholz aller Art.

     Pohlens größter Erwerbs- und Handelszweig, besteht wie allgemein bekannt in den Erzeugnißen eines ansehnlichen Getreydebaus, welches sonst größtentheils über Danzig und andere Häfen gegen den Eintausch von Colonial und andere Waaren, auch baaren Geldes nach England abging. Der beträchtliche Flächen Inhalt, und eine auf diesem Raume mit andern Provinzen Deutschlands im Verhältnis nicht gleichkommende Menschenzahl, überlaßen dem Adel eine größere Anzahl von Grundstücken, als wie sie durch ihre Unterthanen, oder im richtigern und allgemein angenommenern Sinne Leibeigene genannt, mit Nuzen bewirthschaften laßen können, denn sehr oft trift man Strecken, von über eine Stunde Weges nach mehreren Richtungen überall aus Feldbau bestehend an, wovon der Besizer nur Eigenthümer eines ganz unbedeutenden kleinen Dorfes ist. Daher dieser Überfluß von Gedreyte, der bei einer zweckmäßigern Cultur des Bodens noch weit mehr ergiebiger sein könnte.

Pohlnische Bauerhütte     Da der pohlnische Bauer kein GrundEigenthum besizt, sondern Haus mit Hof und Vieh und Geschirre dem Edelmann zugehört, so bleibt erstern von seiner ganzen Wirthschaft nichts, als wenn er verheyrathet ist, ein Weib mit einer oft ansehnlichen Familie, und ein Meublement seines ganzen Hauses, was man oft mit weniger als 10. [Mk.] auskaufen kann, als wahres Eigenthum übrig. – Bei den mehresten kein Bett, sonders blos ein Lager theils aus alten abgelegten theils noch im Gebrauch habenden Pelzen und Kleidungsstücken [9] bestehend, ein Tisch aus einem Stück Pfoste mit 4. hohen Beinen, eine dergleichen Banck, eine mehrentheils auf der Hausflur befindliche Handmühle, worauf die mehresten ihren Brodtbedarf selbst mahlen, – ein aus Bretern zusammengenagelten Kasten, worinnen sie Getreyde, Speck und andere Lebensmittel aufbewahren, – ein Weberstuhl sammt Spinnrocken[62], und einige auf Pappier wie Tapeten geklepte Heiligenbilder, dies ist das gewöhnliche Meublement einer pohlnischen Bauerhütte. Da allein der Edelmann als GrundEigenthümer für die Unterhaltung und Wiederaufbauung der Gebäude zu stehen hat, so reparirt der Bewohner deßelben, Troz des Holzüberflußes seiner Seits auch nicht das mindeste daran, dahingegen der Besizer eines solchen Dorfes, diese Hütten die nicht kostspielig zu erbauen sind, dem Schicksale der Zeit überläßt, deshalb trift man sehr viele dergl. Bauerhäuser samt Scheunen und Ställe halb verfallen an, und zeigte nicht noch mitunter der, ohne Schornstein, unter dem Dache hervorkommende Rauch dem Vorübergehenden an daß sie bewohnt wären, er würde bei den mehresten nicht ahnden noch ein lebendiges menschliches Wesen darinnen zu finden. Ganze Dörfer in einer so caducen Lage zu passiren, gewährt ein sehr mismuthiges, trauriges und niederschlagendes Gefühl voll inniges Bedauern der Bewohner derselben. – Nur aus einem Parterre bestehend, sind selbige mit kleinen, kaum 1/4. Elle im [Quadrat] bestehenden Fenstern versehen, wovon die wenigsten verglaset, sondern mit Pappier verkleistert oder mit dünnen Holzspähnen ausgefüttert sind. Einen halben Tag in einer solchen schmuzigen, vom Camin-Feuer beräucherten, mit Kälbern, jungen Schweinen und allerley Ungeziefer, oft Kühen und Pferden zugleich angefüllten dunkeln Stube, durch rauhe Witterung genöthiget, zubringen zu müßen, dünkt einen schlimmer als in einen Gefängnis zu seyn, und troz der erst überstandenen und noch zu erwarten habenden Strapazen wünscht man sich wieder in Gottes freye Luft und auf dem Marsch, zumal da bei der großen Ungefälligkeit [10] jede Nachfrage nach den unentbehrlichsten Dingen, auch troz der handgreiflichsten Pantominen mit einem „ni rossimi“ (ich versteh euch nicht) beantwortet wird – Die Wohnungen der pohlnischen Edelleute, hauptsächlich die der niedrigsten Abstufung (Schlachtschützen[63]genannt) sind oft nicht um vieles ansehnlicher; nur größere ordinaire Glasfenster, mit Schindeln gedeckte Dächer, hölzerne oder mitunter gemauerte Schornsteine machen diese ebenfalls meist par terre aus Holz aufgeschränkten Wohnungen vor den übrigen remarquable.[64] Das Innere derselben, wenn auch nicht luxuriös ist doch mehr reinlich und mit den gewöhnlichern Bequemlichkeiten versehen, auch sprechen die Besizer derselben mehrentheils, wenn auch nicht ganz firm, doch etwas Lateinisch.

Tracht des gemeinen Mannes.Einfacher und weniger kostspieligerer als die Tracht der pohlnischen Landleute, wird man je eine in den gesittetern Ländern finden.

     Im Sommer sind beide Geschlechter blos von einen groben, selbst gesponnenen, – gewebten – selbst gemachten und nur bis zur Hüfte reichenden Hemde bekleidet, welches vorne mit einen langen Schlize versehen ist, welcher bei beiden Geschlechtern die blose, von der Sonnenhize und dem Caminfeuer braun gebrannte Brust und Busen offensehen läßt; der untere Theil ist bei Mannspersonen mit ein paar dergl. langen weiten Beinkleidern bekleidet, bei den Frauenzimmern mit einen dergleichen bis an die Knie reichenden Rock umschürzt. Die Kopfbedeckung ist beim zweiten Geschlechte, ein weisenes leinewandenes Tuch, wovon der breite Zipfel das Hinterhaupt bedeckt, bei Mannspersonen im Sommer ein Strohhuth – im Winter eine Pelzmütze. – Beide Geschlechter gehen übrigens den ganzen Sommer hindurch barfuß, und bedienen sich nur im Winter oder bei strenger Witterung Stiefeln und Schuhe. Der Sonntag macht in ihrer Tracht weiter keinen auffallendern Unterschied, als daß beide Theile reinlicher gekleidet, die Frauenzimmer mit langen mit bunten [11] Bändern durchflochtenen und herabhängenden Haarzöpfen, die Mannspersonen hingegen mit Röcken alsdann bekleidet sind. Dies ist die ganze wenig kostspielige Garderobe der Landleute. Im Winter bedecken sich beide Geschlechter mit einen selbst gesponnenen und gewebten weisen, oder braun und grau melirten langen pohlnischen Tuchrock, in Form der Piqueschen hinten ganz zu, oder mit Pelzen. Die graue und braune Farbe ist übrigens wegen ihren wenigern Schmutze, eine bei ihnen sehr beliebte Coleur, Tracht der Noblen und Honoratioren. weshalb man auch unter ihren Heerden mehr schwarze und braune als weise Schaafe antrift.

Der Edelmann hingegen, sowie der im Staate etwas Bedeutendere (in sofern er nicht Landstand ist, und alsdann die gewöhnl. dunkelblaue deutsche Uniform mit ponceaurothen Aufschlag weisen Unterkleidern und Knöpfen worauf das herzoglich warschauische Wappen sichtbar ist, anlegen muß) trägt lange, hinsichtlich der Farbe nach eigenen Geschmack choisirte[65] Röcke, welche hinten ganz zu, und mit mehrern Falten wie die ungrischen Piqueschen versehen sind. Eine von Seide, nachGrad des Standes mit Silber oder Gold durchwürkte, und deren Enden mit eben dergleichen Franzen versehene Leibbinde, unterscheiden den Noblen und Honoratioren von dem gemeinen Manne, und gelbe oder rothe saffian-Stiefeln[66] bezeichnen bei diesem Costüme die Nationaltracht, sowie kleine Zwickelbärte gleich den Ungern, von Hohen und Niedern landesüblich getragen werden, nur der Bauer wenn er in die Jahre kömmt, läßt den Bart als dann auch am Kinn stehen, welches manchen Grau- und Weiskopf Das schöne Geschlecht insbesondere.ein recht ehrwürdiges eremitenähnliches Ansehn giebt.

     So einfach und ungekünstelt das gemeine weibliche Geschlecht in ihrer Kleidung und Erhaltung ihrer äußeren Reize ist, so sehr contrastirt das eines höheren Ranges sowohl in Städten als auf dem Lande, zumal wenn die Mutter Natur [12] sie mit nicht gemeinen äußern Vorzügen vor ihren Nebenschwestern ausgezeichnet hat. Die neuesten geschmackvollsten Moden sind noch zu wenig ihre schöne Taille zu heben und sie bemerkbar zu machen, auch widernatürliche Mittel, worunter vorzüglich die Schminke an der Tagesordnung ist, müßen das ihrige hierzu beitragen. – Pianoforte, Guitarre und wenn die Stimme es erlaubt, – Gesang, sind Dinge die man bei den mehresten pohlnischen Damen antrift, und womit sie den Fremden, wenn sie seine Mundart nicht sprechen, Unterhaltung zu verschaffen suchen. Ob sie in ihren Innern eben so gute Hausfrauen und Mütter, als in gesellschaftlichen Zirkel Modedamen sind, hierüber mögen diejenigen entscheiden, welche längern Umgang in solchen Häusern genoßen haben. Pohlnischen Damen (von und ohne Adel) seinen Gruß und Ehrerbietung zu bezeigen, drückt der Handkuß aus, Dames unter einander durch den gegenseitigen Kuß auf die Schulter, Mannspersonen durch den Kuß auf den Mund. Eine Dame von Range oder sonst einigen Ansehn auf den Mund oder die Wange zu küßen, zumal in Gegenwart mehrerer Personen, ist eine der größten Beschimpfungen, die so leicht nicht wieder verziehen wird, indem es in Pohlen Sitte ist, daß nur Buhlerinnen diese Freiheit erlauben sollen.

Knechtschaft.     Der gemeine pohlnische Bauer kennt nicht die jeden Menschen angebohrne Freiheit und angestammte Würde. Nach den in seinem Lande bestehenden Feudal-System wird er vom Sklav als Sklav gebohren, er vermehrt durch seinen Eintritt in die Welt die Seelenzahl seiner Guthsherrschaft, und wird von dieser als ein künftiges Capital blos pecuniär betrachtet. Er ist daher nicht Herr seines freyen Willens, denn jeder Schritt seiner künftigen Laufbahn ist seinem Gebieter untergeordnet. Er kann ohne die äußerst schwer zu erlangende Genehmigung deßelben weder auswärts eine Profession erlernen und auf selbige wandern, noch außerhalb des Gebiets [13] heyrathen und sich niederlaßen; er scheint dagegen gleichsam verdammt zu sein, lebenslang mit seinen Händen einen für seinen eigenen Erwerb undankbaren Boden zu durchwühlen, um eine für sein physisches und moralisches Wohl wenig bekümmerte Herrschaft zu bereichern. – Man kann von seinen Pflanzenleben dreust behaupten, er existirt blos, um zu frohnen – zu dulten und – wiederzusterben. Er sucht in der Ehe mehr Befriedigung des Naturtriebs als häusliches Glück, denn er zeugt doch nur wieder Seinesgleichen, die seine untergeordnete Laufbahn künftig von neuen beginnen und ihn kein sorgenfreyes Alter verschaffen können. Ein Glück für ihn ist das Fortschlummern seiner Geisteskräfte; – er fühlt dadurch sein Unglück weniger, und glaubt, da er sich rundherum, von seines Gleichen umgeben sieht, es kann nicht anders sein, denn so barbarisch oft ein großer Theil dieser Landedelleute und ihre Administratoren sind, die jedes geringe Vergehen, jede Verspätigung in ihren Geschäften körperlich strenge bestrafen, so kriechend, sind ihre Unterthanen, die mit ihren wunden Körper noch diejenige Hand dankend küßen müßen, die sie oft unmenschlich züchtigte. – Die geringste einen solchen Pohlen erzeigte Gefälligkeit erwiedert er durch tiefe Verneigung, Umfaßung der Knie des Gebers, oder durch förmliches Niederfallen auf seine Knie selbst. – Da nicht wahre innig fühlende Dankbarkeit, sondern blose angestammte Gewohnheit die Triebfeder dieser Devotion sind, so ist es für einen die MenschenRechte ehrenden Deutschen widerstehend, für ganz unbedeutend erzeigte und kaum eines Dankes würdige Verbindlichkeiten gewaltsam sich dieser Danksbezeigungen erwehren zu müßen. Doch, daß diese Ausdrücke bei ihnen nur formell sind, und das Herz keinen Antheil hieran hat, so erwarte man von ihnen ja keine Gegengefälligkeiten, sie sind größtentheils dagegen taub oder wollen sie nicht verstehen; nur Drohungen oder wirklich angewendete Härte können sie hierzu vermögen. Die Triebfedern [14] hierzu laßen sich in der Art seiner Geburt, einen schlechten, nur auf die äußern ceremoniellern Umriße seiner Religion hinzielenden Unterricht, einer zu großen Einschränkung auf sein locale, in der vom Urgrosvater auf den Grosvater fortgeerbten Observanz und, wenn er auch mit wirklichen Naturfähigkeiten begabt ist, in der gänzlichen Ermangelung mehrerer Ausbildung und Anwendung derselben sich über seine gewöhnliche Bestimmung zu erheben, sehr leicht auffinden, und machen sein Benehmen um so verzeihlicher.

     Das äußere Gepräge ihrer Gesichtszüge zeigt bei den mehresten Personen beiderley Geschlechts schon ihre innere Stimmung und ihren Character an. Finster, mürrisch und außer ihrer bewußten Bestimmung, für alles übrige gleichsam abgestorben, zeigen sie weder Neu- noch Wißbegirde, sondern sehen alle, ihnen noch so ungewohnte Gegenstände ohne einiges Aufsehen oder Bewunderung kaltblütig an. Nur äußerst wenige Physionomien unter dieser Volksklaße auf dem Lande sind für den Fremden anziehend und einnehmend, und unterschiede nicht die Tracht beide Geschlechter, so würde bey der Seltenheit der feinern, und sanftern Gesichtszüge, die man in den deutschen Ländern auch unter dem weiblichen Geschlechte auf dem Lande so häufig antrift, die Auswahl oft schwer zu machen seyn.

     Nicht GrundEigenthümer und nicht freyer disponibler Mann über sein zu erzielendes Vermögen, trachtet er nicht nach Wohlstand oder andern zeitigen Vortheilen, die sonst gewöhnlich die Triebfeder jedes andern sind. – Hat er seiner Herrschaft und der Clerisey die ihm vorgeschriebenen Abgaben und Dienste entrichtet, glaubt er sich und seine oft sehr ansehnliche Familie von einer Erndte bis zur andern ohne Nahrungssorgen hinbringen zu können, und behält er noch so viel Überschuß, um dann und wann seinen Gaumen mit den beliebten Wutky (Brandewein) [15] küzeln zu können, dann glaubt er sich genug. Baares Geld, wenn auch nur wenige pohlnische Gulden bei einer solchen Familie die blos von ihren Erzeugnißen lebt, zumal in dem traurigen Frühjahr 1812. zu suchen und aufzufinden würde eine große Seltenheit sein. Doch auch dieser Geldmangel hat wieder sein Gutes. Wäre er bemittelt und brauchte er nicht anderer Hülfe, er würde bei seiner Ungefälligkeit einen Fremden der ihn nur nach dem Wege fragt, kaum antworten, anstatt daß er bei Darreichung einer Kleinigkeit zu einem Glase Brandewein als seinem Lieblingstrank äußerst gefällig wird, und oft weiter den Begleiter macht als man es verlangt. – Gehen die Zeiten, seiner Rechnung nach, wie seine Geschäfte ihren gewöhnlichen Gang, so sieht er allerdings seine Existenz gesichert, doch tritt zuweilen Miswachs und Hagelwetter ein, oder Kriege und zu leistende NaturalLieferungen berauben ihn seiner Vorräthe, dann bleibt ihm nichts anders übrig, als sich dem Wucher in die Arme zu werfen, und von dem im Dorfkruge wohnenden Juden auf künftige Erndten Vorschuß mit übergroßen Procenten aufzunehmen, da der Besizer des Guths bei der Menge solcher auf einmal Verarmter allen zugleich zu helfen außer Standt gesezt ist. Dergleichen Fälle einigemal herbeigeführt, bewirken oft den Ruin ein solcher Familie auf Lebens lang.

     Könnte er mit seinem Eigenthum schalten wie er wollte, ginge er mit andern Landern in der Cultur fort, betriebe er in Ermangelung der Wiesen den Kleebau, der hier ganz unbekannt ist, hielte er dann mehr Vieh, um die immer über die Hälfte und mehr Brache liegenden Äcker zu bestellen, zu düngen und Nuzen von ihnen zu ziehen, müßte er nicht Jahr aus Jahr ein (die Sonn- und Festtage ausgenommen) mit Spann und Handdiensten Frohne leisten und seine Wirthschaft dabei nur nebenbei betreiben, [16] genöße er gleich von seiner frühesten Jugend eine beßere Erziehung und einen ausgebreitetern Unterricht, würde er auf die Cultur und den Wohlstand anderer Länder hingewiesen und genöße er gleich diesen die Früchte seines Schweißes, gewiß Pohlen würde ein Land sein, was so leicht keinem andern nachstehen würde, anstatt daß man es jezt nur mit Bedauern ansieht. An innern Kräften fehlt es nicht. Ein Wachsthum troz des sandigen Bodens, eine Menge artbaren Landes was noch halb so viel Menschen ernähren und in Wohlstand sezen könnte, eine robuste, nervöse Nation, erblickt man überall; nur Cultur, – mehrere Freiheit, – eine beßere und zweckmäßigere Erziehung und Behandlung und im Anfange einige Beihülfe, dies fehlt – dies mangelt, und wird den Anschein nach wenigstens noch längere Zeit wünschenswerth bleiben. –

Drangsale durch Hunger im Frühjahr 1812.     Ob man den süßen Hoffnungen (die jeder Pohle damals träumte) durch den bevorstehenden Krieg das Vaterland, was so oft zersplittert worden war, wieder vereint zu sehen, oder gänzlicher Gefühllosigkeit die Resignation der Drangsale, ja fast den halben Hunger-Tod, den die Campagne 1812. mit sich führte und die der gemeine Pohle so aufopfernd ertrug, zuschreiben soll, mag die Mitwelt entscheiden, zum Muster verdienen sie aber allen denen Völkern aufgestellt zu werden, die bei mehreren Wohlstande einen zwar nicht verschuldeten, aber doch auch nicht auszuweichenden Übel entgegenstreben, und durch beharrliche Verweigerung oft eine Härte noch herbeiziehen, der sie gemächlich hätten entgehen können.

     Die Erndte des Jahres 1811. war für Pohlen äußerst misgünstig. Miswachs und Hagelschlag hatte die Hofnungen derer zertrümmert, deren Existenz auf Jahresfrist lediglich davon abhing. Bei wenig eingeärndeten Körnern hatten sie eben so wenig Stroh erlangt, welches den Winter über bis zum grünenden [17] Frühjahr ihren geringen Viehbestande Nahrung geben sollte. Unter solchen trüben Aussichten lebte der Pohle dem Jahre 1812 entgegen, als das Frühjahr deßelben Hundert Tausende fremder Krieger über seine Grenzen ihm zuführte, die nebst Obdach und Lagerstatt, auch Nahrung für sich und ihr Vieh verlangten. Schon selbst bis auf die lezten Körner erschöpft, und sein weniges Stroh bereits verbraucht, hatte er, um sein Vieh vom Hungertode zu retten die noch halbwege taugbaren Dachschaube abgedeckt und zu Hexel geschnitten, und sich und sein Obdach der rauhen und immer noch stöbernden Witterung Preis gegeben. Nun traten durch die Truppen Märsche noch Naturallieferungen ein. Es blieb ihm daher nichts übrig, als die noch auf den Dächern befindlichen schlechtern Schaube zum Lager für Mann und Pferde ebenfalls nachzuhohlen, und doch mangelte oft selbiges noch sehr oft.

     Dies war die Lage der Dinge während unsers Marsches von Fraustadt durch Pohlen bis in das Cantonnement an die Weichsel. Bleich, abgehärmt und ausgehungert schlichen die Bewohner umher, voll Kummer wie sie sich mit ihren so zahlreichen Familien bis zur Erndte hinbringen und die Sommer Aussaat bestreiten wollten. Wie sehnsuchtsvoll sahen sie, in die Ecken gedrückt, ihrer Einquartierung zu, das aus dem Magazin geliefert erhaltene und zubereitete Mahl einnehmen, wie flehendlich baten die mitgenommenen Boten, die vor Entkräftung kaum folgen konnten, um Brod, und welche Heiterkeit verbreitete sich auf den Gesichtern einer ganzen Familie, wie umfaßte Gros und Klein dankend die Knie, wenn man ihnen Brodt oder andern Überbleibsel reichte. Nur sehen mußte man dergleichen Szenen, sie laßen sich mit Worten nur schwach schildern, und so aufs niedrigste gebeugt, hörte man doch keine Klagen, keine Verwünschungen, – im Vertrauen auf beßere künftige Zeiten und voll Patriotismus lebte der Pohle muthvoll der Zukunft [18] entgegen.

     Vom grünenden Maii lebten viele Tausend Familien vorzüglich in der Nähe von Warschau ganz ohne Brod, blos Milch, Grüze und gekochter Sauerrampfer waren ihre Speisen, späterhin wurde schon Korn und Gerste abgemäht, und die noch milchenden Körner auf dem Heerde gedörrt und gemahlen. Daß durch diese schlechte Lebensart Epidemien folgen würden, war außer Zweifel, und sie zeigten sich bald mehr bald weniger im Winter und Frühjahr darauf, vorzüglich in der Nähe von Warschau. So starben z. B. in Okuniew, einen kleinen Landstädtchen 3. Meilen von Warschau, welches noch nicht 200. Häuser enthielt, täglich gegen 9. Menschen, und so an andern Orten desgl. – Die einfache, ungekünstelte und unverzärtelte Lebensart, kam ihnen in dieser Zeit der Noth sehr zu statten, und ließ sie die Entbehrungen um so weniger fühlen, da der Unterhalt der gemeinen Pohlen äußerst schlecht ist. Grobes auf einer Handmühle nur geschrotenes Brodt mit Kleyen und allen vermengt, grober pohlnischer in Waßer mit Salz gekochter Grüze, wenig geschmalzen und Milch, dies sind ihre tagtäglichen Lebensmittel. Der vornehmere Pohle lebt zwar nicht so frugal, sondern bringt eine Menge Schüßeln auf den Tisch, worunter seine Lieblingsgerichte, Kascha[67] (Grüze) und eine Art kleiner trockener Quarkpastetgen, gewis nicht mangeln, doch wenn man mehrere einzeln servirte Schüßeln Fleisch und Zugemüße nach unserer Art mit einander vereinigte, so würde sich die Schüßelzahl schon von selbst vermindern, und der Deutsche würde an einer solchen einseitigen pohlnischen Tafel weniger Langeweile empfinden.

Pohlnische Tafel.     Der Pohle als Katholick feiert den Freytag und Sonnabend, als wöchentlich von der Clerysei[68] angeordnete Fasttage streng, und Fische und Mehlspeisen sind dann die einzig erlaubten Nahrungsmittel. [19] Der pohlnische Kunstkoch weis diese Fastenspeisen besonders sehr zu vermannigfaltigen und versteht sie den Gaumen auf mancherley Art zu produciren. Man genießt bei einer solchen Tafel eine Menge Fische bald gesotten und gebraten, bald marinirt oder in Gelée umgewandelt, ohne im mindesten einen Überdruß zu empfinden, nur die hierbei gewöhnlichen Honig Sauçen sind ekelnd und widerstehend. Will man mit mehrern Appetit und Genuß speisen, so muß man vorhero in einen solchen Hause weder die Küche besuchen, noch sich mit denen darinnen beschäftigten Personale bekannt machen, denn eine Menge höchst unreinlicher und schmuziger Handlanger sind die Gehülfen, zumal auf dem Lande, durch deren unsaubere Betastungen alle die zubereiteten Speisen von ihren ersten Mischung an, erst gehen.

     Das Braten am Spieße ist in ganz Pohlen gewöhnlich. Unger-Wein[69] und Meth ist bey der Tafel der Vornehmen der Tischtrank. Der Meth, ein aus Hopfen (oder beßer Pommeranzenschaale zugleich) Waßer und Honig zubereitetes Getränk, ist durch ganz Pohlen bei allen Ständen beliebt, und er wird, wenn er gut zubereitet, alt und geistig ist, auch von dem Deutschen nicht verschmäht, doch meistens ist er ein HandlungsArticel der Juden, und dann mehrentheils schlecht und der Gesundheit nachtheilig.

Landes-Erzeugnisse.     Pohlen bringt eine Menge Producte hervor, die bei einer bessern Würdigung derselben, sowohl den Bedarf des Landes umher als jezt decken, als auch mitunter einen Überschuß zum Handel mit dem Auslande darbieten würden. Allein die wenigen und blos auf die größern Städte eingeschränkten Fabricken, der Mangel an guten Profeßionisten und das Schlummern der Industrie bei dem trägen NationalCharacter, laßen einen großem Theil derselben unbenutzt liegen, und dafür große Summen Geldes außer Landes gehen, die demselben füglich erhalten werden könnten. Ich werde im [20] Honig und Wachs.Nachstehenden einige dieser Articel näher beleuchten:

     Honig und Wachs werden sowohl durch Zucht, als auch durch die vielen in den Waldungen nistenden Bienen, wild erworben. – In Gärten bei Häusern auf dem Lande eine Bienenzucht von 20. 30. und mehreren Stöcken anzutreffen ist nichts ungewöhnliches, und wie viel Honig und Wachs wird nicht noch überdies, theils durch die, in benachbarten Waldungen in Baumstämmen angelegte, theils sich ganz selbst allein überlaßene wilde Bienenzucht gewonnen. Schränckte man sich bei der eigenen Consumtion dieser Articel nur in etwas ein, oder richtiger zu sagen, verschwendete man nicht zuviel hiervon, so würde der Nuzen den man durch den Handel mit den Auslande bezieht, bedeutender als jezt sein, denn ein großer Theil des Honigs wird bei Verfertigung des Meths und andern Getränken verbraucht, der, wenn ein gutes Bier mehr an der Tagesordnung wäre, gänzlich erspart werden könnte, und der WachsVerbrauch übersteigt den des Honigs noch um weit mehr, denn den Bedarf den die Clerißey in Kirchen und Klöstern, und die Vornehmern zum Geleuchte auf der Tafel und in ihren Haushaltungen verbrauchen, ungerechnet, kann man annehmen, nach den Anordnungen der Geistlichkeit (die der Pohle für heilig hält) in jeder Hütte und wenn sie noch so klein ist, eine geweihete Kerze von Wachs zu finden, was auf ganz Pohlen berechnet, einen gewis nicht unbedeutenden Wachsaufwand ausmachen muß.

Holz.      Hölzer, und in Hinsicht ihrer Länge und Breite sehr bedeutende Waldungen, größtentheils von Nadelhölzern, überziehen einen großen Flächen-Inhalt Pohlens, und bieten dadurch dem Landmann einen überflüßigern Brennstoff dar, als er selbst consumiren, oder theils roh, theils zu Kohle gebrannt, exportiren kann, ja um einen üppichen Anwuchs zu unterdrücken, trift man oft ganze Strecken jungen Holzes angesteckt, und wenn auch nicht ganz verbrannt, doch versengt und beschädigt [21] an, um die Vegetation zu hemmen. In Hölzern aus der gewöhnlichen Straße ausbeuchen zu wollen, um auf Nebenwegen ein beßeres Fortkommen zu suchen, ist hier größtentheils unmöglich, denn, um die großen Waldungen nicht zu undurchdringlichen Dickigten und zum ungestörten Aufenthalt wilder reißender Thiere werden zu laßen, brennt man die Bäume unten am Stamme an, überläßt sie ihrem willkührlichen Falle, und so entstehet dann außer den Wegen ein ganz unzugänglicher Verhau, der nur erst mit der gänzlichen Verwitterung und dem Verfaulen derselben, wieder gangbar wird und einer neuen Vegetation Plaz macht. Im Bezirk einer Stunde Weges mehrere tausend Klaftern solches der Verwitterung Preis gegebenen Holzes aufzusezen, was in holzarmen Ländern vielen tausend Familien ein hinlängliches Brenn-Materiale gewähren würde, ist hier eine Kleinigkeit, die in Bezirken von 10. und 20. Meilen sich erstrekenden Waldungen zu einer überaus großen Quantität sich vervielfältigen muß.

     Da Pohlen durchgängig reich an Holze ist, im Ganzen Überfluß hat, und zum Vertrieb mit dem Auslande außer der Weichsel und dem Bug keine schiffbaren Flüße besizt so bleibt dieser so wichtige Handelszweig hier ungenuzt, der sonst einen so bedeutenden Reichthum und Wohlstand eines Staats ausmacht. Der Bauer erhohlt sich seinen Bedarf in den nächstgelegenen Waldungen nach Willkühr, und führt dem Städter den seinigen gegen ein äußerst billiges Fuhrlohn von ebendaher zu.

Theer und Pech     Preißels- und Heidelbeeren sind auch hier die gewöhnlichen niedern Gewächse der Nadelhölzer.

     Pechhütten und Theeröfen, die hier volle Arbeit finden würden, sind nicht sichtbar, und giebt es deren ja einige, so beschränken sie sich gewiß nur auf den innern Verbrauch, der ganz unbedeutend sein muß, weil der Bauer [22] welcher kein Eisen an seinen Wagen führt, auf den ebenen sandigen Boden eben so wenig Theer bedarf, als die wenigen großen Brauereyen in den Haupt- und Mittelstädten, wo größtentheils LagerBiere existiren, die keine gepichten Gefäße erlauben, Pech verbrauchen werden.

Wild.     So beträchtliche Waldungen Pohlen besizt, so äußerst weniges Wildpret hat selbiges aufzuweisen, ja einen Haasen, geschweige denn einen Hirsch, ein Reh oder ein Stück Schwarzwildpret zu erblicken ist eine Seltenheit. Die Ursache, daß diese Gattungen nie zu einer beträchtlichen und in Hinsicht der Holzmenge verhältnißmäßigen Anzahl gelangen, ist ohnstreitig die allzugroße Vermehrung der Wölfe, die Troz der Vorsicht, daß man die Waldungen zu lichten und ihren Aufenthalt dadurch zu erschweren sucht, sich, da man keine allgemeine Treib-Jagden auf sie macht, eher vermehren als vermindern, und dem Landmann an seinen Heerden beträchtlichen Schaden verursachen, vorzüglich im Winter, wo sie, wenn sie der Hunger zwingt, oft so kühn werden, in die Gehöfte einzudringen und in die schlecht verwahrten Ställe das Vieh anzufallen, wodurch dann Menschen selbst mit gefährdet werden.

     Ein jeder Schäfer oder Hirte in Pohlen ist mit einem scharf geladenen Gewehr und 2. großen abgerichteten Hunden versehen. Hütet er nahe an einen Holze, so patrouilliren leztere beständig deßen Front auf und ab, ist sie die Heerde hingegen weiter davon entfernt, so postiren sie sich als Vedetten nach den gefährdeten Orten, und geben, so wie sie nur etwas verdächtiges wittern, durch Anschlagen Apell. –

     Wölfe sind den Sommer über außerhalb dem Holze weniger sichtbar als im Winter und beschädigen und verzehren wenn sie Zeit und Gelegenheit dazu haben, manches zahme Stück Vieh. – Dem Menschen sind sie weniger gefährlich. Nur wenn man [23] sie ihrer Jungen beraubt, wenn sie toll werden, wozu ihre Natur leicht reizbar ist, oder im äußersten Falle, wenn ihnen alle Nahrung mangelt, hat man Beispiele, daß sie sich bis in die Dörfer und Gehöfte wagen und Menschen anfallen. In strengen Winternächten stimmen sie in den Waldungen ein grausendes Geheule (den Hunden gleich,) an, welches von den übrigen beantwortet wird, sich im Holze durch das Echo noch vervielfältiget und in stillen Nächten weit zu hören ist.

     Auch Bäre giebt es in verschiedenen Theilen des Herzogthums Warschau, mehrere aber noch jenseits des Bugs im rußischen Antheile Pohlens, vorzüglich in der Gegend der rokitnoschen[70] Sümpfe, wo Morast und undurchdringliches Gebüsch und Gehölze jeden menschlichen Zutritt unmöglich macht, und sie ungestörter Hausen und nisten läßt. –

ViehZucht     So bekannt und gerühmt im Auslande die pohlnischen Pferde und Ochsen sind, so wenig darf man solche in dem Herzogthum Warschau und in den nächstangrenzenden rußisch pohlnischen Provinzen in der Nähe des Bugs und der Narew[71] suchen. Beide Raçen[72] der größern und vorzüglichern Sorte existiren in der Moldau und Ukraine, und werden durch Aufkäufer auf den Märkten Pohlens, wovon in Lenczno an der Wiprez und in Lowicz[73] die beträchtlichsten sind, verhandelt und uns zugeführt. – Der wirklich im Herzogthum Warschau befindliche Schlag von Pferden und Rindvieh, ist äußerst klein, dürftig und unansehnlich, obschon selbige von Dauer sind, und ihrer Statur nach mehr leisten, als man von ihnen erwarten könnte. Ein Hauptumstand, daß die hiesigen Pferde nicht zu der gewöhnlichen 10. bis 11. Viertel Zoll hohen Größe unserer leichten Cavallerie Pferde gelangen, ist wohl dieser mit, daß sie schlechte Nahrung und Abwartung bekommen, und zu frühzeitig und im zweyten Jahre schon zum Tragen od. Ziehen gebraucht werden. Gleiche Bewandnis hat es mit dem RindVieh, wozu noch kommt, daß man sie zu zeitig belegt [24] und zur Zucht zuläßt. Die Pferdezucht im Großen durch angelegte Stutereyen, wird im Herzogthum Warschau wenig, bedeutender jedoch jenseits des Bugs in den rußisch-pohlnischen Provinzen Litthauen und Vollhynien betrieben, wo die Raçe auch größer, stärker und vorzüglicher wird. –

Salz.     Seinen Salzbedarf bezieht Pohlen aus den ohnfern Kracau in Westgallizien gelegenen Salzsteinbergwerke Wiliczka[74]. – Es wird als Steinmaße bald in größere Quatere bald in kleineren Stücken und Abgängen (die dann in Fäßer geschlagen werden) bergmännisch zu Tage gefördert und sowohl auf der Achse als auf dem Waßer verführt. Pohlen, Ungern, Ostgallizien und ein Theil von Rußland erhalten aus diesen einzigen Werke (was unter die neuere Naturwunder gehört und späterhin noch näher berührt werden wird) seinen Bedarf. Es ist sehr fest, meist grau und schwärzlich von Farbe, erhält zum Tischgebrauch auf einer kleinen Handmühle gemahlen, jedoch eine schöne weise Couleur und wird im Großen wie im Kleinen nach dem Gewicht verkauft. Vor dem Friedensschluß 1809.[75] gehörte es ganz zu Österreich, und Pohlen mußte für diesen unentbehrlichen Articel bedeutende Summen ins Ausland gehen sehen; bei erwähnten Friedensschluße hingegen wurde, die Stadt Wiliczka mit ihren Salzbergwerke in 2. gleiche Hälften getheilt, wovon die eine dem Herzogthum Warschau zufiel. Da Pohlen keine Salinen besizt, so war dieses eine der vortheilhaftesten Acquisitionen[76] die es nur machen konnte, denn sie war außer den eigenen Bedarf, durch den Überschuß noch mit ansehnlichen Revenuen[77] verknüpft.

     Getreyde aller Art erbaut Pohlen auch bei Mittelerndten auf seinen bedeutenden Flächen-Inhalt mehr als es consumiren kann, und giebt den vorzüglichsten Nahrungs- [25] Getreydeund Handelszweig mit Schweden, Dännemark, Norwegen und England über Danzig ab.

     Grüne Gartengewächse außer Zwibeln und Knoblauch die der Pohle vorzüglich liebt, trift man bei den gemeinen Manne wenig an, da seine meisten Zugemüse Grüze, Erbsen Hiersen, Sauerkraut, Milch und Mehlspeisen ausmachen; der Edelmann jedoch, der nur irgendein etwas bedeutendes Güthgen besizt, pflegt einen Küchengarten, worinnen man alle gangbare Gemüsarten antrift, zu unterhalten; bei den Mehrbemitteltern hingegen trift man auch Treib- und Gewächshäuser, und öfters sehr schöne Gärten mit englischen Anlagen an.

Tobacksbau     Der Tobacksbau ist gegen Rußisch-Pohlen betrachtet, ganz unbeträchtlich, weil sein Verbrauch gegen andere Länder genommen, ganz unbedeutend ist. Der Pohle raucht äußerst wenig und selten Toback und obschon bei andern Militaier das Tabacksrauchen, des Zeitvertreibs und der Wachsamkeit wegen herrschend und zur zweiten Natur geworden ist, so trift man es bei diesem Stande in Pohlen in eben der geringen Maase an. Der Schnupftaback hingegen ist bei beiden Geschlechtern hohen und niedrigen Standes sehr beliebt, und man kann sich den gemeinen Mann hauptsächlich, durch eine Priese guten Taback äußerst verbindlich machen. Der Pohle niedrigen Standes verfertigt sich seinen Bedarf durch Klarreiben des trockenen Rauchtabacks und Vermischung deßelben mit ein wenig Asche selbst, der Vornehmere hingegen bedient sich der Fabricate des Inlandes oder der aus den nahen Österreich, welche beide ganz klar, staubähnlich und flüchtig sind.

Obst.     Die Obstbaumzucht ist noch ganz zurücke und vernachläßiget, oft ist es eine Seltenheit, in einem ganzen Dorfe nur einen einzigen guten Obstbaum zu erblicken. Obschon die hiesigen strengen Winter ihnen nachtheilig sein mögen, so beweisen doch die in mehrere herrschaftlichen Gärten unterhaltenen, [26] daß sie mit der gehörigen Vorsicht durchzuwintern sind. Frisches Obst ist daher eine Seltenheit, und nur dann und wann zu übermäßigen Preisen zu erlangen.

Wein.     Noch rarer als der Obstbaum ist der Weinstock. – Die gangbarsten und beliebtesten Sorten Tischweine sind die eingebrachten ungrischen süßen, welche wegen der Nähe Ungarns noch wohlfeiler als gewöhnlich zu erlangen sein würden, wenn nicht der starke Impost[78] und der Wucher der Juden die Preise steigerte. Ob, des meist sandigen hizigen Bodens ohngeachtet, das strenge nördliche Clima dem Weinbau Grenzen sezt, darüber können und mögen nur Sachkundige entscheiden. –

Bier.     Hopfen wird reichlich erbauet, und überall sieht man ihn bald in Pflanzungen, bald an den Zäunen wild wachsen. Dieses Products und der in Menge erbaueten Gerste zu Folge sollte man glauben, in Pohlen durchgängig einen guten Trunk Bier zu finden; Doch Warschau, seine Umgebungen und die bedeutendsten Örter der Provinz abgerechnet, kann man irgends kein schlechteres Getränke dieser Art vorfinden als in Pohlen. Die Ursachen liegen in folgenden: Der Bauer und der übrige Pohle gemeinen Standes ist zu sehr für den Brandewein eingenommen, und fragt wenig oder gar nicht nach Bier, und dann ist auf dem Lande und in den kleinern Städten die Fertigung und der Ausschank der Getränke lediglich nur der jüdischen Nation gegen Pacht oder sonstige gewiße Abgaben überlassen. Bei der wenigen Nachfrage kann er sich daher nie auf große Vorräthe einlaßen; er kocht daher blos in ordinairen großen Waschkeßeln, ein, Nachbier[79] ähnliches Getränke, welches bei der gewohnten Unreichlichkeit[80], und da er nicht behutsam genung mit deßen Aufbewahrung umgeht, zumal im Sommer schon in den ersten Tagen tröbernsauer, stets trübe, und späterhin ganz ungeniesbar wird. [27] Ganz anders verhält es sich jedoch in den Haupt- und bedeutendern Provinzialstädten, wo regelmäßige Brauhäuser existiren. Diese liefern ein gutes, helles und im Geschmack dem bayerschen ähnliches Bier, was bei seiner Güte auch den gehörigen Absaz findet. Im Winter bei strenger Kälte, findet man in vielen Wirths- und Schenkhäusern eine Menge Personen, welche dieses Bier, beim Feuer fast bis zum Grade des Kochens erwärmt, mit vielen Wohlbehagen hinunterschlürfen.

Brandewein.     So gering im Ganzen der Verbrauch des Bieres ist, um so bedeutender ist die Fabrication und die Consumtion des Brandeweins. Als Lieblingsgetränk des niedern Standes beiderley Geschlechts wird er sehr gesucht, und ließen es die Finanzen deßelben zu, so würde das Ausland aus Pohlen wenig Getreyde erlangen, es würde vielmehr zu geistigen Getränken aufgelößt selbst innerhalb verbraucht werden. Er wird entweder als reiner Kornbrandewein, oder, mit Annis in die Blase aufgesezt, als Annisbrandewein genoßen, andere Sorten außer in LiquerFabriken findet man nirgends. Selten wird man ihn von Güte (bei der Menge des Stoffs hierzu) geringe finden, doch kommt er bei weiten demjenigen nicht gleich, welcher in RußischPohlen verfertiget wird, und fast aus lauter Spiritus besteht. Die Preise sind den Getreide Preisen angemeßen, doch aber immer so beschaffen, daß der Wenigdrinker für eine Kleinigkeit bei seiner Güte sich ein Räuschgen hohlen kann. – Der pohlnische Bauer bedarf deßen freilich mehr, er trinkt ihn so lange in vollen Zügen gleich Waßer, bis ihn der Beutel entweder Schranken sezt, oder er sein Bewußtseyn völlig eingebüßt hat. Dann bleibt er aber auch an Ort und Stelle liegen bis er wieder nüchtern wird, gleichviel, es sei in einer Behausung, oder auf freyer Straße im Kothe. Dieses Produkt [28] ist eins der bedeutendsten zu seiner Armuth, seines Verfalls und seiner Inmoralitat. –

Stände Pohlens.     Unter den Ständen Pohlens behauptet der, der Nobelen den ersten Rang. Zu den Noblen rechnet man sowohl den vervielfältigten (Grafen, Barone) bis zum einfachen Adel, als auch die geringste Abstufung des leztern, – die so genannten Schlachtschüzen.

Adel.     Da das Herzogthum Warschau weniger große und mittelstädte, als unbedeutende Landstädtchen, oder im richtigen Ausdrucke, offene Flecken und Dörfer auszuweisen hat, die, die wenigen königlichen Domainen[81] abgerechnet, alle dem Adel zugehören, so findet man oft sehr bedeutende, zusammenhängende und vereinzelt liegende Herrschaften, die einen einzigen Besizer angehören, und ihn bei den oft sehr bedeutenden Terrain[82] und Ertrag derselben, auch sehr ansehnliche Revenüen gewähren. Äußerst selten wird der Fall eintreten, daß sich ein solcher Vermögender mit der Verwaltung seiner Güther selbst befaßt, er hat auf selbigen hingegen ein Personale von Commissairen, Beamten, Oeconomen und Schreibern, und weißt ihm nicht irgend ein öffentlicher Posten im Staate einen bestimmten Aufenthalt an, so verlebt er die meiste Zeit mit seiner Familie in Warschau oder andere bedeutendern Städten der Provinz, oder er hält sich wechselsweise auf seinen Güthern auf und hängt seinen Lieblingsbeschäftigungen nach. Der Adel in Pohlen mit und ohne Güther, – bemittelt und unbemittelt, ist beinahe unzählig und scheint sich auf seinem Rang nichts weniges zu Gute zu thun. Kein einfacher Edelmann wird den Grafen Tittel wenn man ihn damit beehren will, von sich ablehnen, er fühlt sich [29] vielmehr äußerst geschmeichelt, obschon ihn weder Geburt noch Diplom zu dießer Anname berechtiget. – Die zweite Aufstufung des Adels, den Freyherrnstand, trift man hier seltener als in andern Ländern, Grafen und Fürsten hingegen vermehrter als in jenen an.

     Die geringste Claße des Adels, welche entweder nur ganz kleine unbedeutende Güther (wie in Sachsen die so genannten Freygüter) besizen, oder ganz unbegütert und unbemittelt sind, nennt man hier Schlachtschützen[63], eine Benennung die noch aus den alten Ritterzeiten von gewißen Kriegsdienstleistungen herrühren muß. Der größte Theil dieses Adels wohnt auf dem Lande, betreibt, da er kein Stammguth besizt und keine Frohndienste zu erwarten hat, seine Feldwirthschaft selbst, und ist gegen die übrigen Bewohner des Dorfs genommen, ein großer freyer Landmann, daher auch wohl von seiner Geringfügigkeit und Menge, das auswärts bekannte Spruchwort entstanden sein mag, daß in Pohlen der Edelmann hinter den Pflug hergehe. Treibt er auch diese Beschäftigung selbst, so wird er seinen Stand bei seinen geringen nothdürftigen Einkommen, doch immer durch einen gewißern äußern Anstand, reinlichere beßere Kleidung und einige Bildung auszuzeichnen suchen. Die Erziehung sämmtlicher Adelichen auf dem Lande ist der dortigen Clerisey überlaßen, deshalb sprechen die mehresten derselben auch lateinisch, oder wißen sich doch wenigstens in dieser Sprache verständlich zu machen.

Clerisey.     Obschon die Clerisey seit der Secularisation mehrerer Kirchen und Klöster, gegen sonst sehr vermindert worden ist, so trift man doch noch, sowohl in Städten als auf dem Lande Klöster beiderley Geschlechts an. Die wenigsten Dörfer hingegen besizen ihre eigenen Gotteshäuser, es machen deren mehrere [30] zusammen gemeiniglich ein Kirchspiel aus, welches ja nach seiner Stärke von mehreren Geistlichen unter einem Vorsteher mit der Benennung Probst bedient wird. An den Grenzen von Rußisch Pohlen in der Nähe des Bugs, wo sich schon Grichisch-Katholische Confitenten[83] mit untermischt befinden, trift man auch Bethäuser beider Sekten an, welche sehr tolerant miteinander zu leben scheinen. Lutheraner und Reformirte sind zu wenig und zu umhergestreut, um, wenn sie auch die Erlaubnis hierzu erhielten, auf eigene Kosten Kirchen und Geistliche unterhalten zu können. Nur in der Hauptstadt und in einigen bedeutendern Städten trift man protestantische Kirchen an, desgleichen in der Nähe Oberschlesiens wo sich viele Deutsche angesiedelt haben. Kirchen giebt es übrigens in Städten von nur einigen Range mehrere, als die Volksmenge deren bedürfte, und zu deren Bedienung gewis auch hinlängliche Geistliche. Daß sie gut salarirt werden[84] und reiche Spenden genießen, daran werden es ihre Stifter, zumal in einen noch so orthodoxen und wenig aufgeklärten Lande als Pohlen ist, gewiß nicht haben fehlen laßen. übrigens genießen sie aber auf ihren Stand hier die Befreyungen so mancher Art nicht, als in andern Ländern üblich ist, sie müßen, da sie mit mehrern Ländereyen salarirt sind, auf diese ebensowohl NaturalLieferungen leisten als Einquartierung halten. Ich habe selbst mehrere dergleichen Geistliche als meine Wirthe kennen lernen, und ich muß ihnen in Hinsicht der Zuvorkommenheit, Gastfreyheit und Humanität volle Gerechtigkeit wiederfahren laßen.

     Wallfahrten und öffentliche Prozeßionen außerhalb der Kirchen scheinen hier nicht sehr im Gebrauch zu seyn. Erstere habe ich gar nicht bemerkt, und von lezteren ist mir nur eine in Lublin zu Gesichte gekommen. [31] Bürger.Den Bürgerstand kann man nur in den Städten ersten und zweyten Ranges suchen, denn alle Städte welche geringer als diese sind, sind nur unter die Flecken zu rechnen, welche größtentheils, oder doch bis zur Hälfte mit Juden bewohnt sind. Den Überrest bildet eine Art Häusler oder Tagelöhner, welche weder zum Bürger- noch Bauernstande zu rechnen sind und gleichsam den Übergang zwischen beiden Ständen machen. Handel, Betreibung von Profeßionen und Schenckwirthschaft machen hier den vorzüglichsten Nahrungszweig dieses Standes aus. Unter den Profeßionisten findet man hin und wieder Deutsche an, die auf ihrer Wanderschaft hier zurückgeblieben sind und sich angesiedelt haben, doch scheint der größte Theil sein Glück und Auskommen nicht in der Maase zu finden, als er es anfangs glaubte. Die Menge der Gewerktreibenden Juden, die für oft weniges Geld noch schlechtere Waaren fertigen und in Umlauf bringen, sezen seinen Emporkommen Schranken.

Bauer.     Der Bauer obschon seiner Mehrzahl nach, die volkreichste Classe im Staate, ist als nicht freyer Mann, sondern blos der 1ten Claße untergeordnet, der unbedeutendste Theil im selbigen Staate, denn er kann in seinen Verhältnißen nie Grund Eigenthum erwerben. Will sich der pohlnische Bauer verheyrathen, oder sind seine Ältern abgelebt oder verstorben, so wird er von seiner Herrschaft entweder in die Wirthschaft seiner Ältern, oder sonst in eine vacante oder schlecht administrirte eingesezt. Er erhält mit selbiger zugleich das benöthigte Inventarium an Vieh und Geschirre, wofür er seiner Herrschaft die dem Herkommen gemäs bestimmten Spann- und Handdienste leisten und überdies noch NaturalZinsen entrichten muß. Was nach Abzug der, der Guthsherrschaft und der Clerisey zu entrichtenden Abgaben seinem Erwerbs Fleiß noch übrig bleibt, womit er sich und eine meistens sehr zahlreiche Familie bis zur nächsten Erndte wieder hinbringen muß, kann er erst als disponibles Eigenthum betrachten. [32] Bedeutende Reparaturen an Gebäuden und Geschirr, so wie der Ersaz gefallenen Viehes fällt auf die Herrschaft zurück. –

     Vernachläßiget er den ihn zugehörigen Feldbau und das ihm übergebene Inventarium nicht, leistet er treu und pünctlich seine Dienste und Zinsen, überhaupt genommen, ist er ein ordentlicher guter Wirth, so hat er bei einer, nicht blos ganz auf Intereße, sondern auch auf das Wohl ihrer Unterthanen hinsehenden Herrschaft, die Aussicht, bis an sein Lebensende in den Besiz derselben zu verbleiben, ist er hingegen von obigen das Gegentheil, so wird er mit Frau und Kind daraus verwiesen, und muß nun als Hausgenoße blos Handdienste leisten, und sich und seine Familie von ihrer Hände Arbeit ernähren. Stirbt ein Wirth einer solchen Wirthschaft, und findet sich zur Wittbe nicht bald wieder ein anderer Mann und Bewirthschafter, so muß sie solche mit ihren Kindern mit den Rücken ansehen und als Hausgenoßin sich hinzubringen suchen, ja nicht selten handeln Herrschaften so gewinnsüchtig, einen Wirth der eine Nahrung durch Fleiß und Ordnung empor gebracht hat, aus seiner zufriedenen Lage wegzureißen und auf eine caduce zu versezen, um sie ebenfalls zu verbeßern und emporzubringen.

     So lebt er nun mechanisch einen Tag wie den andern seiner Bestimmung gemäs hin, ohne sich weder um Cultur noch um die Nebenwelt zu bekümmern. Wo kann man daher bei dieser unterdrückten Volksklaße, die überdies den Hang zum Leichtsinn und zur Faulheit in so vollem Maase besizt, Gemeingeist, Bestreben nach Veredlung und Verbeßerung in jeder Hinsicht suchen, da, wo schon die erste Erziehung durch Selbstüberlaßung, und Emporkeimen nach der Natur verwahrloset wird, wo späterhin so wenig gute Beispiele ihn zur Nachahmung wecken, und wo er, voll Kummer und Mismuth umgeben, nur so viel wirkt, als wie er zu seiner Selbsterhaltung und Bestreitung [33] der onera gezwungen ist, Schade ist es um die Kräfte, die die Natur an diese so nervösen Menschen verwendete, daß sie so ungenuzt rosten. Wie viel Fähigkeiten er in sich besizt, die nur blos einer Ausbildung bedürfen, sieht man an denenjenigen, die das Loos zum Militairr-Stande bestimmt. So schlaff, träge und auseinander er als Bauer ist, so viel Anstand und militairischen Geist zeigt er schon nach einer kurzen Dreßur, welches bei gebildetern (aber auch um so mehr zerstreuetern) Subjecten oft in einen viel längern Zeitraum erst bewerkstelliget werden kann.

Juden.     Noch existirt in Pohlen eine VolksClaße die einer besondern Erwähnung verdient, und das sind – die Juden. In einer so großen Anzahl als hier, werden sie wohl schwerlich in einer andern Provinz aufgefunden, und es scheint als wenn ihr speculativer Geist in diesem Lande der Trägheit volle Nahrung fände, und ihnen, wenn auch nicht ein reichliches, bei der so beträchtlichen Anzahl doch wenigstens ein nothdürftiges Auskommen verschafte. – Aufgelegt zu allen, in allen Handelsgeschäften gewiegt, und auch mit dem unbedeutendsten Gewinne gnügsam, trift man sie in Städten Flecken und Dörfern bald in einer größern bald in einer geringern Anzahl verbreitet an, und, die Hauptstadt und einige der größern und bedeutendern Städte ausgenommen, wo bedeutende Waaren Lager der Christen existiren, kann man dreust behaupten, daß sie den ganzen Handel des Landes innehaben. Zum Theil ein Glück, zum Theil aber auch ein unermeßlicher Schade, der im Ganzen genommen für Pohlen hieraus erwächßt.

     Ein Schade aus dem Grunde, weil er allein den Handel an sich zu ziehen sucht, schlechte loose Waare wählt und für einen geringen Preis Käufer an sich zu locken sucht, den reellern Handelsmann und Profeßionisten hingegen außerordentlich schadet, und, wenn es auf seine Person selbst ankommt, [34] dem Staate doch nie die Dienste leistet wie jener; und wie sehr schadet er nicht besonders auf dem Lande, wo alle Krüge oder Gasthöfe von ihnen besezt sind, dem gemeinen Manne. Will dieser seinem Hang zum Trunke befriedigen und fehlen ihm die Mittel hierzu, so verhandelt er schon im voraus einen Theil seiner künftigen Erndte, und muß, da er Geld und andere Bedürfniße braucht, selbige um die Hälfte verschleudern; Ein vom Juden unentgeldlich dargebrachtes Quart Brandewein trägt dann nicht wenig dazu bei, in den wucherischen Contract zu stimmen, und ihn momentan alle jezigen und künftige Bedrängniße vergeßend zu machen. Nahet dann endlich der Zeitpunct heran, wo er nach Abzug der Gefälle und seines eigenen Bedarfs einen Theil veräußern könnte, so kommt sein Gläubiger der Jude und fordert und entnimmt den schon lange im voraus verzehrten Antheil; So ist er denn auf einmal wieder von allen entblößt, und gezwungen vom neuen wieder[85] Credit zu suchen, und so wird denn nicht nur sein Hang zum Trunke genährt, sondern auch durch eingetretene Desparation[86] vervielfältiget, mithin schadet die jüdische Nation dem Ganzen, physisch und moralisch betrachtet, unendlich.

     Auf der andern Seite hingegen ist der Israelit, zumal für den reisenden Deutschen der der pohlnischen Sprache nicht kundig ist, eine unermeßliche Wohlthat. Nicht nur daß dieser auf jedem Dorfe bestimmt hoffen kann, einen Juden als Schenkwirth zu treffen, bei welchem er, wenn auch schlecht, unterkommen und seine Bedürfniße einigermaassen befriedigen kann, was außerdem noch Schwerer für ihn zu erlangen sein würde, so darf er doch auch wenigstens auf einige Unterhaltung und darauf rechnen, daß er ihn benöthigten Falls als Dollmetscher brauchen kann. In Dörfern und ganz kleinen Städten oder Flecken ist außer bei der handelnden [35] Judenschaft durchaus nichts zu bekommen, und ist man sonst etwas benöthiget, was er nicht selbst in seinem Vermögen hat, so kann man bei einem versprochenen kleinen Rabbat bestimmt darauf rechnen, daß er es herbeischaft, wenn es nur irgend aufzutreiben ist.

So strenge übrigens der hiesige Israelit das mosaische Gesez, und fast bis zur Übertreibung beobachtet, so gewißenlos ist er im Handel und in seinem übrigen Betragen. Für Waaren darf man ihm nur 1/3 des Gebots zugestehen, und selten wird er den Käufer gehen laßen, wehe hingegen den, der sich ihn in Geschäften, ohne vorher ein Übereinkommen mit ihm getroffen zu haben, unbedingt überläßt. Für Geld ist ihm alles feil, ja ersezt Leben und Freiheit darüber aufs Spiel, so feig und zaghaft er auch sonst von Caracter ist. – Er dient als Kundschafter dem Freund wie dem Feind, und sucht sich in Handels- und Marquedenters Geschäften bei ihm einzuschleichen. Ihre ausgebreitete Bekanntschaft unter ihren Glaubens Genoßen dies- und jenseits wohnend, und ihre Sprachkenntniße erleichtern ihnen diese Geschäfte sehr, und der Lauf der Campagne 1812. hat in einzelnen Fällen bald zum Vortheil bald zum Schaden gewürkt. Der größte Theil der pohlnischen Juden ist mehr arm als unbemittelt, und es erregt Verwunderung, wie ein großer Theil derselben bei einer oft zahlreichen Familie in dem bedrängten Jahre 1812. nur ihr Leben haben hinfristen können; Wahrscheinlich genießen sie Unterstüzung von den Bemitteltern. Sie sprechen außer der pohlnischen Sprache noch durchgehends deutsch und ein großer Theil auch Rußisch. Sie haben in jedem Ort wo sich eine Gemeinde befindet, ihre Bethäuser und besondere Begräbnispläze mit horizontal perpendicular stehenden Denkmälern hebraischer Inschriften. – [36] Militaire.Das pohlnische Militaire ist kernvoll, man erblickt unter ihnen viel schöne, nervöse Leute, voll Ausdruck in der Gesichtsbildung, und ist geschmackvoll und zweckmäßig, ganz nach französischen Costume uniformirt. Ihre Cavallerie ist gut beritten und bestehet größtentheils aus Uhlanen Regimentern, nur seit kurzen vor dem Ausbruch der Campagne 1812 sind noch 2. Husaren Regimenter und einige Compagnien Curassiers errichtet worden. Der Lauf des Feldzugs 1812. wo sie mit bei der grossen Armée fochten, hat den öffentlichen Nachrichten und ihren bedeutenden Verluste nach dargethan, daß sie eben so brav im Felde sind, als man sich von ihren Äußeren verspricht. – Ihren innern Dienst näher kennen zu lernen, ist mir bei der Trennung der beiderseitigen Armée Corps unmöglich gewesen. Außer dem regulairen Militaire, existiren noch eine Menge NationalTruppen, die vornämlich in Warschau gut exerzirt und uniformirt sind, und welche, da sie nur aus Bürgern bestehen, den Policey Dienst in den Städten verrichten, und dann und wann zu Escorten gebraucht werden.

Verfall des Landes und deren Ursachen.Daß Pohlen so wenig Fortschritte in der Cultur in jeder möglichen Hinsicht macht, und gegen die benachbarten deutschen Staaten so auffallend zurückbleibt, davon liegt der Grund theils in der vernachläßigten Erziehung des größten Theils der Nation selbst, theils in der Unempfindlichkeit und unterdrückten NachahmungsGeist gegen alles Beßere, Veredelte und Vollkommnere, durch die angebohrene Knechtschaft. – Da der gemeine Mann nicht frey handeln und wirken kann, da er bei jeder vorzunehmenden Verbeßerung, deren wohltheilige Folgen oft nur erst für seine Nachkommen ersprieslich werden, durch die Ungewißheit zurückgeschreckt wird, ob sie ihm auch im Besize seiner Wirthschaft folgen werden, und da er [37] selbst allein zu unvermögend ist, einigen hierbei zu bestreitenden Aufwand leisten zu können, so bleibt er maschinenmäßig beim Alten, und weder durch Lektüre, noch durch um und neben ihn angestellte glückliche Versuche aufgemuntert, überläßt er sich ganz der Leitung der Vorsehung und des blinden Ohngefährs.

     Einen Schulunterricht genießt der gemeine Pohle gar nicht. Er erlernt als Kind, wo er zu stammeln anfängt, die gewöhnlichen Gebetsformeln mit ihren äußeren Ceremonien, repetirt dann solche maschinenmäßig des Tages mehrere male und darinnen bestehen seine ganzen Religionskenntniße. An die Erlernung des Schreibens und Lesens ist nicht zu denken, dahero auch die Unmöglichkeit, sich, wie sonst oft bei dem gemeinen deutschen Manne der Fall ist, durch Lectüre nur einigermaasen zu bilden. Nur in denen, in bedeutendern Städten angelegten neuen Normalschulen, ist beßer und zweckmäßiger für den Schulunterricht gesorgt worden, indem der Jugend, neben Geographie, Schreiben und Rechnen, auch Lesen und Sprechen der pohlnischen deutschen und französischen Sprache zugleich angewiesen und erlernt wird.

     Am Pohlen zu cultiviren, hat Preußen während seiner hier geführten Regierung es sich am angelegentlichsten sein laßen, und weder Geldaufwand noch Anstrengung gespart; nur Schade, daß es zu rasch hierbei zu Werke gieng. Der Pohle, hierzu nicht vorbereitet, orthodox am Alten hängend und Feind von allen Neuerungen, war nicht nur nicht empfänglich hierfür, sondern strebte auch mit allen Kräften dagegen, zumal, da blos deutsche Staatsbediente angestellt wurden, alle öffentliche Verhandlungen in deutscher Sprache erfolgen mußten, und er seine Nationalsprache, auf die er so viel hält, verdrängt zu sehen glaubte. Im Ganzen genommen, ist er zu eingebildet für seine Nation, [38] und zu sehr Verächter und Feind, von allen was deutsch ist und heißt. Nachdem er endlich nach so vielen erlittenen Veränderungen, dennoch unter deutschen Zepter geblieben ist, wo die seit 20. Jahren gedauerten kostspieligen und verheerenden Kriege, so wenig Mittel zur Aufhülfe seines Staates übriggelaßen haben, seine innern Kräfte hingegen hierbei immer mehr und mehr gesunken sind, erkennt er endlich erst die wohlthätigen Bemühungen jener Regierung, und wünscht sie gewiß oft im Stillen zurück.

     In Pohlen jenes so wohlthätige Licht der Aufklärung vollständig zu verbreiten, ist in einem Menschen Alter, Unmöglichkeit. – Eine beßere und zweckmäßigere Erziehung des gemeinen Mannes, als Grundlage und Vorbereitung zu diesem so wichtigen Gegenstande, – künftiges Fortbauen auf diesem Grunde, Einschränkung der jüdischen Nation, Abschaffung der Knechtschaft und dagegen eintretendes freyes Denken und Handeln, – eine lange Periode innerer und äußerer Ruhe, um die gesunkenen Kräfte des Staats, so wie die des gemeinen Mannes wieder empor zu bringen, dies nur allein kann diesem, seinem Flächen Inhalte nach so bedeutenden Staate zu jener Stufe der Aufklärung und des Wohlstandes erheben, den man jezt noch so allgemein vermißt.

     Wie sehr einzeln gemachte Versuche dies zu bewerkstelligen, fehlgeschlagen sind, so bald nicht nach einer zweckmäßigen Vorbereitung eine Reform im Ganzen bewürkt wird, mögen folgende Zwey Beispiele näher auseinander sezen.

      Der GrosVater des jezigen Besizers der Stadt und Herrschaft Cieplow[87], ein Graf Karzewsky[88], welcher beim Koenig August dem Starken[89], Kammerherr gewesen, sich öfters am Sächßischen Hofe aufgehalten und mehrere Reisen mit diesem Koenige nach Italien gemacht hatte, [39] fand an dem Wohlstande und den Verhältnißen des deutschen freyen Bauers zu seiner Herrschaft ein besonderes Behagen, und war geneigt, seine Unterthanen mit Aufopferung eines Theils seiner Revenüen in eine ähnliche Lage zu versezen. Die Bewohner eines ihm zugehörigen Dorfes bei Warschau, welche wegen Nähe der Hauptstadt einen guten Absaz ihrer Erzeugniße hatten, und unter den übrigen Ortschaften seiner Grafschaft sich am wohlhabendsten befanden, schienen ihm hierzu am geeignetsten zu seyn, weil ihr speculativer Geist durch künftiges freyes Wirken noch mehr geweckt werden, und ihr schon dermaliger Wohlstand, sie hierbei schnell unterstüzen würde. –

     Er reißt nach diesen gefaßten Entschluße zu ihnen, läßt die Hausväter um sich versammeln, und macht ihnen seine Absicht, sie künftig, gegen ein jährlich zu entrichtendes Aversional-Quantum in Gelde als Erbzins, für die wegfallenden Spann- und Handdienste zu freyen und unabhängigen Unterthanen zu machen, bekannt. Er überläßt das zu entrichtende Geld-Quantum ihrer freiwilligen Bestimmung, und sie bieten ein nicht Unansehnliches. – Er findet es jedoch zu hoch, er vermindert es bis auf die Hälfte, und bedeutet sie, nur die Erreichung seines Endzwecks, sie in Zukunft noch glücklicher, zufriedener und wohlhabender zu wißen, würde für ihn der Ersaz seiner Aufopferungen seyn. – Angebetet und mit den heissesten Seegenswünschen begleitet, reißt er wieder von ihnen. – Ein Jahr vergeht und sie entrichten ihren Zinns pünktlich; das zweite kommt herbei, – sie restiren und bitten um Nachsicht, im 3ten Jahre hingegen erscheint eine Deputation von ihnen, und bittet um Wiederaufname in die Knechtschaft, und um die Zurückversezung in ihre sonstigen Verhältniße, mit der Äußerung: Wir waren sonst bei unsern gewessenen Diensten glückliche Unterthanen, wir wußten – mußten – und erfüllten unsern Obliegenheiten, und benuzten [40] die Zwischenzeit zu Bestellung unserer Äcker, zu Bestreitung unserer Wirthschaften, theils aus Zwang für unsere SelbstErhaltung, theils aus Gewinnsucht des Überschußes, wenig Zeit blieb uns hierbei zum Müßigang übrig. Seitdem wir durch ihre Gnade frey und unabhängig wurden, seitdem gewannen wir mehr Hang, mehr Mittel zur Unthätigkeit und zum Trunke. Ein Tag verstrich in der Schenke, in dem Wahne, daß es deren mehrere gebe um das Versäumte nachzuhohlen, allein am 2ten und 3ten Tage gieng es nicht beßer, und so vergieng eine Woche nach der andern in Unthätigkeit und Wohlleben. Unsere Felder blieben größtentheils öde liegen, unsere Wirthschaften kamen in Verfall. Wir mußten schon das 1te Jahr einen Theil unsers Viehes veräußern, um den Zinns zu entrichten und Schulden zu bezahlen, das zweite Jahr langte es schon hierzu nicht mehr zu, wir mußten um Nachsicht bitten, und jezo sind wir bettelarm, elend und unglücklich, machen Sie uns wieder zu denenjenigen was wir sonst waren, und wir werden wieder thätig seyn und uns so glücklich als sonst fühlen. – Es geschahe. –

     So scheiterte denn ein Project, was Tausend andern bei nur einiger Erziehung und zweckmäßiger Beurtheilung und Anwendung glücklich gemacht haben würde anstatt daß es hier das Gegentheil hervorbrachte. Wie gesagt, es bestätigt den schon früher aufgestellten Saz, daß ohne eine zweckmäßige mehrjährige successive Vorbereitung, und durch ein gutes Beispiel ihrer Grundherrschaften in Verbeßerung ihrer Grundstücke und Wirthschaften selbst, Aufklärung, Bildung und Veredlung in Pohlen nicht denkbar ist. Nicht der gemeine Mann allein, nein, auch die größeren Guthsbesizer sind in der Beartung und Benuzung ihrer Grundstücken noch weit zurück, denn man findet weder auf herrschaftlichen noch Bauerfeldern [41] die geringste Spur vom KleeAnbau, so sehr er auch ihrer Viehzucht zu statten kommen würde, da der Wiesewachs an manchen Orten ganz mangelt, und das Vieh in den Hölzern zum Theil sehr spärliche Nahrung findet.

     Daß aber nicht blos der gemeine, sondern auch der gebildete Mann allen Neuerungen entgegenarbeitet, davon ein zweites Beispiel aus der RegierungsEpoche Friedrich Wilhelm des Ersten aufgenommen. Wie schon erwähnt, war dieser Zeitraum für Pohlen einer der glücklichsten, den es nun zu spät zu fühlen angefangen hat. Durch den Verkauf und das Einziehen einer Anzahl Klöster und Domainen, wurden große Summen Geldes gewonnen, wovon ein beträchtlicher Theil wieder zu neuen Einrichtungen und Verbeßerungen angewendet, dem Land im Allgemeinen zufloß. In Pohlen herrscht, für nur irgendeinem Reisenden von einigen Stande, die mangelhafte Einrichtung, daß man selten in einem Gasthofe, hauptsächlich auf dem Lande, ein Bett zum Nachtlager antrift. Der reisende Pohle vom Stande, führt stets, wenn er außerhalb übernachten muß, und keine Einrichtung zu finden hoft, Betten auf seinem Reisewagen mit sich. Dies ist jedoch der deutsche Reisende nicht gewohnt, und er wird oft hierdurch in die peinlichste Lage gesezt, oder gezwungen im Wagen zu übernachten. Diesem abzuhelfen lies Friedrich Wilhelm auf den besuchtesten Straßen, Gasthöfe nach deutscher Manir einrichten, sie mit bequemen Meubles und Betten versehen und gab sie an Deutsche im Pacht aus. Er glaubte den Pohlen hierdurch Geschmack beizubringen und sie zur Nachahmung zu erwecken, allein er mußte seinen guten Willen verkannt und das Gegentheil sehen. Der Pohle, der durch die vorgefallene Zerstückelung seines Reichs einen um so vergrößerten Haß und Geringschäzung gegen den Deutschen trug, suchte diese wohlthätige Einrichtung zu stürzen, und es gelang ihm. Kein pohlnischer Reisender übernachtete in einem solchen Gasthause, [42] er bepackte sich mit seinen eigenen Betten, fuhr noch eine Stunde weiter und übernachtete lieber in einen höchst unreinlichen Juden-Gasthofe, als in einer solchen neu angelegten Auberge, wo er alle mögliche Bequemlichkeiten vorfinden konnte, der deutschen Reisenden hingegen waren zu wenige, von denen der Pachtinhaber hätte leben können. So konnte denn diese Anstalt nicht bestehen, sie verschwand kurz nach ihrem Entstehen wieder.

LandesAdministration und Justizpflege.     Das Herzogthum Warschau ist in 10. Departements eingetheilt, als: Posen, Bromberg, Calisch, Warschau, Plock, Lomza, Radom, Cracau, Siedleck und Lublin, jedes Departement in 10. Districte, und diese wieder in mehrere Prafecturen und Unter-Präfecturen, welche durch Präfecte und Unterpräfecte verwaltet werden. Policey- Marsch- und Verpflegungsangelegenheiten, so wie die Justiz-Pflege unterer Instanz, gehört in ihr Departement. In denen anno 1809. von Österreich abgetretenen Districten von Neu- und Alt-Gallizien, existirt noch das für die österreichischen Staaten edirte Gesezbuch, in den übrigen Provinzen hingegen ist der Codex Napoleon eingeführt. Prozeße und kleinere Untersuchungen und Rügen, welche in andern Ländern so häufig stattfinden, können hier um so weniger zum Vorschein kommen, weil der Bauer kein Eigenthum an Ländereyen besizt, um welches er sich mit seinem Nachbar streiten könnte. Eben so wenig können Verbal- und InjurienProzeße zur gerichtlichen Untersuchung und Strafe gedeihen, weil der Bauer als Leibeigener in diesen Fällen (CriminalUntersuchungen sind jedoch hiervon ausgenommen) blos unter seiner Herrschaft steht, die ihn dann nach Willkühr bald mit dem Kantschuh, bald mit dem Schleifen und engen Arrest abstrafen läßt.

MünzSorten     Die jezt gangbaren, und mit dem Stempel des Herzogthums Warschau versehenen MünzSorten sind folgende: [43]

1/3. Talara Stücke (oder 2. Guldenstücke)       8 g sächßisch [90]
10. Groschenstücke von Silber 1 g 4 d "   "   "
5. Groschenstücke 8 d "   "   "
3. Groschenstücke von Kupfer 4 4/5 d "   "   "
1. Groschenstücke 1 3/5 d "   "   "


Überdies noch an Pappiergelde CassenBillets von 1. und 2. Talara (Thaler) Die gangbarsten und häufigsten MünzSorten sind die Preußischen in Silber ausgeprägten, nämlich den preußischen Thaler zu 6. pohlnischen Gulden, und das preußische ZweygroschenStück zu 15. pohlnische Groschen gerechnet. Die reducirten preußischen Groschen sind hier ganz außer Cours[91], es sind aus ihnen, wie bei vielen der noch nicht ganz vertilgte alte Stempel anzeigt, die jezigen pohlnischen 5. Groschenstücke geprägt worden. Aller Handel im Großen wird nach Ducaten abgeschloßen, obschon selbige äußerst rar im Gelde zu bekommen sind.



Vorbereitungen zur Campagne.Große Heere französischer und alliirter Truppen rückten indeß in Pohlen ein. Die Unterhandlungen mit dem rußischen Cabinette über Wilna[92], wo sich nach der Zusammenziehung des gegenseitigen TruppenCorps das rußische Hauptquartier und zulezt das, des Kaiser Alexander selbst befand, dauerten ununterbrochen fort. Obgleich nach der allgemeinen Lage sich Rußland zu bedeutenden Opfern verstand, und im Wiedervereinigungsfalle von ganz Pohlen (welches nebst dem Verschleuß der rußischen Häfen[93] für die Engländer als die Motiven zum Bruche vorgeschüzt wurden) sich zur Herausgabe seiner früher von Pohlen erworbenen Länderstrecken erklärt haben soll, so war es doch vorauszusehn, daß ein Bruch mit Rußland unvermeidlich war, denn die wahre Absicht Napoleons, Rußland zu demüthigen, und es hinsichtlich seiner Plane, Frankreich unterzuordnen, [44] lag zu klar vor Augen, indem Rußland in der großen StaatenKette nur allein noch als ein großer Koloß dastand, und Napoleons Machtsprüche oft misbilligte. – Die Unterhandlungen zogen sich indeßen nicht ohne Ursache in die Länge. Frankreich suchte sich einerseits Österreich durch Allianz oder Neutralitat zu sichern, und andererseits das grünende Frühjahr abzuwarten, um HundertTausenden seiner Cavallerie- und Troßpferde Unterhalt durch grüne Fouragirung[94] zu verschaffen, – Rußland hingegen bemühte sich, durch Englands Vermittlung den mit der Pforte begonnenen Krieg[95] beizulegen und mehrere seiner asiatischer Truppen, so wie das gegen die Türken verwendete KriegsHeer zum Kampfplaz heranzuziehen. Noch nie, war sowohl französischer als alliirter Seits, ein grösseres, schöneres und mit allen möglichen Kriegsbedürfnißen versehenes Heer gesehen worden als hier, man war im voraus beim Angriff durch Übermacht eines glücklichen Erfolgs gewiß, doch berechnete man auch, daß zum raschen Verfolgen der gewonnenen Vortheile, in einer bereits eben so mitgenommenen, als vielleicht noch vorsäzlich zu verwüstenden Gegend große Subsistenz-Mittel erforderlich wären, die den Arméen unmittelbar folgten. Die sämmtlichen Provinzen wurden daher einer genauen Aufzeichnung und Aufsuchung der geforderten Bedürfniße unterworfen, und zu deren Beitreibung denen Präfecten ExecutionsCommandos von oft Hundert Pferden beigegeben. Alle Frucht, die nur augenscheinlich bis zur nächsten Erndte unentbehrlich schien wurde in Beschlag genommen, und alle Gegenvorstellungen, daß eine künftige Erndte in 6. Monaten bis zu ihrem Einbringen vom Felde, zumal in KriegsZeiten noch so vielen unterworfen sei, kalt und oft mit Härte zurückgewiesen. [45]      Auch das Zart- und Selbstgefühl der hierzu beauftragten obern Militaire und Civil-Behörden mußte schweigen, so gewaltsam sie auch ein solches Verfahren in einen befreundeten Lande selbst fanden. Man fügte sich indeß und – dultete, auch wenn es den lezten selbst eigenen Bedarf galt, so groß war das Vertrauen der pohlnischen Nation auf Napoleon, durch ihn wieder in der Zukunft ein selbsteigener vereinigter Staat zu werden. Ihr Enthusiasmus gränzte nahe an Vergötterung, denn nicht genung, daß man in jeden adelichen Hause Napoleons Portrait, oft in Oehlfarbe bis auf Lebensgröße ausgedehnt, antraf, so habe ich auch in einigen Kirchen, das französische Reichswappen, den rothen französischen Adler auf blizenden Pfeilen ruhend, auf großen hölzernen Tafeln, mit der Umschrift Napoleone wielki (Napoleon dem Großen) abgebildet, im Chor hängend, angetroffen.

     Sämmtliche aufgebrachte Getreide und MehlVorräthe, wurden nun in kleine runde Kuchen hartgerösteten Zwiebacks verwandelt, der sich leicht transportiren lies, und für längere Zeit halt- und geniesbar war – Tischler und Zimmerleute wurden districtweise zusammengebracht, um große Kisten zum Verpacken dieses Zwiebacks zu fertigen, sie wurden ihrer Höhe und Länge nach so eingerichtet, daß ein Wagen zwey der gleichen Kisten, der Länge nach nebeneinander gesezt, bequem führen konnte, übrigens wurden die Regimenter selbst noch in ihrer ruhigen Epoche mit SchlachtVieh versehen, welches von ihnen unterhalten und gewartet werden mußte. Die 7. zusammenstehenden Escadrons des Husaren Regiments[96] erhielten deren am 8ten Maii, 35. Stück. – Wie nichtig der, durch diese Vorräthe sich eingebildete große Zweck dahin schwand, lehrte leider die Zukunft. Der Zwiback, der der AvantGarde nicht unmittelbar folgen konnte, langte [46] oft in Augenblicken bei Selbigen an, wo er nicht benuzt werden konnte, und mitzuführen lästig ward. Theils auf die Bivouaks, theils auf die Straßen hingeworfen, blieb er zertrümmert gröstentheils liegen, und wurde oft in Koth getreten, wo Tausend andere, die die Requisiten vielleicht hierzu geliefert hatten, im Gegentheil nicht einen Bißen Brod aufzuzeigen hatten und mit Hunger kämpften. Nicht beßer gieng es mit dem Schlachtvieh. Von den gelieferten schlechten Heu, vernachläßigter Wartung und eingetretenen starken Märschen, bis zu lebendigen Hautgerippen heruntergekommen, blieb es entkräftet auf den Straßen liegen. – Jedoch nicht Pohlen allein, auch die Länder der angrenzenden Bundesgenoßen mußten zur Verpflegung des Heeres mit beitragen. Ansehnliche GetreydeTransporte und starke Viehheerden sind für das vereinigte ArmeeCorps auch in Sachsen zusammengebracht und selbigen nachgesendet worden.

     Die Jahreszeit rückte immer mehr und mehr vor, und mit ihr näherten sich auch die Verbündeten den Rußisch pohlnischen Grenzen.

Übergang über die Weichsel      Nach einen Stillestand von 3. Wochen und 3. Tagen, brachen wir am ersten Pfingstfeyertage den 17. Maii aus dem Cantonnement von Cieplow[97] wieder auf und näherten uns der Weichsel. Die Witterung war warm und schön, wir hatten bereits am 11ten Maii das erste Gewitter, welches die Vegetation ungemein begünstigte, die schoßenden Ähren auf den Feldern gaben eine reiche Erwartung. Bei Gora[98] einer kleinen Stadt wurde eine sächßische Schifbrücke geschlagen, die jedoch in Ermangelung so mancher Requisiten hierzu, erst später zu Stande kam. Das Regiment mußte daher die hier schon sehr breite Weichsel auf Fähren passiren, welches, da nur gegen 40. Pferde auf einmal eingeladen werden konnten, und zur [47] Hin- und Rückfahrt eine halbe Stunde Zeit erfordert wurde, einen beträchtlichen Aufenthalt machte. Das Regiment passirte selbige daher nicht an einem, sondern an verschiedenen Tagen. Die zeithero in Gora gelegene 8te Escadron passirte selbige bereits den 14ten ejsdem[99] und bezog am jenseitigen rechten Ufer Quartiere in Pulawy[100] und Uchlewize, an welchen ersteren Ort das Brigadequartier des GenLt. [101] Freiherrn von Gutschmid[102] verlegt wurde. Die 4te 5te und 7te Escadron ging den 17. Maii als den ersten Pfingstfeyertag über selbige, der Staab, 1te, 2te und 3te Escadron folgten Tags darauf. Die 6te Escadron unter Commando des Rittmeister und späterhin Major Probsthayn war den ganzen Feldzug über vom Regiment getrennt, und verrichtete seit den 6. April a.c. den Dienst als Escorte im Hauptquartier des General Grafen Reynier[103].

     Das linke Weichselufer ist hier äußerst flach, und mit einen, mit Weidengehege bewachsenen hohen Damm versehen, um den Fluß bei Anschwellungen einzuengen. Vom jenseitigen Ufer erhebt sich die Gegend, und man ersteigt allmählig bald eine Erhöhung, die schon in geringer Entfernung dem Strome Grenzen sezt. Die Weichsel hat hier bei gewöhnlichen Waßerstande schon eine Breite von 800. Schritt, ist reißend, und richtet bei Eisgängen und großen Waßer in den niedern Umgebungen starke Verwüstungen an.

Pulawy.

     Am jenseitigen rechten Ufer, etwas schräg von Gora über, liegt erhöht das kleine Städtchen Pulawy[100], den pohlnischen Fürsten Czatorinsky [104] gehörig, mit einen schönen Schloß, und einen in Pohlen noch seltenern botanischen Garten.

     Pflanzen und Gewächse, aus allen Zonen mit großen Kostenaufwande zusammengebracht, befinden sich hier gemeinschaftlich beisammen, und eine kleine Menagerie seltener Vögel und Thiere, worunter besonders einige sehr kleine zwergartig, doch proportionirlich gebaute africanische [48] Pferdchen merkwürdig, verriethen den Geschmak des Besizers an Naturkunde.

Tod des Gen. Lieuten. Freyherrn von Gutschmid daselbst.

     Auf diesem Size der Musen verstarb am 7. Juny 1812 der Cheff des Regiments[105], der verdienstvolle GeneralLieutenant der Cavallerie Freiherr von Gutschmid in seinem 51ten Lebensjahre am hizigen Nervenfieber[106], ein ebenso wißenschaftlicher und gelehrter Mann, als Taktiker neuerer Zeit und muthvoller unerschrockener Krieger. Er starb zu früh für seine Untergebenen, die ihn wie Kinder liebten, und unter seiner Anführung ruhmvollen Thaten vertrauensvoll entgegensahen - zu früh für das Vaterland und seinen König, welche beide er als wahrer Patriot innigst schäzte und verehrte, – doch er sank noch im Vollgefühl der thatenvollen Kraft der Armée, im Bewußtseyn der Größe und Blüthe seines Vaterlandes dahin, die baldigen Trümmern beider in fremder Gewalt sollte er nicht erblicken. - Sein Regiment legte durch Flor um Arm und Trompete, Trauer für ihn an, die, wenn sie auch schon äußerlich nicht lang währte, doch gewis im Herzen eines Jeden der ihn näher kannte, noch lange fortdauern wird. - Sanft ruhe seine Asche am fernen Weichselgestade! -

Ansicht jenseits der Weichsel.

Man glaubt sich jenseits der Weichsel in ein ganz anderes Land versezt zu sehen, so sehr wechselt der Boden und eine beßere Cultur deßelben hier auf einmal ab. Der in Pohlen so häufige Sand, verschwindet in einiger Entfernung vom Ufer allmählig, und fetter, mit schönen Waizenfluren prangender Leimboden nimmt deßen Stelle ein, der Obstbaum zeigt sich häufiger, und mannigfaltigere Gartengewächse bieten sich dem Auge dar. Zu leztern beiden Erzeugnißen muntert wahrscheinlich nur der beßere und ergiebigere Boden, die Bewohner deßelben mehr als jenseits auf, denn in allem übrigen [49] zeigt sich keine merkliche Veränderung.

     Wir richteten unsern Marsch über Konskawola[107], Kurow[108] und Markoczow[109], 3. kleine unbedeutende Landstädtchen nach Lublin[110], wo wir am 3ten Pfingstfeyertage, als Tags darauf, wo wir die Weichsel passirt hatten, eintrafen.

     Wir formirten vom sächßischen (im Laufe dieses Feldzugs 7ten Armée-)Corps schon die Avantgarde, waren die ersten Truppen jenseits der Weichsel mit, und hielten einen feyerlichen Einzug in Lublin, indem die Mitglieder der dasigen DepartementsRegierung, unter Anführung des Präfecten, sämmtl. in ihrer National-Uniform, in einiger Entfernung von der Stadt, uns feyerlichst einhohlten, sich zu Pferde an unsere Spize sezten, und mit uns einzogen. – Eine vom Präfecten an die Einwohner des Lubliner Departements in pohlnischer und deutscher Sprache erlaßene Proclamation, die überall öffentlich angeheftet war, forderte sie zu einer freundschaftlichen und ihren Kräften angemeßenen Bewirthung auf, die auch mit weniger Ausname ihren Zweck völlig erreichte. Sie war wörtlich folgende:

Proclamation des Lubliner Præfecten an die Bewohner dieses Departements.

Præfect.

Des Lubliner Departements.

     Einwohner des Departements von Lublin!

Ich eile, euch von der nahen Einrückung in dieses Departement, der alliirten Truppen Sr. Majestät des Königs von Sachsen, Herzogs von Warschau, unsers allergeliebtesten Monarchen zu benachrichtigen. – Diese braven, achtungswerthen und edelgesinnten Krieger sollen eine zuvorkommende Gastfreyheit, eine freundschaftliche Aufname genießen. – Die Gegenden die sie so eben verlaßen haben, sind Zeugen ihres freundlichen Benehmens, ihres empfindlichen Gefühls, das sie beim Anblick des tiefen Elends, in dem unser Landmann jezt schmachtet, im Sinn [50] und in der That bezeugten. – Einwohner des Lubliner Departements! Solche Gefühle sind euch nicht fremd. – Ihr werdet den Bedürfnißen der Truppen zuvorkommen! – Ihr werdet euch in der Anstrengung, Ihnen alle möglichen Bequemlichkeit zu verschaffen, übertreffen, deßen bin ich sicher. – Dennoch glaube ich mich berechtigt, euch aufzufordern, daß ihr in der Aufnahme dieser liebreichen Gäste nichts unterlaßet, was Freundschaft und Biedersinn zur Pflicht macht. – Sie hingegen werden von euch nichts fordern wozu Sie kein Recht hätten. – Meinerseits könnt ihr versichert sein, daß ich keine Anstrengung sparen werde, euch vor jeder Kränkung zu bewahren. – Möge die, unserem National-Character eigene Gastfreyheit, in der That Beweise finden, insoweit es der diesjährige Mangel an allen Lebensmitteln einen Jeden erlaubt. Diesen braven Kriegern ist unsere Noth nicht unbekannt, sie nehmen Rücksicht auf dieselbe, und sind von unsern guten Willen überzeugt – Wenn aber Jemand sein Haus verließe, blos um sich der Einquartierung des Militairs zu entziehen, und in der Absicht, die in seinem Hause befindlichen MilitairePersonen mit den gehörigen Bedürfnißen nicht zu versorgen, der wird den Schaden, den er sich und seinem Hause dadurch zuzieht, seiner eigenen Schuld zuschreiben müßen, da die Regierung genöthiget sein wird, auf seine Unkosten alles Nöthige anzuschaffen.

     Wir wollen diese Zeit benuzen, die uns die günstige Gelegenheit darbietet, unsere Liebe für den Monarchen und für die Nation, die er gleich uns mit seinen gelinden Szepter regiert, zu beweisen. Wir wollen Ihren Wünschen zuvorkommem. –

Wir wollen trachten Ihre Freundschaft und Ihre Herzen zu gewinnen, damit diese wackren Krieger einst mit angenehmen Gefühl der zugebrachten Tage in dem Lubliner Departement sich erinnern, – und wir unsererSeits Ihnen [51] unsere volle und aufrichtige Dankbarkeit für Ihr freundliches Benehmen betheuren können.

den 18ten May 1812.

L.W. Fürst Sabtonowsky

Gleichlautend mit dem Original

Zabielsky

Lublin

Lublin die Hauptstadt vom Departement gleichen Namens, und eine von den 6. Districtstädten, in welche Westgallizien damals eingetheilt war, ist ziemlich stark bevölkert und zählt gegen 1000. Feuerstädte[111], worunter mehrere Gebäude, der Regierung, den Beamten und den sich hier aufhaltenden Landadel gehörig, sehr ansehnlich und von einigen[112] Stockwerken sind. Sie hat mehrere sehr regelmäßig gebaute Straßen, eine Menge reich geschmückter Kirchen und Kapellen, und steht unter den Städten Pohlens denen vom ersten Range nicht nach. Der einen großen Theil des Jahres sich hier aufhaltende LandAdel und das zahlreiche RegierungsPersonale macht diese Stadt umso lebhafter, und läßt durch geschmackvolle Equipagen und Livreen einen in Pohlen sonst seltenen Luxus blicken. – Mehrere Markttage der Woche, ziehen das nahe Landvolk mit ihren Erzeugnißen aller Art in einer solchen Menge herbei, daß das Gewühl und Gedränge der Volksmaße einer kleinen Messe gleicht. Auch der Handel, obschon vielleicht nur auf das Inland beschränkt, scheint hier lebhaft im Schwunge zu gehen, und eine Menge Profeßionisten aller Art, worunter viele angesiedelte Deutsche befindlich, liefern jeden gewöhnlichen Artikel, die Kleinkrämerey der Juden ist daher äußerst beschränkt, und ich habe selbige im Verhältnis zur übrigen Volksmasse, fast nirgends in so geringer Anzahl und so subordinirt angetroffen als hier. –

Die Polizey unterstüzte eine aus Bürgern gebildete, gleichförmig uniformirte National-Miliz, welche nicht ganz ohne [52] militairische Haltung war. Der stete Anblick mehrerer hier in eine Strafanstalt eingebrachter, und mit Beinschellen und schweren Ketten belasteter Verbrecher, macht auf den Fremden einen widrigen Eindruck. Da die Säuberung der Straßen und die Wegräumung des Unraths ein Hauptgeschäft ihrer öffentlichen Arbeit ausmacht, so wird das Ohr fast in allen Straßen durch ihr Kettengeraßel beleidiget, und der Vorübergehende durch zudringliche Betteley von ihnen in Anspruch genommen.

     Auch hatte ich hier Gelegenheit, die Intoleranz der Katholiken gegen die unter ihnen lebenden Israeliten bei der Feyer des Fronleichnamfestes zu beobachten, welche sich auf eine ebenso auffallende als entehrende Weise aussprach. Man hatte hierzu auf einigen Pläzen und Straßen Altäre errichtet, zu welchen die Volksmaße an der Spize einer zahlreichen Geistlichkeit sich begab und eine bedeutende Prozeßion formirte. Kein Bewohner eines Hauses, vor welchem dieser Zug vorüberging, durfte sich als Zuschauer an dem Fester blicken laßen, wollte er hierbei sichtbar werden, so mußte er sich vor seiner Hausthür auf die Knie werfen, welchem ebenfalls jeder anderer Begegnender, der kein Militaire war, sich unterwerfen mußte. Hätte es hierbei sein Bewenden gehabt, so würde man diese Forderung blos einer Bezeigung der tiefsten Devotion für ihre Kirchengebräuche zugeschrieben haben, allein kein Jude durfte hierbei sichtbar werden, oder auch nur in weitester Ferne sich blicken laßen, denn trift ein solcher Ungücklicher auf seinen Geschäftswegen durch Zufall auf eine solche Prozeßion, so wird er von bewafneten Schergen und dem niedrigsten Pöbel mit dem größten Geschrey, in Form einer öffentlichen Jagd verfolgt und wohl ihm dann, wenn ein barmherziger Samariter ihm sein [53] Haus als Zufluchtsort verstattet, denn wird er eingeholt, so unterliegt er den thätlichsten Mishandlungen, die oft sein Leben in Gefahr sezen, ohne deshalb die Billigkeit, vielweniger denn die Gerechtigkeit in Anspruch nehmen zu dürfen.

Cantonnement in und bei Lublin      Das Regiment verweilte einen Theil der Monate Maii und Juny über zwischen Lublin und den Flüßchen Wiprez[113] (Wierpsch ausgesprochen) in Cantonnement, seinen rechten Flügel in Krasnistow[114] gegen Zamosc[115], seinen linken an Lenzna[116] anlehnend, und veränderte sein Quartier, bald nach Lublin zurückgehend, bald wieder vor in seine alte Stellung rückend, mehreremale. – Zwischen West-Gallizien und den rußischpohlnischen Provinzen, bildet der Fluß Bug, und von der Stadt Nur, da, wo er ganz links in seinem Laufe in das Großherzogthum Warschau nach der Weichsel einlenkt, zum Theil die Narew die Grenze. Unsere Cantonnements und dem Bug schied die Wiprez, ein mit ersterem in der Richtung fast paralelle laufendes und an Breite unbedeutendes, jedoch äußerst tiefes, reisendes und gefährliches Flüßchen. Es war die Wiprez unser äußerster AnnäherungsPunct den wir berühren durften, da nach erfolgter rußischer Erklärung, am Bug selbst und an den übrigen äußersten Grenzen nur pohlnische NationalTruppen als Postirung gedultet, jede Annäherung von fremden Truppen aber als Eröfnung der Feindseligkeiten angesehen werden sollte. Da die pohlnischen Truppen, zur großen Armée bestimmt, sich oberhalb Warschau zusammengezogen befanden, so war der Strich zwischen der Wiprez und dem Bug, eine Distanz von ohngefähr 5. bis 6. Stunden in der Breite, ganz von Militaire entblößt, und wir sonach außer aller Verbindung mit selbigen.

     Der Bug war gegenseitig mit Cosaken besezt, die Posten an selbigen unterhielten und den Fluß entlang öfterer patrouillirten. Der Verkehr über selbigen war gegenseitig noch frey, doch wurde einige Wochen vor dem Eintritt der Feindseligkeiten rußischerseits die Communication über selbigen ganz aufgehoben [54] Wir brauchten zur Deckung unserer Cantonnements ähnliche Sicherheitsmaasregeln, nur mit dem Unterschiede, daß unsere Feldwachten nicht weiter als am Wiprez vorgeschoben werden durften, die fernere Communication bis zum Bug wurde durch die in jenen Gegenden stationirten Unterpräfecten unterhalten, die alles und jedes Vorfallende oder Wahrnehmende[117], was auf die gegenwärtigen Verhältniße Bezug hatte, sofort durch reitende Bothen anzuzeigen die Weisung erhalten hatten. Daß manche nicht réelle und oft von einer übertriebenen Furcht hervorgebrachte Nachricht an das Tageslicht kam, kann man sich leicht denken, wenn man überlegt, daß diese meist sehr bemittelten Gutsbesizer als Unterpräfecten, die noch überdies gegenseitig im Rufe als Kundschafter erschienen, einen stündlichen feindlichen Einfall, Aufhebung ihrer Personen und den gänzlichen Verlust ihrer Habe zu befürchten hatten, indeßen sie keine Hülfstruppen zur Gegenwehr und Unterstüzung in ihrer äußersten Nähe erblickten. So erhielt z. B. am frühen Morgen des 28ten Maii das Regiment Befehl zu verdoppelnden Vorsichtsmaasregeln, öfteren Absendung von Patrouillien und Einziehung sicherer Nachrichten, indem einem mitgetheilt erhaltenen Berichte zu Folge, die Rußen am 27. oder 28ten May den Bug überschreiten würden; Allein, alles blieb diesen Nachrichten ohnerachtet ruhig, und man sahe und hörte nichts. Der Chelmer Unterpräfect, hatte in panischer Furcht eine jenseitige rußische Ablösung am Bug, für ein Corps, das sich ihn zu überschreiten nähere, angesehen, und sich mit der Caße, wohl aber mehr mit seinem eigenen baaren Vermögen nach Lublin geflüchtet, wodurch er zu jenem blinden Lärm Veranlassung gab.      Den 16. Juny 1812 ging die Ordre zum Aufbruch aus der Gegend Lublin, ein, um uns in der Direction links, in der Höhe von Warschau über Liw[118] und Wegrow[119] dem Bug zu nähern, indem das österreichische HülfsCorps in hiesiger Gegend [55] erwartet wurde. Alle Maasregeln unserer Seits hatten schon seit den 2ten Juny, wo unsere Patrouillen zum ersten mal den Wiprez überschritten und sich dem Bug Aufbruch aus der Gegend Lublin näherten, einen ernsthafteren Character angenommen. – Ein 8tägiger completter Vorrath an Rationen und Portionen für gesammte Escadrons wurde seit den 5. huj[usdem][120] noch in Lublin spärlich zusammengetrieben, und mit selbigen brachen wir am 16. Juny Nachmittags 1. Uhr aus dem bisherigen Cantonnement bei Krzesimow[121] ohnfern Lublin auf. Unser Marsch glich mehr einer nach den Wüsten Arabiens bestimmten Caravane als einem leicht beweglichen europäischen Kriegszuge, so sehr entstellte das sich mit fortbewegende Magazin das Ganze. – Mehr als hundert kleine pohlnische Wagen waren zu deßen Transport erforderlich, die so lange diese Vorräthe dauerten, nicht abgelößt wurden. Das ihnen zur Escorte beigegebene Commando war daher eins der beschwerlichsten, denn bald konnte das abgemattete Vieh nicht mehr fort und mußte refraichiren, bald zerbrach ein solcher leicht und schlechtgebauter Wagen, der dann, wenn er nicht gleich wiederhergestellt werden konnte, umgeladen wurde und liegen blieb. So kam dann dieser Zug, von dem wir uns während des Marsches verpflegen mußten, oft erst des Nachts spät an, und sehnlichst sahen wir ihm dann mit leerem Magen entgegen. Diese Wagenburg bivouquirte Nachts, wurde, um die Desertion der Spannbauern zu verhindern mit Wachen umstellt, und sie und ihr Vieh gleichmäßig von diesen Vorräthen verpflegt. Hart und rauh von Jugend auferzogen, fanden sie sich indeß sehr bald in diese Einrichtung, – lagen recht gemächlich am Feuer beisammen, verzehrten die ihnen zugetheilte Fleischportion halb roh und halb verbrannt und geräuchert, indem sie solche an Holz gespießt ins Feuer hielten, und suchten wenn sie die Wachen hintergehen konnten, durch einen derben Schluck Wutky, aus den BrandeweinVorräthen sich[122] in einen so festen Schlaf einzulullen, daß sie oft früh beim Aufbruch mit dem Kantschuh[123] daraus geweckt werden mußten. Da durch die tägliche [56] Verminderung der Vorräthe ein Theil Wagen entbehrlich wurde, so wurde das abgetriebendste Vieh jedesmal entlaßen. Trollig war es anzusehen, wenn die Ausgabe der Lebensmittel an diese Spannbauern gelangte. Da man sie nicht namentlich aufrufen und verzeichnen konnte, so mußte diese ganze Gesellschaft jung und alt in ein Glied antreten, und so traf es sich denn oft, daß ein 10. und 12.jähriger Knabe neben einen alten, weisbärtigen Mann zu stehen kam, und dadurch eine sehr gemischte frappante Front bildete, man überzeugte sich von ihrer aller Gegenwart blos durch die aufgenommene Anzahl. Ein jeder erhielt nun der Reihe nach den ihn gebührenden Theil von Brod, Fleisch, Salz und Gemüse, allein da sie zur Aufbewahrung des Brandeweins keine Flaschen hatten, so trank ein jeder seine Portion gleich auf der Stelle. Lüstern blickten daher die untersten herauf nach dem wandernden Feldflaschendeckel, und nicht wenig zufrieden waren dann die Alten wenn ihr Nebenmann ein Knabe war, weil ihnen dann dasjenige, was man lezteren abbrach, jedes mal zu Gute kam. Übergang über den Wiprez. Den 17ten Juny passirten wir 1/2 Stunde von dem Flecken Kock[124] (Koksch ausgesprochen) auf 2. der Länge nach gegeneinander angestoßene Fähren, die gerade die Flußbreite ausmachten, den Wiprez. Er läuft in ganz flachen mit Sumpf und Erlengebüsch eingefaßten Ufern, und richtet beim Austreten nicht wenig Schaden an, weil sein Lauf sehr reißend ist. Die Gegend ist hier ganz eben, hat guten ergiebigen Boden und ist mit Laub- und Nadelhölzern durchschnitten, enthält an den Ufern hier einigen Wiesenwachs und stellt im Ganzen dem Auge eine nicht ganz einförmige und unangenehme Landschaft dar. Nahe hinter Kock, einen unbedeutenden mit vielen Juden bewohnten Flecken, erhebt sich auf einen weitläufigen Brachfelde ein aufgeworfener hoher, gegen 40. Schritt im Umfang betragender Erdhügel, in Form der unsrigen Grenzhügel, an deßen Fuße 2. kleine hölzerne Kreuze als Epithaphia[125] eingesenkt waren. Bei näherer Erkundigung erfuhr ich, daß dieser Plaz ein [57] Schlachtfeld aus der Campagne 1809 sei, und der große Hügel als Andenken, die Gebeine eines hier gebliebenen pohlnischen Obersten und Anführer eines FreyCorpsMannes Birek[126], einen Juden von Geburt, der hier den Österreichern ein kleines Treffen lieferte, bedecke. Da er nahe am Flecken lag, so hatte man ihn zugleich mit zum BegräbnisPlaz derenjenigen verstorbenen Protestanten gemacht, denen nach dasiger Intoleranz keine lezte Ruhestätte in der geweihten Erde der Chatoliken vergönnt war, und die nun hier auf diesen ruhmvollen Gefilden des Todes ein um so unbeschränkteres Grab fanden. Das eine Kreuz bezeichnete die Ruhestätte eines in Kock sich angesiedelt gehabten deutschen Tischlermeisters Wunderlieb und das zweyte die des am 7. Juny ac. ohnfern dem Orte beim Pferdeschwemmen im Wiprez ertrunkenen Husar Schroeder von der 2ten Escadron mit der einfachen deutschen Aufschrift: "Hier ruhet der Königl. Sächs. Husar Schroeder aus Thüringen."      Wir paßirten in den darauf folgenden Tagen noch Zellechow[127], Kalusczyn[128], Liw und Wegrow als Flecken und kleine unbedeutende Landstädtchen und bezogen am 21. ejsdem in und bei Przezdziatka[129] ein neues nur wenige Tage dauerndes Cantonnement. Alles lies einen baldigen Wiederaufbruch und das Beginnen der Feindseligkeiten voraussehen, da die so günstige Jahreszeit immer mehr und mehr vorrückte, und von einer Annäherung der Cabinetter nichts vernehmbar wurde. Die scharfe, bisher uns nachgeführte Munition wurde noch an diesem Tage ausgegeben Vorposten wieder ausgesezt und Officiers verkleidet an den Bug vorgesendet, um gewiße Nachrichten über die Stärke und Stellung der jenseitigen Truppen einzuziehen. Wir hatten uns in unseren Erwartungen nicht getäuscht, denn der geahndete baldige Wiederaufbruch erfolgte bereits 2 Tage darauf am 23. Juny Nachmittags 2 Uhr, – die bisher einzeln für sich marschirten Regimenter und Partheyen erhielten Abends 8. Uhr bei Lipky ein Rendezvous, wo aus den Regimentern Husaren, Prinz Clemens Uhlanen, v. Polenz[130] chev. leg.[131] und einer reutenden Batterie, unter Befehl k[urfürstlichen] GMaj v Gablenz[132] [58] die AvantGarde des Corps formirt wurde, welche, sich gegen den Bug vorbewegend, den 24. Juny Nachts ½ 1. Uhr bei Mortciée [?] den ersten Bivouaq in dieser Campagne bezog. Die Pferde am Zügel habend, und an die nahen Zäune und Gärten hingelagert sahen wir den nahen Morgen mit seinen fernern Ereignißen entgegen. –
Paßage durch den Bug       Er erfolgte bald, und mit ihm früh ½ 7. Uhr als am JohannisTage der Wiederaufbruch des Ganzen. – In einigen Stunden hatten wir schon den Bug und mit ihm jenseits das Städtchen Brock[133] im Gesichte. Der Bug hat hier, so wie wir auch später wahrzunehmen Gelegenheit gehabt, fast durchgängig ganz flache sumpfige Ufer, die durch Buschholz und Gestrippe ihm eine Art festen obgleich ebenen Damm entgegensezen. Er bildete hier nicht mehr die Scheidelinie zweier unter verschiedener Oberherrschaft stehender Provinzen, sondern eilte schon weit links seiner Vereinigung mit der Weichsel ohnfern Zacroczyn[134] oberhalb Warschau entgegen. – Cavallerie, Artillerie, Train und Bagage, alles mußte den Bug durch einen angewiesenen Furth passiren, wobei das Geschüz und die Wagenburg, weil die Passage wegen nahen Untiefen sich mehreremale jählings wendete, mehrerer Gefahr ausgesezt waren, als die beweglichere Cavallerie. Doch alles kam glücklich hinüber, und bezog hinter Brock einen abermaligen Bivouaq, der uns diesmal die Erbauung einiger kleiner Schuzdächer umso anschaulicher machte, als ein Nachmittags noch vor unserer beendigten Einrichtung, mit einem heftigen Regen begleitetes Gewitter uns bis auf die Haut durchnäßte. Das 2te Bataillon des HusarenRegiments erhielt Befehl, seinen Bivouaq noch um einige Stunden weiter vorwärts zu verlegen. Tags darauf hatten wir Rast, der en Chef command: General Graf Reynier[135] besichtigte unsere Position und Abends trafen noch die Schüzen und einige InfanterieAbtheilungen auf unsern Bivouaq mit ein.      Die Tage vom 26ten Juny bis zu Ende dieses Monats hatten nichts ausgezeichnetes. Die die AvantGarde bildende Brigade bewegte [59] sich über Jendriziejow und Jablonka gegen Suradz[136] der Narew entgegen, und übernachtete stets in besondere Abtheilungen und Deckungs-Puncte abgesondert, aux bivouaq.

     Eine Stunde nach dem Aufbruch aus der Gegend Brock, am 26. ejsd. wurde in einem schattigten Tannenwäldchen auf der Straße ein halbstündiger Halt gemacht, und der erste Befehl, in masse sämmtliche Feuergewehre zu laden, und die beim UhlanenRegiment bis jezt noch verkappt gewesenen Lanzen-Spizen zu entblößen, ertheilt; – der Ausbruch der Feindseligkeiten, und daß die große Armée im Centre bereits im Handgemenge sei, unterlag nunmehro keinen Zweifel mehr, und Tags darauf erfolgte die öffentliche Bekanntmachung durch einen Arméebefehl, daß am 22ten Juny französischer Seits der Krieg gegen Rußland erklärt, und der Übergang der großen Armée über den Niemen[137] bereits erfolgt sei. Abwechselnde größere Recognoscirungen, öfters unter Leitung von Offizieren vom Generalstaab gingen nun gegen die Narew als den GrenzFluß vor, ohne jedoch gegenseitig bedeutende TruppenMaßen zu bemerken, und der PremierLieutenant v Nauendorff vom HusarenRegimente überschritt schon früher den Fluß, streifte jenseits deßelben frey herum, machte einige rußische Nachzügler zu Gefangenen, erbeutete dabei etliche Pferde und nahm mehrere beträchtliche Magazine in Beschlag. Überschreiten der Grenze und Eintritt in Russisch Pohlen      Drey Escadrons Husaren schritten bereits am 1. July von Sokolly[138] her, über die rußisch pohlnische Grenze vor, und bezogen beim Städtchen Surasz[139] an der Narew Bivouaq. Sie schienen bestimmt zu seyn, den vom französischen GenieObersten[140] Brulet daselbst geleiteten Brückenbau zu decken; der größte Theil der übrigen AvantGarde stand noch rechts und links rückwärts auf Warschauer Gebiete, und rückte erst am andern Morgen gegen Suradz vor, um gemeinschaftlich den Übergang über die Narew zu bewerkstelligen. Dies Flüßchen, ebenfalls in ganz flachen Ufern dahinrauschend gleicht unserer thüringischen Unstrut[141], und ist ein wenig bedeutender als der Wiprez. Die Cavallerie passirte selbige abermals durch einen [60] Furth, die Artillerie und Infanterie hingegen über die wenige Stunden hernach fertig gewordene Brücke, worauf wir in 2. Märschen die Gegend von Bialÿstock erreichten, und die Regimenter Husaren und von Polenz chev legs am 3. July ohnfern Sopolewo auf einer weiten ebenen Sandsteppe einen gemeinschaftlichen Bivouaq aufschlugen. Der jenseits der Weichsel so häufige Sand wurde auf einmal wieder recht sicht- und fühlbar, und machte uns unsern Aufenthalt um so beschwerlicher, da die Hize um so brennender, das Waßer weit entfernt und rar war, und grüne Fütterung, auf die wir uns bei den geschmolzenen Vorräthen theilweise mit beschränken mußten, fast ganz mangelte. Um so lästiger war der darauf folgende Tag, den wir wegen noch nicht gänzlicher Annäherung des österreichischen ArméeCorps noch als Rast daselbst zubringen mußten. Unsere über Stangengerüste ausgebreiteten Mäntel, sonst blos vor Kälte und Näße zu schüzen bestimmt, mußten uns hier gegentheilig vor der Hize Schattung und Kühlung gewähren, da Buschholz und Stroh zu Baraquen herbeizuschaffen, die Entfernung verhinderte.

     Das österreichische HülfsCorps, was der Disposition zu Folge den 1ten July bei Drohizyn den Bug und die ruß. Grenze passiren sollte, war unter den Oberbefehl des Fürsten Schwarzenberg[142] aus der 3. InfanterieDivisionen Siegenthal[143], Trautenburg[144] und Bianchi[145], und aus der Cavall.Division Frimont[146], in masse aus 30,000, inc. 6000. Mann Cavallerie bestehend, zusammengesezt. – Das sächß. Contingent (das 7te ArmeeCorps formirend) hingegen bestand unter Commando des französischen General Grafen Reynier[147] aus den InfanterieDivisionen von Leloy und von Zeschau[148] und aus den theilweise leichten CavallerieBrigaden von Tunek und von Gablenz.

     Uns gegenüber stand die Nachhut[149] des Fürsten Bagration[150], der bei unserer Annäherung jedoch für gut befunden hatte, [61] Bialystock mit seinen Umgebungen zu räumen, sein Corps bei Nowogorod zusammenzuziehen und blos 2. Divisionen zur Deckung Vollhyniens vorzupoussiren.

Eintritt in Litthauen.      Wir brachen am 5ten July früh 3. Uhr wieder auf, betraten rechts Bialystock die nach Nowogorod führende gut unterhaltene Chaussee, verfolgten selbige eine Strecke, und traten noch an diesem Tage hinter dem Städtchen Hrodeck in Litthauen ein.

{{idt}Der Feind hatte bei der Räumung von Byalistock, wo der Siz einer DistrictsVerwaltung sich befand, mehrere Archive und einige geflüchteten Beamte sogar ihre Meubles und Effecten zu retten gesucht, allein wir waren, um dies völlig bewerkstelligen zu können, ihnen dennoch zu frühe über den Hals gekommen, denn wir fanden auf dieser freundlichen Chausse, die in grader Linie durch einen angenehmen Tannenwald sich hinzog, über eine halbe Stunde Weges, die Straße und die daran stoßenden Gräben mit zertrümmerten Pappieren dieser Archive bedeckt, und in Hrodeck selbst, ereilten wir noch 6. mit Effecten beladene Wagen, welche angehalten und der dasigen CivilBehörde bis zur nähern Entscheidung übergeben wurden. –

     Von rußischen Militaire war übrigens nicht die mindeste Spur vorhanden, alle Bewohner sagten einstimmig aus, daß der feindliche Nachtrab 48. Stunden vor uns, die Gegend passirt sey, und seitdem kein Mann von ihnen sich mehr habe erblicken laßen. Unser Marsch und unsere nächtlichen Bivouacqs geschahen demnach in der möglichsten Ruhe, obschon unserer Seits nicht verabsäumt wurde, um den gemeinen Mann frühzeitig schon an die nöthigen militairischen Vorsichtsmaasregeln zu gewöhnen, allein wie oft schläfert nicht eine solche Ruhe, ein einzelnes Commando ein, das sich selbst überlaßen und in den Genuße mehrerer lang entbehrter Bedürfniße sich befindend, solche weniger beobachtet und für nöthig hält, und oft mit seinem Leben, öfterer aber blos mit einem langen Verluste seiner Freyheit dafür büßen muß.

     Dies erfuhr eine am 7ten July von uns abgesendete Patrouille von 1. Estandart Junker und 7. Husaren, die nächst Kundschaft [62] Erster Verlust unserer Seits. einzuziehen, zugleich mit Lebensmittel beizutreiben befehliget war, während das Ganze der AvandGarde sich bei Paschuschüze ohnfern Zelwia auf dem Bivouaq befand. – Vom vorliegenden Zelwia aus, wo man die ähnliche Versicherung ertheilt hatte, seit 2. Tagen nichts vom Feinde bemerkt zu haben, hatte sich dieses Commando auf einen nahe gelegenen von Gebüsch und Holz umgrenzten Edelhof begeben um Lebensmittel zu requiriren. Mehrere derselben vorfindend, begiebt es sich, die Pferde vor der Thüre angebunden, in das Gebäude, um während des Herbeischaffens selbst einiges zu genießen, indeßen mehrere im nahen Gebüsch auf der Lauer gelegene Cosaken im Hofe erschienen, sich der Pferde bemächtigten, und das Commando bis auf einige Mann, die sich durch ein Fenster in den Garten retteten, zu Gefangenen machten. Der Husar Tennhard mit einen entlaufenen und aufgefangenen Pferde brachte gegen Abend die erste Nachricht hiervon auf dem Bivouaq, der hierdurch zwar allarmirt wurde, jedoch, da sich nichts weiter zeigte, wieder einrückte. Diese ersten Gefangenen unserer Seits hatten das harte Schicksal, bis ans schwarze Meer transportirt zu werden, und nach erfolgter Freilaßung die lezten mit zu sein, die vom Regimente in Sachsen wieder eintrafen. Da Zelwia, mit vielen Juden bewohnt, sich hierdurch den Verdacht zugezogen hatte, diesem Commando die Nähe des Feindes verheimlicht zu haben, so wurde tags darauf beim Wiederaufbruche eine halbe Stunde in selbigem refraichirt, und mancher Artikel mit einer Härte herbeigetrieben, welche lediglich den gestrigen Vorfalle zuzuschreiben war.

Slonim.      Den 9ten July trafen wir über Socconice einer, von vielen Juden ebenfalls bewohnten Mittelstadt, am Flüßgen Szczara[151] gelegen in Slonim ein. Sie liegt an einem sandigen Abhange, und zeichnet sich weniger durch regelmäßige Bauart, als durch einen lebhaften Verkehr und Handel aus. Die Judenschaft, die hier die erste und reichste Claße der Einwohner zu sein scheint, empfing uns in Prozession, festlich geschmückt, mit fliegenden Fahnen und unter Vortretung ihres OberRabiners unter einen Baldachin mit einer Krone in der Hand, mit einen ununterbrochenen plerrenden [63] VivatGeschrey, und geleiteten in diesem Aufzuge den die AvantGarde commandirenden Herrn General Major von Gablenz bis in sein Quartier. Ein ähnliches wiederhohlten sie Nachmittags, als der mit seinem GeneralStaabe einziehende en cheff commandirende General Graf Reynier eintraf, und sein Hauptquartier ebenfalls daselbst aufschlug.

     Das Regiment bezog vor und jenseits der Stadt einen getheilten, – tags darauf aber, als die InfanterieDivisionen uns nachrückten, eine halbe Stunde über derselben hinaus, einen gemeinschaftlichen Bivouaq, der bei einer in diesen Tagen eingetretenen großen Hize, verbunden mit den glühenden Sandboden noch um so erträglicher wurde, da vor Geld die speculativen Juden noch einen guten Labetrunk herbeischaften. Das Bier war, so lange als es aus Gewinnsucht nicht verfälscht war, hier ein Artikel, der sehr gut,[152] und äußerst selten von dieser Qualität in Pohlen anzutreffen war. Den 11.ten ejsd. wo unser Aufenthalt noch fortdauerte, geschah jenseits der Stadt, auf dem Bivouaq des 1.sten leichten InfanterieRegiments zur Warnung des ganzen Corps eine Execution. Der Fourier Hoffmann von der 3ten Comp. dieses Regiments, wurde wegen Marodiren durch Standtrecht zur Kugel verurtheilt, erschoßen, und einige weniger Mitschuldige körperlich abgestraft.

Nieszwicz.      Vom 12ten bis 14ten July dirigirten wir uns über Polenka (wo während unsers Durchmarsches mit den Glocken geläutet wurde und die Geistlichkeit mit der Monstranz an der Straße sich aufgestellt hatte) Stalowicze und Snow nach Nieszwicz, einem lichten mit vielen neugebauten Ziegelhäusern versehenen Mittelstädtchen, woselbst wir einen Theil der westpfälischen und pohlnischen Armee unter Commando des Königs von Westpfalen antrafen, der hier sein Hauptquartier hatte. Wir waren nunmehro bis an die Grenzen des Gouvernements Minsk gelangt, als den äußersten Puncte, den wir in der Richtung vom Bug nach dem Dnieper zu, erreichen sollten.

     Der General Tormassow hatte sich bei Annäherung der Österreicher von Nowogrod gegen Podolien zurückgezogen und die beiden Divisionen Lambert und Tschaplitz vorgeschoben [64] um Vollhynien zu decken, – die Österreicher hingegen, standen einer frühern Disposition zu Folge im Begriff, sich über Minsk mit dem ArmeeCorps des Prinzen Eckmühl zu vereinigen, und erwarteten daher in der Position über Slonim, die Ablösung ihrer an der Muckawiece und gegen Kobcyn aufgestellten Posten, vom 7ten ArméeCorps. Dies zu bewerkstelligen trat die AvantGarde den 15. July früh 1/2 3. Uhr eine Rückbewegung rechts seitwärts an, wobei in der Folge die InfanterieBrigade Klengel Bestimmung nach Kobzyn, die CavallerieBrigade von Gablenz aber ähnliche nach Pinsk und Jannow erhielt, während sich der Rest des Corps mit den Hauptqt. über Rozanna gegen Chomsk nachbewegte.

     Um uns unsern InfanterieDivisionen, (die noch rückwärts bei Slonim diese Seitenbewegung früher eingeschlagen hatten) wieder als AvantGarde vorzusezen, sollten wir durch die Endungen der so unwegsamen und bekannten Rokitnoschen Sümpfe zuschneiden, und machten deshalb als die ersten dieser Art einen ebenso abentheuerlichen als in der Geschichte merkwürdigen Zug, der aber den gehoften Endzweck nicht erreichte und späterhin bei der Räumung Pohlens, Anlaß zu einen in Warschau erschienenen CarricaturGemälde gab. –

Marsch durch die Endungen der rokitnoschen Sümpfe.      Den 15ten und 16ten July hatten wir über Kleck und Slonco noch guten Weg, und am lezteren Tage bei Niewicice einen nicht ganz magern Bivouaq, indem die dasigen Güther des rußischen General Bennigsen mancherlei Lebensmittel lieferten. Das UhlanenRegiment Prinz Clemens trennte sich an leztern Tage von der AvantGarde und wurde denen InfanterieDivisionen, die wie oben erwähnt einen andern Weg einschlugen, zugetheilt. Den 17ten ejsd. erreichten wir endlich diese unwirthbare Gegend, und ein 9-stündiger Marsch (mit welchen wir nur eine Distanze von 5. Stunden zurücklegten) führte uns durch Holz, Waßer und Morast auf dem Bivouacq bei Lipsk.
[65]



[66] Die Furth die wir passirten, denn Weg oder Straße kann man es keinesweges füglich nennen, ging durch einen mit Dickicht unterwachsenen Wald, gewährte dem Auge rechts und links kaum auf 10 Schritt Aussicht und stand oft völlig unter Waßer. – Die Schüzen mit aufgestreiften Pantalons so hoch es nur möglich war, und vom Fuß bis an die Oberschenkel völlig entblößt, an der Spitze, – die reutende Batterie, oft bis an die Röhre der Canons in Schlamm und Waßer sich fortschleppend in der Mitte – und die schließende Cavallerie bis über die Pferdeknie im ähnlichen Falle, so bewegte sich der Zug ganz langsam vorwärts und oft wurde er bei grundlosen Stellen stundenlang unterbrochen, bis die Sappeurs Bäume gefällt, auf denen die leichte Infanterie hinklettern konnte und eine Art Knüppeldamm hergestellt hatten, auf dem das Geschüz einigen Grund fand. Höhere lichte und trockene Stellen gab es nur wenige und es war eine Wohlthat für die Cavallerie, bei einem längeren Halt eine solche zu erreichen, um absizen und es sich und den Pferden bequemer machen zu können. – Nicht wenig erstaunt waren daher die friedlichen völlig isolirten Einwohner des etwas erhöht liegenden kleinen Dorfes Lipsk, als sie einen solchen nach ihrer einmüthigen Versicherung in ihrer friedlichen Einöde noch nie gesehenen kriegerischen Zuspruch erhielten, zu deßen Bewirthung es an allen möglichen mangelte. Das wenige Brod was sie auftrieben, bestand meist noch aus ganzen, auf einer Handmühle gequetschten Körnern, die durch die mehlige Substanz und durch das Backen zusammengehalten wurden. Daß in dieser undurchdringlichen Wildnis eine Menge Bärn nisteten, bewiesen die vielen hier vorgefundenen, auf rußische Art auf einer Seite mit Fett gegerbten, oder vielmehr geschmeidig gemachten Bärenhäute, die zu Schuzdecken für die Witterung auf die bepackten Handpferde sich sehr gut benuzen ließen. Die Einwohner dieses mit wenig Feldbau versehenen Dörfchens [67] hatten nur einen einzigen, rechts einschlagenden ComunicationsWeg mit dem trockenen Lande, allein dieser lag außer unserer Direction, indem unsere Bestimmung von uns grad aus lag. Den Betheuerungen der Einwohner keinen Glauben beimeßend, daß an ein weiteres Vordringen nicht zu denken sey, indem diese Gegend nur aus einen faulen grundlosen Sumpf bestehe, wurde selbige Tags darauf, während wir rasteten, von mehreren Seiten recognoscirt, allein die Außagen der Einwohner bestätigten sich völlig. Es blieb uns daher nichts übrig, als am 19. July aus diesen Sümpfen rechts seitwärts nach Ostrowo auszubrechen, und wir befanden uns nun auf einmal, da unser Corps diesen Ort schon passirt hatte als – ArriereGarde. – Das Corps hatte bereits vorwärts in und um Bytin ein reges Cantonnement bezogen, das Regiment passirte den 20ten diesen Ort ebenfalls und erhielt nun wieder als AvantGarde 4 Stunden über selbigen hinaus in Lobiesczyze und noch 2. andern Dörfern ein ähnliches Unterkommen. Alles wurde einquartiert, und da uns vorwärts noch Österreicher standen und wir sonach vom Feinde nichts zu befürchten hatten, so unterblieben auch die FeldWachten und übrigen militairischen Vorsichtsmaasregeln.

     Nach einen gehaltenen Rasttage brachen wir am 22ten July früh schon wieder auf, legten Kosow Kartusa, Beroza und Chomsk zurück, und rückten den 24ten in und bei Tulatice [?] ein – Die Österreicher hatten in Pinks[153] dem Feinde ein sehr beträchtliches Magazin weggenommen, was sie, während wir in Kosow übernachteten, auf 260. Wagen durch- und der Armée zuführten; auch begegneten wir tags darauf mehreren österreichischen Abtheilungen, die so wie wir uns ihren Posten näherten, sich allmählig auf ihr Corps zurückzogen. Die Bivouacqs hatten seit dem 20ten völlig aufgehört, wir befanden uns in den Ortschaften enge einquartiert und unterhielten blose Polizeywachten.

     Offensive der RussenDer General Tormassow[154] hatte indeßen unser Vorrücken, die Rückbewegungen der Österreicher und unsere durch mehrere Tagemärsche getrennte Entfernung von selbigen, in Erfahrung [68] gebracht, und beschloßen uns aus unserer Position zu verdrängen und die zu sehr ausgedehnten Abtheilungen einzeln mit Übermacht anzugreifen und womöglich ganz aufzureiben.

Angriff auf Pinks. Der Major von Seidelitz hatte mit einer Escadron Prinz Clemens Uhlanen die Stadt Pinks besezt, nachdem die Oesterreicher mit Wegführung des dort vorgefundenen Magazins solche geräumt hatten. Der rußische Fürst Scherbatow grif diesen Ort am 24. July mit mehrerer Cavallerie und 2. Kanonen an, und drängte den Major von Seidelitz mit Verlust eines Unteroffi­ziers­trupps von 7. Mann aus selbigem zurück.

     Hierauf erhielt Nachts die 5te und 8te Escadron Husaren und 1. Escadron von Polenz chev legs[155], unter Commando des Major von Lindenau, Befehl, als Soutien vorzurücken, stießen jedoch auch bei Janow [156] schon auf den Feind, welcher Orter mit Infanterie und Cavallerie besezt hatte. Gefecht bei Janow. Es kam früh gegen 2. Uhr bei dämmernden Morgen daselbst zu einem Gefecht, dem ersten in diesem Feldzuge an welchem das HusarenRgt. [157] theilnahm, wobei selbiges einige Gefangene machte und 3. Pferde erbeutete, dagegen aber 1. Husar mit Pferd todt auf dem Plaze zurückließ, 4. Mann 1. Pferd an Vermißten und 7. Mann incl. 2. Offiziers als Bleßirt zählte. Der Lieutenand v. Schweinitz vom UhlanenRegimente gerieth hierbei auf einer Sendung ebenfalls in feindliche Hände. Der Major v. Lindenau zog sich um den Tag abzuwarten einige Stunden zurück, wozu ihn die Veranlaßung gab, daß er weder die Stärke des vor sich habenden Feindes, noch das für Cavallerie so ungünstige und mit Holz, Gräben und Sümpfen durchschnittene Terrain kannte. Wir trafen ihn am Morgen des 25ten July in ein Birken­wäld­chen gelagert an, nachdem der Rest des HusarenRegiments, 2. Escadrons von Polenz und 2. Piecen der reutenden Batterie, Befehl erhalten hatten, diese detachirten Escadrons zu unterstüzen und deshalb früh 2. Uhr aus ihren Quartieren aufgebrochen waren. – [69]      Unsere Cavallerie en Front, seine beiden Canons auf die Flügel placirt, sezte sich nun wieder vorwärts in Bewegung, trieb den sich einigemal sezenden Feind bis nach Janow, und verfolgte ihn, da er es verließ, noch eine Strecke über dieses Städtchen hinaus. Ein daran stoßender beträchtlicher Wald erleichterte seinen Rückzug und nachgesendete Patrouillen fanden ihn erst 4. Stunden jenseits wieder auf.

     Das Regiment bezog diesen und den folgenden Tag Bivouacq vor dem Städtchen, in der Nähe des dortigen Gottesackers, welcher uns, weil anstatt der Grabhügel, große eichene Blöcke die Grabdecken formirten und zugleich als Leichensteine mit dienten, 2. Tage lang einen hinlänglichen Brennstoff lieferte. Der commandirende General Graf Reynier traf am Morgen des 26. July selbst in Janow ein, besahe unsere dasige Stellung, überzeugte sich von diesen für Cavallerie so ungünstigen Terrain und kehrte darauf wieder nach Bedozyce zurück.

     Der Feind näherte sich indeßen auf der nämlichen Straße, auf welcher er seine Retraite genommen, Janow allmählig wieder, und eine vorgeschickte starke Patrouille, kehrte, nachdem sie den ganzen Tag mit den feindlichen Vorposten geplänkert und sich sämmtlich verschoßen hatte, mit der Bestätigung des feindlichen Vordringens zurück. Nachdem die Equipage Abends auf der nach Dokyczyn führenden Straße vorausgesendet, und die aus Pinks zurückgedrängte Uhlanen Escadron Abends 11. Uhr noch zu uns gestoßen war, brachen wir am Morgen des 27. July früh 1. Uhr von Janow in möglichster Stille auf und folgten unter dem vernehmbaren Kanonendonner von Kobryn her, unserer Equipage auf dem Bivouacq bei Dobryczin (Nicht jener Stadt am Bug, sondern einem Dorfe gleichen Namens) Verlust bei Kobryn. Der General Tormassow war unterdeßen auf Kobryn zu marschirt, hatte diesen Posten, der von der Infanterie Brigade Klengel und den übrigen 3. Escadrons des Uhlanen Regiments Prinz Clemens besezt war, mit 2. Divisionen [70] und 6. Bataillons angegriffen, und selbige nach einem 9stündigen Gefecht, welches dem Feinde vielen Verlust zugefügt hatte, nachdem sie ganz umringt und durch das Abbrennen der dasigen Brücke ihr aller Rückzug abgeschnitten war, in Kobryn zu capituliren gezwungen. –

Der GeneralMajor von Klengel mit den beiden InfanterieRegimentern König und von Niesemeuschel und 4. Fahnen, der Oberst von Zezschwitz mit 3. Escadrons Prinz Clemens Uhlanen und 1. Fußbatterie aus 8. Piecen bestehend, wurden kriegsgefangen und fielen dem Feinde in die Hände. – Ein nach der Stärke des Corps berechneter, und bei Eröfnung der Campagne, wo noch nichts entscheidendes vorgefallen war, überaus großer und empfindlicher Verlust. – Der General Graf Reynier war mit dem übrigen Corps zwar aufgebrochen um dieser Brigade zu Hülfe zu eilen, allein auf der Hälfte Weges schon, erfuhr er deren Überwältigung und Capitulation und mußte unverrichteter Sache nach Chomsk[158] wieder zurückkehren.

Vom HusarenRegiment gerieth der Hus. Unger, welcher sich beim k[öniglichen] Obersten von Zezschwitz auf Ordonanz befand, bei dieser Gelegenheit mit in Gefangenschaft.

     Der Fürst Schwarzenberg[159], der mittlerweile vom Kaiser Napoleon den Oberbefehl über das Österreichische und Sächß. HülfsCorps als rechten Flügel der großen Armée erhalten hatte, sahe sich nach diesen Ereignißen genöthiget, wieder nach Slonim zurückzumarschiren, dem General Tormassow, der in das Gouvernement Grodno vorgerückt war und die Communication mit dem Großherzogthum Warschau bedrohete, entgegenzugehen, und ihn durch einen FlanquenMarsch über Koszow zum Rückzuge nach Vollhynien zu zwingen. Rückzug gegen Slonim.      Wir, nunmehr ArriereGarde bildend, gingen vom 28ten July bis zum 1. August über Chomsk[160], Bereza [?], Sielitz[161] [71] und Prozanna[162] ebenfalls gegen Slonim zurück, wo wir an leztbesagten Tage an der, von Prozanna nach Slonim führenden Straße, beim Dorfe Radziwilowicze, Bivouaq aufschlugen, der Abends durch einen wolkenbruchähnlichen Gewitterregen ganz überschwemmt wurde und den größten Theil der Baraquen niederstürzte.

     Die Gegend die wir in diesen Tagen zurückgelegt hatten war äußerst angenehm, abwechselnd, und mit schattigten Birkenwäldchen durchschnitten, – die Witterung war günstig, wildwachsende hohe Rosmarin umduftete unsere Bivouaqs, und die schönen sternenhellen Nächte und Morgen wurden durch den Gesang der Waldvögel um nochso anziehender, – nur schade, daß unsere düstere Stimmung, die Fatiguen und der uns auf dem Fuße folgende Feind so wenig Muse gestattete, diese NaturSchönheiten in ihrem vollen Maase zu genießen, denn, von den übrigen Divisionen getrennt, die bei einen neuerwarteten Angriffe des uns folgenden weit überlegenen Feindes uns keine schnelle Unterstüzung gewähren konnten, bei Tageshize marschirt, und die wenigen Stunden der Nacht meist in Bereitschaft zugebracht, so floßen diese schönen Tage mit ihren anziehenden Umgebungen ungenoßen dahin. Obschon unser Aufbruch jedesmal kurz nach Mitternacht und ganz geräuschlos geschahe, so wurden wir demohngeachtet vom Feinde nie aus dem Augen gelaßen, denn kaum befanden wir uns wieder im Zuge, so folgte ihre Avant- unserer Arriere-Garde, ohne jedoch etwas wesentliches weiter auf uns zu unternehmen. Bei unserer schon so geschwächten Cavallerie erlitte das Regiment von Polenz chev legs. am 30ten July ac noch einen empfindlichen Verlust, indem eine Patrouille unter dem Capitaine von Krug aus 1. Lieutenant und 59. Pferden bestehend, in feindliche Hände fiel.

     Der Feind war uns, wie wir bei einer am 4. August gegen Prozanna[163] unternommenen Recognoscirung wahrnahmen, bis an diesen Ort gefolgt, und hatte selbigen besezt. Die Österreicher [72] warfen ihn tags darauf wieder aus selbigen zurück. – Die 3. Corps befanden sich nunmehro in einer ziemlichen Nähe und es waren ernsthafte Angriffe in den nächsten Tagen mit vieler Wahrscheinlichkeit vorauszusehen. Der ganze 7te August, wo wir uns von früh 4. bis Abends 8. Uhr, ohne zu füttern nur 3. Stunden Weges vorwärts bis Nowowies dirigirten, wurde mit manoevriren gegen den nur Schritt vor Schritt zurückweichenden Feinde zugebracht, ohne daß er sich in ein förmliches Gefecht einließ. Erst Abends spät, nachdem wir schon den Bivouaq bei genannten Orte bezogen hatten, kam es zwischen ihn und unserer 8ten Escadron auf den Vorposten zu einem lebhaften Plänkerfeuer, worauf die ganze AvantGarde ausrückte, allein ein heftiger eintretender Plazregen mit einem Gewitter begleitet, welcher die ganze Nacht fortwährte, gebot beiden Theilen Feyerabend, und jeder suchte nun die fordernde Natur durch einigen Genuß und Ruhe für den morgenden Tag zu stärken.

     Ohnerachtet dieses Vorspieles brach er ruhig an. Wir nahmen anfänglich etwas rückwärts bei Nowowies, Position, veränderten selbige darauf wieder vorwärts auf der nach Pruszanna[164] führenden Straße, ohnfern unsers verlaßenen Bivouaqs, und rückten bei anbrechender Dämmerung, da nichts zu sehen und zu hören war, auf selbigen wieder ein. Der 9te Aug. wurde bei einen anhaltenden Regenwetter noch als Rast daselbst zugebracht.

Gefecht bei Prudzanna.      Unser Gegner, zu der Division Lambert gehörig, hatte sich nach Pruszanna[165] zurückgezogen, den Ort selbst besezt und erwartete in der dasigen Ebene unsere Ankunft. Sie erfolgte am Morgen des 10ten Augusts und mit ihr engagirte sich eines der hizigsten CavallerieGefechte, welches sich erst Nachmittags, als der Feind die Flucht ergriff, endigte. Er warf sich gegen Podobna (halben Weges von Pruszanna nach Kobryn) auf das sich dort concentrirte HauptCorps des [73] General Tormassow zurück, und erlitte auf seiner Retraite von Abtheilungen Österreicher, die ihn verfolgten und das Gefecht fortsezten, noch manchen Verlust. Der unsrige war, obschon das Regiment weder Gebliebene, Vermißte noch Gefangene hatte, bei der Hize und Erbitterung mit der gefochten wurde, dennoch stark an Blessirten; Wir zählten deren 28. Mann, von welchen mehrere sehr schwer verwundet waren und hatten überdies 4. todte- 2. vermißte- und 11. bleßirte Pferde.

Vereinigung mit dem Östereichischen HülfsCorps.      Das 7te ArmeeCorps hatte sich an diesem Tage mit dem österreichischen vereiniget, und um das feindliche HauptCorps aufzusuchen, den Marsch gegen das nur 1½ Stunde entfernte und in einiger Vertiefung liegende Dorf Podobna gerichtet, wo wir als AvantGarde, dießeits nahe deßelben, auf einen sandigen und mit großen Feuersteinen überdeckten Boden uns lagerten. Wir wurden bei eintretender Nacht sehr sonderbar allarmirt.

     Die Pferde einer entfernt hinter uns bivouaquirenden Abtheilung Österreicher, hatten, durch Wölfe geschreckt sich losgerißen, und in direction gegen unsere Bivouak die Flucht ergriffen. Eine unserer UhlanenVedetten, die auf Anrufen keine Antwort erhalten hatte, gab Feuer, eilte ihren Trupp zu und hinter ihr folgten diese sämmtlichen Pferde, unsere Wachtfeuer wahrnehmend. – Durch den gefallenen Schuß schon aufmerksam gemacht, vernahmen wir in der größten Dunkelheit noch das Getöse einer sich uns nähernden Carierre und im Begrif zu unsern Pferden zu eilen, hatten sie zum Theil schon unsere Baraquen niedergetreten, und blieben, sich zwischen unsere Pferde eindrängend, ruhig halten. In aller Frühe wurden sie durch ein sie aufsuchendes österreichisches Commando abgehohlt. – Eine sehr gute und leichte Beute, wenn es feindliche Pferde gewesen wären. –

Der General Tormassow, der bei der Rückbewegung des [74] Fürsten Schwarzenberg gegen Slonim sein Vordringen eingestellt hatte, hatte sich concentrirt, und die dießeitigen Corps erwartend, hinter Podobna eine sehr vortheilhafte Stellung genommen. Seine Front und rechter Flügel waren durch einen Morast gedeckt, der nur auf 2. Dämmen passirt werden konnte, eine hinreichende Artillerie stand bereit, jeden kühnen Versuch abzuweisen. Ein, gegen eine halbe Stunde breiter und in der Länge sich hinziehender Wald stieß auf seinen linken Flügel, der, außer diesen mit einigen CommunicationsWegen durchschnittenen Holze keinen weitern AnlehnungsPunct hatte. – Dies Holz mit Infanterie zu besezen, so wie die Straßen und Zugänge durch Verhaue zu sperren war unterlaßen worden und auf diesen der Position so gefährlichen Punct nicht die mindeste Aufmerksamkeit verwendet worden. Dieser Fehler, der dießeits zeitig genug entdeckt und benuzt wurde, zog dem Feinde den Verlust der angebotenen Schlacht zu, und würde, hätte der verdüsternde Pulverdampf die Nacht nicht zu bald herbeigeführt, seine völlige Auflösung bewirkt haben, indem er mit Gewalt gegen die Moräste zurückgedrängt wurde.

Schlacht bei Podobna. Den 12ten August früh, wo wir ruhig im Bivouaq verweilten, und den Feind recognoscirten, gewahrte man jenseitige starke Truppenbewegungen, die, die Nacht über detailirt, jezt in Schlachtordnung rückten. Um den Feinde die linke Flanque abzugewinnen, passirte früh gegen 9. Uhr die sächßische und österreichische Cavallerie in gestreckten Trabe den obenberührten Wald und marschirten auf einer jenseitigen Anhöhe auf. Unsere Infantrie folgte uns, und drang am inwendigen Saume des Waldes sich hinziehend, ebenfalls in Maßen vor. Der Feind bemerkte nun erst, aber zu spät den begangenen Fehler, und suchte die dießeitigen Truppen durch seine herbeigezogenen Reserven wieder gegen das Holz zurückzuwerfen. Ein CavallerieAngriff folgte auf den andern und die feindlichen Batterien unterhielten ein lebhaftes Feuer auf uns, allein ohne Erfolg, die rußische Cavallerie verlohr dagegen immer [75] mehr Terrain, und unsere reutende Batterie hatte bei einer jenseitigen, durch die Sprengung eines mit Kartätschen gefüllten MunitionsWagens wie wir uns später an Ort und Stelle selbst überzeugten, in den Umgebungen einen beträchtlichen Schaden angerichtet. Das Gefecht wurde bald äußerst lebhaft und theilte sich der übrigen ganzen Linie mit. Gegen Abend gerieth die Infanterie gegen einander in ein ununterbrochenes heftiges klein Gewehrfeuer, der Feind verlohr auch hier Boden und wurde ganz vom Schlachtfelde und gegen die Moräste zurückgedrängt, als die Nacht eintrat und – Stillestand machte. Wir übernachteten auf den Schlachtfelde um mit anbrechenden Morgen den Kampf zu erneuern, allein die Rußen hatten die Dunkelheit benuzt, und waren die Nacht über gegen Kobryn abgezogen, wir erreichten am andern Morgen nur noch ihre ArriereGarde und folgten ihr in derselben Direction.

     Der Verlust von beiden Seiten war ansehnlich, doch enthalte ich mich, da mir keine offiziellen Berichte über das Ganze zu Gesichte gekommen, blose Sagen und Bestimmungen hierüber niederzuschreiben. Die am andern Morgen auf den nicht unbeträchtlichen Schlachtfelde vorgefundenen Todten und schwer Bleßirten zeigten, daß die Mehrzahl davon dem Feinde angehörte, ohnerachtet er alle Bleßirte, die nur noch transportable gewesen, auf seiner Retraite mit sich genommen hatte. – Einbuße an Trophäen zählten beide Theile nicht.

     Der Verlust des HusarenRegiments bestand in 2. gebliebenen, 2. vermißten und 11. bleßirten Mann und 8. todten und 11. bleßirten Pferden. – Es hatte dagegen seit Eröfnung der Campagne bis mit 13ten August 42. Pferde erbeutet und mehrere Gefangene eingebracht, als 17. Pf. bei Podobna, 19. Pf. bei Pruczanny, 3. Pf. bei Jannow und 3. Pf. gleich anfangs durch das StreifCommando des PremLieutenant von Nauendorff an der Narew. – Ein Theil derselben wurde dem Regimente sofort als Dienstpferde einverleibt, die übrigen hingegen an die Intendantur eingeliefert, die einer erlaßenen festen Bestimmung [76] gemäs, dem Manne für jedes dergleichen erbeutete und eingelieferte Pferd einen Kaufpreiß von 20 rt[166] – zusicherte.

     Ein sehr trostreiches Geschick ist es für dem Militaire in Campagne, daß die wenigsten Geschoße ihre vernichtende Bestimmung erreichen, und die meisten dagegen ihr Ziel ganz verfehlen; daß aber auch zuweilen die Wirkungen dergleichen tödtender Werkzeuge noch gleichsam wunderbare Hemmung erhalten, davon hier schließlich noch 2. Beispiele aus der so eben geschilderten Schlacht von Podobna.

     Dem Husar Eisel der 7ten Escadron ging eine 4. bis 6. [Pfund][167] Stückkugel durch den Tzschako durch und durch, und nahm zur jenseitigen Öfnung die im Tzschako aufbewahrte Fouragiermüze mit heraus, ohne weder dem Deckel des Tzschakos und das Oberhaupt des Mannes zu berühren, noch selbiges durch den Druck der Luft zu verlezen. Sie zog dem Manne blos dadurch eine Erschütterung zu, daß sie die unterm Kinn befestigten Bataillen-Bänder sprengte und ihm den Tzschako vom Kopfe warf ohne selbigen zu vernichten. Dieser Mann trug ihn durchlöchert zum Andenken noch so lange fort, bis er später damit bei Luboml in Gefangenschaft gerieth.

     Der zweyte Fall ereignete sich mit dem Husar Kegel der selben Escadron. Eine ähnliche Stückkugel riß ihn den Mantel fort, Futtersack, die Futtertorben [?] und den Frosch von der Pritzsche[168] weg so, daß selbige zusammenknickte, ohne weder den Mann noch das Pferd zu beschädigen. Auch dieser Mann hatte das traurige Geschick, später in feindliche Hände zu gerathen. –

Feindliche Retraite.      Unter fortdauernden Plänkergefecht mit dem feindl. Nachtrabe, erreichten wir am 13ten August Vormittags Kobryn, woselbst wir uns nachts seitwärts des Städtchens lagerten, nachdem unsere AvantGarde den Feind noch bis jenseits verfolgt das Zerstören der daselbst über die Muchawiece führenden Brücke verhindert hatte. Während die Oesterreicher die Verfolgung des Feindes fortsezten, brachten wir den 14ten ejsdem noch daselbst als Rast zu, um unsern erlittenen Verlust in den Regimentern einigermaasen [77] wieder auszubeßern. Der Hauptmann von Watzdorff vom Generalstaabe erhielt Nachmittags von hier aus, mit dem Berichte über diese Schlacht, die Sendung als Courier nach Dresden, von welcher er am 3. September ac mit dem Majors Caracter beim Corps wieder eintraf.

     Der Feind hatte Brczesc passirt, seine Truppen wieder in etwas geordnet, und ging, mit abwechselnden Glücke seinen Rückzug vertheidigend, nach Luezk über den Styr zurück, um sich mit der ebenfalls dahin dirigirenden MoldauArmée, unter Befehl des Admiral Tschitschagow[169] zu vereinigen und uns wieder die Spizze zu bieten.

     Wir brachen den 15. August früh 8. Uhr vom Bivouacq bei Kobryn auf, passirten durch einen Furth, die der Narew ähnliche Mozinna, – tags darauf Brczesc, gingen dort abermals über die nach dem Bug rechts einlenkende Mozinna hinüber und bezogen ½ Stunde jenseits der Stadt, neuen Bivouacq.

Brczesc. Brczesc am Bug gelegen, ist eine der bedeutendsten Städte in Litthauen, behauptet den Rang von Lublin und hat einen sehr starken und ausgebreiteten Handel, der durch den Verkehr auf den schiffbaren Bug noch um vieles vermehrt und erleichtert wird. Man findet hier nicht nur alle gewöhnliche europäische, sondern bei einigen etablirten grichischen Handelshäusern auch alle levantische Articel bis auf die gemeinen gelb saffianen, gleich Halbstiefeln, türkischen Pantoffeln herab. Der mehreste Handel sowohl engros als en detaille ist jedoch in den Händen der dasigen sehr bemittelten Judenschaft, die denn auch bei unserer mehrmaligen Passage im Laufe des Feldzugs durch diese Stadt, jedesmal mit bedeutenden Requisitionen in Anspruch genommen wurde, trotz dem, daß sie uns anjezt (wie früher in Slonim geschahe) als Sieger in Procession einhohlten. Man trift hier viele deutsche angesiedelte Profeßionisten an, die ein gutes Auskommen zu haben scheinen und einigen Wohlstand verrathen. Die Mozinna[170] durchfließt einen großen Theil der Stadt, mehrere hölzerne Brücken unterhalten die Communication der Straßen, und sie vermischt sich endlich ohnfern Brczesc mit dem Bug.

[78]      Der 16te August bei Brczesc war auf die vorhergegangenen Regentage einer der schönsten und wärmsten, und trocknete nicht nur unsere am Leibe und im Mantelsacke ganz durchnäßten Sachen, die dem Moder nahe waren, wieder ab, sondern versahe uns auch aus der nahen Stadt für Geld mit manchen nöthigen Artikeln, die wir eine geraume Zeit lang hatten entbehren müßen. Eintritt in Vollhynien.

     Den 18.ten und 19ten August hatten wir wieder durch sehr sumpfige und morastige Gegenden beschwerliche Märsche, – traten den 20ten ejsdem in der Provinz Vollhynien ein, und bezogen dicht hinter den vorwärts gelegenen Scheunen und Gärten des Städtchen Szacz (Schazk) einen bis mit den 23ten Aug. fortdauernden Bivouaq. Als wir den 24ten früh 5. Uhr selbigen wieder verließen, erreichten wir auf der nach Luboml führenden Straße den feindlichen Nachtrab wieder, und unter fortwährenden Plänkern mit unserer AvantGarde, folgten wir selbigen durch Luboml (ein kleines mit vielen Juden bewohntes Landstädtchen) und lagerten uns ½ Stunde jenseits an der nach Jurisk führenden Straße auf einer mit einzelnen Gebüsch bewachsenen Viehweide. Der Feind hatte sich auf dieser Straße zurückgezogen, eine waldigte und buschigte Gegend trennte uns von ihm, und vorgeschobene starke Feldwachten beobachteten ihn nicht nur, sondern sicherten auch zugleich unsere Ruhepläze. Verlust bei Luboml.      Den 25ten August Nachmittags wurde unsere und die links aufgestellte österreichische Vorposten Chaine von vorgedrungener feindlicher Cavallerie angegriffen, und der rechte Flügel unter den Rittmeister Roos bis über unsern Bivouacq herein, gegen Luboml zurückgedrängt. –

Die vorliegenden Felder am Saume des Holzes waren, um sie vor das weidende Vieh zu schüzen mit Pfahlwerk und Stangen eingeschränkt und nur ein enger freyer Raum bezeichnete die nach Jurisk führende Passage. So von der feindlichen Übermacht gegen diesen Engpaß zurück gedrängt, entstand auf der Retraite unserer Feldwacht hier ein Stocken und Drängen, was ohnfehlbar die [79] hintersten der feindlichen Gefangenschaft opfern mußte. –

     Außer 1. gebliebenen Husaren auf den Plaze, fielen 30. Husaren mit 29 Pf. und 11. chev legs von Polenz mit ebenso viel Pferden dem Feinde in die Hände. Das ganze in und bei Luboml gelagerte Corps gerieth hierdurch in Allarm, indem man nichts gewißeres als einen förmlichen feindlichen Angriff vermuthete, zumal da die linke Flanque der Österreicher ein ähnliches Vordringen mit Geschüz zurückwieß. Alles rückte sächß. Seits bei Luboml concentrirt in Position, und eine Batterie wurde auf dasigen in Eil mit Schießscharten versehenen Gottesacker aufgefahren, um den nach den Städtchen führenden erhöheten Damm bestreichen zu können, allein der Feind genügte sich, nachdem ihm einige Abtheilungen Infanterie, Cavallerie und einige Piecen Artillerie vorgeschoben worden waren und er die kräftigen Anstalten zu seinem Empfange sahe, mit seiner Beute wieder abzuziehen, und lies die Vermuthung zurück, daß sein Erscheinen nur eine aus mehrern CavallerieRegimentern bestandene starke Recognoszirung gewesen sei[171], die den Terrain und die Schwäche unserer Vorposten benuzt hatten. Abends gegen 9. Uhr rückte alles wieder in seine früheren Lagerpläze ein. Obschon der Feind unsern Bivouaq als den am meisten vorgelegenen zweimal paßirt hatte, so zeigte doch das mancherlei in Eil von uns zurückgelaßene Geräthe, daß wir unversehrt wieder antrafen, daß ihm an der Eile viel gelegen sein mußte, und sein Unternehmen, ein auf die Überraschung und Geschwindigkeit berechneter Coups blos gewesen sei. Marsch nach Torczyn

     Den 26ten Nachmittags verlegten wir unsern Bivouaq 1. Stunde, dem Feinde näher, vorwärts und lagerten uns ohnfern eines an der Straße gelegenen Gasthofs, wo man Tages vorher unsere Gefangenen ausgeplündert hatte. Die Erbitterung und Rache über die verlohrne Schlacht von Podobna und den zur Folge habenden Rückzug hatten sich hierbei sehr leidenschaftlich ausgesprochen, denn man hatte unsern Gefangenen nicht nur alles bis auf die nothwendigste Bedeckung abgenommen, sondern auch dasjenige was man als Beute des Transports nicht werthgehalten, unsern [80] Beraubten aber gewiß sehr zu statten gekommen wäre, gänzlich vernichtet und unbrauchbar gemacht – Zertrümmerte Armatur, in kleine Stückchen zerrißene Kleidungsstücke, Wäsche und andere kleine Bedürfniße bedeckten den Boden, und lieferten den Beweis, mit welchem unkultivirten Feind man es zu thun habe.

     Das vor uns liegende Gehölz in dem unsere Gegner noch weilten und die Tages vorher bekommene Lection machten uns als vorgeschobenen Trupp äußerst behutsam. Wir übernachteten ohne alle Nachtfeuer und in möglichster Stille, recognoscirten den Terrain und die feindliche PostenChaine und veränderten den 27. Aug. unsere Aufstellung mehrere male, ohne dadurch im Ganzen mehr als eine halbe Stunde Boden vorwärts zu gewinnen, in welchem Verhältniß uns die zum Soutien detaschirten Trupps dann nachrückten

     Der Feind hatte sich indeßen nach Turisk zurückgezogen und die Brücke vor der Stadt zu Deckung seiner Retraite vernichtet. Wir stellten selbige mit Hülfe der dasigen Einwohner baldigst wieder her, passirten den 29ten Turisk und bezogen in denen jenseits vor der Stadt gelegenen Scheunen Bivouaq, indeß der Feind sich rückwärts über Kycelin und Torczyn nach Luck[172] dirigirte und den Styr zu gewinnen suchte. Wir hatten bei Turisk eine ziemlich feste Stellung. Unser Rücken und die linke Flanque waren durch Waßer und Sumpf gesichert, den rechten Flügel begrenzte ein mit leichter Infanterie besezter Wald, und zu unserer Front führte von Kycelin her nur ein erhabener schmaler Damm, der von einigen Brücken durchschnitten war, und von weniger Infanterie mit einigen Piecen Artillerie sehr gut vertheidigt werden konnte. Einige Tage Ruhe waren dem Corps und besonders der Cavallerie hinsichtlich der zum Theil in dieser warmen JahresZeit gedrückten und sonst maroden Pferde sehr zu gönnen. Man benuzte daher diese für uns so vortheilhafte Position, und lies uns vom 30. Aug. bis mit 3. Septbr in völliger Ruhe und ganz abgesattelt, halb in Scheunen eingezogen und die andere Hälfte aux bivouaq rasten.

     Wir brachen den 4 Septbr wieder auf, passirten Kycelin, und erreichten bei dem Städtchen Torczyn den äußersten Punct unsers [81] Vordringens in Vollhynien ohnfern der Grenzen Podoliens. – Der General Tormassow stand mit seinem Corps ohngefähr 25,000. Mann stark, in und bei Luck[173], und erwartete die Vereinigung mit der MoldauArmée, die der Admiral Tschitschagow in Eilmärschen ihm zulieferte. Der Fluß Styr über den alle Communication durch Brücken gehemmt war, trennte uns von den Feinde, und gebot bis auf die Neckereyen der Cosaken, die durch den Fluß schwammen, den Waffen Ruhe, die den, durch den häufigen Vorpostendienst, Verlust und sovielen Kranken und Maroden geschwächten CavallerieRegimentern um so mehr so gönnen war.

Position der Corps zu Beobachtung des Feindes bei Luczk.      Die Regimenter Husaren und v Polenz chev legs, sowie die Schüzen nebst einer reutenden Batterie, formirten aua bivouaq vor und hinter den Städtchen Torczyn die AvantGarde des 7. Armée Corps, unsere Infanteriedivisionen hatten Bivouaqs zu schönen Lagern eingerichtet, einige Stunden rückwärts bei Kieszelin[174] und Makowoda bezogen, bei welchen die noch übrig gebliebene schwache Escadron des Rgts Prinz Clemens Uhlanen Bestimmung erhielt. Das Gross des österreichischen HülfsCorps lagerte ebenfalls um und bei Kycelin, mit Ausname der Division Siegenthal die noch rückwärts bei Radno stand. Eine zu uns gestoßene Division Pohlen gegen 5000. Mann stark, war bei Wladimir aufgestellt.

     Die Entfernung von Torcyn bis Luczk wo das rußische Hauptquartier sich befand, betrug 2 1/2 Stunden, deßen Flächenraum in gemischter Waldung aus Nadelholz Buchen und Eichen bestand. Die Gegend dahin ist flach und bestehet aus einem fruchtbaren waßerharten Leim- und Thonboden. So wie man aus diesen Walde austritt, hat man in einer weiten Ebene die am jenseitigen rechten Ufer des Flußes Styr liegende Stadt Luck vor sich, die dem Prospect aus der Ferne nach eine ansehnliche Mittelstadt zu sein scheint. Gleich hinter selbiger erhebt sich teraßenmäßig eine an den Ufern des Styr hinziehende beträchtliche Anhöhe, die mit ihren bunten Gruppen von Infanterie und Cavallerie Biovouaqs, nebst den vielen Wachtfeuern, ein hübsches Landschaftsstück darbot, diese Stellung beherrschte nicht nur das jenseitige mit Weidengehegen eingefaßte flache Ufer, sondern machte auch in der vorliegenden [82] weiten Ebene bei Tage jede von uns aus dem Holze heraustretende Patrouille oder Truppenabtheilung bemerkbar, die, um sich den Styr zu nähern, der am besten mit der vaterländischen Saale[175] verglichen werden kann, von uns abgesendet wurde. Die bei Luck über den Fluß führende Brücke war abgetragen, und der jenseitige Zugang als Brückenkopf mit einigen Stücken Geschüz bepflanzt worden, übrigens fand ober- und unterhalb der Stadt weiter keine dergleichen Communication statt, nichts destoweniger aber war das dießeitige linke Ufer für schwache Patrouillen von uns gesichert, denn CosakenTrupps durchschwammen den Fluß und lagen in den Gesträuchen auf der Lauer, um durch Ausfall auf schwache Abtheilungen Jagd zu machen. So wurde denn schon Tags darauf nach unserm Eintreffen bei Torczyn, von einer unter dem General Maj v Gablenz geleiteten starken Recognoscirung, eine detaschirte Patrouille unter den S. Lt von Mangold am 6. Septbr Abends gegen 9. Uhr aufgehoben, wobei gedachter Sous Lieutenant mit 8. Husaren 7. Pferden und dem ihr beigegebenen Ingenieur Hauptmann Geise in feindliche Gefangenschaft geriethen.

Ankunft der MoldauArmée.     Die MoldauArmée außer den Cosaken, an regulairen Truppen gegen 32,000. Mann, und bei ihren Abmarsch von der türkischen Grenze aus den 4. Corps des Gen Lt Woinow – Glt Gf Langeron[176] – G. Lt Essen und Gen Maj. Bulatow[177] unter dem Oberbefehl des Admiral Tschitschagow bestehend, hatte indeßen vom 6ten Septbr. den Dniester passirt, und traf in Eilmärschen, Colonnenweise vom 15 bis mit 18ten September bei Luck ein, an welchem lezteren Tage die Vereinigung dieser beiden Armeen wirklich erfolgte. Sie stellten sich hierauf hinter dem Styr in eine dergestaltige Schlachtordnung auf, daß der linke Flügel von Tormassows Corps sich an Luczk anlehnte, das von Tschitschagow hingegen von Luck an unterhalb bis Berestezko sich ausdehnte. Stärkere CavallerieAbtheilungen erschienen nun ofterer auf dem dießeitigen linken Ufer, und geboten sowohl denen Vorposten, als auch uns im Bivouaq selbst eine größere Aufmerksamkeit, als früherhin nöthig gewesen war.
[83] Der Vorpostendienst war im Ganzen genommen während der 17.tägigen Aufstellung bei Torczyn für unsere beiden schwachen Cavall. Regimenter äußerst fatiguant. Obschon es Befehl war, alle Pferde außer dem Dienste abzusatteln, so wurde doch nur immer wenigen von ihnen diese Wohlthat zu Theil, indem die mehresten derselben zu Besezung einer weitläufigen Vorposten Chaine, und zu Patrouillen und größern Recognoscirungen, die stets wechselten, verwendet wurden, während von dem Reste wieder andere zur Bereitschaft ausgesezt waren. Nicht gleiches harte Loos hatte unsere rückwärts geborgen liegende Infanterie. Sie vertrieb sich die müßigen Stunden, ihre Bivouaqs zu zierlichen Lustlagern, mit schattigen Promenaden und ConversationsZimmern versehen, umzuschaffen, die im tiefsten Frieden, den ganz einfachen Baumaterialien nach, nicht eleganter und schöner hätten angelegt werden können als hier geschahe. – Sie blieben bei unsern eintretenden Rückzuge unversehrt, und hatten sich die Bewunderung der uns nachfolgenden Rußen, zu was alles sich die rohe Natur, durch Kunstfleiß auch in kurzer Zeit umschaffen läßt, mit vollen Recht erworben.

     In der Nacht vom 8ten zum 9 Septbr hatte der Feind eine österreichische FeldWacht beschlichen und weggenommen. Es hatte für uns die Folge, daß wir die darauffolgende Nacht in völliger Bereitschaft zubringen mußten, allein wie gewöhnlich, da wo wir einen ähnlichen Zuspruch erwarteten, – erfolgte er nicht.

Der am 7. Septbr von der großen Armée bei Mosaisk erfochtene Sieg, wurde am 17. ejsd. von dem 7. ArmeeCorps gefeyert. Die auf den Bivouaq der AvantGarde noch befindlichen Truppenabtheilungen rückten Abends 6. Uhr aus, und nachdem der deshalb erlassene Tagesbefehl ihnen bekannt gemacht worden war, wurde von der Cavallerie und leichten Infanterie ein dreimaliges Vivat ausgebracht, während zum Schluß die reutende Batterie 30. Victoriaschüße that. Die kleinen GewehrSalven unterblieben wegen der Nähe des Feindes diesmal.

     Sonst erfolgte diese ganze Zeit über, außer der Vertheilung 1. goldener und 6. silberner Medaille, von der Schlacht bei Podobna [84] und denen frühern Gefechten her, wozu das vor- und hinter Sorczyn bivouaqirende HusarenRegiment den 9. Septbr zu einer Parade zusammenrückte, nichts, was nur einige besondere Bemerkung verdiente. –

Ich benuze diese Pause, um hier im Allgemeinen etwas über diejenigen rußischen Provinzen niederzuschreiben, die wir sowohl bis hieher als in der Zukunft durchstreiften.

Allgemeine Bemerkungen über Litthauen und Vollhynien      Sitten und Kultur, LandesArt und Gebräuche sind in Litthauen und Vollhynien noch ganz die früher geschilderten in dem alten Mutterlande Pohlen, von dem sie bei früheren Theilungen abgerißen worden sind; – nur weniger sandige, aber desto mehr sumpfige und buschigte Gegenden, – eine mehr in freyen Stutereyen, im Größern betriebene Pferdezucht, die eine ahnsehnlichere und größere Race, als die im Großherzogthum Warschau befindliche, bewirkt, und – der häufig sich eingemischte Cultus der grichischen Kirche sind es, die den flüchtigen Reisenden am ersten ins Auge fallen.

Der Boden meist lehmig, ist fruchtbar und sehr ergiebig. Wir trafen nächst der neuen Erndte auf dem Halme, noch ganze vorräthige ältere in großen Feimen[178], ein ☐ oben wie ein Dach schräg zugeschichtet, im Freyen an, welche sich von weiten wie Häuser praesentirten, und wo nach Versicherung der dasigen Einwohner ein solcher Feimen oft gegen 6–800. Schock Garben enthielt. Der größte Theil des Getreides das in Ermangelung schiffbarer Flüße schwer abzusezen ist, wird auch hier als HandelsArticel zur Fabrication des Brandeweins verwendet der jedoch bei weiten reichhaltiger an Graden und stärker als derjenige ist, den man im Herzogthum Warschau erzeugt. Die Menge des Stoffs hierzu ließ sich von den großen BrandeweinLagern schließen, die man auf jeden beträchtlichen Guthe antraf. Mangel an diesem Articel und an Fourage war daher nicht denkbar, so lange keine vorsezlichen und muthwilligen Verherrungen eintraten. Ich weis Fälle, wie z. B. in Wielki-Krinky – wo das ganze 7te ArmeeCorps sich auf mehrere Tage von einzelnen der gleichen großen Güthern auf dem Marsche mit Brandeweine verpflegte [85] pflegte, ohne daß dadurch die Vorräthe ganz erschöpft wurden. An Schlachtvieh aller Art war ebenfalls kein Mangel, nur Brodt in größerer Quantität war schwerer aufzutreiben, weil der hiesige wie der pohlnische Bauer, bei der Einrichtung, Handmühle und Backofen im Hause zu haben, seinen Bedarf immer nur auf einen Tag einschränkt.

     Eine PoliceyEinrichtung, die in diesen rußischen Provinzen eingeführt war, schien mir besonders aufzeichnungswürdig und nachahmungswerth, es war nämlich ein Regulativ, mit welchen Löschgeräthschaften jeder Hauseigenthümer eines Fleckens oder Städtchens bei einer entstehenden Feuersbrunst an der Brandstelle erscheinen mußte. Eine Anstalt und Bereitschaft die nicht frühzeitig genug erörtert werden kann, weil außerdem sonst manches Löschgeräthe oft in einer nicht bedürfenden Mehrzahl erscheint, indes anderes nöthige gänzlich ermangelt.

     Es ist nämlich jeder Hauseigenthümer nach seinem Gewerbe und Hausgeräthschaften taxirt, und hiernach bestimmt worden, womit ein jeder bei einer eintretenden Feuersbrunst erscheinen muß. Um keine Ungewißheit und Zweideutigkeit dieser Gegenstände stattfinden zu laßen, findet man über jeder auswendigen Thürschwelle ein hölzernes Täfelchen, etwas größer wie zu unsern HausNummern befestiget, worauf zur Versinnlichung dasjenige Stück darauf gemahlt ist, womit er erscheinen muß. So findet man z. B. angeschirrte Pferde, Wagen, Waßerkübel, Schleifen, Eimer, Äxte Hakken, Feuerhaaken und dergleichen. Ich hielt dies anfänglich gleich Gasthöfen für eine Benennung der Häuser, bis ich durch die Mehrzahl dieser Gegenstände aufmerksam wurde, und bei gehaltener Nachfrage den Zweck ihrer Bestimmung erfuhr. Wenn pünctlich auf die Erfüllung dieser Vorschriften gehalten wird, so kann eben der nöthigen Löschgeräthschaften nie mangeln. Diese Anstalt scheint ihren Ursprung dem Mangel an Sprizen zu verdanken, die in diesen Provinzen und selbst in den Städten wohl sehr selten sein werden.

     Ich kehre zu den abgerißenen Faden der Geschichte zurück. – Die Ankunft und Vereinigung der MoldauArmee mit Tormassows [86] Corps konnte unsern Heerführern nicht unbekannt bleiben, weil sie eine zu große Regsamkeit in den gegenseitigen Lägern, und das Vorschieben mehrerer Cavallerie über den Styr zur Folge hatte. Grosse Recognoscirung gegen Luczk Um sich daher näher von der Stellung und den Absichten des Feindes zu überzeugen, erfolgte am 19. September eine allgemeine Recognoszirung gegen Luck, an der unsere sämmtliche, und der größte Theil der österreichischen und pohlnischen Cavallerie unter Leitung der ArmeeCorpsCommandanten Fürsten von Schwarzenberg und Grafen Reynier Theil nahm. Der Feind hatte eine uns gewachsene Cavallerie auf das dießeitige Ufer gesezt, die unsere Annäherung an selbiges abzuwehren suchte, um die feindlichen Anstalten, die man schon jenseits an mehreren Puncten zum Übergange traf, uns geheim zu halten. Man ward dadurch handgemein, und es erfolgten, da blos Cavallerie gegen Cavallerie agirte abwechselnde sowohl geschloßene als SchwärmAttaquen, bei denen der Feind mehreremale bis an seine Ufer gänzlich zurückgeworfen wurde, und die, ohnerachtet eines grausenden wilden Geschreys mit denen sie vollbracht wurden, dennoch wenig Verlust auf beiden Seiten zur Folge hatten, das Ganze glich überhaupt in einiger Ferne, einen großen Exerzierplaze, auf welchen von mehreren Regimentern ein großes CavallerieManövre executirt wurde. Am längsten und bis zur eintretenden Nacht, war unsere Cavallerie mit ihm engagirt, indem die beiden mitgebrachten reitenden Canons (die einzigen der ganzen Recognoscirung) die einige Schuß auf sie gethan hatten, sie anlockten, uns ohne selbige nach Hause zu schicken. – Die Nacht und ein eintretender Regen brachten uns endlich aus einander, wir erwarteten den andern Morgen, gegen den Saum des Waldes zurückgezogen, in der möglichsten Bereitschaft aux bivouaq, und trafen am andern Vormittage, ganz durchnäßt, indem der Regen bis gegen Morgen in Strömen herunterfloß, in unserer Position bei Torczyn mit den Verlust zweier Pferde, die an erhaltenen Schußwunden crepirten, wieder ein.

     Eine zusammengestoßene beträchtliche Abtheilung österreich. [87] sächß. und pohlnischer Cavallerie, unter Commando des österreich. General Zechmeister blieb übrigens am 20. Septbr, wo alles wieder in seine vorigen Stellungen zurückging, an den linken Ufer des Styr zurück, um den Feind und seine Bewegungen ferner zu beobachten. Der Gen Tormassow hatte früher im Dorfe Niezwitz beteudente Vorräthe und MilitaireRequisiten zurücklaßen müßen, die zwar verborgen gehalten, doch von den feilen Juden verrathen worden waren. Der Gen. Zechmeister bemeisterte sich mit seinen fliegenden Corps noch am nämlichen Tage derselben, und brachte die darauffolgende Nacht vor diesem Orte im Bivouaq zu, sich durch ausgestellte Vorposten, unter denen neu errichtete pohlnische Cavallerie sich befand, hinlänglich gedeckt glaubend. Allein am 21. Septbr früh gegen 2 Uhr, wurde die pohlnische FeldWacht dergestallt überrumpelt, daß sie mit dem Feind zugleich vor Niezwitz eintraf, wo alles, was sich nicht mit der Flucht retten konnte, unvorbereitet und nach einen geringen Widerstand in ihre Hände fiel. Der Maj. Johzettritz[?], der Prem Lt v Schirnding und noch 14. Unteroffiziers und Gemeine mit 10. Dienstpferden hatten vom Husaren Regimente hierbei dieses Schicksal, nur mit Mühe entkam noch für seine Person der Gen. Zechmeister der am 21.ten Morgens mit dem Verluste seiner Equipage in Torczyn eintraf. Die möglichste Vorsicht und die größte Bereitschaft, wurde nunmehro auch ohne noch besonders empfohlen zu werden, auch uns am weitesten Vorliegenden, um so einleuchtender, als der schon längst befürchtete Schlag um so näher und unvermeidlich schien.

Vergleich der beiderseitigen Armée Corps      Beide rußische combinirte Corps, hatten nach Abzug des Abgangs, den die MoldauArmée auf ihren beschleunigten Märschen und sonst erlitten, nach authentischen Angaben am 18 Septbr 1812, die Stärke von 55,000. Mann, incl einer ansehnlichen Cavallerie, als Tormassows Corps 25,000. Mann, und Tschitschagows 30,000. Mann, – wir als rechter Flügel der großen Armée hingegen, konnten diesen, nach einen ansehnlichen feindl. [88] Verluste, und sonstigen beträchtl. Abgange an Kranken, blessirten und maroden, höchstens eine Masse von 42,000. Mann mit einer minder beträchtlichern Cavallerie entgegensezen, als 25,-26000. Mann Österreicher, 12,000. Sachsen und gegen 4-5000. Mann neu errichteter Pohlen. – Eine fernere Behauptung von Vollhynien war unter diesen Umständen nicht mehr möglich, weil der feindliche gegen den Bug sich dirigirende linke Flügel das Herzogthum Warschau bedrohete, und man selbst bei einem Rückzuge nach Litthauen uns und der großen Armee, die Communication mit selbigen ganz abschneiden konnte. Man war daher hierauf und auf eine unvermeidliche feindliche Offensive schon früher Bedacht gewesen, und hatte, besonders österreichischer Seits Gepäck und ReserveArtillerie schon früher gegen und über den Bug zurückgeschickt.

Zweite Offensive der Russen Den 22ten September überschritten die rußischen Colonnen den Styr, und sezten sich vorwärts in Bewegung. Wir behaupteten troz der geringen Entfernung von nur 2½. Stunden vom ruß. Hauptquartier Luczk noch bis zu diesen Nachmittag unsere bisherige Position bei Torczyn, wo unsere Vorposten bemerkten, daß man sie zwar in ihrer Aufstellung in Ruhe ließ, uns als das Gros der AvantGarde des 7ten ArmeeCorps aber, unter Begünstigung eines rund uns umgebenden Waldes zu umgehen suchte. Die vor und hinter Torczyn postirten Abtheilungen wurden hierauf rückwärts des Orts auf den gemeinschaftlichen Sammelplaz zusammengezogen, und da bis spät Nachmittags sich nichts feindliches zeigte, Abends ¼ Stunde bis an einen an der Straße nach Kycelin liegenden Judenkruge zurückgegangen, wo wir nunmehro die bedrohete Gegend als Ebene vor uns, und die Pferde am Zügel habend, ohne Feuer, in der möglichsten Stille, und in der gewißen Erwartung eines Zuspruches durchwachten; allein auch sie verstrich und der gegen Wlodzimir[179] vordringende Feind ließ uns in seiner rechten Flanque ganz ungestört stehen, indem sein Augenmerk nur vorwärts gegen den Bug und das Herzogthums Warschau gerichtet [89] zu sein schien. – Wir verweilten noch den ganzen 23. Septbr. in der Nähe von Torczyn, schoben unsern Bivouaq von der nächtlichen Lagerstelle nur ½ Stunde auf der nach Wladimir führenden Straße vor, und stellten uns bis Abends ½ 11. Uhr, wo unser Abmarsch erfolgte, hinter einer Anhöhe beim Dorfe Saturni auf.

     Den 24. Septbr früh 1. Uhr erreichten wir Kycelin, ruheten bis mit TagesAnbruch in dem von unserer 1sten InfanterieDivision verlaßenen Lager aus, und gingen noch bis zum Lagerplaze unserer zweiten InfanterieDivision bei Manowoda zurück wo wir übernachteten. Der Feind besezte an diesen Tage noch Kieszelin[180] und schickte seine Patrouillen bis nahe an Manowoda vor, um uns zu beobachten. Tags darauf erfolgte unser Aufbruch, die LagerEquipage sezte sich früh 3 Uhr, die Infanterie um 4. Uhr und wir um 5. Uhr früh in Marsch nach Turisk, wo wir bei einen anhaltenden Regenwetter, ohne weitere Beunruhigung und unter bloser Beobachtung des feindlichen Vortrabs, Mittags eintrafen, und unsere früher innegehabte Stellung wieder bezogen. Der schon früher erwähnte vor uns gelegene und leicht zu vertheidigende Damm sicherte unsere Bivouaqs bei der diesmaligen Nähe des Feindes. Nachdem die über selbigen vorgeschoben gewesenen leichten InfanterieAbtheilungen den 26. Septbr mit anbrechenden Morgen die Brücke in Brand gesteckt hatten, wodurch die anliegende Mühle zugleich in Feuer mit aufging, sezten wir früh 4. Uhr unsern weitern Rückzug auf Luboml fort, und übernachteten bei Turiczanny.

     Das Corps bewerkstelligte seine Retraite in Einer Colonne, seine Equipage an der Spize habend. Die Wege in dieser äußerst morastigen Gegend schon an und für sich schlecht, waren durch einen 24. stündigen Regen noch inpracticabler worden, das Ganze bewegte sich daher nur langsam fort, und hatte an mehreren Puncten durch zu beseitigende TerrainHinderniße, sogar kurzen Aufenthalt. Wir als ArriereGarde folgten immer in gleicher Distanz. – Der Feind hatte die Paßage bei Turisk bald [90] wieder hergestellt, und folgte uns auf dem Fuße. Vorzüglich am 27ten, wo der Marsch vorn äußerst stockte, suchte er unter fortdauernden Beunruhigungen gewaltsam vorwärts zu drängen. Um der Equipage und unsern InfanterieColonnen Zeit gewinnen zu laßen, den nach Stabozik führenden Damm in Ordnung zu passiren, hielten wir hinter Stafky an, und lagerten uns quer von der Straße, auf eine kleine Ebene, die sowohl im Rücken als auf beiden Flanquen ein mit Sümpfen durchschnittenes Holz und Gebüsche umschloß, und ein förmliches Vordringen blos auf die Landstraße beschränkte, die wir gleichsam verriegelt hielten. Wir lagerten uns auf dieser kleinen Ebene, nachdem der größte Theil unserer leichten Infanterie in das angrenzende Gebüsch postirt worden war, und Patrouillen das Gehölz in mehreren Richtungen nach Möglichkeit durchstreiften: – Der Feind, dem unser langer Aufenthalt daselbst lästig ward, vermied einen Angriff auf unsere Front, und suchte uns in unserer rechten Flanque durch das Gebüsche zu umgehen, aber der weit ausgedehnte und zusammenhängende Sumpf machte dies unmöglich, und wies jeden Versuch fruchtlos auf die von uns besezte Landstraße zurück. Es ward Nacht, und noch behaupteten wir diese gedrängte Stellung. Man näherte sich uns in kleinen Abtheilungen vom Walde aus, bis an unsere Wachtfeuer, und beschoß uns sogar mit einem im Holze vorgeschobenen Canon, was uns jedoch wegen seiner Nähe überschoß und nicht den mindesten Schaden zufügte. Erst um 11. Uhr Nachts, nachdem wir alles gesichert glaubten, und der feindliche Andrang immer heftiger wurde, brachen wir auf, passirten, nachdem wir die am vorliegenden Damme befindl. Brücke und Mühle zur Deckung unserer Retraite in Brand gesteckt hatten, Stabozik, und trafen nach Mitternacht 1 Stunde dahinter, auf den gemeinschaftlichen Bivouacq des Corps ein, wo wir bis früh 6. Uhr ausruheten, Mittags bei Radzikow fütterten, und Nachmittags bei Luboml eintrafen, wo wir auf den rechten Flügel unserer, [91] auf den Höhen links gelagerten Infanterie, Position nahmen.

     Der Morgen des 29.sten Septbr – es war der Michaelistag – zeigte uns in der vorliegenden Ebene mehrere feindliche InfanterieAbtheilungen, die sich unserer Stellung zu nähern suchten. Man detachirte ihnen ähnliche entgegen zwischen welchen bald ein lebhaftes Blänkerfeuer begann, das den größten Theil des Tages fortwährte, während das Corps selbst durch hin und hermarschiren in seiner Stellung demonstrirte, und so verstrich dieser Tag, der unserer nach den Bug rückwärts abgesendeten Equipage den Vortheil gewährte, einen bedeutenden Vorsprung zu gewinnen.      Hinter unserer Aufstellung bis nach Opalin und von da bis zum Bug, Orusk gegenüber wo eine sächß. Schifbrücke geschlagen wurde, erstreckte sich ein 4. Stunden langer Wald mit einigen Dörfern untermischt. Waren die Wege dahin schon an und vor sich schlecht, so wurden sie durch den früher gefallenen vielen Regen noch unbrauchbarer gemacht. Die Equipage des Corps mehrere Vivres[181], die Handpferde der CavallerieRegimenter und vorzüglich eine beträchtliche Anzahl noch dieseits des Bugs zusammengebrachten Schlachtviehes wurden daher schon von Mittag an nach Orusk als dem Übergangspuncte dirigirt wo die äußerst dunkle Nacht über von InfanteriePiquets[182]in kurzen Distanzen am Wege Feuer unterhalten wurden, welche die zu nehmende Richtung marquirten. Die niedrigen Ufer des Bugs, durch den Regen theils überschwemmt theils unter Morast gesezt, legten durch erst anzulegende KnittelDämme diesseits und jenseits der Brücke, der Passage noch mancherley Hinderniße in den Weg, die erst gegen Morgen des 30stenSeptbr. beseitiget wurden, worauf der Übergang ins Großherzogthum Warschau erfolgte. Die längst den Bug herunter schwärmenden [92] Rückzug über den Bug Cosaken erschienen jedoch schon, ehe selbiger gänzlich beendiget werden konnte, so daß eine Menge kleiner pohlnischer Wagen mit Lebensmitteln verbrannt und der größte Theil des requirirten Schlachtviehes zurückgelaßen werden mußte, ja das Abbrechen der Brücke selbst, konnte nur unter gegenseitigen Blänkerfeuer bewerkstelliget werden, wovon einige Sappeurs unsererSeits verwundet wurden. Die Equipage dirigirte sich nach dem Übergange von Orusk nach Wlodawa, während das Corps am 30ten ejsdem noch jenseits bis über Opalin zurückging, wo es bei letzteren Orte in der Nacht zum 1. Octbr durch Wegname einer FeldWacht von Cavallerie und leichten Infanterie, die im Holze umgangen wurde, einigen Verlust erlitt. – 8. Mann und 9. Pf. geriethen vom Regimente hierbei in Gefangenschaft. – Den 1. Octbr passirte das Corps bei Olszanka ebenfalls den Bug, so daß an diesem Tage das gesammte 7te Armée Corps die russisch pohlnischen Provinzen räumte und sich bei Wlodawa concentrirte.

     Der Admiral Tschitschagow traf mit dem Gros seiner Armée den 3tenOctober zu ArchowkaWlodawa gegenüber – ein, und detaschirte auf dem rechten Ufer des Bugs entlang die beiden Corps von Essen und von Langeron nach Brczesc dem Fürsten Schwarzenberg entgegen, der aufs neue daselbst über den Bug gegangen war und an der Muchawez eine Stellung genommen hatte.

Zweites Überschreiten des Bugs und Position bei Brczesc      Unsere Infanterie Divisionen mit der 5ten und 8ten Escadron Husaren passirten bereits den 4ten October vom Bivouaq bei Therespol aus, bei Brczesc den Bug, die übrigen Escadrons des Regiments hingegen erst den 7. Octbr, und beide Corps stellten sich auf den jenseitigen rechten Ufer in einer dergestaltigen Schlachtordnung auf, daß der rechte Flügel auf [93] welchem das 7te ArmeeCorps sich befand, an den Fluß Muchawetz, der linke hingegen, den die österreichische Division Trautenburg bildete, gegen die Lenczna an ein Gehölz sich anlehnte. Die Front war durch Redouten gedeckt.

     Beide Heere standen gerüstet einander gegenüber und eine Schlacht schien unvermeidlich, allein außer einen feindlichen Angriff auf den österreichischen linken Flügel am 8ten Octbr. Mittags, der aber zurückgewiesen wurde geschahe nichts ernstliches. – Den 8ten 9ten und 10ten rückten die Regimenter aus ihren Bivouaqs in die Position und gingen Abends dahin wieder zurück ohne etwas anderes als leere Demonstrationen zur Folge zu haben.      Brczesc, das in diesem Feldzuge so oft schon unsern dringendsten Bedürfnißen abhelfen mußte, besorgte Rationen und Portionen, nur der Holzmangel war für unser Regiment, das auf einer von Holz entblößten SandEbene bivouaqirte äußerst fühlbar, und nur durch tägliches Einreißen einiger von Holz aufgeschränkten Häuser, die sich in unserer Nähe befanden und verlaßen waren, konnte der dringendste Bedarf aufgebracht werden, da die Nächte schon fühlbar kalt wurden und auch am Tage zum Kochen Feuermaterial nöthig war. Bei einer solchen Gelegenheit, wo von jeder Compagnie Mannschaften zum Einreißen und Holzfaßen comandirt wurden, ereignete sich am 10. Octbr Abends der Unglücksfall, daß der Hus[183] Mietzschke der 7. Escadron beim angeordneten Einreißen einer Scheune, worinnen sich die Pferde des bei unserm Bivouaq willkührlich sich aufhaltenden österreichischen General Flagger befanden, von einem sich weigernd entgegenstellenden Adjutanten deßelben, auf der Stelle erstochen wurde, welches bei erfolgter Rüge unserer Seits, deßen Austreten, – aber wahrscheinlicher, deßen Zurücksendung in die österreichischen Staaten zur Folge hatte.      Da ein Angriff unserer Seits nicht erfolgte und die Zeit ungenüzt [94] dahin strich, so traf der Admiral Tschitschagow Anstalten, welche einen Angriff vermuthen ließen, denn er ließ seine Armee am 10. Octbr die Muchawez auf drey geschlagenen Brücken passiren. Die beiden dießeitigen Heerführer Fürst Schwarzenberg und Graf Reynier wurden bei einer am 9. ejsd veranstalteten allgemeinen Recognoszirung durch die feindliche Überlegenheit und das ungünstige ebene Terrain bei einer äußerst geschwächten Cavallerie zum Rückzug bestimmt, welcher hierauf den 11. ejsd früh ½ 3. Uhr an einen äußerst neblichten Morgen auf der Straße nach Byalystok über die Lesna[184] auch erfolgte.

Rückzug der Alliierten über die Lesna.      Dieser Morgen unsers stillen Abziehens war feindlicher Seits zum Angriff bestimmt gewesen, allein sie fanden unsere Position verlaßen, und als die feindliche AvantGarde die Lenczna erreichte, hatte unsere ArriereGarde bereits den Fluß passirt, die Brücken darüber abgebrochen und sich beim Dorfe Bysczick in Schlachtordnung aufgestellt. Der Feind zog sich nun an den jenseitigen Ufer der Lesna hin, und nahm unserer Stellung gegenüber beim Dorfe Klinicke Position – Unsere leichte Infanterie tiraillirte, während unsere reutende Batterie durch Granaten, Klinicke in Brand stekten, was rußischer Seits gegen Bysczick erwiedert wurde, so daß beide Dörfer größentheils nieder brannten und aus der Ferne die Wirkungen gehemmter Wuth empfinden mußten. Die Cavallerie vom Terrain zu agiren gehindert, machte bei diesem Gefecht an der Lesna.Schauspiel auf einer Anhöhe hinter unserer Position einen ruhigen Zuschauer, bis sie späterhin gegen Abend in dieser Stellung von den sich nähernden Feinde durch Geschüz tournirt wurde.      Dieser von unserer ArriereGarde bewerkstelligte Aufenthalt des feindlichen Corps, verschafte dem unsrigen einen ungestörten [95] Rückzug und bedeutenden Vorsprung, obschon er durch den Verlust zweyer sehr geschäzter Staabsoffiziere und Schöpfer unserer so tapfern und gut organisirten leichten Infanterie, des ObLieuten. von Egidy und Major von Mezsch, wovon lezterer auf dem Plaze blieb, ersterer aber tödtlich verwundet wurde und darauf in Warschau starb, unserer Seits theuer bezahlt wurde. Mit einbrechender Nacht folgten wir unserm Corps nach Wollczyn, und den 13ten October, nach dem Abbrennen der Brücke bei diesem Orte, über Ostrowo nach Zweiter Rückzug über den Bug. Mielnick den Bug hinunter, worauf wir den 14ten ejsd Abends 9. Uhr bei Sobibor wieder über den Bug hinüber ins Herzogthum Warschau gingen und uns nach Biala dirigirten, um den verschiedenen feindlichen Abtheilungen, die bei Brczesc den Bug paßirt hatten, ins Herzogthum Warschau eingedrungen waren und Contribution eintrieben, Einhalt zu thun. – Der Fürst Schwarzenberg war nach Wengrow zurückgegangen.

     Unterhalb Ostrowo am Bug stießen wir auf ein Dorf ganz nach deutscher Bauart ausgeführt und mit vor leuchtender Reinlichkeit im Innern der Wirthschaften. Es war der deutsche Colonieort Fürstendorf, aus ausgewanderten Würtenbergern bestehend, die sich hier angesiedelt und die deutsche Mundart beibehalten hatten.      Der Admiral Tschitschagow, welcher sahe, daß der Fürst Schwarzenberg[185] eine Schlacht durchaus verweigerte, und der in der schlechten Jahreszeit mit dem Gross seiner Armée sich nicht so tief ins Herzogthum Warschau hineinwagen wollte, gönnte seiner Armée nunmehro einige RuheTage und detachirte den General Sacken[186] nach Pruszanna, um vorwärts die feindlichen Bewegungen zu beobachten, indeß er den General Essen mit einem Corps von 10,000. Mann nach Byala [96] vorschickte, theils um den General Graf Reynier der sich mit dem 7ten ArmeeCorps dahin in Marsch gesezt hatte zu beobachten, theils die übrigen ins Herzogthum Warschau vorgeschobenen Abtheilungen zu unterstüzen. Zum Soutien war ihm der General Langeron beigegeben, der mit einem zweyten Corps in Distanz folgte.

     Der General Reynier dirigirte sich nach dem Rückzug über den Bug mit dem 7ten ArmeeCorps über Kalusczyn, Sarnicky, Korniza und Kopilany nach Byala, wo es den 17. October anlangte und sich aufstellte. Die Cavallerie auf der Straße nach Brczesc vorgeschoben, bivouaquirte auf einen mit Gebüsch durchschnittenen Terrain am Saume einer beträchtlichen Waldung. Vorgesendete Patrouillen und Recognoscirungen stießen auf feindliche StreifCommandos, von welchen in Möserick nicht nur 1. Kosakenoffizier mit einigen Mann zu Gefangnen gemacht [Randnotiz in Blei:] Sci Lieut. von Endewurden, sondern der S.Lt[187] von Ende vom Hus. Rgmt. nahm auch dem Feinde die Tages vorhero in Byala auf einigen 30. Wagen requirirten Lebensmittel wieder ab und brachte selbige samt der Escorte von 1. Offizier und 11. Gemeinen Infant. ein. –

     Der Admiral Tschitschagow von dieser Bewegung benachrichtiget, befahl am 17ten den General Essen mit einem Corps von 10,000. Mann auf Byala loszumarschiren, jedoch diesen Auftrag mit gehöriger Vorsicht und möglichster Auskundschaftung der feindlichen Stärke zu vollziehen. Beide leztanbefohlene Maasregeln unterblieben jedoch. Er drang am 18ten auf der Straße von Brczesc gegen Byala so rasch vor, daß das Regiment in möglichster Eile seinen Bivouaq verlaßen und sich aufstellen mußte.

     Ein stundenlanger Wald mit untermengten Gebüsch, der [97] Gefecht bei Byala sich erst kurz vor Byala endigt, hinderte sein rasches Vordringen und Entwickeln seiner Colonnen. Dieses für uns so günstige Terrain ward von unserer Infanterie so vortheilhaft benuzt und der andringende Feind so kräftig empfangen, daß er mit dem Verluste mehrerer hundert Mann und einem 12. Pfundgen Canon mit Bespannung und sämmtlicher Bedienung, von der leichten Infanterie erobert, gänzlich zurückgeworfen und geschlagen wurde.

     Der dießeitige Verlust war gegen den feindlichen ganz unbedeutend. – Acht Mann und 8. Pf. wurden vom HusarenRegimente vermißt, auch blieb der Major v. Trotha I.[188] vom chev legs Regiment von Polenz durch eine Gewehrkugel vor der Front gedachten Regiments. Nach dieser Schlappe eilte der Admiral mit den ganzen Rest seiner Armee herbei, um den General Reynier anzugreifen, doch letzterer vermied mit seinem geschwächten Corps einen Angriff, verlies den 19ten Biala und zog sich in die c Sokolow Gegend Sokolow[189], worauf der feindliche Heerführer, als er die Position verlaßen fand, ebenfalls wieder in seine Cantonnirungen zurückkehrte.

     Das Regiment bezog nunmehro vom 20. bis mit 28ten October Bivouac bei Czable einen unbedeutenden Dörfchen und deckte sich gegen den Bug durch vorgeschobene FeldWachten, die von den Cosaken, die den Fluß durchschwammen, und sich in den WeidenGehegen heranschlichen, oft beunruhiget wurden. Am 23. ejsdem wurden selbige mit Übermacht gegen den Bivouaq zurückgedrängt wodurch dieser allarmirt wurde. Außer einem bedeutenden Verlust der FeldWacht, wozu das HusarenRegiment 8. berittene Mann zubüßte, hatte dieser Angriff weiter keine Folgen. [98] Specielle Übersicht des Regiments und generelle Lage des Corps.

Das Corps war dieser RuheTage sehr benöthigt, indem es durch feindlichen Verlust und der vielen Kranken und maroden schon bis auf 2/3 seines ausmarschirten Bestandes geschmolzen war, auch die steten Beunruhigungen des Feindes den Dienst sehr überhäuften. – Man sagt sich, der Kaiser Alexander habe bei Eröfnung des Feldzugs den CosakenHetman Platow[190] gefragt, ob er mit seinen Cosaken der feindlichen Cavallerie gewachsen zu seyn glaube. Dieses soll er verneint jedoch hinzugesezt haben, daß er ihnen weder Zeit zum Eßen und Trinken noch zur Ruhe gestatten wolle. Er erfüllte sein Versprechen treulich, den oft waren wir nach beschwerlichen Märschen kaum erst mit Kochen beschäftiget, oder glaubten des Nachts auf einsamen Bivouaqs etliche Stunden auszuruhen, so hatten uns die überall nachspürenden Kosaken ausgewittert, es entstand daraus bald kleiner bald größerer Allarm, was gewöhnlich völliges Aufsizen und manchmal sogar die Veränderung unsers gewählten Ruheplazes zu Folge hatte. Die Ermüdung und Abspannung unserer physischen Kräfte war richtig berechnet, und deren Folgen schwächten uns mehr als eine große Schlacht oder mehrere einzelne Gefechte, Verlust für uns herbeigeführt haben würde. Noch herrschte zwischen den beiderseitig agirenden Corps der bedeutende Unterschied, daß das feindliche jeden Verlust an Truppen und Requisiten aus seinen Provinzen und Depots sofort wieder ergänzen konnte, während man bei dem unsrigen solches oft kaum in halber Jahresfrist zu bewerkstelligen imstande war.

     Das HusarenRegiment zählte am 31. October 1812:

65. Mann 27. Pferde abwesend in den Felddepots und bei der Wagenburg 76. Kranke, 18. Blessirte, 103. Gefangene und Vermisste, ferner 85. marode und 144. fehlende Pferde sämmtlich dem dienstleistenden Bestande abgehend.

     Die Unglücksfälle der großen Armée, so geheim sie auch [99] gehalten wurden, verbreiteten sich demohnerachtet auch bald bis zu uns, doch flüsterte man sich solche Anfangs nur unter dem Siegel der grösten Verschwiegenheit einander zu, weil man bei dem gewohnten Kriegsglücke der Franzosen sie mehr für eine Erfindung des Feindes als für Wirklichkeit hielt, und beim öffentlichen Weiterverbreiten schwere Verantwortung befürchtete. Zwar schien diesen Gerüchten dadurch etwas zum Grunde zu liegen, daß man den MannschaftsErsaz der bei der großen Armée stehenden schweren Cavallerie, statt dorthin zu dirigiren, von Warschau aus zur Dienstleistung zu uns stoßen lies, daß aber die Lage derselben so schrecklich sein könnte, wie sie das 29. Armée Bulletin selbst, obschon noch mit gefälligern Farben schilderte, schien unglaublich zu seyn.

     Auch auf uns, obschon des nördlichen Climas gewohnt, war der in Pohlen dieses Jahr weit früher eintretende Frost sehr nachtheilig einwirkend, und daß um so mehr, da sämmtliche Bekleidungsstücke ganz heruntergerißen waren, Gelegenheiten und Zeit zur Reparatur sich wenig zeigten, kein Wechsel denkbar war, und der Dienst immer die völlige Bekleidung erheischte. Der fühlbarste Mangel beim Corps waren Stiefeln und Schuhe, die heruntergerißen und zum Theil am Wachtfeuer verbrannt oft keine Herstellung mehr zuließen, und bei der großen Kälte und hohen Schnee doch unentbehrlich waren. Die Sorge der SelbstErhaltung wich hier der Etiquette[191] und selbst den sonst so strengen militairischen AjoustementsVorschriften, die hier nicht zu behaupten mögliche Reinlichkeit in der Wäsche und der Aufenthalt und Umgang bei- und mit den Pohlen selbst, trug auch bald jenes daselbst so häufige gehäßige Insect auf uns über, und stumpfte den Ekel für Unsauberkeit und die schamhaften Gefühle für Blöße bedeutend herunter. Ein oft schmuziger langer pohlnischer Schaafpelz, eine graue oder braune BauerKutte, PelzVerbrämungen [100] an Füßen und Gesicht, alles war erlaubt, sobald der Mann nur völlig bewehrt und dienstfähig war. Übrigens glichen wir ganz den Nomaden, die stets ihre ganze Wirthschaft mit sich führen, und sie überall aufzuschlagen im Stande sind. Aufgebundene Kaßerole, Töpfe, Querle und andere Kochgeschirre, so ein Stück Fleisch, oft Viertel und Hälften von Schöpsen[192] und Schweinen nebst Geflügel, gehörten hier mit zu der nöthigen Equipage, die jeder so gut er nur konnte, auf den Pferde mit fortzubringen suchte. – Den Bart, theils freiwillig, theils aus Mangel an Zeit und Gelegenheit im ganzen Gesichte stehen gelaßen, das Gesicht von Rauch und Schmuz geschwärzt und der Mann selbst durch die Lage der Umstände verwildert, so glich er in seinem Äußeren oft jenen asiatischen Horden, die später als HalbMenschen von unserer Nation angestaunt und bewundert wurden. So drückend und auflösend übrigens die Lage des Ganzen war wo Feind und Element gleich verderblich herbeistürzten, so wenig war Murren und Unzufriedenheit im Ganzen sichtbar, weil Hohe und Niedere, Befehlende und Untergebene hier gemeinschaftlich ein nicht ausweichendes Schicksal theilen mußten. Auf mehrtägigen Mangel folgte gemeiniglich eine wieder ausgleichende Entschädigung, und ein mehrerer freyerer Wille in seiner selbst herbeizuschaffen und seiner Wahl überlaßenen Verpflegung, der aber nie zur Zügellosigkeit ausartete, machte ihn das Unbequeme und Gefährliche der Lage und Jahreszeit vergeßend. Er bewahrte treu den sächs. NationalCharacter – unbedingte Liebe und Ergebenheit in jeder Lage an seinen Fürsten – und je größer oft die Gefahren waren, die Feind und Element ihm entgegenstellten, desto muthiger und troziger ging er seinem Schicksale entgegen. – Doch ich entferne mich zu weit vom Ziel, deshalb zurück zum Faden der Geschichte: [101] Einwürkungen der Unglücksfälle der grossen Armée, auf den verbündeten rechten Flügel.

Der Glücksstern der franzößischen großen Armée war indeß in den Innern Rußlands untergegangen und seit den 15ten October befand sich selbige auf den so zerstöhrenden Rückzuge von Moscau nach der Berezina. – Smolensk und Minsk waren von Napoleon zu EtappenOrten und großen Niederlagen von Lebensmitteln und Bedürfnißen bestimmt worden, aus welchen sich die retirirenden ArméeCorps verpflegen sollten. - Minsk sollte rechts durch den Fürsten Schwarzenberg gedeckt werden, – diesen von dort zu entfernen und Minsk selbst zu bedrohen, war daher der Zweck der nunmehrigen Operationen Tschitschagows die ihm vom Kaiser Alexander vorgezeichnet worden waren.

     Nachdem selbiger, durch herangezogene Verstärkungen immer noch 55,000. Mann stark, sein Corps hinreichend ausgeruht glaubte, detaschirte er selbiges und gab ihm folgende Bestimmungen:

     Die Generale Sacken, Essen, Bulatow und Liewen[193] mit 27,000. Mann unter Oberbefehl des General Sacken sollten sowohl das 7te ArmeeCorps beobachten, als Vollhynien decken und die Verbindung mit dem Admiral Tschitschagow unterhalten, während

     Letzterer selbst mit dem Reste von 28,000. Mann, worunter beinahe 10,000. Mann Cavallerie begriffen waren, unter denen Generalen Lambert, Langeron, Woinow und Tschaplitz sich auf Minsk und Borisow[194] dirigiren wollte, um sich mit dem General Wittgenstein[195] zu vereinigen.

Drittes Überschreiten des Bugs und Bewegungen gegen Minsk.      Den 27ten October marschirte der Admiral Tschitschagow von Brczesc ab, und traf den 31. ejsdem in Pruszanna und den 3ten November in Slonim ein, worauf der Fürst Schwarzenberg fast zu gleicher Zeit bey Drohyczin über den Bug gieng, den 13ten November Slonim passirte (welches der Admiral am 8ten verlaßen hatte) und sich ebenfalls auf [102] Minsk dirigirte. Die AvantGarde des 7. ArmeeCorps gieng am 29. Octbr bei Waczilow auf einer von Kähnen erbaueten Brücke wieder ins Rußischpohlnische Gebiet hinüber, passirte Drohyczin und stellte sich vor Siemiatycze[196] aux bivouaq auf. Den raschen Wechsel des Glücks nicht ahnend, hatte man hier alle rußische HoheitsZeichen übertüngt, und dafür solche und alle Barrieren mit der pohlnischen NationalFarbe weis und roth vertauscht. Wie diese Anhänglichkeit an das alte Mutterland von den Rußen aufgenommen werden, wird gewiß später die Erfahrung gelehrt haben. Am 30sten October Abends langten 4. österreichische HusarenRegimenter als AvantGarde ihres Corps ebenfalls auf unsren Bivouaq an, worauf wir (Sachsen) uns Tages darauf am Bug hinauf über Mielnick und andere schon langst besuchte Orte wieder in Marsch sezten. Der Major von Seydlitz vom UhlanenRegiment der am 1ste November mit 1. Escadron Uhlanen und 2. Escadrons österreichischen Husaren eine Recognoszirung auf der Straße nach Brczesc vor, machte, blieb hierbei durch eine kleine Kugel durch den Hals getroffen, welche die Luftröhre zerrißen hatte, und wurde Tags darauf auf dem Kirchhofe zu Dubiza militairisch beerdigt. Mit einer am 30. Octbr. vom HusarenRegiment abgesendeten starken Patrouille kam es ebenfalls zu einem Gefecht, worinnen wir 10. Mann und 13. Pferde als Gefangene einbüßten.

     Das österreichische HülfsCorps hatte sich während der, zur Deckung deßelben, an den Bug hinauf unternommenen Seitenbewegung, indeßen uns vorgesezt, so daß das 7.te ArméeCorps nunmehro den Nachtrab bildete. Wir richteten unsern Marsch gegen Porosow[197] und hatten bei Narewka und Rudna äußerst sumpfige und unwegsame Gegenden, und noch [103] schlechtere mit etwas Holz geebnete enge Wege zu passiren, da die CavallerieBrigade die äußerste ArriereGarde formirte und die InfanterieDivisionen und Equipage voranlaßen mußte, so ward dieser aufgehaltene Marsch in einen so schwierigen Terrain um so unangenehmer, als der General Sacken von Pruczanny her uns drängte, um den Schwarzenbergschen Corps wo möglich den Weg nach Wollkiowisk abzuschneiden.

Perroczow.      Wir erreichten Perroczow am 7. Novbr, schlugen vor demselben am Abhange eines Berges Bivouaq und verweilten bis mit 10. ejsdm daselbst. Das Sackensche Corps war auf dem Fuße gefolgt und lies uns nicht aus den Augen. Die Jahreszeit wurde nun immer rauher, der Schnee häufiger und das Bivouaquiren durch eintretende Erkältungen der Gesundheit desto nachtheiliger; die sich täglich mehrenden Kranken gaben den augenscheinlichsten aber auch fühlbarsten Beweis hiervon, und doch konnte weder durch Ergänzung der Bekleidungsstücke noch durch zweckmäßigere Lebensmittel diesem Übel vorgebeugt werden. Ein bis Mitternacht gegen innere Erkältung schüzendes Preeservativ war ein aus rußischen Thee, Honig und den stärksten Brandewein zubereitetes warmes Getränke, von uns rußischer Punsch genannt, weil seine Bestandtheile sowohl als auch deßen Geschmak und Farbe viel Ähnlichkeit mit den gewöhnlichen Punsche hatte, und Magen und Eingeweide auf eine längere Zeit mit einer wohlthätigen Wärme erfreuete. Da die Ingredienzen an Thee und Honig fast bei jeden Juden zu erlangen waren, und starker rußischer Brandewein zum Getränk geliefert wurde, so geschahe es oft, daß solche Punschgelägchen beim helllodernden Wachtfeuer bald einzeln bald von mehrern Barakken gemeinschaftlich celebrirt wurden, und sie leisteten, sich darauf oft mit sparsamen Stroh bestreueten hart gefrohrnen Boden hingestreckt, bis gegen Mitternacht den besten Erfolg, nach deßen Verkühlung dann freilich wieder das Feuer von außen und der Brandewein von innen die Natur durch künstliche Wärme unterstüzen mußte. Daß nur gesunde, kräftige und harte Naturen dieser [104] Lebensart auf längere Zeit Trotz bieten konnten, bewies das Hinsiechen mehrerer und die Anzahl vieler, die den vaterländischen Boden nicht wieder betreten haben.

Recognoscirung gegen Rudna.      Den 10ten Novbr. wurde eine starke Recognoscirung gegen Rudna unternommen, der der größte Theil der Cavallerie und ein Theil der reitenden Artillerie und leichten Infanterie beiwohnte, während die GrenadierBataillons Anger und Spiegel bei Michalky zum Replii aufgestellt waren. Der Terrain war äußerst ungünstig für Geschüz und Cavallerie, weil ein mehrer stundenlanger Wald stets en Colonne zu marschiren gebot. Wir trafen die feindlichen Feldwachten aus Kosaken und Baschkiren bestehend beträchtlich von Rudna vorgeschoben an, und machten einige von ihnen, sowie 2. Wagen mit etlichen Husaren, auf den Rückweg dafür begriffen zu Gefangenen. Da man von selbigen die Nähe und Starke des feindlichen Corps erfuhr, und das Terrain bei einen entstehenden Gefecht durchaus viel aufs Spiel sezen lies, so wurde umgekehrt, und an diesem Nachmittage bis Michalky (am Ausgange des Waldes gelegen) am andern Morgen aber nach Weli-Krinky[198] (Groß-Krinky) zurückgegangen und dort Posto gefaßt, woselbst auch unsere bei Verroczow zurückgelaßenen Handpferde und Cadres eintrafen. Abends spät, kam es zwischen einer unter den Major v. Watzdorff abermals vorgesendeten Recognoscirung im Holze zu einem lebhaften Geblänkere, welches sich erst Abends spät am Saume des Holzes endete, und wobei vom Regimente 5. Mann und 7. Pferde verwundet wurden.

     Einige seit den 3.ten Novbr. vermißte RegimentsEquipage trafen wir vor hiesigen Guthe von dem Feinde geplündert und zertrümmert an. Der empfindlichste Verlust hierbei waren die der WirtschaftsCommission gehörigen Pappiere, zu der von ihr abzulegende Administrations-Rechnung gesammelten Belege, welche in Schnee [105] und Koth getreten zerstreut umher lagen und nur wenig zu retten übrig ließen. Mit dieser uns sonst immer auf den Fuße folgenden, jedoch durch ein eingetretenes Hinderniß sich etwas verspätigten und den rechten Weg verfehlten Equipage, kamen zugleich 11. Mann und 10. Dienst- und Wagenpferde in feindliche Hände.

Welikrinky[199]      Das zu dem Dorfe Weli-Krinky[200] gehörige Guth mit sehr großen und weitläufigen WirthschaftsGebäuden versehen, lag vom Dorfe entfernt auf einer weiten Ebene, und gewährte wegen seinen SubsistenzMitteln und seiner freyen Lage eine gute militairische Position, deshalb hatte das Regiment auch bereits am 5ten Novbr. aux bivouaq bei selbigem zugebracht. Die Gebäude, obschon nur simpel und einfach, waren gut unterhalten und von einen sehr bedeutenden Umfange, und verriethen sowohl Wohlhabenheit des Besizers als eine ausgebreitete und sehr gut unterhaltene Oeconomie, indem das ganze 7te ArméeCorps sich von den hier befindlichen BrandeweinVorräthen auf mehrere Tage versorgte und solche dennoch nicht ganz leerte. Einige Franzosen der bei uns befindlichen Division Durotte, die des Guten hierbei zu viel genoßen, büßten ihre Unmäßigkeit mit den Leben, und blieben als sprechende Zeugen ihrer TodesArt, neben den geleerten Gefäßen entseelt liegen.

     Der 12te November traf uns aux Bivouaq bei Hornostowiece[201], einem in einen freundlichen Thale gelegenen Dörfchen an. Der darauf folgende Morgen war bei harten Frost und hohen Schnee äußerst heiter und sonnicht. Die Seiten diesen Thals bildeten Gebirgsketten mit Holz begränzt, vor uns auf einer sanft anlaufenden Anhöhe, die mit Feldwachten garnirt war, führte die Landstraße nach dem vom Feind besezten Porosow[202], und uns im Rücken lag Labienice[203] mit einen schönen großen Schloß oder Kloster, worinnen sich das Hauptquartier des General Grafen Reynier befand.

     In den Vormittagsstunden dieses so heitern 12ten Novembers, [106] meldeten unsere Vorposten, daß sie stark gedrängt würden, und von Perroczow her, sich mehrere feindliche Colonnen zeigten. Da die Sonne ihre Strahlen auf die uns vorliegende Anhöhe warf, so konnte man auf der über ihren Rücken führenden Straße das Blinken der Gewehrläufe von Infanterie Maßen sehr deutlich wahrnehmen, die sich in das Thal herunterwälzten. Gefecht bei Lopenize Es war das ganze Sackensche Corps, was sich, um uns anzugreifen in Bewegung gesezt hatte. Unsere Feldwachten replierten sich aufs Corps, was indeß aus seinen Bivouaqs ausgerückt war und sich rückwärts bei Labienice[204] aufgestellt hatte. Das Gefecht begann, und dauerte bis die eintretende Nacht ihm Schranken sezte. Der Feind der uns zu umflügeln drohete und die mit Gehölz bedeckten Berge inne hatte, wurde bei seinem Hervordringen jedesmal kräftig zurückgewiesen und völlig im Zaum gehalten. Wir behaupteten daher unsere Stellung, und die Nacht wurde mit den Waffen in der Hand in selbiger zugebracht. Der Verlust dieses Tages für das Regiment bestand in 1. Todten und 2. gebliebenen Pferden, 2. Vermißten 7. Bleßirten und 20. bleßirten und vermißten Pferden.

     Da das 7te Armée Corps inzwischen ungleich schwächer als das feindliche war, und vom Fürsten Schwarzenberg wegen der Entfernung keine schleunige Unterstüzung erwarten konnte, so bewog dieses den General Reynier, seinen Plan entgegen sich auf Wollkowize zurückzuziehen, den Fürsten Schwarzenberg aber hiervon in Kenntniß zu sezen.

Rückzug auf Wollkowize.      Die Parcs brachen bereits nach Mitternacht dahin auf, die InfanterieDivisionen folgten in Distanze, und die Cavallerie als Nachhut machte früh in der 4ten Stunde den Beschluß. Die vor Kälte hellfunkelnden Sterne leuchteten, der gefrohrne Schnee wich knarrend und sich streubend, den vorwärts schreitenden Fuße, und der hungrige Magen accompagnirte knurrend zum Ganzen; – [107] so erreichten wir gegen Mittag, den Abhang herunter defilirend, Wollkowize, das in einem Thale liegend sich hinstreckt, hinter sich von sanft emporsteigenden Anhöhen umgeben ist, und, was bei den spätern Brande und Ausräumen der Häuser sich zeigte, ein nicht unbedeutendes Handels-Städtchen war.

     Das 7te Armee Corps, zu welchem seit kurzen noch die franzößische InfanterieDivision Durotte (aus lauter ausgetretenen Conscribirten bestehend, die in Bataillons formirt und nach ihren Provinzen benannt, sonst aber ohne No.[205] und andere militairische Ehrenzeichen waren) und einige Bataillons Würzburger gestoßen waren, nahm seine Stellung gleich hinter den Städtchen, während in selbigen das Hauptquartier, die Stäbe der Divisionen und Brigaden, so wie die Kranken und Bleßirten untergebracht wurden, und jenseits der Stadt mehrere Infanterie-Abteilungen zur Deckung des zur Stadt führenden Defilées vorpostirt waren. Kaum hatten wir diese Stellung bezogen, so zeigten sich auch schon auf den jenseitigen steilen Anhöhen einzelne Kosaken um unsere Stellung in Augenschein zu nehmen. Da die Nähe der Scheunen und Häuser Baumaterialen zu Baraquen darbot, so ward gar bald gegen die Witterung für Schuz gesorgt, das trockene Holz von einigen eingerißenen alten Gebäuden wirbelte knisternd in lodernden Flammen empor und bereitete das gnügsame wenn auch dürftige Mahl, und als wieder funkelnd die Sterne am Horizonte erschienen und Mann und Pferd nach Möglichkeit sich erquickt hatten, schlüpfte, (wenn nicht Dienstbestimmung abhielt) ein jeder in das enge schaurige Hüttchen, um hier bei einer anscheinend gefahrlosen Stellung den Körper für einige überstandene schlaflose Nächte wieder schadlos zu halten. – Doch! – Der Mensch denkt, Gott lenkt. –

     Kaum war Mitternacht hinüber und ein neuer Tag im Beginnen, so erschien der Terrainkundige und wahrscheinlich durch verrätherische Kundschafter geführte Feind, im Dunkel gehüllt [108] Überfall bei Wollkowize am Städtchen. Sein Hurrah und Feuern in die Häuser weckte erst viele der im tiefsten Schlaf begriffenen Unsrigen, und einiger Aufenthalt an der am Eingange des Orts befindlichen muthvoll vertheidigten Brücke gab noch mehreren Generalen und Obern einige Minuten Frist, aus den Städtchen zu entkommen und sich an die Spize der indeß gesammelten Truppen zu sezen. Der Feind drang, die Überraschung benuzend durch die Stadt gegen unsern Bivouaq vor, der geräumt und Stellung auf den dahinter gelegenen Anhöhen genommen wurde.

     Unsere auf den rechten Flügel erhöht aufgestellte reutende Batterie leistete in den ersten Moment dieses Überfalls die wesentlichsten Dienste dadurch, daß sie die Ausgänge der Stadt bestrich, durch Granaden an mehrern Orten zündete, und dadurch über das Ganze eine Freund und Feind unterscheidende Helligkeit hervorbrachte.

     Die jenseits der Stadt aufgestellt gewesenen Abtheilungen von uns, waren inzwischen durch abgesonderte feindliche Trupps ebenfalls angegriffen und zurückgedrängt worden, und obschon der Zweck sie vom Corps ganz abzuschneiden nicht erreicht wurde, so war der Verlust der Fahne des 2ten Bataillons Prinz Friedrich August, die der in der Dunkelheit anprallende Feind den bestürzten Fahnjunker entrißen, umso empfindlicher, da das Corps im Laufe dieses ganzen Feldzugs eine ähnliche Throphée zu erbeuten keine Gelegenheit hatte. – Der Fahnjunker wurde cassirt und aus den Listen gestrichen.

     Das Gefecht dauerte bis mit Eintritt der Nacht und erneuerte sich mit Anbruch des 16ten. – Das Corps vertheidigte troz der feindlichen Übermacht die Position hinter Wollkowize standthaft, und nur der äußersten Bravour der Truppen, sowie der vortheilhaften erhöheten Stellung war die Behauptung derselben zuzuschreiben. Die Cavallerie befand sich an beiden Tagen des Gefechts auf den linken [109] Flügel des Corps, der sich an das Flüßchen Prossa lehnte, gegen welches die Anhöhen sanft abliefen, aufgestellt, um den Cavallerie Massen die der Feind dort zum Vorschein brachte um uns in die Flanque zu nehmen, einigen Widerstand entgegen zu sezen. Ohnerachtet dem feindl. Corps außer mehrern tausend Cosaken und Baschkiren, 7000 Mann regulaire Cavallerie zu Gebote standen, so konnte er doch auch hier seinen Zweck nicht erreichen, – sie ward von unserer Handvoll Cavallerie dagegen, im Zaum gehalten, und mehrere Angriffe muthvoll zurückgewiesen.

     Bei einem am 15ten mißglückten Choc des Regiments, an deßen Spize sich der ebenso alte und ehrwürdige als brave Oberste v Engel befand, geschahe es, daß selbiger als das Regiment rechts umkehren und retiriren muß[t]e, vom Feinde umringt, und mit 11. Wunden, wovon mehrere den Kopf trafen, vom Pferde heruntergestochen wurde, doch kaum gewahrte das Regiment den Verlust seines Commandeurs, als es umkehrte, in den Feind eindrang und ihn wieder befreyete! – Es war dieses sein leztes Treffen dem er beywohnte, ein unterm Mantel anhabender dicker rußischer Pelz, durch welchen mehrere Piquenstiche nicht durchgedrungen waren, war vielleicht die Schuzwehr seines Lebens. Er kam in die Hospitäler von Grodno und Warschau, und wurde später zwar wieder hergestellt, doch hinsichtlich seines Alters mit Pension entlaßen, und mit GeneralMajorsCharacter in den Ruhestand versezt.

     Die eintretende Nacht und die Erschöpfung der Kräfte gebot den Waffen zwar Ruhe, allein sie konnte ihren Tapfern bei der so strengen Kälte und Mangel an Lebensmitteln keine Erholung darreichen. Nie war in diesem Feldzuge beim Corps der Kraftaufwand größer, und die Entbehrung fühlbarer gewesen als in dieser so ahndungsvollen Nacht. – Von früh 3 Uhr wo der feindliche Überfall begann, bis späten Abend, bei einer grimmigen Kälte und dabei noch auf einer dem Windzuge von allen Seiten preisgegebenen Anhöhe postirt, [110] hatten die Mannschaften im Gefecht ohne Nahrungsmittel zugebracht, und nur die allzu große Erschöpfung konnte die Natur und das strenge Element besiegen und sie statt Ruhe in eine Art Starrlosigkeit sezen. Ohnerachtet während dieser Nacht die auf die höchsten Puncte postirten Infanterie Vedetten[206] allen halbe Stunden abgelößt wurden, so hatte doch das Hin- und Wiederlaufen in den ungebahnten Schnee bei einigen die lezten Kräfte erschöpft, und erstarrt und entseelt wurden sie von der Ablösung aufgefunden.

     Der Donner der Geschüzes rufte am 16ten früh zum neuen Kampfe, der mit gleicher Erbitterung wie Tages vorhero begonnen und fortgeführt wurde, und wer weis ob nicht am Ende die Tapferkeit der gänzlichen Erschlaffung und feindlichen Übermacht hätte unterliegen müßen, wenn nicht Nachmittags spät der Fürst Schwarzenberg mit der ersehnten Hülfe einer Colonne Österreicher von Zelbice her, dem bedrängten Corps zur Unterstüzung kam. Seine Ankunft, die sich schon aus der Ferne durch Angriff mit Kanonendonner auf den feindlichen rechten Flügel uns kund that, nahm das feindliche Corps nunmehro zwischen zwey Feuer, der lezte Rest von Kraft erhob sich wieder, die beiderseitigen Batterien, schienen durch ein auf die Stadt gerichtetes sich kreuzendes Feuer in der lezten Crisis zu liegen, die von den Bergen herunterstürzende Infanterie nahm die Stadt mit Sturm, der Feind floh allenthalben, und – der vollständige Sieg, den Muth und Ausdauer davongetragen, unterlag nunmehro keinen Zweifel mehr. Die Österreicher vollendeten durch Nachsezen die Niederlage des Feindes und erndeten durch reiche Beute die Früchte des Tages, während das 7te ArméeCorps der so bedürfenden Ruhe zu pflegen, sich in und bei Wollkowize lagerte und auf den Trümmern der verheerten Stadt sowohl als aus ihrer Nähe sich einige Erquickung zu verschaffen suchte. [111] Das Corps hatte in diesen Tagen verhältnißmäßig mehr Bleßirte als Gebliebene, was sich von der erhöheten Stellung des Corps herschrieb, indem der Feind viel zu tief schoß. Die Menge der Bleßirten welche in die Füße verwundet waren, lieferten den augenscheinlichsten Beweis hiervon. Das Regiment verlohr durch die feindlichen Batterien eine betrachtliche Anzahl Pferde. Ein einziger Schuß streckte deren 4. auf einmal todt darnieder. Der gesammte Verlust des Regiments bestand in diesen Tagen in 1. Mann 11. Pferde Geblieben, 8 Mann 23. Pf. vermisst und 19. Mann 6. Pferde Blessirten.

     So wie das gesammte Corps sich in diesem Gefechte mit Ruhm bedeckte, so verdient die zu demselben gestoßene franzß. Division Durotte nicht minder einer besondern ehrenvollen Erwähnung hierbei. – Sie focht nicht blos für Leben und Freiheit, als vielmehr für Ruhm und Ehre, weil nur eine dergleichen wiederhohlte Auszeichnung sie in die Chategorie der franzößischen LinienRegimenter stellen, und ihnen Adler und Ehrenzeichen zu Theil werden laßen konnte.

Feindliche Retraite nach Brczesc.      Das Regiment brach den 17ten Novbr früh 5. Uhr von Wollkowize auf, und nahm an der Verfolgung des in der größten Bestürzung fliehenden Feindes Antheil. Es hielt nicht schwer ihn aufzufinden, denn alle über Swislocz, Weli-Krinky[207] und Rudna führenden Wege, waren mit feindlicher Infanterie, die vor Ermattung liegen geblieben, gleichsam bedeckt, ohne große Gegenwehr konnte man ganze Trupps von ihnen zusammen bringen, die mit der größten Resignation ihrem Schicksal folgten. – Hätte das österreichische Corps, das dem Feinde immer zur Seite war, einen kleinen Vorsprung zu gewinnen gesucht um den Engpaß bei Rudna, den der Feind auf seiner Retraite nach Brczesc paßiren mußte, vor ihm zu erreichen, so würden ganze Abtheilungen des Sackenschen Corps zu capituliren genöthiget gewesen seyn, und er würde sein ungestümes Vordringen mit den Verluste seines sämmtlichen Geschüzes haben büßen müßen, von welchen er außerdem schon mehrere Lafetten stehen lies, deren Rohre in die [112] Sümpfe waren versenkt worden. Ob Saumseligkeit oder Plan dem Feinde diesen Paß zu entkommen offen ließ, mögeder in die damalige Politik höher Eingeweihete entscheiden – der Layr, der blos nach den Augenschein und der gesunden Vernunft urtheilte, schüttelte bedachtsam den Kopf hierüber und wunderte sich. –

Swisloz. Bei diesen Nachsezen erreichten wir am 18ten Swisloz, ein dem Grafen Tiszkewicz[208] zugehöriges Städtchen, welches modern und symetrisch gebaut war, und beim Eintritt den oberflächlichen Eindruck hervorbrachte, daß man nach Deutschland versezt sey. Der Besizer bewohnte hier ein schönes Schloß mit einen wohlunterhaltenen Thiergarten. Die Stadt selbst war nett, mit mehrern gut etablirten Gasthöfen, die große Aushängeschilde hatten, einer gut eingerichteten Apotheke, reinlichen breiten Straßen, und bei den Einwohnern selbst herrschte ein Ton und eine Lebensart, die gegen die übrigen pohlnischen Städte gleichen Ranges sehr auffallend war. Einige angesiedelte Deutsche so wie ihr humaner Besizer selbst, der Kunstfleis mit Wohlstand nährte, hatten jedes ihren bedeutenden Antheil hieran.

Den 20. November passirten wir Rudna welches blos der Lage nach noch kenntlich war, der General Sacken hatte solches hinter sich in Flammen aufgehen laßen, um das Nachdringen zu verhindern und nur einen unbedeutenden Vorsprung zu gewinnen.

Die nachtheiligen Einwürkungen von Feind und Clima auf die allmählige Auflösung des Corps beurkundeten sich dadurch, daß die beiden Schüzen Regimenter an diesem Tage (20ten) ihrer Schwäche halber in Ein leichtes Infanterie Regiment formirt, und die Grenadier Bataillons von nun an mit zum Vorpostendienst gezogen wurden. Diese Reduction gab den übrigen Partheyen lebhaften Stoff zu einem memento mori, welche traurige Ahndung auch bei mehreren bald früher bald später in die Wircklichkeit überging. – [113] Feindlicher Überfall bei Reszcyce. Den 23. November übernachtete die Avant Garde in Reszcyce, bei dem vom Dorfe etwas abgebaueten herrschaftlichen Schloße, welches mit einen weitläufigen regelmäßigen Hofraum und einen breiten sumpfigen, zum Theil zugefrohrnen Graben umgeben war, über welchen Brücken zu den Ein- und Ausgängen führten, so, daß selbiges einen kleinen festen Castell glich. Die Schüzen bezogen das geräumige mit etlichen Stockwerken versehene Schloß selbst, die reutende Batterie wurde auf den Schloßplaz postirt, die Cavallerie hingegen bezog Bivouaq daneben, und fand Fourage, Brennmaterialien auch mitunter Unterkommen selbst, in den nahe dabei befindlichen geräumigen Oeconomie-Gebäuden. – Vor einem auf der Flucht befindlichen Feinde gesichert zu seyn glaubend, war ein feindlicher Überfall auf uns, der um Mitternacht erfolgte um so unerwarteter, er war indeßen nur ein leichter Anprall und ganz ohne Folge und Verlust für uns, denn der Feind zog sich unsere feste Stellung wahrnehmend, nach etlichen erhaltenen CartetschenLadungen in größter Eil wieder zurück, und hinterließ einen am Wege liegenden Todten und blutige Spuren im Schnee von mehreren mit fortgenommenen Bleßirten. Da bei den Allarm, die Schüzen welche in den Gemächern des Schloßes, Stroh zum Lager und Caminfeuer zur Erleuchtung und Wärme gebraucht hatten, selbige in möglichster Eile verließen, und sich aufstellten, so geschahe es, daß durch Verwahrlosung hierbei, das Stroh zündete, und während dieses Allarms das Schloß in Feuer aufging, welches aus Mangel an Löschmitteln bis auf die Mauern niederbrannte.

Gleichmerkwürdig war die Nacht vom 23 zum 24ten Novbr. hinsichtlich einer ebenfalls sich ereignenden Feuersbrunst bei der hinter uns bivouaquirenden Division von Funck[209], und dem großen Brande, der zu gleicher Zeit in dem noch mehr rückwärts gelegenen Hauptquartier des General Reynier sich ereignete. – Feuerzeichen am Horizonte bezeichneten die Standt- und Ruhepuncte des [114] Corps in dieser Nacht auch in der Ferne.

Grosser Brand im Hauptquartier     Der große Brand im Hauptquartier war der unglücklichste und kostspieligste von diesen dreyen fürs Corps, denn er kostete mehreren Menschen und an 50. Dienst und Reutpferden, worunter der ganze Marstall des Grafen Reynier befindlich war, das Leben. Diese Pferde mit ihren Wärtern waren in einem großen 4.eckichten Wirthschaftsgebäude, oder vielmehr Scheuer untergebracht, welches von unten bis oben mit Garben und Stroh angefüllt war, und nur freye Gänge darinnen offen ließ. Das zusammenhängende Ganze hatte nur wenige Zugänge, die theils nach außen, theils in den innern gesperrten Hofraum führten. Höchstwahrscheinlich durch ein, beim Schlafe der Wächter in das Stroh gefallenes Licht, hatte sich das Feuer und der Qualm augenblicklich übers Ganze verbreitet, und die Mannschaften, mit den Loshalftern und Abschneiden der Pferde beschäftiget, wurden durch ihr wüthendes Hin- und Herspringen mit umgerißen und an ihrer eigenen Rettung verhindert. Zwar hatten sich einige in den innern mit Mist und Stroh angefüllten Hofraum geflüchtet, jedoch da auch dieser am Ende von der Gluth entzündet wurde, so war auch hier Rettung unmöglich und nur wenige in einen Mistpfuhl sich retirirte Unglückliche entkamen zwar den Todte in den Flammen, doch endeten sie einige Tage darauf um so schmerzhafter an den Verlezungen dieses Brandes.

Die im Hauptquartier commandirt stehende 6te Escadron verlor hierbei 4. Husaren und 4. Dienstpferde, wovon 1. Mann und die 4. Pferde in den Flammen umkamen, 3. Mann aber am 25. ejsdem in Folge deßelben ihren Geist aufgaben. – Man sagt, ein, von den Österreichern bei der feindlichen Retraite erbeutetes, und von dem Fürsten Schwarzenberg dem General Reynier als Geschenk überlaßenes Kameel, habe eine sehr bedeutende nachtheilige Rolle bei diesem unglücklichen Ereigniße gespielt, indem es, ohnfern des [115] Ausganges angebunden, die losgemachten und von den Leuten nach den Ausgängen zugetriebenen Pferde, durch seine ungewohnte Gestallt an der Flucht geschreckt, und zum Zurücklaufen derselben in die Flammen und Umreißen der in den Gängen noch beschäftigt gewesenen Menschen, wesentlich beigetragen haben soll.

     Der 24.ste November kostete uns bei einer gegen Turna unternommenen Recognoszierung einen Verlust von 5. Mann 6. Pferden Gefangenen incl. 5. Bleßirten, und hatte zur Folge, daß die AvantGarde bei hohem Schnee und strenger Kälte, von Proviant, Fourage und allen möglichen entblößt, die Nacht im freyen Felde aux bivouaq zubringen mußte. Die Entlegenheit von Ortschaften und der Mangel an dürren Holze gestattete nicht einmal die Unterhaltung eines spärlichen Feuers, froh eines nun begonnenen Tages bestiegen wir daher am 25ten unsere bereiften Roße wieder und trafen den 26ten ejsdem in und um Breczesc ein; das leztemal daß wir diesen Ort betreten und mit unserer Gegenwart heimsuchen sollten. – Der Feind hatte es mit Zurücklaßung eines Hospitals von 700. Mann geräumt und sich nach Wollhynien zurückgezogen. Der OberstLieutenant von Lindenau nahm ihn noch mit einer Abtheilung des HusarenRegiments hinter Breczesc an 500. Gefangene und etliche 30. beladene Wagen ab.

Resultat der Operationen seit 27. Octbr. Der General Sacken, von dem österreichischen Vortrab und dem General Fröhlich noch mehrere Meilen über Breczesc verfolgt, konnte erst in der Gegend Luboml die Trümmern seines Corps wieder sammeln, das auf 2/3 seiner frühern Stärke von 27,000 Mann zusammengeschmolzen war. Drei Tausend allein hatten bei Bulkow[210] von den Österreichern abgeschnitten, die Waffen strecken müßen, ohne was ihn eine aufgelößte[211] 10.tägige Retraite gekostet hatte. Ein großer Theil seines Geschüzes, – der größte seiner Equipage war vernichtet, und hätte er in der Nähe seiner Depots sich nicht so leicht [116] wieder restauriren können, so würde sein Corps gewiß auf längere Zeit in Unthätigkeit gesezt worden sein. – Allein brachte er auch hierdurch große – sehr bedeutende Opfer, so war doch der Plan des Admiral Tschitschagow, den Fürsten Schwarzenberg von Minsk entfernt zu halten, um die retirirenden Corps der großen Armée bei ihren Übergang über die Berezina nicht unterstüzen zu können, erreicht, und er zu weit von seinem Ziel entfernt worden, um dieses noch später mit Erfolg bewerksteln zu können, denn ob er sich geich den 28ten Novbr über Slonim gegen Minsk wieder in Marsch sezte, so kam er doch nunmehro zu spät, denn als seine AvantGarde am 10ten December Bieliza und Nowogrodeck erreichte, hatten die Reste der großen Armee bereits Willna passirt.

     Dies war die lezte der gemeinschaftlichen Operationen, die das 7te ArméeCorps mit den österreichischen Hülfstruppen ausführte. Später bezogen selbige zu Deckung des Herzogthums Warschau eine Position bei Puttusk und von da gingen sie nach geschloßenen Separat Waffenstillestand an die Grenze von Ostgallizien zurück, wo wir sie im Monat Februar des darauffolgenden Jahres in der Gegend von Cracau in Kantonnirungen wieder antrafen.

Letzter Aufenthalt des Corps in und bei Brczesc.      Das 7te ArméeCorps verweilte bis mit 30. Novb. in und bei Brczesc in Cantonnements, sowohl um auszuruhn, als auch so viel wie möglich durch Requisitionen sich zu ergänzen, da Brczesc mit seiner reichen handelnden Judenschaft die beste Gelegenheit hierzu darbot, und nach der dermaligen Lage der Umstände mit Gewißheit vorauszusehen war, daß unsere jezige Gegenwart die lezte in diesem Feldzuge seyn würde. – Capots und Schuwerk waren hauptsächlich die immer fühlbarer werdenden Bedürfniße, indem die Witterung von Tag zu Tag strenger, die Frostschäden beim Corps aber immer [117] häufiger wurden. Um die geforderten Bedürfniße in den wenigen Tagen unsers Aufenthalts desto beschleunigter beizutreiben, wurden einige der reichsten jüdischen Einwohner unter Aufsicht gestellt, und darauf durch Ausschreiben der Behörden, sowohl von Brczesc als aus der Umgegend eine Quantität Tuch als auch neues und altes getragenes Schuhwerk von aller Form und Sorten beigeschaft, das, wenn auch für den völligen Bedarf nicht ausreichend, doch den einstweiligen größten Mangel auf einige Zeit abhalf.

     Hiervon sowohl, als von dem später auf Requisition noch jenseits des Bugs herbeigetriebenen Stiefeln, erhielten unentgeldlich, das Regiment v. Polenz chevleg 50. pr – Husaren 30. pr – Rest der Uhlanen 13 pr und 33 pr Halbstiefeln der Artillerie Train, ferner hatte man durch den Hauptmann v. Wutgenew in Byalystock eine Anzahl Bedürfniße aufkaufen laßen, von welchen 40 pr Stiefeln das Husaren Regiment, – 40. pr das Regiment v. Polenz, – 20. paar das Uhlanen Rgmt. und 22. pr das Train Bataillon zu den Preiß von 1 rT[212] 20 g – erhielten, auch bekam das Regiment als Antheil von den Geschenke einiger wohlgesinnter Dresdner Damen 5. pr. wollen Strümpfe, welche nach den Willen der edlen Geberinnen, den Bedürftigsten unter den Bedürftigen zu Theil wurden.

Aufbruch von Brczesc, und Postirung ohnfern der Lenezna Das Corps brach den 1. Decbr. 1812 aus seinen Cantonnierungen bei Brczesc auf, und folgte in einer 2ten Colonne dem sich wieder nach Slonim dirigirten österreichischen HülfsCorps. Die Kälte stieg zunehmend, und erreichte am 7. Decbr., als wir als nunmehrige Arriere Garde hinter dem Städtchen Sellez einen 4. Stunden langen Wald auf einer in grader Linie durchschnit­tenen breiten Chaussée passirten 24. Grad unter Reaumür. Die Erde war vor Frost in langen Querstreifen tief geborsten, so daß beim Reuten die größte Vorsicht nöthig wurde, – der entgegenstoßende Luftzug preßte Thränen in die Augenwimpern die sogleich zusammenfrohren [118] und durch Reiben mit der Hand nur erst wieder aufgethaut werden konnten, – und mehreres requirirtes und an die Wagen gebundenes Schlachtvieh erstarrte, und mußte, nachdem es eine Strecke lang noch mit fortgeschleppt worden, abgebunden und liegengelaßen werden. Besonders doppelt nachtheilig wirkte die zu harte Kälte auf die Cavallerie, die entweder unbeweglich auf den Pferden bald erstarrte, oder wenn sie abstieg, und dem scharf ausschreitenden Pferde im Trotte folgten, sich echauffirten und dann beim Wiederaufsizen durch den zu jählingen Übergang von der Wärme zur Kälte, die nachtheiligsten Folgen für die Gesundheit zu befürchten hatte. Wir erlebten hiervon Beispiele im Regimente, wo Mannschaften auf nächtl. Vedette die Füße erfrohren, amputirt wurden und starben, andere hingegen von dem zu raschen Wechsel der Wärme und Kälte vom Schlage betroffen wurden und augenblicklich den Todt fanden.

     Den 11ten December trafen wir in der Richtung nach Slonim in Prozanna[213] ein, allein da, – wie früher bereits erwähnt, – der Marsch der Österreicher nach Minsk nunmehro zu spät und ohne Nuzen war, und wir vielmehr einen überlegenen Feinde gerade in die Hände gelaufen sein würden, so bewegten wir uns nach einen gehaltenen Rasttage über Christianpol, Pruzanna[214] und Szereszew[215] wieder gegen Brczesc zurück, und bezogen ohnfern der Lenczna in und bei Terebun Postirungsquartiere. Das Hauptquartier befand sich zu Wollczyn am Bug, das Cavallerie Brigadequartier in Siczyki. –

     Die Lage des Corps wurde, da der Rest der großen Armée bereits Willna passirt hatte, und sich beinahe mit uns in gleicher Höhe befand, nunmehro um so gefährlicher, da bei den weiteren Vordringen der feindlichen Arméen, wir von der Tschittschagowschen, Wittgensteinschen und dem sich wieder erhohlten Sackenschen Corps von allen Seiten gedrängt und angegriffen zu werden befürchten mußten; blos der im Rücken uns gelegene Bug war noch der einzige Stüzpunkt, [119] der uns zum Rückzuge nach Warschau offen blieb. –

     Um jeden Angriff auf einen Punct dem Corps sogleich mittheilen und es im Nothfall in größter Geschwindigkeit zusammenziehen zu können, mußten auf dem höchsten Puncte jeden CantonnementsOrts drey neben einander errichtete, und mit Stroh umwundene Lärmstangen aufgerichtet werden, die von Ort zu Ort bis ins Hauptquartier durch Tag und Nacht dabei aufgestellte Wachten beobachtet wurden. Wurde ja ein Dorf vom andern durch eine dazwischen befindliche Anhöhe unterbrochen, so mußte wie auf den TelegraphenLinien hier ein RelaisPosten mit den gleichen Lärmstangen unterhalten werden. Ihre Bestimmung war folgende: Ward ein Posten angegriffen und das Zusammenziehen des Regiments nothwendig, so sollte das Anzünden einer solchen Lärmstange das Regiment oder die Parthey, in deren Cantonnements dieses Signal gesehen wurde, auf seinen bestimmten Sammelplaz rufen, 2. dergleichen brennende Stangen die Division, und alle Drey zugleich das Corps auf den angegebenen Puncten versammeln. Diese zur Vorsicht zwar nöthige, jedoch nie in Ausübung gebrachte Einrichtung, war gleich beschwerlich für den Bauer als dem Soldaten, denn mußte ersterer die Stangen errichten, Wachthütten dabei bauen, Holz herbeischaffen und Tag und Nacht das Wachtfeuer unterhalten, so mußte lezterer seine Aufmerksamkeit immer nur auf einen Punct habend, Tag und Nacht, auf eine der größten Kälte und Zugluft unterworfenen Anhöhe zubringen.

Dritter Rückzug über den Bug, und gänzliche Räumung der russisch pohlnischen Provinzen.     Da die rußisch pohlnischen Provinzen von den alliirten ArméeCorps geräumt waren, und der Feind sich uns immer mehr näherte, so bequemte sich endlich auch das 7te ArméeCorps selbige zu verlaßen, und nachdem am 22ten December noch ein Ersaz von 33. Mann und 60. Pferden beim Regimente eingetroffen war, [120] brachen wir am 24. December 1812. als am Weynachtsheiligen Abend von der Lenczna wieder auf, gingen über Wollczyn den Bug hinunter, passirten gleich hinter Mielnick diesen hart zugefrohrnen Fluß, und trafen ohnfern dem Städtchen Sarnasky[216] wieder ins Herzogthum Warschau[217] ein.

     Die Scene änderte sich nun auf einmal gänzlich, statt der frühern Offensive gingen wir nunmehro in die ausgedehnteste Defensive über, und statt des frühern Vortrabs, erhielten wir nunmehro die äußerste ArriereGarde. – Diese Nachhut zerfiel wieder in 2. Flügel, wovon bei Betretung des Herzogtums Warschau der Obristlieutenant v Lindenau als interimistischer Commandant des HusarenRegiments, das Commando des rechten, der Oberst v. Hann aber das des linken Flügels der ArriereGarde erhielt, zu welchem Behuf am 26.sten December in Sarnacky noch folgende Abtheilungen zu uns stießen,

außer dem HusarenRegiment auf den rechten Flügel noch

1. Detaschement v. Polenz, 60 Pf.

1.    "    "    "    "    Uhlanen

½. reutende Batterie aus 1. Haubize und 2. vierpfündern bestehend

1. Grenad.Compagnie vom Bat. Anger.

1. Grenad.Compagnie vom Bat. Liebenau.

1. Division Schüzen unter François und Klinkguth.

Die Communication des äußersten rechten Flügels war mit Therespol, – Brczesc gegenüber, – welches von den Pohlen besezt war,

     Das Sackensche Corps hatte sich indeßen wieder etwas ermannet, und war, nachdem wir die Verbindung mit den Österreichern aufgegeben, noch mehr als zu stark, um das damaln gewiß schon um die Hälfte geschmolzene 7.te ArméeCorps wieder in Respect zu halten.

Es hatte Brczesc besezt, und seine Kosaken folgten unserm Rückzuge auf den Fuße, kaum hatten wir festen Fuß im Herzogthum Warschau [121] gefaßt, so waren sie auch wieder wie gewöhnlich unsere treuen unzertrennlichen, obschon ungern gesehenen Begleiter.

Rückblick auf das abgelaufene Jahr 1812, und Aussichten in das angetretene von 1813     Der lezte Tag des Jahres 1812 fand uns in Postirung in und bei Boity ohnfern Sedlice (Sedlitz) Er schwand mit traurigen Rückerinnerungen der Vergangenheit und bangen Ahndungen für die Zukunft. Viel! – sehr viele, die den ersten Tag von ihm heiter und gesund begrüßt hatten, waren nicht mehr, – ein anderer Theil lag unter Krankheit und Schmerzen, gefoltert von den Gedanken, Freunde und Vaterland nicht wieder zu sehen, an Genesung und Rettung zweifelnd in Hospitälern, während der schwache Überrest, auf seiner ungewißen Laufbahn, abgestumpft dahinschwankte, weil, den eingebrochenen vereinten Unfällen nicht entgehen zu können glaubend, sich am Ende Leichtsinn mit gänzlicher Resignation nur allzuoft paarte.

     Der noch abergläubige Theil unterm Landvolk der NiederLausiz sowohl, als der unterem Militaire selbst, profezeyete bei unserm Ausmarsche dem vorseyenden Feldzuge ein tragisches Ende, weil sagten sie, unser Abmarsch in die Marter-Woche, und der Aufbruch selbst, auf den bei dem Landmann so wichtigen, aber auch ominösen Carfreytag fiele. Die spätern Unfälle erfüllten diese Schwachen unter uns mit Jubel weil sie solche als unausbleibliche Folgen ihres WahrsagerGeistes hielten und so krönte der blinde Zufall hier ein Werk des Aberglaubens, der gleich doppelt nachtheilig auf Geist und Körper wirkte.

     Der Vormittag des 1. Januar 1813. begann mit einen Allarm der aber sogleich wieder beseitiget wurde, weil unsere Vedetten einen auf einer Anhöhe erschienenen Schwarm Cosaken für die AvantGarde einer starken Recognoscirung, oder, eines vordringenden Trupps gehalten, der aber bei näherer Beleuchtung weiter nichts war, als eine Patrouille von 60. Pferden, die sich von unserer Stellung überzeugt, darauf im Städtchen Loczyce geplündert und endlich nach [122] Sarnasky sich wieder zurückgezogen hatten.

     Die unterbrochene Folge des Dienstes von FeldWachten, Patrouillen und Recognoszirungen, sowie die stete Bereitschaft in sich selbst, konnten bei den, durch Fatiquen so schon mitgenommenen Truppen, und in dieser rauhen Jahreszeit nichts anderes als die endliche völlige Auflösung beider Theile herbeiführen, obschon dieselben immer nur blos kleine untergeordnete Bestandtheile des Ganzen waren, die, wenn sie sich auch gegenseitig völlig aufrieben, demohnerachtet kein HauptResultat fürs Ganze herbeizuführen vermochten. Dieser vom General Reynier aufgestellte, und von General Sacken beherzigte Grundsaz, brachte durch eine, von dem als Parlamentair abgesendeten Adjutant v. Zacha vom Husaren Regiment (einen gebohrnen Pohlen) verabhandelte Übereinkunft, eine sich gegenseitig garantirte Convention zu Stande, nach welcher, ohne Stillestand der Waffen eintreten zu laßen, das künftige beiderseitige Vor- und Rückwärtsgehen, als abhängige Bewegung vom Ganzen angenommen, übrigens aber förmliche Angriffe und Überfälle eingestellt, und mögliche Vereinfachung des Dienstes und Schonung der Truppen herbeigeführt werden sollten. Obschon nur ein kurzer Gebrauch dieses schonungsvollen Verfahrens zuläßig war, so verdienen doch diese Züge von ädlen Gefühlen und wahrer Menschenliebe beiderseitiger Heerführer um so mehr ein unauslöschliches Denkmal in den Herzen aller Braven, da der eine Feldherr ein Franzose, durch das blose Obercommando an eine Truppe gekettet wurde, die mit seiner Nation an Character, Sitten und Sprache so verschieden, und mit deßen NationalIntereße er so wenig verwandt war, der andere hingegen ein rußischer Heerführer, bei den eingetretenen Kriegsglück für seine Waffen, eine Mäßigkeit zeigte, die in der kalten Politik so wenig, und beim Feinde [123] noch seltener angetroffen wird.

Überfall bei Mordy Die rückgängige Bewegung des Ganzen hatte auch unseren Rückzug über Mordy nach Sedlice, und den der in Therespol gestandenen Pohlen über Byala eben dahin zur Folge. Leztere bestanden in ohngefähr 300. Mann Cavallerie, 400. Mann Infanterie und 2. dreypfündigen Canons unter Commando eines pohlnischen Majors. Lezterer hätte das zeithero beobachtete gemäßigte Betragen in den gegenseitigen Operationen beinahe wieder aufgelößt, indem derselbe bei einer ihm als Terrainkundigen übertragenen Recognoscirung von 350. Mann Infanterie und Cavallerie Sächß. und pohl. Truppen, am 5ten Januar früh 4. Uhr, den nach Mordy uns nachgerückten Feind, der außer einer, ½. Stunde vorgeschobenen DoppelVedette, keine weiteren Außenposten hatte, in der größten Ruhe überfiel, und sowohl einige Gefangene machte, als auch etliche Pf. und Schlitten mit Equipage als Beute einbrachte, die aber, da derselbe ganz gegen seine Instruction und der getroffenen Convention gehandelt hatte, sogleich wieder zurückgesendet, und durch den früher gedachten Parlamentair das bisherige Vernehmen wieder hergestellt wurde. Dieser Überfall kostete dem Regimente 1. Mann und 1. Pferd so auf dem Plaze blieben und 1. Verwundeten.

Sedlize. Wir verließen noch an diesen Tage Sedlize und ließen die Pohlen zur Besazung darinnen zurück. – Sedlize ist eine Stadt von zweyten Range, mit zum Theil modern gebauten Häusern, breiten Straßen, ansehnlichen öffentlichen Pläzen, und im Geschmack beinahe wie Swislocz aufgeführt. Auch hier liegt wie überall in Pohlen der Handel in den Händen einer weitläufigen Judenschaft, wovon nur der schwächere Theil durch Wohlstand sich öffentlich [124] auszeichnet, dahingegen der übrige beinahe nur in Lumpen und in den größten Theil Schmuz gehüllte Theil, den günstigen Eindruck, den das Äußere einer hübschen Stadt bei den Fremden hervorbringt, äußerst wieder herabstimmt, da er nur durch Blendwerk das größte Elend verhüllt zu sehen glaubt.

Wir dirigirten uns vom 5ten bis 10ten über Chodow und Makowody nach Wengrow wo wir Nachts 11. Uhr anlangten, allein kaum einquartiert und abgezäumt, wurden wir durch Allarm wieder auf den Sammelplaz gerufen, da der mit Gewalt nachdringende Feind, in der Nähe eine Dragoner Feldwacht weggenommen hatte. Die wenigen Stunden der Nacht bis zum Wiederaufbruch, der ebenfalls wieder auf Allarm erfolgte, vergingen in größter Unruhe, da unser saumseliger Rückzug von nur höchstens 2. bis 3. Stunden täglich, dem Feinde viel zu langsam von statten ging, und er nun von allen Seiten gewaltsam drängte.

Gefecht bei Liw.     Der Morgen des 11ten Januar überzeugte uns, daß er uns links Wengrow zum Theil schon ganz umgangen hatte und nichts weniger im Sinn hatte, als uns auf der Warschauer Straße nach Liw zuvorzukommen. Unser Aufbruch geschahe daher möglichst beschleunigt, um vor ihn noch diesen Flecken zu erreichen. Hier kam es mit unserer ArriereGarde und dem Feinde zum Handgemenge, wodurch unsere mit vielen Kranken beladene Equipage wenigstens einigen Vorsprung erlangte. Das Terrain war für uns äußerst ungünstig, da der hiesige niedrige Boden unter Waßer und Eis gesezt war, auf welchem die unbeschlagenen Cosakenpferde geschwinder und sicherer als die unsrigen darüber hingleiten konnten. Das Regiment welches hierbei 6. Mann 3. Pferde in Gefangenschaft einbüßte und 3. Bleßirte hatte, zog sich an diesen Abend noch bis Kniffnicky, und am 13. Januar in die Postirung nach Dobre und Umgebung zurück, worinnen sich die [125] Nachhut des Corps, ohnerachtet des öfteren Drängens unserer Feldwachten bis mit 25ten nurgedachten Monats behauptete.

Postirung in und bei Dobre.     Dobre ist ein ganz unbedeutendes, von sehr weitläufigen Waldungen umgebenes Dorf, an der Straße von Bialystock nach Warschau gelegen. – Die Pferde standen gesattelt in den Scheunen, während die Mannschaften der nur noch äußerst schwachen Escadrons je Haus für Haus eine, einquartiert und enge zusammengeschichtet waren. Da die Nächte hauptsächlich in größter Bereitschaft zugebracht werden mußten, so war diese enge Concentrirung umso zweckmäßiger, da Spiel, Gespräch und Gesang, den Schlaf und die Dauer dieser langwierigen Winternächte verscheuchte.

     Das Hauptaugenmerk des vormaln als rechter Flügel operirten sächßischen und österreichischen Corps war vor der Hand die Deckung Warschaus, bis die Depots, Hospitäler, Parcs, Caßen und alle nur sonst dem Corps gehörige Gegenstände von dort entfernt worden waren.

     Die sächß. InfanterieDivisionen befanden sich zu dem Ende bei Stanislawow, Denbewielki pp. bis zur Weichsel und theilweise deren AriereGarde unter den General-Major v Gablenz, wie obenbemerkt (aus dem HusarenRegimente, 3. Compagnien des 2ten leichten InfanterieRegiments und ½. reutenden Batterie bestehend) in Dobre aufgestellt. Die franzößische Division Durotte, zwischen Stanislawow und Okuniew postirt, hielt zugleich Praga mit besezt, und die an das 7. ArméeCorps sich angeschloßene Colonne Pohlen, unter dem Maj Rzodkiewitz lagerte bei Kaluszyn. Das Hauptquartier des Fürsten Schwarzenberg war bis Ende Januar in Puttusk, und die österreichischen Divisionen befanden sich zu Deckung des Herzogthums Warschau in Zambrow, Brock, [126] Nowogrod und Makow aufgestellt.

     Vom 24. Januar 1813 an, suchte der in Liw und Wengrow verstärkte Feind mehreremale, unsere Vorposten durch Übermacht zurückzudrängen, und auf der großen Heerstraße sich Warschau zu nähern. Es erfolgte unsererseits zwar jedes mal ein allgemeines Ausrücken in die Position, jedoch blieb es bei blosen Demonstrationen, und hatte bei der sichern Kunde der jenseits sich täglich mehrenden Streitkräfte nur die verdoppelte Vorsicht zur Folge, daß wir, um nicht überrumpelt zu werden, bis zur völligen Räumung von Dobre, die den 26. Januar Nachmittags erfolgte, in der größten Bereitschaft zubrachten.

     Die russischen Heere concentrirten sich gegen Warschau indeßen immer mehr und mehr, und da der Aufbruch der mit Eis belegten Weichsel bald zu erwarten stand, für uns aber sich keine Aussichten zu einer dergestaltigen Verstärkung darboten, die uns in den Stand hätte sezen können, eine fernere trozende Stellung zu behaupten, so erfolgte vom 26ten bis mit 31. Januar über Stanislawow, Pustelnick und Okuniew der Rückzug gegen Warschau. Den 31. Januar passirte das Regiment links Warschau die gefrohrne Weichsel, bezog dicht an der Warschauer Vorstadt Schulitz, in den Dörfern Sielce, Czerniakow, Augustowka und Siekerky Nachtquartiere, und legte den 1sten Februar Warschau in den Rücken, indem es sich nach Blonie bewegte.

Rückzug von Warschau gegen Kalisch.     Das 7te ArmeeCorps räumte den 2ten und 3ten Februar Warschau gänzlich, da nach einer getroffenen Übereinkunft die österreich. Divisionen Bianchi und Siegenthal, Warschau und Praga bis zum 6ten Februar besezten, an welchem Tage der Fürst Schwarzenberg [127] beide Städte an den rußischen General Miloradewicz[218] übergeben ließ, welcher den 8ten daselbst einrückte.

     Das Sächß. Corps ging hierauf in mehreren Colonnen über Porzezyn und Wartha nach Kalisch zurück. – Die ArtillerieReserven und das Fuhrwesen, schlugen dahin die Straße über Prawa ein, so wie der HauptArtillerieParc und die sächß. Depots sich weiter links über Petricau, Widawa und Burzenin ebendahin dirigirten. – Die dem 7ten ArmeeCorps unter den Fürsten Poniatowsky unmittelbar folgenden Pohlen zogen über Petricau gegen Cracau und das österreichische HülfsCorps unter den Fürsten Schwarzenberg über Tarczyn, Nowemiasto und Opozno hinter die Pilica nach Gallizien zurück.

     Da Thorn als wir Warschau verließen, in unserer rechten Flanque bereits vom Feinde berennt war, und die rußischen Corps, nachdem sie die Weichsel überschritten, unaufhaltsam vordrängten, so verfolgte unsere Nachhut des Corps, die deßen rechte Flanque deckte, nunmehro auch ohne fernere lange Pausen seinen Rückzug in die Gegend Kahlisch. Es brach den 3ten Februar von Blonie wieder auf und ging nach Bolimow, den 4ten nach Lobicz, den 6ten nach Solkowize, bei Biontek, den 8ten nach Lenczyce, den 9ten nach Orczewsko, den 10ten nach Uniejow, den 11ten über Turek nach Slodkowo und den 12ten bis Wollnow von Kalisch.

     Mehrere zwischen Thorn und Warschau vorgedrungene feindliche Truppen, folgten unsern Bewegungen auf den Fuße und fügten dem Regimente durch Wegname von gegen sie ausgesendete Patrouillen so manchen Verlust zu, denn so büßte es am 6ten Febr. eine zu Schlitten gegen sie ausgesendete Patrouille von 1. Corp. [128] und 2. Husaren, und am 9ten ejsd. zwischen Biontek und Lenczyce ebenfalls 3. Mann und 4. Pferde ein, einen weit bedeutendern Verlust erlitte selbiges inzwischen am 11. Februar auf Vorposten bei Wola, wo die 3te und 4ste Escadron Husaren unter Commando des Rittmeisters v Taubenheim von feindlicher Übermacht angegriffen und geworfen, 22. Mann und 17. Pferde als Gefangene einbüßte, und 4. Bleßirte zählte, so wie auch an eben diesen Tage die Feldwacht des Souslieutenant von Ende 6. berittene Mann verlohr und 1. Bleßirten hatte.

Lowicz.     Unter den seit Warschau zurückgelegten Städten, zeichnete sich Lowicz[219], wenn es auch nicht schon durch seinen bekannten großen Markt berühmt wäre, als Mittelstadt vorzüglich aus. –

Es enthält mehrere große Lager rußischer, zum Theil roher, zum Theil schon verarbeiteten Raucherwaaren, und der hiesige Markt mit moldauer und ukrainer Pferden, ist, (den zu Lanczno an der Grenze Litthauens ähnlich) in Pohlen berühmter und bekannter, als er im Auslande zu seyn pflegt. Auch hier liegt der Gross so wie der DetailleHandel größtentheils in den Handen der Ebräer, doch trifft man auch mitunter mehrere hier sich angesiedelte Handwerker an, die einigen Anspruch auf den öffentl. Verkehr mit zu machen scheinen.

Besonders auffallend gegen die kleineren Städte und Flecken Pohlens war die hiesige zweckmäßige Einrichtung von Normalschulen, in welcher die Jugend, außer der Muttersprache zugleich noch öffentlicher Unterricht in der franzößischen und deutschen Sprache und in den übrigen ElementarKenntnißen ertheilt ward. Die deutsche Sprache ließ sich hier schon häufiger hören, und erinnerte wohlthätig [129] an die Annäherung der deutschen Grenzen.

     Der häufige Wechsel in der Oberherrschaft, und die immer nicht nach Wunsch ausgefallene Organisation des Landes, hatten in hiesiger Gegend eine so auffallend gleichgültige und von allen Patriotismus entfernte Stimmung hervorgebracht, daß man den hiesigen Unterthanen mit vollen Rechte nicht das mindeste Gefühl für Politik und Vaterland zuschreiben konnte, denn sie sahen uns als ihre Verbündete, ebenso gleichgültig sich entfernen, als den Feind ihnen nahen, und da beide nur genießen und von ihnen haben wollten, so war es diesen zum Theil noch rohen Naturmenschen freylich nicht zu verargen, wenn sie beyde nach einen Maasstaabe abschäzten, auch schien das auf Napoleon und die franzößischen Waffen früher so unbegrenzt gesezte Zutrauen mit den in Rußland begonnenen Misgeschicke, nunmehro gänzlich aufgegeben und vernichtet zu seyn.

Pohlnische neuerrichtete Bauer Cosaken.     Den 12ten Februar während wir in der Nähe des Dorfes Wollnow biwachten, stieß eine Abtheilung neuerrichteter pohlnischer Bauer Cosaken zu uns, wo wir Gelegenheit hatten, diese TruppenArt, von der man sich so viel versprach, die aber nichts vermochte und auch bei den besten Willen nichts hätte leisten können, näher ins Auge zu faßen. – Ihre Errichtung als Landwehr, und die Ausrüstung durch den Adel Pohlens, war erst ohnlängst von Napoleon anbefohlen worden, um dem Feinde vor dem ersten Anlauf gleichsam, nur etwas entgegenstellen zu können, doch – (da sie meist aus unbärtiger Jugend bestanden) – mit dem gefürchteten bärtigen Ansehn der so wahren Nomaden Rußlands, fehlte ihnen auch die List, Gewandtheit, Künheit und Erfahrung, die den ächten Cosaken so eigen ist, und durch welche er sich bei den disciplinirtern deutschen Krieger oft so furchtbar gemacht, und in Respect gesezt hat.
[130] Diese neuen Cosaken, mit einen graumelirten pohlnischen Rock, und einer dergleichen platten runden Feldmüze mit couleurten Streif besezt, übrigens ganz roh vom Pfluge weggenommen, und mit einen oft stättischen Pferde beritten gemacht, und aus den alten Rüstkammern pohlnischen Edelleute mit einen Säbel bewafnet, der größtentheils eingerostet war, und mit ein pr Pistolen versehen, die oft keine Batterie hatten, ja an denen zum Theil das ganze Schloß fehlte, mithin zur Vertheidigung blos auf seine Lanze beschränkt, die er nicht zu handhaben verstand, und ihr Angriff auf rohe stättische Pferde berechnet, die sie nicht regieren konnten, anstatt vorzugehen, krebsartig zurückkrochen, und sich nicht selten durch einen Quersprung ihrer Bürde entledigten, – dies waren jene Centauren von denen man sich so viel versprach, die aber den Don Quixotes mehr ähnelten und oft mehr zum Lachen reizten als das wahre Exemplar zu seiner Zeit mag hervorgebracht haben. Daß man sich in der gehegten Erwartung nicht betrogen hatte, und daß sie bei einen Angriff, in massa von den Pferden sprangen und in den nahegelegenen Waldungen ihr Heil suchten, dies bewies schon der darauf folgende Tag bei Kalisch.

Gefecht bei Kalisch.

     Den 13. Februar früh ½ 3. Uhr verließen wir unsern beschneyten Lagerplaz und trafen gegen Mittag auf den Biwacht bei Zolaskow (2. Stunden rückwärts Kalisch gelegen) als ArriereGarde ein, während das Corps in und bei Kalisch enge Quartiere bezogen hatte. Da der hart gefrohrne Boden das Einschlagen der Campirpfähle nicht erlaubte, so wurden die Pferde in einem nahe am Guthe gelegenen großen SchaafStall untergezogen, der durch seine erwärmende Ausdünstung [131] auch uns zugleich Schuz für die Witterung mit gewährte. –

Durch mehrtägige Beunruhigungen vom Feinde in steter Aufmerksamkeit erhalten, waren auch wir hier in der möglichsten Bereitschaft und sahen den Bedürfnißen für Mann und Pferd sehnlichst entgegen, den die nach Kahlisch deshalb abgesendeten Commandirten hierher zurückbringen sollten; der Kanonendonner indeßen, der in der Nachmittagsstunden aus der Gegend Kalisch uns zuscholl, ließ einen geschehenen feindlichen Angriff auf das Hauptquartier außer allen Zweifel, und in Eil aufgezäumt und aufgeseßen ging es in vollen Trabe nach Kalisch zu. Die ersten unglücklichen Vorboten dieses Tages die uns aufstießen, waren die Trümmer der von uns detaschirt gewesenen, und durch feindliche Übermacht geworfenen DragonerRegiments von Polenz, so wie der ihm zur Unterstüzung mitgegebenen neuerrichteten pohlnischen Cosaken. Der Tag neigte sich bereits zu Ende, als wir nur noch ½ Stunde von Kalisch entfernt, von vorn und in der rechten Flanque durch eine in der Dämmerung nicht übersehbare Cavallerie und durchein heftiges Grenadenfeuer angegriffen, und um nicht ganz umzingelt zu werden, genöthiget wurden, über den Wahlplaz des DragonerRegiments von Polenz weg, uns links in ein nahe gelegenes Holz dem weiteren feindlichen Andringen zu entziehen.

     Eine Hauptursache die uns an der Wiedervereinigung mit dem Corps hinderte, war die angeschwollene Prosna[220], die wir nur auf einen bedeutenden Umweg überschreiten konnten; so wie sich aber das Corps von Kalisch aus zur Erreichung der vaterlandischen Grenze auf Glogau nur rechts ziehen konnte, so mußten wir im entgegengesezten Falle unsern Rückzug über Opatoweck (wo wir auf den Hinausmarsche am 9. April 1812 übernachtet hatten) nach Ober-Schlesien [132] zu, links nehmen, wodurch wir uns dann immer weiter von einander entfernten, und von den vielen nachrückenden feindlichen Colonnen durchschnitten wurden. – Die brennenden Vorstädte von Kalisch im Rücken, und von dem nachfolgenden Feinde auf den Fuße beobachtet, langte die abgeschnittene Arriere Garde den 14. Februar frühmorgens ½ 3. Uhr nach einen höchst ermüdeten Marsche beim Dorfe Brzcziny an, wo nach einer kurzen Erhohlung von nur etlichen Stunden, der Marsch der schleßischen Grenze entlang, bis zur Stadt Ostrenzow (deutsch Schellenberg) fortgesezt, und die Pferde am Zügel habend, die Nacht auf dasigem Marktplaze in größter Bereitschaft zugebracht wurde. – Diejenigen beiden Husaren der 3ten Escadron, die am 13. Februar Nachts von Kalisch aus die äußerste Spitze unserer Nachhut formirten, sahen wir nicht wieder, – entweder wurden sie vom nacheilenden Feinde eingehohlt und zu Gefangenen gemacht, oder sie verirrten sich in der Dunkelheit der Nacht in den vielen ungebahnten Holzwegen die wir paßirten, und hatten später als sie ihren Irrthum gewahr wurden vom Feinde bereits umgangen, gewiß ein ähnliches Schicksal.

     Der GeneralMajor v. Gablenz schickte nach jenen unglücklichen Ereigniße, den ihm als Adjutant beigegebenen Major von Watzdorff ab, um wo möglich zu suchen, zu dem CorpsCommandanten den General Reynier durchzukommen, diesem von der Lage der abgeschnittenen TruppenAbtheilungen Rapport zu erstatten, und sich von ihm für die Zukunft Verhaltungsbefehle zu erbitten. Er erreichte ihn glücklich, und hatte, da er uns bereits sämmtlich verlohren gegeben und in Gefangenschaft geglaubt, sich um so mehr gefreut, uns noch frey und activ zu wißen. Der Major [133] von Watzdorff traf am 15ten bereits wieder ein, mit dem Befehl, daß der projectirte Marsch durch Schlesien bewafnet nicht unternommen werden könne, weil diese Provinz für neutral erklärt wurde, und Breslau das Hauptquartier des Königs und der Sammelplaz der preußischen Truppen sey, vielmehr solle der G. M. v. Gablenz mit diesen abgeschnittenen Truppen das pohlnische Corps unter den Fürsten v. Poniatowsky zu erreichen suchen, und sich dann später an das früher österreichische HülfsCorps in Westgallizien anschließen.

Specielle Lage des Regiments, und Formirung seiner noch vorhandenen Bestandtheile in Eine Escadron. Die an sich schon schwachen Escadrons des Regiments gingen in den angetretenen 1813.sten Jahre ihrer sich nähernden Auflösung immer sichtbarer entgegen. – Fortwährender Verlust von dem jezt rascher andringenden kühneren Feinde, und immer mehr zunehmende Krankheit durch die unausgesezten Strapazen, überdieses noch eine Menge entsendeter vereinzelnder Abtheilungen, als im Hauptquartiere, der Equipage, dem Parke bei den Krankentransporten, und zulezt noch vor Kalisch, von den in diese Stadt abgeschickten Fouragefaßern, auf deren sämmtliche Wiedervereinigung mit dem Regimente in der gegenwärtigen Crisis durchaus keine Rechnung zu machen war, hatten das Regiment so geschwächt, daß der Dienst Escadronsweise zu bestreiten nicht mehr möglich war. Der Commandant des Regiments, Oberst v. Lindenau trug daher bei dem G. M. v. Gablenz darauf an, aus den sämmtlichen vorhandenen Mannschaften und Pferden der bisherigen sieben schwachen Escadrons (denn die 6te befand sich noch als Eskorte im Hauptquartier des General Reynier) Eine Escadron zu bilden, deren Zusammensezung dann auch am 15ten Februar, während eines kurzen mittägigen Biwachts bei Misgelnick [134] an der schleßischen Grenze bewerkstelliget wurde. Sie bestand aus 159. Mann mit 139. Dienstpferden, als den wirklichen Tagesbestande derer 7. Escadrons, und enthielt folgende übrige gebliebene Chargen, als:

1. Oberst und Command. vom Staabe. 2. Seconde Wachtmstrs von 7. Escudrons
1. SousLt und Adjutant 2. Estand. Junkers
1. StaabsSecretaire 3. Fouriers
1. StaabsTrompeter 2. Chirurgen
2 Sattler 29. Corporals
5. Rittmeisters von 7. Escuds.       6. Trompeters
1. PremierLieutenant 2. Schmiede
9. SousLieutenants 90. Husaren
2. Wirkl. Wachtmeisters.
Summa uts:

So gestaltet sich das Regiment am 15. Febr 1813. nachdem es grade 1. Jahr zuvor, nämlich am 15. Februar 1812 aus 869. Mann complett bestehend, zum Marsch nach Pohlen mobil gemacht worden war. War bei der Vergleichung dieser Bestände, unter der fehlenden Zahl derer 710. Mann gleich die ins Land mit zurückgegangene schwache 6te Escadron, und noch so mancher sowohl einzeln, als transportweise eingetroffener Wiedergenesener und Commandirter mit inbegriffen, so war demohnerachtet eine dergestaltige Auflösung und Zusammenschmelzung des Regiments in einen so kurzen Zeitraume fast beispiellos, und hätte selbiges nicht bald an den Grenzen Ostgalliziens das Ende dieses Feldzugs gefunden, so würden gewiß nur eben so Wenige die Grenzen des Vaterlandes wieder betreten haben, als es bei jenen Regimentern der Fall war, die das Schicksal hatten, unter den Glt. Thielmann der großen Armee einverleibt zu werden.


[135] Rückzug nach Westgallizien.      Die Nacht vom 15ten zum 16ten Februar wurde auf dem Marktplaze der Stadt Kempen in der gewöhnlichen Bereitschaft wieder zugebracht, und früh um 5. Uhr aufgebrochen, um die Prosna noch vor dem möglichen Zuvorkommen des Feindes zu überschreiten. Wir legten solche Mittags bei Boleslawize in den Rücken, wo während eines kurzen Ruhe und Erfrischungspunctes die dasige Brükke abgeworfen, und der Marsch noch nach Prauska fortgesezt ward, wo wir Quartier erhielten. – Den 17. Februar übernachteten wir in Klobucko, und stießen an den darauf folgenden Tage bei Czenstochow zu den pohlnischen Truppen, die den 19ten von da ebenfalls wieder aufbrachen, um Cracau zu besezen, und durch Anlehnung ihrer rechten Flanque an das österreichische HülfsCorps und ihres Rückens an die Weichsel, eine festere Stellung zu gewinnen. Die nunmehrige combinirte HusarenEscadron, übernachtete den 18ten in dem pohlnischen Coloniedorfe Biala, den 19ten in Sorambize und den 20ten Februar in Kuniecpol, wo sich der G. M. von Gablenz an den linken Flügel der Österreicher anschloß, und wir, um vor feindlichen Anfällen ganz gesichert zu seyn, während unsers Aufenthalts in Gallizien, hinter der österreichischen Linie die nachbemerkten Cantonnirungen bezogen.

     Das österreichische Cabinett hatte nach der Zurückname seines bisherigen HülfsCorps von der franzößischen Armee, mit Rußland eine SeparatÜbereinkunft getroffen, nach welcher es als neutral an den weitern Ereignißen des gegenwärtigen Feldzugs, keinen Antheil nehmen, sondern die Truppen zu Deckung seiner Staaten in Westgallizien verwenden wolle, wo es in ausgedehnten Cantonnements eine Stellung nahm. – [136] Rußische und Österreichische Offiziere besuchten in größter Eintracht gemeinschaftlich verabredete Lustbarkeiten, während kaum einige Meilen an der Weichsel hinaufwärts fast täglich der Kanonendonner zwischen denen sich herumbalgenden Pohlen und Rußen zu uns herunterscholl; so genoßen wir denn hier nun auf einmal das Schauspiel des stillsten Friedens und des lärmenden Krieges in einem und demselben Zeitpuncte, und die jezige Ruhe würde gewiß anderwärts wohlthätiger auf unsern Körper eingewirkt haben, wenn anders der Übergang aus einer steten und zwar anstrengenden Bewegung – in eine erschlaffende Ruhe, und der Wechsel aus der Kälte und freyen Luft, – in die Athmosphären unreinlicher und mit Rauch und stärker Wärme angefüllter Stuben, nicht zu rasch und unvorbereitet gekommen wäre. Der Stoff zu so mancher Krankheit den die meisten bei sich trugen, entwickelte sich nun um so geschwinder, – der Mangel an Ärzten wurde immer fühlbarer (denn die vielen Kranken der comb. Escad. konnte auf den verschiedenen Detaschements nur Ein Chirurgus besorgen, weil der zweyte im Brigadequartier, die Aufsicht über die dort zusammengebrachten Kranken erhielt) und mehrere davon starben noch in österreichischen Hospitälern, wohin sie aus Mangel an Krankenpflege oft mit der äußersten Lebensgefahr gebracht werden mußten. Da überdies das Verhältnis der Gemeinen zu den Unteroffizieren nicht viel über die Hälfte betrug, und von den ersteren mehrere erkrankten, so konnte es nicht anders kommen, als daß nunmehro umgekehrt, Unteroffiziere Handpferde zur Pflege und Wartung erhielten, und daß, wenn die ganz niedergerittenen Pferde, um zu den bevorstehenden noch weiten Marsche wieder frische [137] Kräfte zu sammeln, wöchentlich einigemal spaziren geritten oder geführt wurden, dieses in Ermangelung der hierzu nöthigen Mannschaften oft von pohlnischen Bauern, unsern Wirthen, die hierzu requirirt wurden, bewerkstelliget werden mußte.

Cantonnements an der obern Weichsel ohnfern Cracau.      Auf diesen Ruhe- und Erhohlungspuncten, verweilte die zusammengesezte EscadronHusaren

vom 27. Febr. bis mit 21. März 1813. in Birkow, Policarcice und Inadowize ohnfern Proszowize. – Das Brigadequartier befand sich in Laganow.

vom 22. März bis[221] 24. ejsdem in Dobieslawice, Sondiczlawice, Kaczkowice, Plechow, Bronczyce und Podolani ohnfern Kosczyce. Das Brigadequartier in Malkowice und

vom 26. März bis zum 17. April als den Aufbruch nach Sachsen, in Oblekon, Parkoczyn, Drzebice, Colotna-wola und Brzeskow, ohnfern Baccanow an der Weichsel. – Das Brigadequartier in Zborow.

Der Major von Watzdorff war inzwischen nach unserer Aufname von den General Frimont, der nach Zurückberufung des Fürsten Schwarzenberg, das vormalige österreichische HülfsCorps commandirte, zu Einhohlung weiterer Befehle, am 21. Febr. als Courier abermals an den sächß. CorpsCommandanten nach Sachsen abgegangen und traf den 23. März früh von da wieder ein, mit der Weisung, daß nach erfolgter Einleitung einer mit dem österreichischen Hofe abgeschloßenen Convention, die noch an der Weichsel befindlichen sächßischen Truppen, unbewafnet durch die neutralen österreichischen Staaten ins Vaterland zurückmarschiren, und die bei Cracau unter den Fürsten Poniatowsky aufgestellten pohlnischen Truppen, denselben darauf [138] in verschiedenen Colonnen eben dahin nachfolgen sollten.

Convention mit den K.K. österreichischen Hofe, wegen den Rückmarsch sächssischer und pohlnischer Truppen durch die österreichischen Staaten nach Sachsen.

Die Hauptpuncte dieser Übereinkunft waren im Auszug folgende:

1. Die Gewehre der Infanterie und die Carabiner der Cavallerie werden auf Wagen geladen, und den Truppen unmittelbar von Quartier zu Quartier nachgeführt; blos 150. Mann der Infanterie, als Bedeckung des Brigadequartiers bleiben völlig bewafnet, um den Dienst bei selbigem zu versehen.

2. Die reutende Batterie als für unbrauchbar erklärt, bleibt mit seiner Bedeckung und Bespannung in der gewöhnlichen Marschordnung.

3. Die Truppen werden zu Vermeidung aller Exzeße militairisch eskortirt.

4. Auf 3. Marschtage erfolgt den vierten jedesmal ein Rasttag, – die zurückzulegende Station wird im Durchschnitte zu 2. Meilen angenommen.

5. Der Genuß in jedem Nacht und Rastquartiere wird sogleich ehe sich noch die Truppen aus selbigem entfernen, liquidirt, und darauf den Quartierträgern von einem k.k. österreichischen Commißair, der sich jedesmal im Hauptquartier der durchmarschirenden Truppen befinden wird, sogleich ausgezahlt werden. Deshalb wird der sächßische Hof dem österreichischen eine hinlängliche Summe in Wechseln überweisen, um diese Vergütung davon bestreiten zu können.

6. Außer der Entschädigung für die verabreichten Rationen und Portionen, wird für jeden Mann noch täglich 1. Kreuzer Schlafgeld, und 1. Kreuzer für Vorenthaltung des nöthigen Geschirres entrichtet.

7. Offiziere bezahlen täglich für eine ungeheizte Stube 30. [139] Kreuzer, und für eine dergleichen geheizte 60. Kreuzer oder 1. Gulden. Wohnen aus Kameradschaft oder Bequemlichkeit mehrere Offiziere in einem und demselben Zimmer beisammen, so wird demohnerachtet von jedem Officier obiger Betrag für sein Unterkommen an den Quartierträger entrichtet.

Dies waren im Wesentlichen die Hauptpuncte dieser Übereinkunft, die uns zwar endlich wieder zum Ziele und ins Vaterland zurückbrachten, die aber auch mit einem damit verbundenen großen Umwege, dem damals schon so viel belästigten Staate einen sehr bedeutenden Aufwand verursachten. Die Verpflegung, die wir nach Verschiedenheit der Provinzen die wir paßirten, vorschriftsmäßig genoßen, war zwar nicht spärlich und nach dem Buchstaben berechnet, auch die Aufname, die uns in unserer abgerißenen, und übrigens ganz dürftigen Lage wiederfuhr, äußerst zuvorkommend, human und mitleidsvoll, doch war die Entschädigung für die uns verabreichten täglichen Lebensbedürfniße, von denen mir das nähere Detaille entfallen ist, auch über die gewöhnliche Militairtaxe, und für diesen besonderen Fall, auch besonders günstig für die betreffenden österreichischen Unterthanen eingerichtet. Einen bedeutenden Kostenaufwand verursachten besonders die vielen Fuhren, die zum Transport der Gewehre entnommen werden mußten. – Wir legten durch einen Theil der österreichischen Staaten und namentlich durch Ostgallizien, österreichisch Schlesien, Mähren und Böhmen, bis nach dem Grenzorte Peterswalde 82. deutsche Meilen zurücke, auf welcher weiten Strecke die Bespannung größtentheils schlecht, und die Wagen nach pohlnischer Art, öfters klein und enge waren. Hätte man zur Wiederformirung nicht schleunigst Waffen gebraucht, oder es als entehrend angesehen, uns zum Theil unbewafnet [140] das Vaterland wieder betreten zu laßen, so würde es für den Staat weit vortheilhafter gewesen sein, wenn man diese zum Theil schadhaften, zum Theil aber auch ganz unbrauchbaren Gewehre bei Cracau in den Weichselstrom versenkt hätte, denn das Fuhrlohn überstieg den Anschaffungspreis bei weiten, den diese Armatur früher bei seiner Herstellung neu gekostet hatte.

     Die Stimmung an der obern Weichsel, war troz des Sinkens des franzößischen Waffenruhms und der Nähe der rußischen Truppen, noch nicht so ungünstig als in den übrigen pohlnischen Provinzen. Man entrichtete die geforderten Natural-Lieferungen, gegen bloße Quittung auf 2. und 3. Jahre in avanco verschrieben, willig und ohne alle Zwangsmittel, ob man schon wußte, daß ihnen dieses Guthaben nichts nüzen konnte, weil die künftigen ArmeeBedürfniße ihnen gegen Nichtbeachtung der früheren Bescheinigungen, doch auch wieder aufgebürdet werden würden.

Aufbruch von der obern Weichsel, und Rückmarsch nach Sachsen.      Es war den 16. April 1813 am Charfreytage, als den Jahrestag des Ausmarsches aus Sachsen, wo der Befehl einging, durch die österreichischen Staaten ins Vaterland zurückzukehren.

     Den 17. April marschirten wir von Oblekon ab, – paßirten Nowemiasto und die Nidda – tags darauf Opatowice wo eine (geschlagenen) österreichische Schiffbrücke über die Weichsel geschlagen, und defillirten am 19ten April als dem zweyten Osterfeyertage in Parade durch Cracau, den damaligen Hauptquartiere des Fürsten Poniatowsky. Wenn ich sage in Parade, so ist hierunter keinesweges dasjenige elegante, gleichmäßige und probeförmige Ajoustement, so wie überhaupt jenes Lüstre[222] zu verstehen, was diesen Tagen sonst so besonders eigen ist, – dies war in jenem Zeitpuncte, [141] wo man froh war nur seine Blöße bedecken zu können, nicht möglich, sondern blos von Ablegung so manchen fremden Kleidungsstückes, was bisher für die Witterung Schuz, und für die durchwachten Nächte mehr Bequemlichkeit darbot, als Pelze, lange Bauerröcke, Pelzmüzen, war hier die Rede, welche überdem eine eingetretene gelindere Witterung unnütz machte, insoferne das eigentliche Montirungsstück selbst nicht gänzlich mangelte.

Crakau.      Cracau liegt eben am dies- und jenseitigen Weichselgestade erbaut, und hat wenigstens von der Seite die wir paßirten und wo wir unsern Sammelplaz hatten, eine schöne Umgebung von Alleen, durch die Kunst angelegte Gärten und angenehmen Sommerwohnungen. –

Cracau bestehet eigentlich aus drey zusammengebaueten Stadttheilen, wovon die am linken Ufer liegenden Sendomir und Cracau, und der am rechten Ufer liegende Theil Podgorce heißt. Eine hölzerne Pfeilerbrücke über die hier noch unbedeutende Weichsel, verbindet diese Stadttheile miteinander. Die Straßen die wir paßirten waren breit und zum Theil mit modernen Häusern und Pallästen besezt, überhaupt aber freundlich und ins Auge fallend. Die Erdgeschoße der Häuser enthielten größtentheils Gewölber, die aber während den jezt bestehenden Osterfeyertagen geschloßen waren. –

     Die Weichsel scheidet hier beyde Gallizien, und wir nahmen für heute Quartier in Raisko bei Wilizka in Ostgallizien, wo wir den 20. April rasteten, und durch Einpacken und Verladen der Gewehre auf Wagen, uns zu den bevorstehenden Eintritt in die österreichischen Staaten vorbereiteten.

Salzsteinbergwerk Wilizka in Ostgallizien.      Ich benuzte die Gelegenheit und diesen Ruhetag dazu, um das so ganz in unserer Nähe gelegene Steinsalzbergwerk Wilizka als eine der größten Naturmerkwürdigkeiten unserer Zeit in Augenschein zu nehmen, wozu der damalige, sächßischerseits hierbei angestellte [142] Bergdirector Uhlemann seinen Landsleuten nicht nur äußerst bereitwillig die Erlaubnis ertheilte, sondern uns auch einen BergAcademisten als Führer und Begleiter noch mitgab.

     Wilizka ist ein kleines unbedeutendes Bergstädten, auf mehreren Hügeln gelegen, ganz unterminirt, und lebt, weil seit den Friedensschluß 1809. sich hier die österreichisch gallizische von der vormaligen herzoglich warschauischen Grenze scheidet, meist vom Schleichhandel und der Bergarbeit. Das sehr weitläufige und einem alten Schloße gleichende AdministrationsGebäude war ebenfalls getheilt, und obschon das Werk nach wie vor dem gedachten Friedensschluße noch im Ganzen, und nicht zu jeden Antheile besonders bearbeitet ward, so waren zu Wahrnehmung und Aufrechthaltung beider Gerechtsame, dennoch von jedem Landestheile besondere Administratoren und Expedienten angestellt, die sich gegenseitig controllirten, und den sich ergebenden Überschuß theilten und einrechneten. –

Die künftige Dauer des Herzogthums Warschau war damals schon schwankend, und Österreich sahe sich mit einem gewißen Vorgefühl schon wieder in den alleinigen Besitz dieses so bedeutenden Regals zurückversezt, kein Wunder war es daher, daß die collegialischen Verhältniße der bei beiden Theilen angestellten Unterbehörden, jezt gespannter und kälter sich zeigten, als aus leicht zu ergründenden Ursachen, es bisher schon der Fall gewesen war.

     Ob man schon durch einen außerhalb der Stadt getriebenen Stollen zur sogenannten ersten Etage dieses Werks gelangen kann, (denn das ganze Salzsteinbergwerk bestehet aus mehreren auf einander ruhenden Stockwerken) so fand es unser Führer zu einer beßern Ansicht doch für zweckmäßiger, uns auf den großen Schacht in selbiges einfahren, oder vielmehr hinuntergleiten zu [143] laßen. Der Schacht mochte ohngefähr gegen 24. Ellen Weite (oder 6. Ellen im □) enthalten, und war mit einer Decke von zusammengefügten starken Bohlen versehen, so daß man in der Mitte blos eine ausgeschnittene Öfnung entdeckte, um ein Armdickes, auf einer darüber befindlichen Welle aufgewickeltes Seil zum heraufziehen und hinunterfahren durchgleiten zu laßen, neben an war eine Maschinerie von mehreren Kammrädern in welcher Pferde gingen, um die Lasten die zu Tage gefördert werden sollten, heraufzuziehen. – Ehe wir selbst zu unserer Hinabfahrt anschickten, wurden wir in einer Stube mit leinenen Oberkleidern, ganz in Form der fränkischen Fuhrmannshemden oder Kittel, zum Überwerfen versehen, deren eine Zahl für besuchende Fremde in verschiedener Größe und Güte immer vorhanden ist, um die eigentliche Kleidung durch das an manchen feuchten Stellen heruntertropfender Grubenwaßer nicht durchnäßt, oder wohl gar fleckigt werden zu laßen. Nachdem dies geschehen war, begaben wir uns wieder zur Mündung der Schacht, wo bereits 4. erwachsene Jungens mit Grubenlichtern und starken Stökken versehen, unserer warteten.

     Am Ende des starken Seils waren mit starken Strängen Sitze aus breiten Gurten mit Rücklehnen angebracht, in welche sich die erwähnten 4. Jungen einsezten. Die Decke unter ihnen zurückgezogen, schwand nun, und sie traten als die Spitze unserer Carawane, die Fahrt in die Unterwelt an. Nachdem sie ohngefähr einige Ellen in den Schacht hinabgesenkt waren, wurde die Decke über selbige wieder zusammengezogen, und andere dergleichen, an den Seile befestigten Size harrten unserer. Wir sezten uns ein, rückten uns in unserer neuen unbequemen Lage zurechte, die umstehenden Zurückbleibenden wünschten uns eine glückliche Reise, und so, wie vor dem Beginn einer Comedie, der strahlende Kronenleuchter sich allmählig von der Decke in das Parterre herunterläßt, [144] und mit seinen Schimmer die noch düstere Umgebungen erhellet, ebenso mahnte mir unsere Abreise in diese kleine Unterwelt, denn wir hingen in 2. Abtheilungen grade so wohl geordnet um das starke Seil herum, wie die krystallenen Verzierungen und Ärme um den Kronleuchter, und den untenstehenden Bewohnern dieser kleinen Colonie muß unsere immer nach und nach erfolgte schimmernde Herabsenkung gerade so vorgekommen sein, als dem harrende Publico im Theater das Erscheinen jener glänzenden Beleuchtung. Unsere Size waren übrigens nicht so gefahrvoll als sie es anfänglich schienen, denn durch die Schwere schmiegten sich die Stricke und Gurte so feste um den Körper zusammen, daß ein vorwärts Herausfallen nicht gut denkbar war, und im Rücken diente der breite Quergurt und das starke Seil als Stüze, nur für schwindliche Personen war das beständige Drehen der ganzen Gesellschaft um einen Kreis unbehaglich, welches daher entstand, weil das starke Seil welches nur aus 2. zusammengedrehten Strehlen bestand, bei den Abwikkeln von der oberen Welle diese kreisförmige Bewegung hervor brachte. Die unter uns befindlichen 4. Jungen verminderten mit ihren vorgestreckten starken Stöcken noch in etwas dieses unbehagliche Herumdrehen, und vermieden durch das Anprallen der Stöcke gegen die abgeschärften Steinwände, daß nicht unserm Körper selbst ein dergleichen unsanfter Druck zu Theil wurde.

     Nach einigen hundert zurückgelegten Ellen auf dieser Fahrt, betraten wir in der sogenannten ersten Etage wieder festen Boden, und wurden von mehreren hier anwesenden Personen nicht nur als neue Ankömmlinge in ihrer unterirrdischen Colonie begrüßt, sondern mehrere erwachsene Kinder boten uns auch schon verschiedene, von ihnen aus durchsichtigen CrystallSalz verfertigte niedliche Kleinigkeiten, als Tische, Stühle, Kanonen und andere Figuren, von der Größe mittler Perloqques als Rückerinnerung an diese unterirrdische Reise, zum Kauf an. [145] Nachdem wir diese befestiget, traten wir unter Voraustragung der Grubenlichter und Begleitung unsers Führers die weitere Fußreise in diesem bereits mehrere Stunden lang ausgedehnten Werke an, wo unser Begleiter vermöge der speziellen Kenntnis nicht unterließ, uns auf diejenigen Puncte der Oberfläche aufmerksam zu machen, unter denen wir uns in diesem Augenblicke eben befanden, als z.B. der Kirche, dem Marktplaze von Wilizka u.s.w.

Die merkwürdigsten Gegenstände in dieser ersten Etage waren folgende:

1.) Die in Salzstein mit Altar und allen seinen übrigen Verzierungen aus dem Ganzen ausgehauene Kapelle, worinnen zu Zeiten noch Meße gelesen wird. Der vormalige König Siegismund von Pohlen mit seiner Gemahlin knieten in einiger Entfernung vor dem Altare in Lebensgröße. – Der Stoff zu beiden war vom schönsten weisen SalzCrystall, der so rein und durchsichtig war, daß man dahinter den Schimmer eines davorgestellten Lichtes deutlich wahrnehmen konnte.

2.) Ein auf Säulen ruhender gedielter hoher Saal, der in die 20. tanzende Paare faßen konnte, mit einem erhaben angebrachten Orchester, an welchen im Transparent 2. übers Kreuz gelegte Berghauen mit dem deutschen Motto: Glück auf! befindlich waren.

3.) Ein beträchtliches Heu und StrohMagazin und

4.) Ein Pferdestall zu 12. Pferden, deren Bestimmung ist, das in weiter Entfernung gebrochene Steinsalz bis zum nächsten Schacht zu bringen, wo es als denn in Kübeln oder Fäßern zu Tage gefördert wird. Bei meinen Daseyn bestanden diese Pferde aus 12. wohlgenährten Apfelschimmeln, die jedoch, wie alle Pferde die das Schicksal haben, hieher zu kommen gänzlich erblindet waren. Da an diesen Tage als den dritten Osterfeyertage gerade nicht gearbeitet ward, so trafen wir die Hälfte davon im Stalle an, während die übrigen 6 sich an der Tränke befanden. Auch hier im Verborgenen hat die weise Vorsehung so gütig gesorgt, daß dieses stunden– ja mitunter meilenlange Werk aus lauter Salzsteinfelsen bestehend, dennoch eine Ader süßen Waßers durchströmt, an welches diese Pferde, wenn sie erst eingewohnt [146] sind, je 2. und 2. mit den Halftern zusammengekoppelt, zu gewißen Tageszeiten ganz allein in die Tränke geschickt werden, obschon dieses süße Waßer gegen 1/4. Stunde von der Stallung entfernt ist, und mehrere Kreuz- und Querwege zu denselben führen. Wir trafen später auf diese zurückkehrenden Pferde, und sie gingen paarweise so ruhig und gedultig hintereinander in ihren Stall zurück, als wenn sie von Jemanden dahin geleitet würden.

     In der zweyten Etage zeichnete sich ein, von zusammengelaufenen abgeträufelten Salzwaßer gebildeter tiefer See aus, der einen weiten Keßel ausfüllte, und wohl an 10. bis 12. Ellen tief war. Da eine an einen Seil gehende Fähre die Verbindung jenseits unterhielt, so kann man schon leicht auf seinen Umfang, und daß er nicht blos der Seltenheit wegen angelegt worden, schließen. Er enthält die stärkste Sohle, die ohne weiteres Gradiren sogleich versotten werden könnte, wenn man sie benuzen wollte. Unser Fährmann versicherte, daß wenn man auch das Unglück hätte hineinzufallen, dieses Waßer wegen seiner Schwere Niemanden sinken ließe. Er habe diese Bemerkung auch einmal dem bekannten rußischen General Subarow mitgetheilt, als er dieses Werk besucht habe, und dieser habe, um sich von der Wahrheit zu überzeugen, seinen Kammerdiener befohlen hineinzuspringen, welche ohne alle Bewegung federleicht oben aufgeschwommen wäre. – Wer sollte in einer Tiefe von 500. Ellen hier wohl eine dergleichen Waßerparthie vermuthen? – Mich mahnte das nachtvolle unterirrdische Dunkel an den Fluß Styx und wenn ich unsern alten weisbärtigen pohlnischen Fährmann als den Charon noch hinzufügte, so konnte ich kein treffenderes Bild finden was mir jene mythologische Reise in die geträumte Unterwelt beßer hätte versinnlichen können als dieses.

     Die ferneren Etagen boten weiter keine besonders ins Auge fallenden Merkwürdigkeiten dar. Daß übrigens zwischen jedem Stockwerke ein Raum von einigen hundert Ellen in seiner wahren Urgestallt liegen bleibt, um dem ganzen Haltbarkeit und Stüze zu geben, kann man leicht denken. [147] Von der ersten Etage an, machten wir unsere Fußwanderungen in die übrigen Stockwerke, bald auf eingehauenen Stufen, bald auf abwärts laufenden Verbindungswegen, die sich hier in einer solchen Menge durchkreuzen, daß ein Unbekannter sich allein überlaßen, schwerlich sich aus diesem Labyrinthe wieder an das Tageslicht zurückfinden würde, und dennoch machen die Bewohner dieser unterirrdischen Colonie ihre Geschäftsgänge alle im Dunkeln. – Unvorhergesehen und ohne das mindeste Geräusch schlüpften sie gleich Geistergestallten an uns vorüber, und hätte uns Staunenden nicht oft erst ihr Gruß aufgeschreckt, so würden wir gewiß viele von ihnen nicht einmal bemerkt haben.

     Sämmtliche Verbindungswege, bestehen so viel nur thunlich gewesen aus gradelaufenden 3. bis 4. Ellen breiten Gängen, mit lothrecht zugespitzten Wänden, welche von den Grubenlichtern beleuchtet, wie mit Edelsteinen garnirt, glänzen. Der Fußboden ist mit Bohlen belegt, um das Austreten und Ausfahren deßelben zu verhindern. Rechter und linker Hand dieser Gänge, befinden sich nun die sowohl bereits schon früher ausgearbeiteten als auch noch gangbaren Brüche, gleich hohen weiten Kirchenhallen geformt, nach der Terminologie der Bergleute hier Kammern genannt, deren jede, um sie zu unterscheiden, ihren besonderen Namen führt; So findet man z.B. nach den vorgewesenen neuesten TagesEreignißen, eine Kammer von Moskau, eine von Mosaisk[223], von Friedland, preußisch Eylau, u.s.w.

     Um bei diesen weiten ausgehauenden Räumen, durch den obern Druck das Senken oder Einstürzen derselben zu verhüthen, waren selbige mit Pfeiler unterstüzt, die in den früheren Zeiten, von, im Quatrat aufgeschränkten starken Baumstämmen, und in den neuern Zeiten, von aufeinandergesezten zugehauenen Quatern von Salzstein, angebracht und aufgeführt waren.

     Waren die frühern Pfeiler von Holz, – hier Kasten genannt, – vermöge des Luftzuges, und der die Fäulniß hindernden Salzauflösung gleich noch frisch und unversehrt, so verriethen die starken Quetschungen an dem Holze, besonders an den Enden, wo die Stücke im Kreuz sich berührten, und ganz flach [148] zusammengepreßt aufeinander lagen, dennoch den obern allmähligen Druck, der, ohnerachtet der starken NaturScheidewand, hier statt fand und sich an den Tag legte.

     Die Gewinnung und das Brechen dieses Steinsalzes geschiehet, indem man mit langen Spitzhauen an den Wänden herunter tiefe Einschnitte in beliebiger Entfernung, so breit man diese Salzstücke haben will, neben einander macht, und diese Wände dann mit Keilen, von der äußersten Seite her, von den Felsen lostrennt, worauf diese Stücke im länglichen Viereck noch etwas glatt zugehauen, der Abgang in Fäßer geschlagen, und beide durch die Schächte so zu Tage gefördert, und in großen Magazinen bis zur weitern Versendung aufbewahrt werden.

     Über den weitern Verkehr mit diesen Artikel ist pag 24. unter den Producten Pohlens bereits das nähere gesagt worden.

     Dieses große ungeheure Werk, ist ohnerachtet seiner sich so leicht auflösenden Substanz, dennoch an sich selbst trocken, wozu der herbeigeführte Luftzug, vermöge der vielen Verbindungen mit den zu Tage führenden Schachten und Stollen, gewiß nicht wenig beträgt. Außer der berührten salzigen See, stieß ich nur noch auf einen beträchtlichen Behälter solchen abgeträufelten Waßers, welches in einen großen ledernen Sacke von zwey zusammengenäheten Rindshäuten, – die rauhen Seiten nach außen gekehrt, – geschöpft, und in einen darüber angebrachten Schacht hinaufgezogen und ausgeleert wurde.

     Nachdem wir in diesem unterirrdischen Labyrinth, soviel es die Zeit erlaubte, alles Merkwürdige besehen, und, um den großen Umwegen durch die Gänge zu entgehen, die untern Stockwerke bergmännisch auf Fahrten, das ist, auf an einander gesezten Leitern bis zur obern Etage zurückgelegt hatten, wurde unsere Hinauffahrt wieder auf die nämliche Weise, und auf den nämlichen Schacht, wie hinuntergeschehen, bewerkstelliget, und wir betraten nach einer Abwesenheit von Vier [149] Stunden, die Oberfläche wieder, mit der frohen dankbaren Empfindung, von Gottes milden Sonnenlichte wieder umstrahlt zu werden.

     Das ganze hier Beschriebene muß an Ort und Stelle selbst gesehen und empfunden werden, um sich einen wahren Begriff von der Größe und Kühnheit eines Werks zu machen, was Staunen und Bewunderung zugleich erregt. Worte sind nicht hinreichend, diejenigen Gefühle zu schildern, die sich bei einer solchen unterirrdischen Wallfahrt, dem Wanderer unwillkührlich aufdringen, und in fernern Verfolg seiner Reise, sich endlich seiner ganz bemeistern.


Eintritt in die K. K. österreichischen Staaten.      Nachdem zu Formirung dreyer provisorischen Escudrons im Lande am 3. Martz 1813 bereits 5. Subalternoffiziers nach Sachsen zur Dienstleistung abgegangen, und außer einigen Verstorbenen, noch verschiedene Mann in österreichischen Hospitälern krank zurückgeblieben waren, brach die combinirte Escudron Husaren am 21. April mit einer Stärke von 133. Mann und eben so viel Dienstpferden von Raisko wieder auf, und betrat eine halbe viertel Stunde von Mogelany die k. k. ostgallizischen Staaten. Eine Escudron österreichischer leichter Reuter, auf der Chaussee in einer Doppelreihe formirt, erwarteten bereits unsere Ankunft, und nachdem die zurückgehenden sächßsichen Truppenabtheilungen solche in Maße passirt hatten, schloß sich selbige als ausbedungene Militair-Eskorte am Ende des Zuges an, doch geschahe diese Begleitung nur formell, denn nachdem der GenMaj. v. Gablenz sein Ehrenwort von sich gegeben, den in der Convention ausbedungenen Artikeln genau nachzukommen, und übrigens die strengste Mannszucht zu halten, rückte diese österreichische Begleitung wieder in ihre in der Nähe befindlichen Standtquartiere, wir aber vor heute in Wola Radziczowska ins Nachtquartier ein.

     Den 22. April übernachteten wir in Sorzice wielky bei Landskrone, und den 23ten in Klezza vor Wadowice, passirten nach gehaltener Rast am 25ten auf einer Schiffbrücke die Scapa, so wie die Städtchen Wadowice und Andrichow, und verließen am 26.ten gedachten Monats [150] nachdem wir hinter Kenty die Sola auf einer Schiffbrücke ebenfalls zurückgelegt hatten, Ostgallizien.

Österreichisch Schlesien     Die beiden Städtchen Biala und Bielitz trennt die Biala. Beide Stadttheile scheinen nur einen durch das Waßer von einander getrennten Ort auszumachen, und doch ist ihre Lage selbst, vorzüglich in geographischer Hinsicht so verschieden, denn so wie man Biala in Ostgallizien gelegen, verläßt, und über die hölzerne Brücke die beide Städte verbindet, in Bielitz eintritt, hat man Ostgallizien im Rücken, und befindet sich auf österreichisch schlesischen Boden.

     Die Gegend die wir zurücklegten war romantisch schön, meist eben, mit mehreren kleinen Flüßchen und Bächen durchschnitten, und mit einer Menge Dörfer und kleinen Landstädtchen gemischt, durch welche eine schöne Chaussée, die nach Wien führende sogenannte Kaiserstrasse sich hinwindet, auf welcher wir bis nach Mähren, tagtäglich unsern Marsch fortsezten. Linker Hand begleiteten uns eine große Strecke Weges, die zwischen Ungarn die Scheidewand bildenden majestätischen Carpathen, die in weiter Ferne sich endlich in den Wolken zu verliehren schienen. Zu den Angenehmen unsers Marsches gesellte sich übrigens noch eine angenehme milde Frühlingswitterung, so, daß wir am 26. April bereits von den ersten Gewitter begrüßt wurden.

Österreichisches RecrutirungsSystem, und politische Lage seiner Einwohner.     Der österreichische Hof, der sowohl durch die Annäherung der Rußen gegen die Elbe, den Krieg sich seinen Erbstaaten nähern sah, als vielleicht auch schon im voraus eine Änderung in seiner bisherigen politischen Stellung beschloßen hatte, hob zu jener Zeit, zur Ergänzung seiner Linientruppen und Aufrichtung der Landwehrregimenter eine große Anzahl junger Leute aus, von denen viele durch Überschreiten der so nahen Landesgrenzen sich ihrer Militairpflicht zu entziehen suchten. Um diese zum Rücktritt zu zwingen, bemächtigte man sich bis zur freiwilligen Selbstgestellung, ihrer Ältern und nächsten [151] Anverwandten, und nicht selten begegneten uns auf unsern Marsche ganze Carawanen solcher oft aus alten abgelebten Greisen und Müttern bestehenden Geiseln, die mit Stricken paarweise an eine lange Leine gereiht unter militairischer Eskorte bis zum nächsten Districtsorte abgeführt wurden. Ob Kindesliebe über Freiheit, und Abneigung gegen einen gezwungenen Stand zum öfteren gesiegt haben mag, laße ich dahin gestellt seyn, doch bin ich fast überzeugt, daß Schrecken und Harm, der beschwerliche Transport, ein beschränktes nächtliches Lager verbunden mit einer zu frugalen Kost, und eine gewiß nicht allemal glimpfliche Behandlung, bei Mehreren dieser unverschuldet Unglücklichen einen früheren Tod herbeigeführet hat, als es außerdem der Fall gewesen sein würde.

     Die damals im größten Schwancken begriffene Politik Österreichs, legte, durch die rückgängige Bewegung Napoleons und seiner Verbündeten bewogen, in die eine Waagschale die so nahe Blutverwandschaft mit Frankreich, und die deshalb schuldige Unterstüzung und Aufrechthaltung einer angebeteten österreichischen Prinzeßin auf einen der ersten Throne Europas, – in die andere hingegen die nicht ungewiß scheinende lockende Aussicht, durch thätige Mitwürkung zum Sturze eines als Erbfeind betrachteten Usurpators, zum Wiederbesize so vieler vom Mutterlande gewaltsam losgerißener Provinzen wieder zu gelangen. Diese schwankende Politik theilte sich damals jung und alt, und Personen aus allerley Claßen und Ständen mit, ja nicht selten sah man in den Schenk-Häusern und öffentlichen Vergnügungsorten, die aufgereizten und erhizten Gemüther ihre oft im größten Widerspruche stehenden Meinungen thätlich vertheidigen, so daß bei diesen politischen Kannengießereyen oft dann noch Blut floß, wo indeßen auf den großen KriegsSchauplaze schon Einleitungen zu den Waffenstillestande und einen gewünschten Frieden getroffen wurden.
[152]      Er kam zu Plischkowitz zwar auch am 4. Junii zu Stande, nichts desto weniger zweifelte man aber auch damals schon im voraus, daß eine wirklich eintretende Waffenruhe, außer einer bezweckten Erhohlung und Ergänzung der Heere, einen wircklichen und dauerhaften Frieden zur Folge haben würde, weil Napoleons Heere auf der einen Seite wieder Zuwachs und beträchtlichen Terrain gewonnen hatten, und Rußland mit Preußen verbündet, und auf den Beitritt Österreichs bauend, ohne bedeutende Opfer selbigen Frankreich nicht zugestehen würden.

     Das Wiener Cabinet kannte bei der getheilten Stimmung der Unterthanen, das Schwierige seiner Lage nur mehr als zu gut, um daher sein künftiges Benehmen, im Verein mit der öffentlichen Meinung gleichsam abzuwägen, wurden auf besondere Veranlaßungen auf den stehenden Theatern nicht nur patriotische Stücke aufgeführt, an welchen die Meinung des Volks sich brechen mußte, sondern die öffentlichen Behörden waren auch privatim aufgefordert worden, die in den verschiedenen Provinzen des Landes herrschenden Volksstimmungen über die politische Lage Österreichs für oder wider Frankreich, ohne wegen den etwanigen Verstoß mit der Hofmeynung darüber, im geringsten gefährdet zu seyn, unmittelbar einzuberichten. – So weit ging die Vorsicht Österreichs, ehe es sich in ein Spiel mischte, welches bei getheilten Intereße für ihn weniger gewagt, als für das Ganze von dem größten Belange und entscheidend war.

     Vom 27. April bis zum 9. Maii 1813 paßirten wir nachstehende meist unbedeutende Städte und kleine Flecken, als Skotschau, Teschen, Friedeck, Freyberg, Neuditschein, Weiskirch, Drakotusch, Leipnick, Kojetein, Ewanowitz und Schwubenitz und überschritten zugleich folgende Flüße und Gewäßer von bald mehrern bald minderen Belange, als: bei Skotschau [153] die in ihren ersten Entstehen, nur einem starken Bache ähnliche Weichsel, hinter Teschen die Olza, hinter Friedeck die Ostrowitz, bei Freyberg die Luwina, vor Kojetein die Margg, und bei Ewanowitz die Hanna.

     Die leztere Gegend bereits in Mähren gelegen, bewohnt ein wendischer Volksstamm, von den Flüßgen Hanna, gewöhnlich Hannaken genannt. Sitten und Kleidung ist ganz die der Altenburger, nur ähneln die Weibspersonen hinsichtlich ihrer hochrothen Strümpfe mehr den oberlausizer Wenden, nur mit dem Unterschiede, daß ein solcher, mehrere Ellen langer Strumpf, in lauter gepreßte und aneinander gereihete Ringelfalten gelegt ist, wodurch bei der kurzen Rocktaille, ein solcher außerdem schon fleischigter und muskulöser Unterschenkel noch mehr verdickt, und fürs ungewohnte Auge verunstaltet wird.

Mähren.      Zwischen den Stadtchen Misteck und Freyberg betraten wir Mähren ohne weitere sehr ins Auge springenden Unterschied der Landesart, als daß nach einigen zurückgelegten Märschen der Anbau des Weinstocks häufiger, und das aus selbigen gewonnene Product, das gewöhnliche Getränk dieser Provinz wurde. Die für unser Ohr so wohlthuende deutsche Muttersprache war bereits seit österreichisch Schlesien wieder an die Tagesordnung getreten.

     Der während des Feldzuges 1812 und 1813 in Pohlen und den rußisch pohlnischen Provinzen, durch die rauhe Jahreszeit und den Mangel an warmen Speisen und Getränken, nur allzuhäufig gewordene Genuß des dasigen starken Brandeweins, der nur leider fürchten lies, bei Winter künftig zur zweyten Natur zu werden, schwand durch die abwechselnden provinziellen Getränke so allmählig, daß eine Selbstentwöhnung die Natur bald wieder in das alte Gleis zurückführte, ohne nachtheilige Folgen für den menschlichen Körper zurückzulaßen. Der in österreichisch Schlesien übliche Kartoffelbrandewein von sehr wenigen Gehalt und schlechten süßlichen Geschmack, mundete schon weniger als der [154] gute gallizische Kornspiritus und widerstand schon zum Theil der verwöhnten Zunge. – Der in Mähren zu geringen Preisen übliche Landwein, ließ solchen außer den Frühstück schon ganz vergeßen, späterhin löste dieses Getränke das gute böhmische Bier ab, und so erreichten wir die vaterländischen Grenzen wieder, wo mit alter Sitte und Gewohnheit, auch sehr bald wieder einfacherer Genuß und die vorige Ordnung zurückkehrten. Nur bei sehr wenigen äußerte sich in der Zukunft noch eine schwer zu befriedigende Lüsternheit nach einen Getränke, welches bei einen Übergenuße gleich nachtheilige Folgen für den Geist und für den Körper zurückläßt.

     Vom 21. April bis zum 4ten Maii passirten wir unausgesezt die nach Wien führende schone Chaussée die Kaiserstraße genannt, gleich wohlthuend für uns und unsere meist abgetriebenen Pferde, nur vom 5ten Maii an hinter Leipnick verließen wir selbige und wendeten uns rechts nach Brünn zu, weil unsere Bestimmung nach Bayern lautete, wo der sächßische Hof mit den wenigen an den Feldzug nicht Theil genommenen Regimentern und Depots damals sich aufhielt.

     Den 9. Maii übernachteten wir in Kodiegitz-Nimtschau dicht vor Austerlitz, und da wir am 10ten. rasteten, so wendete ich einige Stunden an, um diesen im Jahre 1805, wegen der hier gelieferten so folgereichen Schlacht, in der Geschichte berühmt gewordenen Ort in Augenschein zu nehmen.

Austerlitz.      Austerlitz liegt eben, in einer ausgedehnten schönen Aue, und ist nur von der einen Seite in einiger Entfernung mit bedeutenden doch sanft anlaufenden Anhöhen umgeben, die damals von den rußischen Garden besezt, von den Franzosen aber mit Sturm genommen wurden.

     Die Stadt selbst ist als kleines Landstädtchen unbedeutend, merkwürdiger hingegen ist das dasige Schloß, dem Fürsten Kaunitz gehörig, [155] sowohl hinsichtlich seiner Bauart, als der daselbst geschloßenen Präliminarien, zu den nach der Schlacht verabhandelten Waffenstillestande und den kurz darauf zu Presburg geschloßenen Frieden.

     Das Schloß an und vor sich, ist zwar nicht modern erbaut und decorirt, doch aber merkwürdig hinsichtlich seiner Bauart, indem seine weitläufigen unterirrdischen Behältniße beinahe eben so viel Tiefe und Raum und Gelaß enthalten, als die über der Erde befindlichen, und doch dabei helle und trocken sind. Das Schloß enthält einen geräumigen Vorhof, unter welchem mit dem eigentlichen Schloße durch Treppen und Gänge verbunden, sämmtliche Küchen, Speise-Vorrathsgewölbe und dergleichen enthalten sind, die durch horizontal angebrachte große Fenster, über welche erst Drath- und hernach noch eiserne Gitter mit einer erhabenen steinernen Einfaßung vor eindringendes Waßer und sonstige Entschädigungen angebracht sind, das nöthige Tageslicht erhalten. Noch war das Zimmer mit eben den Tischen Stühlen u. übrigen Meubles wie damals, unversehrt erhalten, in welchen die Abgeordneten jener hohen Mächte dies wichtige Werk begannen und zu Stande brachten, doch zeigte uns auch der Castellan zugleich in selbigen einige gleich nach der Schlacht durch Feindeswuth und Plünderungssucht in die Tapeten gemachte Verlezungen durch Musketenkugeln, weil man dahinter verborgene Behältniße mit Kostbarkeiten und Werth angefüllt, vermuthet hatte.

     Der 11.te Maii führte uns auf unsern fortgesezten Marsche durch Austerlitz und durch die weitläufige dahinter gelegene Fläche, auf welcher eine der folgereichsten Schlachten geliefert wurde. Um uns jene Schlachtscenen gleichsam vom neuen zu versinnlichen, begleitete uns diesen ganzen Vormittag ein Gewitter, wobei das Rollen des bald nahen bald entfernten Donners den bei einer Schlacht würkenden Geschüz- und kleinen Gewehrfeuer so ähnlich war.

     Die äußerst flache Gegend ist mit vielen Teichen durchschnitten welche durch breite Dämme und Teichhäuser miteinander verbunden sind.
[156]      Zur Zeit der Schlacht mit Eis belegt, und den Unkundigen der Gegend wegen der darauf gefallenen Schneemaße als fester Boden erscheinend, fanden viele der durch das feindliche Feuer hierauf Getriebenen ihr Grab, und noch sah man die Würkungen des Geschüz- und kleinen Gewehrfeuers an den Wänden und eisernen Wetterfahnen, der hin- und wieder stehenden Teichhäuser, welche durch Kartätschen durchlöchert und zum Theil sehr beschädiget waren. Das Schlachtfeld selbst, war bedeutend groß, und wir brachten beinahe den ganzen heutigen Marsch zu, ehe wir es zurücklegten.

     Die in ziemlicher Ferne hervorragende Festung Spielberg bezeichnete uns die Gegend Brünn, wir ließen selbige rechts liegen, berührten die Städtchen und Flecken Selowitz, Medlau, Pralitz, Krumau, Daleschütz, Jermeritz, Budwitz, Datschütz, Königseck, überschritten zugleich bei Selowitz die Schwarze und bei Pralitz die Iglau, und betraten den 19. Maii ohnfern Königseck, das Königreich Böhmen.


Böhmen.      Der GeneralMajor von Gablenz ging den 15. Maii auf erhaltenen Befehl über Prag zum Corps ab, und der Oberste und Commandant des HusarenRegiments v. Lindenau, übernahm als nächster Staabsoffizier das Commando der Colonne. – Die erhaltene Marschroute, nach welcher wir uns zeithero dirigirten, lautete bis Neuhaus in Böhmen, wo wir am 20. Maii eintrafen, und in Riegerschlag und Neudeck Nachtquartier hielten. Den 21.ten wurde, ohnerachtet es ein Marschtag war, abermals gerastet, indem die fernere Marschbestimmung noch nicht eingegangen war, sie langte endlich an diesen Tage noch an, und lautete

den 22. Maii nach Wesseley.
" 23. " " Moldau Thein.
" 24. " " Wodnian.
" 25. " " Strakonitz.

[157]

den 26. Maii. Rast.
" 27. " nach Silbersberg.
" 28. " " Klattau.
" 29. " " Thaus und
" 30. " " Waldmünchen in Pfalz Bayern.

Wir brachen daher den 22. Maii früh um 7. Uhr wieder auf, passirten Wesseley und daselbst die Löschitz, den 23ten Thein und die Moldau, und verfolgten in den fernern Tagen eine abermals abgeänderte Marschroute über Gieshübel nach Sachsen, indem der sächsische Hof wieder die Residenz Dresden, und die ihn begleiteten Truppen, Cantonnirquartiere in und um Pirna bezogen hatten.

     Die deutsche Sprache schwand nun wieder, und machte der provinziellen böhmischen Plaz, bis zum 31. Maii, wo wir in Willenz, Tzschenschütz und Klautschein als den ersten Dörfern übernachteten, wo die deutsche Mundart wieder an der Tagesordnung war. Ehe wir diese erreichten, passirten wir Piseck und daselbst die Wodawa, Platna, Bohritzsch Pilsen, Plass, Kralowitz und Jechnitz, außer Pilsen als Creisstadt, meist unbedeutende Landstädtchen. – Am 25 Maii übernachteten wir in Schlüsselburg, mit einen Kloster von FranziskanerMönchen besezt, die bei Besichtigung des Klosters gegen uns sehr gefällig und gastfrey waren. Ein, beim Graben des Grundes zu diesen Kloster in der Erde gefundener großer Schlüßel, der zum Wahrzeichen an der äußern Fronte des Klosters, in koloßalischer Figur auch abgemahlt ist, soll diesem, und den später dabei erbaueten Orte, der Sage nach den Namen gegeben haben.

Vom 1.sten bis 5. Juny passirten wir noch Saatz, Bria, und Toeplitz, übernachteten am leztgenannten Tage in Roltendorff bei Peterswalde als den lezten Nachtquartiere, in den k. k. österreichischen Staaten, betraten den 6ten hinter Peterswalde den vaterländischen Boden, übernachteten in Ober- und Niederbartmannsbach [158] ohnfern Gieshübel, und vereinigten uns den 7. Juny 1813. als am zweyten Pfingstfeyertage in Burckertswalde und Maxen bei Pirna mit dem dort cantonnirenden Depot des Regiments

Eintritt in Sachsen und Wiedervereinigung mit dem Depot des Regiments.     Die Gefühle die sich eines Jeden und auch des Abgestumpftesten unter uns bemeisterten, als bei dem ersten sächßischen Grenzpfahl Halt gemacht, und dem Könige und dem Vaterlande unter Trompeten-Tusch und Waffengeklirre ein vielfältiges Lebehoch dargebracht wurde, kann nur der empfinden, der in unserer Lage über Jahresfrist unter den größten Mühseligkeiten vom Vaterlande entfernt gewesen war, und zu der geringen Zahl gehörte, denen dieses Glück zu Theil wurde. – Neues Leben, – neue Kraft bemächtigte sich eines Jeden, und stählte die Brust zu neuen Aufopferungen und neuen Thaten, zu den im voraus geahndeten fernern Kampfe.

     Von Kleidung abgerißen und derselben zum Theil entblößt, durch die vielfältigen Strapazen mit mancherley äußerlichen und innerlichen Krankheiten behaftet, – durch den Mangel an Reinlichkeit und Wäsche von jenen unsaubern Insecte noch immer behaftet, was in Pohlen so einheimisch ist, und an Sitten und Lebensart verwildert, – so betraten wir das Vaterland wieder, und vereinigten uns mit einem zeithero von uns getrennt gewesenen Bestandtheile des Regiments, der im Äußern zwar bedeutend gegen uns abstach, doch unsere Entbehrungen, unsere Anstrengungen und überstandene Leiden und Gefahren ehrend, wovon wir so sichtbarlich das Gepräge an uns trugen, auf alle nur mögliche Art, Beweise an den Tag legte, wie glücklich er sich fühle, wieder mit den eigentlichen Stamme des Regiments vereinigt zu seyn.

     Viele Vermißt- und TodtGeglaubte trafen wir hier wieder, [159] wenn auch mitunter nicht mehr als streitfähig sondern als Invalide, doch noch unter den Lebenden an, und von dem Daseyn noch Mancher dergleichen, die sich jezt bei den provisorischen Escudrons in der Gegend Ostritz bei Herrnhuth befanden, erhielten wir sichre Kunde.

     Unter Mittheilung der gegenseitigen Schicksale schwanden uns die Stunden, und die ersten Tage unserer Wiedervereinigung waren wahre Fest und Freudentage. Mit unserer neuen Equipirung und allmähligen Erhohlung, schwanden auch die Erinnerungen an überstandenes Ungemach, und hat gleich jene und die darauf folgende Epoche dem sächßischen Krieger für seine Aufopferungen traurige Resultate geliefert, so wird er jedennoch die gemachten Erfahrung, die Bestimmung und der Zufall so vereint mit sich führte, um keinen Preis vertauschen, da sie ihm in der Zukunft auch bei Wenigen den wahren Lebensgenuß durch die Schule des Unglücks so meisterhaft kennen gelernt hat. –


Verlust des Regiments in dem Zeitraume vom 15. Februar 1812. bis mit Ende Maii 1813.     Der Verlust des Regiments in einem Feldzuge, wo feindliche Übermacht und Clima gleich nachtheilig auf selbiges einwürckten, konnte nicht anders als außerordentlich, und gegen die früheren dergleichen Einbußen weit überwiegend seyn. – Wurde gleich das Listenwesen hierbei soviel als nur thunlich in seiner Ordnung fortgeführt, so bestand sich doch das Regiment, sein Depot und die Equipage, bei welcher sich immer eine beträchtliche Anzahl Wiedergenesener, leicht-Kranker und Maroder aufhielten, immer bedeutend von einander entfernt, und die Nachrichten von lezteren beiden Abtheilungen gelangten durch die öfters unterbrochene Verbindung, nicht immer zur Kenntniß des ersteren, und gingen zum Theil auf längere Zeit ganz verlohren. Deshalb wird die völlig nahmhafte Aufzählung und Nachweisung eines jeden Einzelnen, der damals mit dem mobilen Regimente nach Pohlen ausmarschirte und bei den Seinigen später nicht wieder anlangte, stets ein dichter Schleyer bedecken, und die vielen [160] öffentlichen Nachfragen nach dergleichen Verschollenen in den öffentlichen Blättern, die bis jezt immer noch fortdauern, sind die unverwerflichsten Zeugen, daß nicht allein in dem sächßischen, sondern auch in den verschiedenen auswärtigen ArmeeCorps, die diesem Feldzuge beiwohnten, eine ähnliche Unvollkommenheit stattfand, und – stattfinden mußte.

     Der wahre zergliederte Verlust und Abgang des Regiments in diesen ominösen Feldzuge, der bis jezt aus den Listenwesen wircklich nachgewiesen werden kann, bestehet in

Ein Hundert Drey und Vierzig Mann,

davon:

blieben in den angezeigten verschiedenen Gefechten vor dem Feind 6. Mann
in den Hospitälern zu Amlitz in der NiederLausiz, ferner in dergleichen Militair-Anstalten zu Warschau, Byalistock, Slonim, Czereszow, Luboml Grodno, Sulejow, Olobock, Petrikau, Puttusk, Ragow, Crakau, Dresden, Moritzburg, Hubertsburg, Chemnitz, Schneeberg, Augustusburg und außerhalb der Hospitälern, an Krankheiten und Bleßuren verstorben 112. "
es verunglückten auf mancherley Art 7. "
entleibte sich 1. "
zu Fuß entwichen 2. "
Offiziere wurden auf ihr Ansuchen entlaßen 4. "
es rückten auf und wurden zu andern Regi versezt 2. "
als GanzInvalide ins Landdepot abgesendet 5. "
übriger Abgang an mit Laufpaß Entlaßenen Ausgetrenenen [?] etc. 4. "
Summa uts[?].


[161] Binnen einen Zeitraum von dreyßig Jahren, in welchem das Regiment als Husaren existiret hat, haben sich nie die so vielfältigen Todes- und AbgangsArten vereinzelt zugetragen, die sich hier in einen Zeitraum von Sechs Monaten allein zusammendrängten, denn es befanden sich unter nebenstehenden 143. Mann mit eingeschloßen:

4. Ertrunkene, wovon 2. in Flüßen umkamen, und 2. im Abenddunkel in einen unverwahrten Brunnen stürzten.

1. Mann, so bei der im Hauptquartier ausgebrochenen Feuersbrunst mit verbrannte,

3.     "     so in Folge der hierbei erlittenen starken Brandschäden starben

1.     "     so vorsäzlich durch einen Adjutant des österreichischen General v. Flagger erstochen, und

1.     "     so durch Unvorsichtigkeit eines Mousquetiers vom InfanterieRegiment Prinz Clemens erschoßen wurde.

2.     "     starben durch den allzujählingen Übergang aus der Kälte in die Wärme, augenblicklich am Schlage

1.     "     erfrohr auf Vedette beide Füße und unterlag der Amputation

1.     "     von den Ersazmannschaften erhing sich auf den Transport zum Regimente, und

2. zur Kugel verurtheilte Mann überstanden die Todesangst und wurden nach erfolgter Begnadigung vom Regimente entfernt.

Überdies geriethen Zwey Hundert und Vier Mann

in feindliche Gefangenschaft, wovon ein Theil bald früher bald später sich selbst rancionirte, ein anderer und zwar bedeutender Theil in Kiow, als den Aufbewahrungsorte dieser Gefangenen verstorben seyn soll, der Überrest aber nach der Schlacht bei Leipzig freygegeben [162] wurde, und zu Anfange des Jahres 1814. in Sachsen wieder eintraf.

     Der Husar Wohlfarth der 7ten Escadron, als der lezte Mann der aus Gefangenschaft wieder eintraf, war aus selbiger entwichen, hatte sich am schwarzen Meere entlang durch die damals unter türkischer Bothmäßigkeit gestandene Moldau und Ungern begeben, und nachdem er in Pest längere Zeit krank gelegen und aufs Gradewohl dem Regimente nach Frankreich gefolgt war, traf er im Spätherbst 1815. selbiges bei Collmar an, wo er selbigen wieder einverleibt wurde.

Bleßirte zählte das Regiment in diesem Feldzuge

Einhundert und Drey Mann,

von welchen Sieben in Folge erhaltener tödtlicher Wunden kurz darauf verstarben.

Verlust an Pferden zählte das Regiment

Drey Hundert Fünf und Siebenzig.

Deren Abgang detaillirt nachgewiesen werden kann, ohne eine noch große Zahl anderer, von denen es noch unbekannt ist, auf welche Art selbige abhanden gekommen sind.

Von dieser bemerkten Zahl:

blieben vor dem Feind 27. Pf.
vermißt und vom Feinde genommen wurden       186. "
es crepirten 109. "
als intransportable blieben stehen 5. "
es entliefen 10. "
gestohlen wurden 5. "
als untüchtig meistbiethend verkauft 20. "
an die Intendantur abgegeben 2. "
wegen Roz und Bleßuren todtgestorben 6. "
im Hauptquartier verbrannten 4. "
es spießte sich 1. "
uts:


[163] Die Distanze welche das Regiment in den mehr bemerkten Zeitraume zurücklegte, betrug:

Sechs Hundert Acht und Vierzig deutsche Meilen. Einzelne Bemerkungen und Beschluss

Da im Felde sehr oft bald größere bald kleinere Abtheilungen von selbigen entsendet werden, so ist hier unter der Benennung Regiment derjenige Bestandtheil zu verstehen, der nach Abzug der detaschirten Patrouillen, Recognoszirungen und sonstigen Commandos noch beim Staabe zurückverblieb. Auch ist bei der täglichen Aufzählung der zurückgelegten Meilen nicht der Zwischenraum von der Stunde des Aufbruches bis zur Zeit des Eintreffens in dem Quartiere oder Biwacht, sondern die wirckliche Entfernung eines Ortes von dem andern als Maasstaab angenommen worden, weil die Meilenberechnung nach dem Marsche zu Pferde, da er oft in mancherley Gangarten fällt, nicht nur äußerst unbestimmt und trüglich ist, sondern auch währenden Marsches im Felde oft längere Pausen und Zwischenräume vorfallen, wo Halt gemacht werden muß, bis die Gegenstände des Aufenthalts entweder weggeräumt, oder auf andere Weise beseitiget worden sind.




Ward der Feldzug 1806. dem Regimente schon um deswillen mit merkwürdig, weil es sich gleichsam an den Saalstrom gefeßelt fühlte, neun mal demselben überschritt, bei Saalfeld[224] im Angesichte dieses Flusses sein erstes unglückliches Treffen begann, und seine lezten Widerwärtigkeiten bei Bernburg an der Saale mit Abgabe der Pferde und einem Theil seiner Waffen endigte, so war nicht minder denkwürdig der Zufall, daß das Regiment in dem Feldzuge 1812. und 1813. meist an hohen Festtagen bedeutende Flüße überschritt, denn so paßirte selbiges

     am dritten Osterfeyertage 1812. bei Neusalz in Schlesien die Oder,
[164] am zweyten Pfingstfeyertage 1812. bei Gora die Weichsel.

am Johannistage bei Brock den Bug.

am Michaelistage ein Theil des Regiments bei Opalin über den Bug zurück.

am zweyten Weynachtsfeyertage bei Mielnick abermals den Bug, und

am zweyten Osterfeyertage 1813. bei Cracau die Weichsel.




So groß auch die Aufopferungen und Entbehrungen waren, die dieser Feldzug mit sich führte, so ehrenvoll, – den guten Geist der Mannschaften und die Liebe für König und Vaterland bezeugend war die gemachte Erfahrung, daß, so lange das Regiment die Landesgrenzen überschritten hatte, keine Desertion und kein Übergang zum Feinde stattfand, – vielmehr beurkundete sich in der Nacht des 15. Novbs 1812 beim Überfall zu Wollkowize, bei einigen durch Marodiren auf Feldwacht das Leben verwürkten Arrestaten, worunter der Husar Altmann der 2ten Escadron mit inbegriffen war, die so seltene Bemerkung, daß der Drang zum Vaterlande selbst die Liebe zur Freyheit und zum Leben überwiegen kann, denn als bei jenen nächtlichen Überfalle die InfanterieWacht mit diesen Verbrechern zerstreut wurde, jeder Mann auf seine eigene Sicherheit Bedacht nehmen mußte, und der wachthabende Sergeant bloß einen oberflächlichen Sammelplaz hinter der Linie angeben konnte, benuzte kein Einziger dieser stündlich der Kugel Gewärtiger den Augenblick, beim Feinde Sicherheit und Schuz zu suchen, sondern gesamte Inquisiten fanden sich, bald auf näheren bald auf weiteren Umwegen, je, nachdem der zerstreuete Feind es gestattet hatte, auf den gegebenen Sammelplaze richtig wieder ein, und lieferten so sich freywillig wieder in die Hände der [165] strafenden Gerechtigkeit, die diesmal, von der so hervorstechenden Treue und Vaterlandsliebe bewogen, das bereits gefällte Todesurtheil milderte, und in gelindere Körperstrafen verwandelte.

     Die unter den MannschaftsAbgange aufgeführte Entweichung der beiden Husaren Edel und Weidenhammer der 3ten Escadron zu Fuß, erfolgte bereits wenige Tage nach der erfolgten Mobilmachung aus den Cantonnirquartier Niemaschkleba bei Guben in der NiederLausiz, und zwar nicht aus der Absicht, sich dem Militairdienst zu entziehen, sondern blos aus Furcht vor den bevorstehenden Feldzuge, weshalb sie sich auch freywillig im Regimentsdepot Coelleda zur fernern Dienstleistung wieder gemeldet hatten. Sie wurden nach einen überstandenen mehrwöchentlichen Arreste zur Strafe und Warnung der übrigen, mit dem ersten Ersaztransporte dem Regimente wieder zugeschickt, und hatten das befürchtete Schicksal, daß beide, und zwar ersterer schon nach wenigen Stunden seines Eintreffens, lezterer aber später ihrer Freyheit verlustig wurden und in feindliche Gefangenschaft geriethen.




     Obschon der Feldzug 1813. durch den eingetretenen Waffenstillestand nicht beendiget, sondern nur eine Zeitlang unterbrochen wurde, so schließt sich doch hiermit diejenige Periode, für welche vorstehende Bogen im eigentlichsten Sinne bestimmt sind; – sie sollen nämlich die Rückerinnerung auf so mancherley im Auslande Erfahrenes, Gesehenes, Gehörtes und Geprüftes aufbewahren, die außerdem bei herannahenden Jahren, und einen durch vielfältige Strapazen geschwächten Gedächtniße demselben leicht entschwinden könnten.

     Unterscheiden sich die Feldzüge neuerer Zeit sowohl in tactischer als physischer Hinsicht von den vorhergegangenen schon sehr auffallend, so daß sie in den militairischen Annalen gleichsam eine neue [166] ZeitEpoche bezeichnen, so wird der Feldzug 1812. und 1813. hinsichtlich seiner gedrängten verheerenden Folgen vor den übrigen für sich selbst doch immer denkwürdig bleiben, – und wenn einst nach Jahren, die jezt aufsproßende Jugend, die Großthaten und Gefahren ihrer Vorfahren aus der Geschichte sich mittheilen, und staunend und kaum glaubwürdig den RiesenVerlust der geopferten deutschen Männer auf den beeißten[225] Gefilden Rußlands aufzählen wird, so wird dann, den noch übrig bliebenen silberbehaarten Greise, die Rückerinnerung an jene unseeligen Tage, noch immer ein heiteres und gefälliges Lächeln ablocken, und stolz wird er dann, denen um seine schwankenden Kniee spielenden Enkeln zurufen können: „Auch ich bin einer von jenen Wenigen, der unter namenlosen Leiden dem Feinde und den Elementen Trotz bot, und glücklich wieder auf vaterländischen Boden bei den Seinen anlangte.“



[167]

Inhalts-Verzeichniss der
verabhandelten Gegenstände.
Aufbruch aus Sachsen  pag.  1.
Marsch durch einen Theil der Mark und NiederSchlesien " 1.
Passage der Oder " 3.
Eintritt in das Herzogthum Warschau " 3.
Ansicht deßelben " 4.
Fortgesezter Marsch gegen Westgallizien " 4.
Kalisch " 4.
Opatoweck " 5.
Petrikau " 6.
Eintritt in Westgallizien " 7.
Opoczno " 7.
Landesart " 8.
Pohlnische Bauerhütte " 8.
Tracht des gemeinen Mannes " 10.
Tracht der Noblen und Honoratioren " 11.
Das schöne Geschlecht insbesondere " 11.
Knechtschaft " 12.
Drangsale durch Hunger im Frühjahr 1812 "   16.
Pohlnische Tafel " 18.
Landeserzeugniße " 19.
Honig und Wachs " 20.
Holz " 20.
Theer und Pech " 21.
Wild " 22.
Viehzucht " 23.
Salz " 24.
Getreyde " 25.
Tabacksbau " 25.
Obst " 25.

[168]

Wein  pag.  26.
Bier " 26.
Brandewein " 27.
Stände Pohlens " 28.
Adel " 28.
Clerisey " 29.
Bürger " 31.
Bauer " 31.
Juden " 33.
Militaire " 36.
Verfall des Landes und deren Ursachen " 36.
LandesAdministration und Justizpflege " 42.
MünzSorten " 42.
Vorbereitungen zur Campagne " 43.
Übergang über die Weichsel " 46.
Pulawy " 47.
Tod des General Lt. Frh. v. Gutschmid daselbst " 48.
Ansicht jenseits der Weichsel " 48.
Proclamation des Lubliner Präfecten an die Bewohner dieses Departements " 49.
Lublin " 51.
Cantonnement in und bei Lublin " 53.
Aufbruch aus der Gegend Lublin " 55.
Übergang über den Wiprez (Wiepsch) " 56.
Paßage durch den Bug " 58.
Überschreiten der Grenze und Eintritt in Rußisch-Pohlen " 59.
Eintritt in Litthauen " 61.
Erster Verlust unserer Seits " 62.
Slonim " 62.
Nieczwitz " 63.

[169]

Marsch durch die Endungen der rokitnoschen[226] Sümpfe  pag.  64.
Offensive der Rußen " 67.
Angriff auf Pinks " 68.
Gefecht bei Janowa " 68.
Verlust bei Kobryn " 69.
Rückzug gegen Slonim " 70.
Gefecht bei Pruczanny " 72.
Vereinigung mit dem österreichischen HülfsCorps " 73.
Schlacht bei Podobna " 74.
Feindliche Retraite " 76.
Brczesc " 77.
Eintritt in Vollhynien " 78.
Verlust bei Luboml " 78.
Marsch nach Torczyn " 79.
Position der Corps zur Beobachtung des Feindes bei Luzk " 81.
Ankunft der MoldauArmee " 82.
Allgemeine Bemerkungen über Litthauen und Vollhynien " 83.
Große Recognoszirung gegen Luzk " 85.
Vergleich der beiderseitigen ArmeeCorps " 86.
Zweyte Offensive der Rußen " 87.
Rückzug über den Bug " 91.
Zweytes Überschreiten des Bugs und Position bei Brczesc " 91.
Rückzug der Alliirten über die Lenczna " 93.
Gefecht an der Lenczna " 93.
Zweyter Rückzug über den Bug " 94.
Gefecht bei Byala " 97.
Spezielle Übersicht des Regiments und generelle Lage des Corps " 98.
Einwürkungen der Unglücksfälle der großen Armee auf den verbündeten rechten Flügel " 101.

[170]

Drittes Überschreiten des Bugs und Bewegungen gegen Minsk  ~pag.  101.
Perroczow " 103.
Recognoszirung gegen Pudna " 104.
Wielky-Krinky " 105.
Gefecht bei Lopenize " 106.
Rückzug auf Wollkowize " 106.
Überfall bei Wollkowize " 108.
Feindliche Retraite nach Brczesc " 111.
Swisloz " 112.
Feindlicher Überfall bei Reczyce " 113.
Großer Brand im Hauptquartier " 114.
Resultat der Operationen seit 27. Octbr. " 115.
Letzter Aufenthalt des Corps in und bei Brczesc " 116.
Aufbruch von Brczesc und Postirung ohnfern der Lenczna " 117.
Dritter Rückzug über den Bug, und gänzliche Räumung der rußischpohlnischen Provinzen " 119.
Rückblick auf das abgelaufene Jahr 1812 und Aussichten in das angetretene von 1813 " 121.
Überfall bei Morty " 123.
Sedlize " 123.
Gefecht bei Liw " 124.
Postirung in und bei Dobre " 125.
Rückzug von Warschau gegen Kalisch " 126.
Lobicz " 128.
Pohlnische neuerrichtete BauerCosaken " 129.
Gefecht bei Kalisch " 130.
Spezielle Lage des Regiments, und Formirung seiner noch vorhandenen Bestandtheile in Eine Escadron " 133.
Rückzug nach Westgallizien " 135.
Cantonnements an der oberen Weichsel ohnfern Crakau " 137.

[171]

Convention mit den K. K. österreichischen Hofe wegen den Rückmarsch Sächßischer und Pohlnischer Truppen durch die österreichischen Staaten nach Sachsen  pag.  138.
Aufbruch von der obern Weichsel und Rückmarsch nach Sachsen " 140.
Crakau " 141.
Salzsteinbergwerk Wilizka in Ostgallizien " 141.
Eintritt in die K. K. österreichischen Staaten " 149.
Österreichisch Schlesien " 150.
Österreichisches RecroutirungsSystem und politische Lage seiner Einwohner " 150.
Mähren " 153.
Austerlitz " 154.
Böhmen " 156.
Eintritt in Sachsen, und Wiedervereinigung mit dem Depot des Regiments " 158.
Verlust des Regiments in den Zeitraume vom 15 Februar 1812. bis mit Ende Maii 1813. " 159.
Einzelne Bemerkungen und Beschluß " 163.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Insaßen – Einheimischen
  2. Niemaschkleba – das heutige Chlebowo, ein Ortsteil von Gubin
  3. ac. – anni currentis (lateinisch für „laufenden Jahres“)
  4. cantonnirt – von französisch „cantonner“, im Quartier liegen
  5. Crohsen – Crossen an der Oder, an der Mündung des Flusses Bober, das heutige Krosno Odrzańskie
  6. Neubrück – das heutige Prądocinek bei Bobrowice
  7. ejsdem – eiusdem, lateinisch, Genitiv zu idem: desselben [ergänze: Monats]
  8. Pohlnische Nettkow – das heutige Nietków bei Czerwieńsk
  9. Sabor – Saabor, das heutige Zabór, östlich von Zielona Góra (ehem. Grünberg)
  10. Wernburg – vermutlich Wartenberg, das heutige Otyń
  11. Grünberg – Grünberg in Schlesien, das heutige Zielona Góra
  12. Neusalze – Neusalz an der Oder, heute Nowa Sól
  13. Kurtka – kurzer Waffenrock berittener Truppen
  14. Rabatte – umgeschlagener Saum
  15. couleurten – farbigen (von französisch „couleur“, Farbe)
  16. Tschepplau – das heutige Krzepielów bei Głogów
  17. a b Fraustadt – das heutige Wschowa
  18. Remiße – Remise, Wirtschaftsgebäude für Fahrzeuge oder Geräte
  19. frugale – karg
  20. Salupperie – Nachlässigkeit, hier: Unsauberkeit
  21. Kobylin – Stadt in Großpolen, 15 km westlich von Krotoszyn
  22. Ostrowo – das heutige Ostrów Wielkopolski
  23. Krotoczyn – siehe Krotoszyn
  24. Profeßionisten – Professionisten, gelernte Handwerker
  25. Kalisch – das heutige Kalisz
  26. Firmus – 
  27. Stapelort – siehe Stapelrecht
  28. merkantilischer – kaufmännischer
  29. Prospect – hier: Ansicht
  30. Gestrichen: Warthe
  31. Prosna – linksseitiger Nebenfluss der Warthe, siehe Prosna
  32. Opatoweck - siehe Opatówek
  33. dem pohlnischen General Lieutenant Grafen Zayoczeck – Józef Zajączek (1752–1826), polnischer General und Politiker
  34. Dotation – Ausstattung mit Einkünften oder Gütern
  35. Domaine – Domäne, ein herrschaftliches landwirtschaftliches Anwesen
  36. Magni Napoleonis Donum – lateinisch, etwa: Gabe des großen Napoleon
  37. meublirt – mit Möbeln eingerichtet
  38. Meubles – Möbel
  39. Mahony – Mahagoni, ein besonders hochwertiges Holz
  40. Capseln – von lateinisch capsa: Behältnis, Kasten für Bücherrollen, hier: runde Behältnisse für Karten
  41. Orangerie – Gebäude, das der Überwinterung von Zitrusbäumchen dient oder gedient hat; hier: die Zitrusbäumchen selber
  42. Blaczkow – wohl das heutige Błaszki
  43. Burzenin – siehe Burzenin
  44. Widowa - wohl Widawa bei Burzenin
  45. Cantonnement – von französisch „cantonnement“, Einquartierung
  46. Petrikau – das heutige Piotrków Trybunalski
  47. Lenczno – vermutlich Łęczno bei Sulejów
  48. dem französischen DivisionsGeneral Friant – Louis de Friant (1758–1829), französischer General
  49. Pertinenzien – Nebensachen, die bei Veräußerung der Hauptsache als mitinbegriffen gelten
  50. Pfründen – siehe Pfründe
  51. Revenüen - Erträge, Einkünfte
  52. administrirt – verwaltet
  53. Sulejow – siehe Sulejów
  54. Pilica – der Fluss Pilica; im Text ist in der ursprünglichen Schreibung Pilicza das z gestrichen.
  55. Opoczno – siehe Opoczno
  56. durch die Verheerung und Einäscherung Königs Carl XII. von Schweden – im Großen Nordischen Krieg vom Schwedischen König Karl XII. vermutlich auf seinem Feldzug gegen die Polen und Sachsen zwischen Mai und Juli 1702 auf dem Weg nach Krakau zerstört.
  57. Przysucha (aus Przyczsucha verbessert) – polnische Stadt, 35 km westlich von Radom
  58. Ilza – das heutige Iłża
  59. Cassanow – das heutige Kazanów, Dorf in Masowien
  60. Ciepelow, Cieplow – das heutige Ciepielów
  61. Karzewsky – vermutlich der Sohn von Jan Karczewski (1745-1810), Marschall des Warschauer Lands in der Konföderation von Bar
  62. Spinnrocken – stabförmiges Gerät, an dem beim Spinnen die noch unversponnenen Fasern befestigt werden, siehe Rocken.
  63. a b Schlachtschützen - Bezeichnung der polnischen Adligen (vgl. Szlachta) nach polnisch: szlachcic
  64. remarquable – beachtenswert
  65. choisirt – von französisch choisir = aussuchen, auswählen
  66. saffian – nach der marokkanischen Stadt Safi benanntes sehr feines Leder, siehe Saffian
  67. Kascha – polnisch kasza = Grütze
  68. CleryseiKlerus, Geistlichkeit
  69. Unger-Wein – Ungarischer Wein
  70. rokitnowschen - Prypjazsümpfe
  71. Narew – Fluss in Weißrussland und Polen, siehe Narew
  72. Raçe – Rasse
  73. Lowicz – das heutige Łowicz
  74. Saltsteinbergwerk Wiliczka - eines der ältesten Salzbergwerke der Welt, siehe Salzbergwerk Wieliczka
  75. Friedensschluß 1809. – der Friede von Schönbrunn vom 14. Oktober 1809, der den Fünften Koalitionskrieg beeendete. Bei dem Friedensschluss fiel Westgalizien, der Gewinn aus der Dritten Teilung Polens, an das Herzogtum Warschau.
  76. Acquisitionen – Erwerbungen
  77. Revenuen – Einkünften
  78. Impost – Abgabe, hier: Warensteuer (vermutlich ist der Einfuhrzoll gemeint)
  79. Nachbier – aus bereits ausgekochter Maische nochmals gebrautes Bier
  80. Unreichlichkeit – hier sollte wohl Unreinlichkeit stehen
  81. königlichen Domainen – Landgut im Besitz der Herrscherfamilie
  82. Terrain – Fläche
  83. Confitenten – Konfessionsangehörige
  84. salarirt werden – entlohnt werden
  85. wieder - gestrichen (genau genommen: Streichung durch Punkte angedeutet)
  86. Desparation - Verzweiflung
  87. Cieplow – das heutige Ciepielów
  88. Karzewsky – vermutlich der Vater von Jan Karczewski (1745-1810), Marschall des Warschauer Lands in der Konföderation von Bar
  89. August der StarkeAugust der Starke, 12.5.1670-1. 2.1733, Kurfürst von Sachsen, später König von Polen und Großherzog von Litauen (als August II.) in Personalunion
  90. 1 Thaler = 20 Groschen (g); 1 Groschen = 12 Pfennige (d)
  91. ganz außer Cours – nicht mehr im Umlauf
  92. Die Unterhandlungen mit dem rußischen Cabinette über Wilna
  93. Verschleuß der rußischen Häfen – Kontinentalsperre 1807 aufgrund Druck Napoleons von Russland übernommen
  94. Unterhalt durch grüne Fouragirung – Versorgung der Tiere mit Grünfutter
  95. den mit der Pforte begonnenen Krieg – Hohe Pforte: Synonym für das Osmanische Reich, 1806 brach erneut ein Krieg zwischen Russland und dem Osmanischen Reich aus, der 1812 unmittelbar vor Beginn des Russlandfeldzuges beendet wurde, siehe Russisch-Türkischer Krieg
  96. Die 7. zusammenstehenden Escadrons des Husaren Regiments
  97. Cieplow – das heutige Ciepielów
  98. Gora – das heutige Góra Puławska
  99. ejsdem - eiusdem = des gleichen (Tages)
  100. a b Pulawy - das heutige Puławy
  101. GenLt. - Generalleutnants
  102. GenLt. Freiherrn von Gutschmid – Christoph Sigismund Freiherr von Gutschmid (1762-1812)
  103. General Grafen Reynier – General Jean-Louis-Ebenezer Reynier
  104. Fürsten Czatorinsky - Adam Kazimierz Czartoryski aus dem Haus Czartoryski
  105. Regiments - Husarenregiment siehe [1]
  106. hitziges NervenfieberTyphus
  107. Konskawola – das heutige Końskowola
  108. Kurow – das heutige Kurów
  109. Markoczow – das heutige Markuszów
  110. Lublin – siehe Lublin
  111. Feuerstädte - gemeint: Feuerstätten, also Häuser
  112. einigen - über der Zeile verbessert aus mehreren
  113. Wiprez - die heutige Wieprz
  114. Krasnistow – das heutige Krasnystaw
  115. Zamosc – das heutige Zamość
  116. Lenzna - Bleistiftkorrektur: Lecna, das heutige Łęczna
  117. Wahrnehmende - gemeint: Wahrnehmbare
  118. Liw – Dorf, 5 km westlich von Węgrów
  119. Wegrow – das heutige Węgrów in Masowien
  120. huj[usdem] - dieses [Monats]
  121. Krzesimow – das Dorf Krzesimów, 5 km südwestlich von Łęczna
  122. sich - nachträglich anstelle eines sich nach "Schlaf" hier eingeschoben
  123. Kantschuh - Peitsche (Grimms Wörterbuch)
  124. Kock – die Stadt Kock, 45 km nördlich von Lublin
  125. Epithaphia – Denkmal zum Gedenken an einen Verstorbenen
  126. Birek – Berek Joselewicz (1764-1809), jüdisch-polnischer Kaufmann und Oberst der polnischen Armee, der in der Schlacht bei Kock gegen Österreich fiel.
  127. Zellechow – das heutige Żelechów
  128. Kalusczyn – das heutige Kałuszyn
  129. Przezdziatka - das heutige Przeździatka, ein Dorf nahe Sokołów Podlaski
  130. v. Polenz – Generalleutnant Georg Friedrich August von Polenz (-1815)
  131. chev. leg.Chevauleger, Gattung der leichten Kavallerie
  132. GMaj v Gablenz – der sächsische Generalmajor Heinrich Adolf von Gablenz (1764-1843)
  133. Brock – das heutige Brok
  134. Zacroczyn – das heutige Zakroczym
  135. Graf ReynierJean-Louis-Ebenezer Reynier (1771–1814), französischer General
  136. Suradz – das heutige Suraż
  137. Niemen – polnischer Name des Flusses Memel
  138. Sokolly – das heutige Sokoły, 15 km nordöstlich von Wysokie Mazowieckie
  139. Surasz - am Rand korrigiert, da im Text nach Ausradierung zum Teil unleserlich
  140. GenieObersten – Oberst der Ingenieurtruppen, die zur Ausführung der technischen Arbeiten bestimmt waren.
  141. Unstrut - mit Bleistift unterstrichen
  142. Schwarzenberg - Karl Philipp zu Schwarzenberg
  143. Siegenthal – Heinrich Siegenthal Freiherr von Bersina (1762-1831), General der Kavallerie
  144. Trautenburg – vermutlich Leopold Freiherr von Trauttenberg (1762–1814), österreichischer Feldmarschallleutnant
  145. Bianchi - Vinzenz Ferrerius von Bianchi
  146. Frimont - Johann Maria Philipp Frimont von Palota
  147. Reynier – Jean Louis Ebenezer von Reynier ( 14.1. 1771 - 27. 2. 1814), französischer General (ab 1795)
  148. von Zeschau - nach: Heinrich Wilhelm von Zeschau, er persönlich blieb als Kommandeur der zurückbleibenden Truppen in Sachsen
  149. die Nachhut des Fürsten Bagration - verbessert aus: der rußische General Tormassow
  150. Bagration - Pjotr Iwanowitsch Bagration
  151. Szczara - verbessert aus Tzareth
  152. Hier ist ein war durch Unterpunktung gestrichen.
  153. Pinks – Pinsk am Prypjat.
  154. Tormassow – Alexander Petrowitsch Tormasow (1752–1819), russischer General der Kavallerie, siehe Alexander Tormasov (engl.)
  155. chev legs - Chevauxlegers vgl. Sächsische Kavallerie 1810-1812
  156. Janow - verbessert aus Jannow, vgl. Karte
  157. Rgt. - Regiment
  158. Chomsk - verbessert aus Kombsk
  159. Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg (18.4.1771 15.10. 1820), österreichischer Feldmarschall und Botschafter in Paris
  160. Chomsk - verbessert aus Kombsk
  161. Sielitz - verbessert aus Sedlicze
  162. Prozanna - verbessert aus Proczanna. Auf S.74 wird dann in der Randnotiz wie auch im Text von Pruczanny in Pruszanna verbessert.
  163. Prozanna - sieh oben!
  164. Pruszanna - sieh oben!
  165. Pruszanna - sieh oben!
  166. rt - Reichstaler
  167. Pfund - Im Text steht das Pfundzeichen w ergänzt durch ein kleines gr, vermutlich für: 4-6 Pfund große Kugel
  168. Frosch und Pritzsche - Pritzsche kann als Sattel oder als Handpauke gedeutet werden (zur Diskussion), der Vorgang bleibt schwer erklärlich, deshalb wurde er auch erwähnt.
  169. Tschitschagow - Pawel Wassiljewitsch Tschitschagow
  170. Mozinna - verbessert in Muohawidce, dann dieses wieder gestrichen
  171. sei - war ist gestrichen
  172. Luck - verbessert aus: Luczk
  173. Luck - verbessert aus Luczk (siehe oben)
  174. Kieszelin - verbessert aus: Kycelin
  175. Saale - Saale
  176. Langeron - Alexandre Andrault de Langeron
  177. Bulatow - Michail Leontjewitsch Bulatow
  178. Feimen - im Freien errichteter Haufen von Getreide o.ä.
  179. Wlodzimir - verbessert aus Wladimir
  180. Kieszelin - verbessert aus Kycelin
  181. Vivres - Lebensmittelvorräte
  182. Piquets - nächtliche Feldwachen, vgl. Gerhard von Scharnhorst: Militairisches Taschenbuch zum Gebrauch im Felde, Hannover 1793, S.94ff
  183. Hus - Husar
  184. Lesna - verbessert aus Lenczna
  185. Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg (1771-1820), österreichischer Feldmarschall und Botschafter in Paris
  186. Sacken - Fabian Gottlieb von der Osten-Sacken
  187. S.Lt - Secondeleutnant
  188. v. Throtha I. - Diese Lesung erfolgt unter Bezug auf Chronologische Übersicht der wichtigsten Begebenheiten aus den Kriegsjahren 1806-1815,, S.370: Major von Trotha I., vom Regiment von Polenz Chevaurlegers, der seinen Tod bei Biala fand. (Google), das Zeichen könnte aber auch als W gelesen werden.
  189. Sokolow verbessert von Socollow
  190. Platow - Matwei Iwanowitsch Platow
  191. wich hier der Etiquette - gemeint ist: die Etikette wich der Selbsterhaltung
  192. Hammel
  193. Lieven - vermutlich Christoph von Lieven oder ein Verwandter
  194. Borisow - verbessert aus Borrissow
  195. Wittgenstein - Ludwig Adolf Peter zu Sayn-Wittgenstein (1769-1843)
  196. Siemiatycze - am Rande verbessert für das im Text gestrichene Sieniotize
  197. Porosow - verbessert aus Perroczow
  198. Weli-Krinky - verbessert aus Wielky-Krinky
  199. Weli-Krinky - verbessert aus Wielky-Krinky
  200. Weli-Krinky - verbessert aus Wielky-Krinky
  201. Hornostowiece - verbessert aus Hornostowize
  202. Porosow - verbessert aus Perroczow
  203. Labienice - verbessert aus Lopenicze
  204. Labienice – verbessert aus Lopenize
  205. No. - Nummer
  206. Vedetten - (ital. vedere, d.i. sehen), die von der Kavallerie gestellten Doppelposten der Feldwachen
  207. Weli-Krinky - verbessert aus Wielky-Krinky
  208. Tiszkewicz - ein Angehöriger der polnischen Adellsfamilie Tyszkiewicz, vielleicht Tadeusz Tyszkiewicz (1774– 1852). Garten und Rokkokoschloss von Swislocz hatte Wincenty Tyszkiewicz errichtet.
  209. Funck - Karl Wilhelm Ferdinand von Funck, vgl. auch sein Werk über diesen Feldzug: Erinnerungen aus dem Feldzuge des sächsischen Korps unter dem General Grafen Reynier, Dresden und Leipzig 1829
  210. Bulkow - verbessert aus Balkowa
  211. aufgelößte - eine Wiederholung des Wortes nach 10.tägige ist gestrichen
  212. Reichstaler, siehe auch Diskussionsseite
  213. Prozanna - verbessert aus Prodzanna
  214. Pruzanna - verbessert aus Prudzanna
  215. Szereszew - verbessert aus Czerezov
  216. Sarnasky - verbessert aus Sarnacky
  217. Warschau - verbessert aus Sachsen
  218. Miloradewicz - Michail Andrejewitsch Miloradowitsch (1770-1820)
  219. Lowicz verbessert aus Lobicz
  220. Prosna - verbessert aus Bzura
  221. bis - schwer leserlich, etwa: bhm
  222. Lüstre - Glanz
  223. Mosaisk – russ. Kreisstadt, nahe Moskau gelegen
  224. Saalfeld - Gefecht bei Saalfeld
  225. beeißten - auch Lesung bereißten denkbar
  226. rokitnowschen - Prypjazsümpfe


Register

Verzeichnis der Namen