Benutzer:Aschroet/3
Assustrirte Zeitung.
Wöchentliche Nachrichten über alle Äreigniste, Zustände und MsönWeiten der Gegenwart, über Tagesgeschichte, öffentliches und gesellschaftliches Leben, Wissenschaft und Kunst, Mufik, Theater und Mode.
Vicrundfünftigster Land.
Januar bis Ami 1870.
Leipzig.
Verlag der Expedition der Illustrirten Zeitung.
2. 2. Weber.
halten, die philosophische Fakultät der Universität Jena erlheilte ihm dan Tiplom einen Etirkndoctors, und Königin Augusts von Preußen erfreute den verdienten Mann durch ein sehr anerkennenden Handschreiben. – Der Musikdirektor Vr. Ernst Naumann, seit 1860 Leiter der akademjschen Eon-certe, erhielt vom Grobherzog von Weimar die goldene Medaille „für Verdienst“.
Dem als Naturforscher in weitern Kreisen bekannten Vr Otto Ule in Halle wurde am 23. d. M. aus Anlaß seines 50. Geburtstages von seiten des Turnvereins, der Turnerfeuerwehr und vieler Freunde ein Fackelzug dargebracht und ein silberner Pokal überreicht.
In der ersten diesjährigen Sitzung der königlichen Akademie der Wissenschaften in München hatte die mathematisch-physikalische Klage beschlossen, ihrem Borstande, dem Geheimrath Frhrn. Justus v. Liebig, zu der vor 30 Jahren erfolgten Veröffentlichung seiner berühmten Forschungen, welche der heurigen Agriculturchemie das Dasein gegeben, ihre Glückwünsche darzubringen. Die hierzu gewählte Deputation, die Akademiker v. kobell, v. Siebold und Bogel, überreichte am 12. d. M. dem Jubilar eine zum Zweck dieser anerkennenden Erinnerung verfaßte Adresse.
Der Magistrat von München hat in seiner Sitzung vom 25. Januar die Verleihung des Shrenbürgerrechts an den Etiftpropst De. v. Döl-tlnger beschlossen.
vr Hermann Mevnert in Wien hat vom König von Preußen in Anerkennung seiner langjährigen schriftstellerischen Berdienfte den Rothen Adlerorden 4. klaffe erhalten.
Sanitätsrath Erlenmayer in Bendors, durch viele psychiatrische Schriften ausgezeichnet, feierte kürzlich sein 25jähriges Doctorjubiläum. Mehr als 300 Aerzte von nah und fern überreichten ihm ein prachtvolles Photographienalbum, die Huseland’sche Gesellschaft in Berlin, der Verein badischer Medicinalbcamten, die wetterauische und die offenbacher Gesellschaft für Naturkunde und andere Vereine sandten nebst Gratulationsschreiben Shrenmitgliedsdiplome. Der Herzog von koburg verlieh dem verdienten Gelehrten die am Bande zu tragende Medaille für Kunst und Wissenschaft.
Personalnachrichten.
Der österreichische Reichskanzler Graf Beust ist nach dem Tode des Frhrn. v. Becke einstweilen mit der Leitung des Reichsministeriums beauftragt worden.
Der berühmte Architekt Professor Semper wird seinen bleibenden Aufenthalt nicht in Wien nehmen, wie dortige Blätter meldeten, sondern behält seinen Wohnort in Zürich.
In der jüngst ftattgefundenen außerordentlichen Generalversammlung der Akademie in Pest wurde der Eultusminister Baron Joseph Eowös zum Präsidenten und Finanzminister Melchior v. Lönyay zum Bicepräsidenten wieder gewählt.
In Schweden ’ist der Marineminister Staatsrath Karl Magnus v. Thulstrup zurückgetreten und vom Generalmajor Broder Abraham Frhr. v. Leijonhufwud abgelöst worden.
In Stockholm hat die erste Kammer des Reichstags den Landeshauptmann Lagerbielke, die zweite den Bischof vr. Sundberg zum Vorsitzenden gewählt. ^ Preisausschreiben.
Der Vorstand des sächsischen Pestalozzi-Vereins hat folgenden zeitgemäßen Aufruf als Preisaufgabe ausgeschrieben: „Schonet die Kindesnatur.’“ I) Wann steht diese Forderung im Gegensätze zu den neuerdings gesteigerten Ansprüchen an die Volksschule? 2) Auf welche Weise sind diese scheinbaren Gegensätze ohne Nachtheil zu vereinigen? – Drei von den durch die Preisrichter als die wohlgelungensten bezeichneten Arbeiten sollen in der „Sächsischen Schulzeitung“ zum Abdruck gelangen und mit 30, 20 und io Thlr. prämiirt werden.
Der Verwaltungsrath des Oesterreichischen Kunstvereins in Wien hat auch für 1870 für die inländischen Künstler einen Eoncurs zur Erlangung skizzirter Eompositionen aus allen Kunstfächern eröffnet und die Beschickungsfrist auf die Zeit bis Ende Februar d. I. festgesetzt, damit die einlaufenden Eoncursskizzen, wenn möglich, in der Märzausstellung des Vereins zur öffentlichen Anschauung gebracht werden können. Aus den eingelangten künstlerischen Entwürfen wird der Berwaltungsrath nicht nur diejenigen auswählen, auf deren Grundlage die Bestellung auszuführender Gemälde gemacht werden soll, sondern es können die Eoncursskizzen selbst auch Gegenstand eines Ankaufs für die Verlosung von 1870 sein. Material und Stoff sind der freien Wahl der concurrirenden Künstler anheimgegeben. Format und Preis werden bei der Bestellung vereinbart. Die Entscheidung von seiten des Berwaltungsrathes und die Bekanntmachung der Bestellungen oder Ankäufe wird längstens Ende Mai d. I. erfolgen.
Festkalender.
Die Vorbereitungen zu dem großen musikalischen Feste, welches in Bonn im bevorstehenden Herbste zu Ludwig van Beethoven’n loojährigem Geburtstag gefeiert werden soll, schreiten nur langsam vorwärts. Es bandelt sich zunächst um den Bau einer großen Tonhalle. Die Gesellschaft Bürgerverein hatte dieselbe auf einem Platze, welcher Eigenthum der Stadt ist, bauen wollen. Die Stadtverwaltung hat aber davon gänzlich Abstand genommen, weil sie die von dem Bürgerverein gestellten Bedingungen nicht annehmbar fand. Wahrscheinlich wird jetzt die Stadtverwaltung die Sache ielbst in die Hand nehmen.
- Vereinsnachrichten.
Die deutsche Ornithologische Gesellschaft in Berlin veranstaltet eine Reihe von Vorträgen, um das Interesse an der Vogelkunde in weitern Kreisen zu wecken. Den ersten Bortrag am 28. Januar hält vr. Baldamus über „Die Baukunst der Vögel“, den zweiten am 4. Februar Vr. Bolle über „Parkpflanzen und Vögel in ihren Wechselbeziehungen mit besonderer Berücksichtigung der Oertlichkeit Berlins“; den dritten am ii. Februar vr. Brehm: „Streifzüge eines Bogelkundigen im hohen Norden“: den vierten vr. Karl Ruß: „Die fremdländischen Stubenvögel“.
Anfälle.
In dem Dorschen Bogheim bei Düren in ’der Rheinprovinz sind in der Nacht zum 17. Januar sechs Personen von der Familie des Hüttenarbeiters Utten Brand in den Flammen umgekommen.
In Wien ist das neue Mufikvereinsgebäude, welches erst am 5. Januar d. I. eingeweiht wurde, in der Nacht vom 20. Januar durch einen Brand stark beschädigt worden. Ein Feuer brach in den Räumen der Garderobe aus, zerstörte diese und beschädigte das Vestibüle, die Treppenhäuser und den großen Saal. Oberbauratd v. Hansen will den Schaden, der etwa 40,ooo Fl. beträgt, in möglichst kurzer Zeit wieder gutmachen.
Das ältere er-herzogliche Schloß zu Saybusch in Galizien, unweit der schlesischen Grenze gelegen, wurde in der Nacht zum 18. Januar durch eine Feuersbrunst zerstört.
In der katholischen St. Josephskirche in Liverpool entstand am 23. d. M. infolge eines Feuerrufs entsetzliches Menschengedränge, wobei 13 erwachsene Leute todt getreten und viele verletzt worden sind, von denen wol noch mehrere an ihren Verwundungen sterben werden.
Im Laboratorium der Franzensfefte in Innsbruck ereignete sich am 17. d. M. beim Ausleeren der Munition eine Explosion, bei welcher drei Kanoniere tödtlich und drei andere schwer verwundet worden sind.
Sieben Arbeiter verunglückten am 15. Januar beim Bau eines Eiskellers auf dem Baron Weidenheim’schen Gute Bezdekau bei nlattau. Die Wölbungen des Kellers stürzten zusammen und begruben die darin beschäftigten Personen, von denen vier todt und drei lebensgefährlich verletzt hervorgezogen wurden.
Auf der fürstlich Hohenlohe’schen Karolinengrube bei Kattowitz in cberschlesien sind durch eine keffelexplosion aus Hugoschacht 13 Menschen verunglückt.
In der Kohlengrube zu Braffac, Departement Puv-de-Döme, sind am 15. Januar durch schlagende Wetter sieben Arbeiter getödtet und drei verwundet worden.
Die in Dünwald bei Mühlheim a. Rh. belegene Sprengpulver-fabrik ist in der Nacht vom 26. Januar durch eine Explosion zerstört worden, wobei 15 Menschen um- Leben kamen.
Joseph Lichalscheck.
o. Eine wahrhaft seltene und ungewöhnlicke Feier war es, welche am 16. Januar d. I. alle künstlerischen und kunstliebenden Kreise Dresdens auf das freudigste erregte. Joseph Tichatscheck feierte an diesem Tage sein 4ojähriges Künstler-jubrlaum. Als armer Student der Medicin war er 1830 nach Wien gekommen und hatte sich dort auf vielfaches Zureden am 16. Januar 1830 mit 140 Fl. Conventionsmünze auf ein Jahr lang als Chorist am Kärntnerthortheater engagiren lassen. Und kaum zehn Jahre nachher hatte sich Tichatscheck bereits zu einem der gefeiertsten Gesangsheroen der Gegenwart ausgeschwungen und wird gewiß für lange Zeit als eine Erscheinung in aller Gedächtmß leben, wie sich eine ähnliche nur höchst selten in der gesammten Kunstgeschichte vorsindet. Wie viele, denen er äußerlich als Vorbild diente, sind vor ihm schon wieder verschwunden, keiner von ihnen allen hat sich nahe an vierzig Jahre lang in jener merkwürdigen Kraft und Ausdauer behauptet, mit welcher Tichatscheck noch heutzutage Partien singt, bei denen jüngere Sänger oft ermatten und zusammenbrechen. Nächst dieser unverwüstlichen Stimme sind Tichatscheck’s hauptsächlichste Vorzüge vortreffliche Schule und Technik (nur durch vereinzelte Schattenseiten beeinträchtigt), goldreine Intonation und deutlichste Recitation.
In geistiger und dramatischer Beziehung ferner sind bei Tichatscheck hervorzuheben höchst lebendige und beseelte Darstellung, überhaupt eine durch keinerlei Cssecthascherei getrübte Unmittelbarkeit der Ausfassung, kurz eine seltene Vereinigung wahrhaft schöpferisch instinktiver Inspiration mit dem sorgfältigsten Studium, mit höchst gewandter Routine, unermüdlich thätigem Nachdenken und hingebungsvollster Begeisterung. „Was vor allen Dingen bei Tichatscheck’s Erscheinung hervorzuheben (heißt es sehr richtig in einer bei G. Heinze erschienenen biographischen Skizze), sind die kerngesunde Natur und das Feuer seiner Darstellungen. Da ist nichts Gezwungenes, nichts Gemachtes, und der Zuhörer kann sich mit derselben Sicherheit dem Genuß überlassen, womit jener selbst sich seiner Kunst hingibt. Er macht uns die Täuschung leicht, indem er in der That das zu sein scheint, was er vorstellt. Tichatscheck ist weder ein glänzender Bravoursänger, noch ein schmachtender Amoroso, weshalb er in Partien wie Octavio, Ravenswood, Elwin oder ähnlichen schwerlich in seinem Elemente sein dürfte. Sein ganzes Wesen, seine Lebendigkeit und Energie, seine in allen Lagen volle und markige Stimme, verbunden mit einer seltenen Ausdauer, diese Eigenschaften bedingen nur das dramatische Element.“
„Der Franzose Roger mag ihm an die Seite gestellt werden in Bezug auf das specifisch dramatische Talent wie in Bezug auf Eoloraturfertigkeit; aber er bleibt hinter ihm zurück, was die männliche Kraft und Fülle, das Markige und Edle des Stimmklangs anbetrifft. Die Italiener Mario und Moriani mögen Tichatscheck verglichen, auch wol noch über ihn gestellt werden in Bezug aus die Kunst des getragenen Gesangs, des An-und Abschwellens der Töne der merrra voce, aber sie erreichen ihn nicht als eigentlich dramatische Künstler. Ein Moriani und Mario würde den Tanhäuser darzustellen schwerlich im Stande gewesen sein. Bei Tichatscheck verewigt sichsast alles Wesentliche, was für die Darstellung solcher ersten Partien erforderlich ist–prachtvoller Mturklang der Stimme, ausreichende Technik, die größte Reinheit und Eorrectheit, verbunden mit dem geläu-tertsten musikalischen Geschmack und feinster Nüancirung des Vortrags, die größtdenkbare Deutlichkeit der Aussprache, völlige allgemein musikalische Durchbildung, eindringendes Verständ-niß und begeisterte Hingebung auch für das Poetische und Dramatische.“ Nur mit Schnorr v. Earolsfeld und Niemann lassen sich ebenbürtigere Vergleiche anstellen. Aber wie kurze Zeit nur war es dem idealen Schnorr vergönnt, uns seine noch mehr durch harmonische Abrundung als Tichatscheck’sche Gewalt getragenen Gestalten und Schöpfungen bewundern zu lassen! Niemann ferner theilt mit beiden den Adel, die bewunderungswürdige Objektivität und die Idealität der Darstellung, ja er übertrifft Tichatscheck darin durch körperliche Vorzüge wie Figur und Haltung sowie plastische Schönheit der Bewegungen, er theilt mit ihm hinreißende Unmittelbarkeit der Inspiration, Keuschheit und Größe der Darstellung, kurz Verschmähen jeglicher Effekthascherei, er theilt mit ihm Tiefe der Empfindung, höchste Deutlichkeit ausdrucksvoller, beseelter Recitation und endlich Markigkett des sonoren Heldenorgans ; aber er hat letzteres nicht in gleichem Grade in der Gewalt, dasselbe ist bei Niemann leider nicht von gleich unverwüstlicher Frische, auch nicht ebenso trefflich und biegsam geschult, und daher ist Niemann’s Rollenkreis ein viel enger abgegrenzter.
Tichatscheck hatte noch das Glück, einen Cicimara zum Lehrer zu haben, bei welchem ihn Duport, der damalige Pachter des Kärntnerthortheaters, im Verein mit Clara Heinesetter, Sophie Löwe und Staudigl ausbilden ließ. Schon als Knabe hatte er in seinem durch romantische Felsenpartien berühmt gewordenen Geburtsort Weckelsdorf wegen seines musikalischen Talents das Interesse des dortigen Pfarrers auf sich gezogen, welcher ihm in der großen Benedictinerabtei des nahen Ge-birgsstädtchens Braunau eine sehr tüchtige musikalische Ausbildung verschaffte. Seine erste eigentlich künstlerische Tätigkeit entfaltete Trchatscheck in Graz, wohin er zu seiner weitern Ausbildung längern Urlaub erhalten hatte, und wo er schnell zum gefeierten Liebling des Publikums wurde. Durch Gastspiele in Wien wurde man von Dresden aus aus ihn aufmerksam, und vom 1. Januar 1838 all ward er denn auch dauernd für diese Stadt gewonnen, ein um so höher anzuschlagender Erfolg, als kurz vor ihm in Dresden die damals sehr gefeierten Tenoristen Wurda und Cramolini gastirt hatten. Hier gesellte er sich einem in seiner Art einzigen Künsrlerkreise zu, an dessen Spitze Wilhelmine Schröder-Devrient in wahrhaft genialer Weise maßgebend und bestimmend stand und namentlich auch aus Tichatscheck in so eminentem Grade wirkte, daß er seiner unauslöschlichen Verehrung gegen diese hohe Frau im Jahre 1863 durch eine Erinnerungstafel an ihrem Sterbehause in Koburg Ausdruck verlieh.
Im Jahre 1841 betheiligte sich Tichatscheck in London mit Staudigl, der Heinefetter etc. an Schumann’s deutschem Opern-unternehmen unter ganz ungewöhnlichem Enthusiasmus. Im Jahre 1843 aber war es ihm beschieden, in epochemachender Weise den entscheidenden Wendepunkt in Richard Wagner’s Künstlerlausbahn durch seine berühmt gewordene Darstellung des Rienzi herbeizuführen. In mindestens ebenso bedeutsamem Grade schuf Tichatscheck in den folgenden Jahren die Titelrollen des „Tanhäuser“ und „Lohengrin“.
willenlos schwankenden „Propheten“, ferner Ferdinand Eor tez, den Masaniello in der „Stummen“, den Rinald in Gluck’s „Armide“ und den Achill in besten „Aulischer Iphigenie“, letztem mit so zündendem Schwung, daß man lebhaft an die erste pariser Ausführung erinnert wurde, in welcher alle anwesenden Offiziere in ihrem Enthusiasmus aussprangen und den Degen für Marie Antoinette zogen, und außer noch vielen andern Rollen den Zdomeneo.
Mit letzterer Rolle feierte Tichatscheck sein 40jäbriges Jubiläum unter einer Fülle der größten, wärmsten und aufrichtigsten Auszeichnungen, die ihm unter anderm auch bei seinem 3:,jährigen Künstlerjubiläum bereits im reichsten Maße zutheil geworden waren. Schon damals wurde er zum Kammersänger ernannt und sein Eontract dabin erweitert, daß er zu jährlich nur noch M Gastrollen verpflichtet wurde. Im Jahre 1867 erfolgte seine Ernennung zum Ehrenmitglied des Hostheaters, auch erhielt er unter Verlängerung des letzten Conrracls von nun an seine volle Pension sowol als Bühnen- wie als Kirchensänger. Im Jahre 186>- verlieh ihm der Großherzog von Hessen und 186/ der König von Schweden die goldene Verdienstmedaille, und im Sommer 1867 ernannte ihn der Großherzog von Mecklenburg zum Kammersänger. Verschiedene Musikvereine, z. B. in Graz und Linz, hatten ihn schon lange vorher zum Ehrenmitgliede ernannt. Bei seinem jetzigen Jubiläum verlieh ihm der König von Sachsen das Ritterkreuz des Albrechts-Ordens, der Herzog von Koburg das Ritterkreuz des Sachsen-Ernestinischen Hausordens, die Mitglieder des Hostheaters aber überreichten ihm einen goldenen Lorberkranz, auf dessen 40 Blättern sich alle seine Rollen eingravirt befinden.
Man muß aber auch wirklich erstaunen, wenn man sein der obenerwähnten „Biographischen Skizze“ beigegebenes, nur bis 1863 reichendes Repertoire überblickt. Fast an 15)00 Abenden hat Tichatscheck binnen 35 Jahren gesungen, darunter als Masaniello 03-, als Raoul 10/-, als Prophet 73-, als Eortez 53-, als Rienzi 65-, als Max 108-, als Hüon 77- und als Adolar 50mal, zusammen in 6/ Opern von 35 Compo-nisten. Tichatscheck hat an fast allen bedeutendern Bühnen gastirt, namentlich in Berlin, und ihm verdankt unter anderm Schweden die erste Kenntniß des „Rienzi“ und der „Jüdin“, Holland aber die erste Bekanntschaft mit dem „Tanhäuser“’. Solche Thaten allein sichern ihm schon einen unvergeßlichen Namen in der Kunstgeschichte.
Die Lelleuschleppschiffahrl.
u. 6. Das System der Schleppschiffahrt, welches wir un-fern Lesern hier kurz schildern wollen, hat den Zweck, eine raschere und pünktlichere, dabei aber zugleich auch billigere Beförderung von Gütern auf Flüssen und Strömen zu ermöglichen als die bisherige. Für die Fahrt stromabwärts gibt allerdings der Strom selbst die bewegende Kraft, und wenn der Wafferstand einigermaßen günstig ist, so kann der Schiffer die Fahrzeit ziemlich genau im voraus bestimmen und seine Fracht zur festgesetzten Zeit abliefern. Für Güter, die keine außerordentlich rasche Beförderung verlangen, ist daher der Transport zu Wasser stromabwärts nicht bloß die billigste, sondern auch eine im allgemeinen hinlänglich zuverlässige und pünktliche Beförderungsweise. Anders bei der Bergfahrt. Bisweilen steht allerdings dem Schiffer ein günstiger Segelwind zur Verfügung, der namentlich unbeladene Fahrzeuge auch stromaufwärts rasch vorwärts bringt; ist aber das Flußthal eng und vielfach gewunden, so ist auch der Segelwind selten, wenigstens läßt er sich selten auf längere Strecken benutzen. Wenn es dann nicht genügt, das Fahrzeug mit Staken vorwärts zu schieben, so läßt man dasselbe gewöhnlich an einer langen Leine ziehen, entweder durch Menschen, an der Elbe Bomät-scher genannt, oder durch Zugthiere. Hat das Flußufer, wie dies bei der Elbe in Sachsen der Fall ist, einen Leinpfad, so ist dies Verfahren verhältnißmäßig bequem, aber immer kostspielig, denn es wird nur ein Tyeil der thätigen Zugkraft auf die Fortbewegung des Schiffs verwandt, weil ja die Leine nicht in der Richtung des Fahrwassers gespannt ist, sondern bald einen größern, bald einen kleinern Winkel damit bildet. Wenn kein regelmäßiger Leinpfad vorhanden ist, dann Hilst sich der Schiffer oft dadurch, daß er einen Anker an einer langen Leine seinem Fahrzeuge voraussahren und auswerfen läßt und hieraus vom Schiff aus die Leine aufwindet.
Dieses ziemlich umständliche Verfahren, welches man auf der Unterelbe vielfach beobachten kann, ist im Princip der Kettenschleppschiffahrt nahe verwandt, ja dieses letztere System ist eigentlich aus jenem altern hervorgegangen. Denken wir uns die Leine, welche immer von neuem oberhalb des Fahrzeugs befestigt werden muß, ersetzt durch eine Kette, die rm Flußbett, auf der ganzen vom Schiff zu befahrenden Strecke, versenkt und an beiden Enden gut verankert ist, nehmen wir dann an, es gebe diese Kette am Vordertbeil des Schiffs in die Höhe, sei dann mehrfach um ein Paar aus dem Schiff angebrachte Trommeln gewunden und laufe am Hintertheit des Schiffs wieder ins Wasser, so haben wir die wesentliche Anordnung der Kettenschleppschiffahrt. Die in das Wasser ver senkte Kette findet am Boden so viel Reibung, daß sie einen Zug in ganz bestimmter Richtung ausübt; hat dieselbe nun aus den beiden Trommeln, um welche sie gewickelt ist, so viel Reibung, daß sie nicht gleitet, und werden diese Trommeln in Umdrehung versetzt, so ist klar, daß das Schiff vorwärts gezogen wird. Zur Drehung der Trommeln wendet man eine aus dem Schiss ausgestellte Dampfmaschine an. An den Ketten-schleppdampfer, der mit keinen weitern Bewegungsmechanismen wie Schaufelräder und Schraube versehen ist, wird dann eine größere oder geringere Zahl von Lastkähnen angehängt.
Die Kettenschleppschissahrt hat ihre heutige Ausbildung in Frankreich erhalten. In Deutschland kommt der Vereinigten Hamburg-Magdeburger Tampsschjff’ahrtscompagnie das Verdienst zu, zuerst dieses System in Anwendung gebracht zu haben, und zwar aus der ’/< Meilen langen Strecke von Reustadt-Magdeburg bis Buckau. Im Sommer 1866 wurde hier eine Kette ins Flußbett gelegt, und seit dem 15. August 1866 ist ein Kettendampser von 6o Pserdekrajt damit beschäftigt, stromauf- und stromabwärts leere und beladene Kähne zu schleppen. Nachdem die ersten Bedenken überwunden waren, wurde der Kettendampfer gern von Schiffern benutzt; während vom 15. August bis Ende 186n; im ganzen 374 Fahrzeuge bugsirt wurden, betrug deren Anzahl 1867 schon 3716 und 1868 sogar 3076. Die trefflichen Resultate, welche man aus der kleinen Strecke bei Magdeburg erzielte, ver-anlaßten die Hamburg-Magdeburger Dampsschifsahnscompag-nje, bei der preußischen Regierung um die Concession zur Errich- Zu ihnen gesellte er als gleich hervorragende Schöpfungen den Raom in den „Hugenotten“, den von ihm zu einer würdevoll kräftigen und imponirenden Gestalt erhobenen, o oo rs ns <7^ ov s- tung einer Kettenschleppschissahrt von Ham bürg bis Magdeburg nachzusuchen, und es stebt die Verwirklichung dieses Projekts in nicht gar langer Zeit in Aussicht. Auf der ganzen, 48 Meilen langen Strecke, die in acht Abtheilungen getheilt werden soll, werden acht Kettendampfer thätig sein, von denen jeder nur seine Abtheilung befährt und am Ende derselben seinen Lastzug dem nächsten Toueur übergibt. Auf diese Weise hofft man etwa 50,000 Eentner Güter in höchstens vier Tagen von Hamburg bis Magdeburg trans-portiren zu können.
Mittlerweile ist aber die Kettenschiffahrt auf der Oberelbe bereits in Ausführung gekommen. Im Frühjahre 186“ suchte ein Industrieller beim sächsischen Ministerium um Eoncession zur Aufstellung zweier Kettendampser zum Bugsiren der Kähne durch die Brücken bei Meißen und Dresden nach: es folgten noch ähnliche Gesuche, und am 5. Mai 1860 constituirte sich in Dresden eine Gesellschaft für Kettenschleppschiffahrt auf der Oberelbe, welcher von der sächsischen Regierung die Eoncession zur Anlage und zum Betrieb der Kettenschisfahrt auf der sächsischen Elbstrecke ertheilt wurde.
Diese Strecke soll im nächsten Frühjahre dem Verkehr übergeben werden. Um aber noch im vergangenev Jahre einen Versuch machen zu können, nahm man Anfang Oktober die 6’/. Meilen lange Strecke von Merschwitz (zwischen Meißen und Riesa) bis Loschwih leine Stunde oberhalb Dresdens in Angriff, indem man dort eine 6’/, Meilen lange eiserne Kette im Flußbette niederlegte. Dieselbe ist Vn Zoll, unter den Brücken ’Vi v Zoll englisch stark und wiegt 7,,, beziehentlich 8 Pfund der Längendurchschnitt eines Kettendampfers.
beiden ersten Abbildungen zeigen uns den von Schlick construirten Toueur, und zwar im Längendurchschnitt und vom Deck aus betrachtet. Am Vordertheile des Schiffs wird die Kette von einer Leitrolle ausgenommen, die am Ende eines langen Rinnenstücks, des Auslegers, angebracht ist, der sich um ungefähr 00 Grad horizontal drehen kann. Vom Ausleger geht die Kette, durch Rollen gestützt, nach den beiden Trommeln, welche mittels eines Vorgelegs von der Dampfmaschine in Umdrehung verseht werden. Jede Trommel ist mit vier Ruthen versehen, und es geht die Kette von der ersten Ruth der einen Trommel nach der ersten Ruth der andern, von da nach der zweiten Ruth der ersten Trommel u. s. s.; auf diese Weise findet die nöthige Reibung, sodaß sie nicht gleiten kann, statt. Von den beiden Trommeln aus geht die Kette auf Rollen nach dem am Hintertheil befind lichen beweglichen Ausleger und von diesem ins Flußbett. Die Ausleger sind beweglich gemacht, um den Dampfer unabhängig von der Richtung des Zuges, den die Kette ausübt, steuern zu können. Hierzu dienen die am Hinter- und Vordertheil an-ebrachten Steuerruder, die von der Mitte es Schiffs aus bewegt werden.
Die dritte Abbildung zeigt uns denselben Kettenschleppdampfer mit einem Lastzüge.
Im Vergleich mit dem vielsack üblichen Bugsiren der Lastschiffe durch gewöhnliche Rad- oder Schraubendamvfer bietet die Kettendampfschiffahrt bedeutende Vortheile. Während Schraube und Schaufelrad auf das Wasser wirken, das dem Drucke ausweicht,
Fuß: der Anschaffungspreis ist 10,000 Thlr. für die Meile. Bereits am 1. November erfolgte die feierliche Einweihung der Strecke. Zum Dienste sind zwei eiserne Schleppdampfer bestimmt. Nr. 1, von Otto Schlick in Dresden gebaut, ist 130 Fuß lang und 21 Fuß breit: Nr. 2, in der Maschinenfabrik der Hamburg -Magdeburger Dampfschiffahrtsgesellschaft zu Buckau gebaut, hat 140 Fuß Länge und 23 Fuß Breite. Jeder hat eine Dampfmaschine von 60 Pferde kraft, die wesentliche Einrichtung ist bei beiden dieselbe. – Unsere Pierre Napoleon Bonaparte.
wodurch ein bedeutender Tkeil der aus-linvandten Kraft für die Bewegung des Schiffs verloren geht, wirkt beim Kelten-damvfer die Kraft auf einen festen Körper, die Kette, und zieht an dieser das Schiff vorwärts. So erklän sich die außcrordem lich große Zugkraft der Kettendampfer und ihre Zähigkeit, mit schweren (Hüterzügen siindernifie zu überwinden, denen Remor nlueure mir weit kräftigern Maschinen nicht gewachsen sind. Ein schlagendes Beispiel die-’erÄn wurde bei dem letzten Hochwasser der Elbe im Decemder vorigen Jahres in Dresden beobachtet. Da vermochte der Saddam vier Cladno, dessen Maschine 200 Pferde kraft hat, mit zwei Schleppkähnen der starken Strömung wegen nicht die alte Brücke zu vasfiren, während ein Kettendampfer von 60 Pferdekraft mit einem Zuge von vier Kähnen ungehindert durch beide Brücken ging. Im Durchschnitt rechnet man, daß ein solcher Kettendampfer, wie sie aus der ^derelbe gehen, einen Lastzug mit etwa 50,000 Ctr. Ladung mit einer stündlichen Geschwindigkeit von Vn Meilen zu schleppen vermag. Dabei ist der Kohlenverbrauch ein weil geringerer als bei einem Remorqueur, eben weil letzterer eine viel stärkere Ma-icdine haben muß. Auch braucht der Toueur weniger Mannschaft als der Remorqueur.
Bedienen sich die Schisser zum Stromauf wärtsziehen ihrer Fahrzeuge regelmäßig des Kettendampfers, so können Masten and Takelage ganz in Wegfall kommen, die Schisse können dann stärker beladen und zugleich kann die Schiffsmannschaft vermindert werden. Durch alle diese Um-rläade werden die Frachtspesen verrin aett. Ferner kommt auch der starke Wellen-schlag der Schaufeldampser, der den Usern von Flüssen und Kanälen so gefährlich ist, bei der Kettenschisiahrt in Wegfall, und cndlich wird es dieser, abgesehen von der .-äschern Beförderung der (Hüter, bei leidlichem Wasserstande möglich, genaue Lieferungsfristen innezuhalten.
Auch den Eisenbahnen gegenüber ist die Kettenschiffahrt mehrfach im Bortheil. Ihre Anlage- und Unterhaltungskosten sind be deutend geringer: namentlich kommt aber der Umstand m Betracht, daß der Kettendampfer bedeutend weniger todtes Gewicht m schleppen hat als die Loco Motive. Zum Transport von 8000 Etr. Steinkohle z. B. würde man auf der Eisenbahn 40 Waggons von je 84 Ctr. Gewicht brauchen, während bei der Kettenschifs-iabrt zwei Kähne von je Ctr. Gewicht ausreichen. Dabei konen zwei solche Waggons ungefähr ebenso viel als ein Schleppkahn von 4000 Ctr. Tragkraft.
Neuerdings hat man auch statt der Kette ein Drahtseil in Anwendung gebracht, und es sind im Juni vorigen Jahres aus der Maas zwischen Lüttich und Namur in Gegenwart von Sachverständigen aus den verschiedensten Ländern sehr gut gelungene Bci’ucbe mir diesem System angestellt worden. Starr der Trommeln, an knmen das Dralni’etl niä,r genug Reibung finden würde, wendet man tner eme Klappentrommel an. wie sie ;ueiil Bowler bei seinen rampf-pslügen benutzt bat. d. h. eine Scheibe, an deren Umfang klapvenghnliäie Gelenke angebracht sind, welche das Drahtseil zwi icken sich aufnebmen und klemmen, i’oda,, das Gleiten verhütet wird, okne die Fon bewegung zu hemmen. Ein solches Draht K’.! m bedeutend billiger als eme Keilt, bei Anwendung desselben fallen die Crschür terungen weg, welche das Aus- und Ab winden der Kette Nus den Rollen verur facht, auch ifr da- Drabrfeil weniger leicht Brüchen ausgesetzt als eine Kette.
Die Schleppfchiffabn auf oenenku.-Kette ift auch auf dein Kanal von Clun lere; in Belgien, auf dem Kanal von Beveland in Holland und auf dem Kanal von Ter neuzen, welcher Gent mit der Schelde ver bindet, in Thätigkeit. Auf dem Rhein soll sie in der Stromschnelle bei Bingen ins Le den treten, und am 9. December vorigen Jahres sind dort in Gegenwan vieler Zach Männer Versuche angestellt worden. Wegen Bruches eines Transmifsionsrades m aber die Orossnung noch auf nächstes .xiubjabr verschoben worden.
Man darf wohl erwarten, daß die Kcttestschisfahrt der in Deutschland etwa-vernachlässigten Flußfchifiakrt einen neuen Aufschwung geben wird. Zu einer segcns reichen Entfaltung ist aber nicht nur eine bessere Pflege und Regulirung der natür lichen Wasierläufe, sondern auch die Schö pfung künstlicher Wasserstraßen, eines aus-gebrciteten Kanalsystems nothwendig. das unserm Baterlande noch fast ganz fehlt.
Pierre Napoleon öonaparte.
Die hossnungsreiche und von politi schen Stürmen ruhige Stimmung, welche das neue französische Ministerium bei seinem Eintritt in seine Amtsfuuctionen em pfing, hat nicht lange angedauert. Kaum eine Woche hatte das Ministerium OUivier die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten in die Hand genommen und sein Versöhnungswerk begonnen, als ein unglückliches Ercigniß, der rohe Ausbruch eines un gebändigten und gesetziosen Eorsicanercharakters, die unter der Asche schlummernden Leidenschaften aufs neue anfachte und Paris eine Woche lang in fieberhafter Aufregung erhielt.
Die Cheopspyramide, die Sphiax mrd die Mariette’schen nnsgrahmißen dri Sizeh in nestzpten. Nach eiaer Zeichmm- va, n. Padr,