Beschreibung des Oberamts Balingen/Kapitel B 25
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Thieringen hat auf der europäischen Wasserscheide eine merkwürdige Lage, indem es nach der einen Seite in das gemuldete Thal der oberen Beera, welche im Orte entspringt, hinabsieht, nach der andern ins enge der Schlichem, welche, weiter oben in der Fortsetzung jenes Thals entspringend, den niederen Theil des Orts durchfließt, um sich nach Westen in langem, zuerst wildem, dann „schleichendem“ Laufe zum Neckar zu wenden. Steile, zum Theil scharfkantige, zum Theil mehr gerundete Berge umschließen die Thäler. Die Markung erstreckt sich auf die 2 vordersten Vorsprünge der Südseite des Lautlinger Thals, den „Winkel“ mit großartigen Felspartien und das „Horn“ mit herrlicher Aussicht aufs Niederland.
Von chaussirten, gekandelten, gut gehaltenen Straßen durchzogen, breitet sich der stattliche Ort mit seinen meist weiß getünchten Häusern behaglich aus.
| In der Mitte erhebt sich, vom gutummauerten Kirchhof umschlossen, die stattliche, in ihrer ursprünglichen Anlage wahrscheinlich sehr alte Kirche; in der Nordostecke zwischen Chor und Langhaus ein großer und starker Thurm mit gothischen Schallfenstern und Zeltdach, über dem Westgiebel ein schönes, geschmiedetes Kreuz. Der Chor schließt mit 3 Seiten des Achtecks. Die jetzige Gestalt der Kirche stammt aus dem Jahr 1595, welche Zahl über dem Hauptportal angebracht ist; die Fenster haben noch spätgothische Formen (auch gothische Steinmetzzeichen) indeß das umlaufende Hauptgesims in Karniesform, sowie die Stuckbekleidung des Inneren mit schönen Akanthusblättern den Renaissancegeschmack verkündigt. Eine Sonnenuhr zeigt die Jahrszahl 1725. Das Innere ist freundlich, mit flacher, gut getäfelter Decke, ebensolchem stuckirtem Chor hinter dem gothischen Triumphbogen. Der Taufstein alt, achteckig; die Kanzel in hübschem Barock mit Bildern der 4 Evangelisten; über dem Haupteingang ein schöner, schlanker Cruzifixus (wohl auch aus der Zeit um 1595), an der Kanzel eine eiserne Tafel mit den wichtigsten Tagen von 1870–71.Der Thurm[1] enthält 3 Glocken. Die größte zeigt die Jahrszahl 1489 und die Inschrift in gothischen Minuskeln: s. lucas. s. marcus. s. mateus. s. johannes. die bechiedent win und k(o)arn. s. michkeilin. bit virs (für uns).
Auf der mittleren: Da pacem domine in diebus nostris. Anno 1658 in Stuttgart. Nacher Tiringen Hans Georg Herold. Die kleinste ist von Benj. Grüninger u. S. in Villingen umgegossen und zeigt: Komm heiliger Geist kehr bei uns ein. An die Kirche schließt sich das stattliche, 1827 erbaute Pfarrhaus an, welches eine herrliche Aussicht ins Schlichemthal bietet. Die Stiftung hat beide zu unterhalten.
Das 1833 erbaute, 1877 renovirte Schulhaus steht an der Hauptstraße und enthält 2 Lehrzimmer, wie die Wohnungen der beiden Schullehrer. Das Rathhaus ist sehr alt, 1855 eingerichtet. Weiter bestehen 5 Backhäuser und 1 Schafhaus.
Gute Vizinalstraßen vermitteln die Verbindung mit Balingen, Ober-Digisheim, Hossingen, Hausen a. Th. Eine steinerne Brücke führt über die Schlichem, eine hölzerne über die Beera; die Gemeinde hat beide zu unterhalten.
| Trinkwasser gut und reichlich aus 10 laufenden Brunnen, wovon 1 im Privatbesitz, wie auch 1 Pump- und 2 Schöpfbrunnen. Die Leitungen sind von Holz.Die kräftigen Einwohner, von denen 8 Personen gegenwärtig das 80. Jahr erreicht haben, sind fleißig, betriebsam, meist sparsam und geordnet, sowie kirchlich. Die Frauen tragen bei feierlichen Anlässen noch immer ihre Bändelhauben. Bei Hochzeiten wird mitunter getanzt.
Die Vermögensverhältnisse sind mittel. Der Vermöglichste besitzt 13 ha Feld, 3 ha Wald; der Mittelmann 8 ha Feld, 1 ha Wald, die Ärmeren 1 ha Feld. Wenige Güter liegen auf den Markungen Ober-Digisheim und Hausen a. Th.
Gewerbe ist wenig vorhanden, doch arbeiten Weber und Schuhmacher nach außen. Weißstickerei wird vielfach betrieben, mit Absatz in die Schweiz und nach Sachsen.
2 Mahlmühlen liegen zunächst beim Ort, die eine mit 2, die andere mit 1 Mahl- und je 1 Gerbgang. Im Vohenthal ist eine Sägmühle mit Ölmühle und Hanfreibe. 6 Wirthschaften, 4 mit Brauerei, sind vorhanden, und 6 Krämer. Holz und Tuffstein wird durchgeführt, und je ein Frachtfuhrmann fährt nach Ebingen und Rottweil.
Die große, wohlabgerundete Markung gehört dem Jura vom mittleren braunen bis zum mittleren weißen, doch größtentheils dem letzteren an (in ihm mehrere, doch ziemlich geringes Material liefernde, Steinbrüche) und ihr Boden trägt darum den bekannten Albcharakter; oben leicht, hitzig, steinig, nicht tiefgründig, unten naß, schwer, tiefgründig; im Thal einige Torfwiesen mit saurem Futter. Zärtere Gewächse gedeihen in besseren Jahren gut, werden aber wenig gepflanzt.
Das Klima ist rauh mit starken Winden. Hagelschlag kommt manchmal vor (1862, 1878, 1880). Gewitter sind nicht besonders häufig; die Lochenberge einer-, die Artlishalde andererseits scheinen eine Wetterscheide zu bilden (s. Ober-Digisheim).
Der Ackerbau wird sorgfältig betrieben. Gips und die eifrig gesammelte Jauche suchen den Boden zu verbessern.
Im schweren Feld hat man den alten Wendepflug, sonst den Gaißfuß, auch etliche amerikanische Pflüge und fast durchaus eiserne Eggen. Drei Dreschwalzen sind vorhanden.
Der Betrieb geschieht in der Dreifelderwirthschaft und 1/4 der Brache wird mit rothem Klee, Wicken, zuweilen Kartoffeln angebaut.
| Hanf baut man nur für den örtlichen Bedarf, sonst Haber, Dinkel, Mischfrucht. Besonders die Kartoffeln gedeihen gut.Der Futterbau (Wicken, rother Klee) ist nicht bedeutend.
Von 10 Sri. Dinkel auf den Morgen erntet man 8 Schffl., von 4 Sri. Gerste 6 Schffl., von 6 Sri. Haber 5 Schffl.
Beim Dinkel heben sich Ausfuhr und Einfuhr auf; dagegen können 1000 Schffl. Haber abgegeben werden und kommen nach Rottweil.
Der ausgedehnte Wiesenbau auf ein-, im Thal auch zweimähdigen Wiesen liefert ein gutes Erträgnis, der Morgen durchschnittlich 20 Ctr. Heu, 10 Ctr. Öhmd. Doch muß noch Futter zugekauft werden.
Der Gartenbau ist nur für eigenen Bedarf, die Obstzucht unbedeutend, doch im Zunehmen. Nur rauhere Sorten kommen fort und Zwetschgen, die nicht immer reifen.
Baumschule und ein ausgebildeter Baumwart sind vorhanden. Das Obst wird verspeist, gemostet ganz wenig. Eine Zwetschgenbrennerei (nebst 4 Fruchtbrennereien) ist vorhanden.
Die Gemeinde besitzt 510 Morgen gemischte Waldungen, welche jährlich 200 Kl. und 4000 Wellen ergeben; hievon erhält jeder Bürger noch 1 Raummeter Tannenholz und 12 Wellen. Das Übrige im Werth von 1500 M. kommt der Gemeindekasse zu gut.
Von Weiden sind 500 Morgen vorhanden, mittlerer Qualität, welche, mit fremden Schafen befahren, 1800 M. Pacht und 1800 M. für Pferchnutzung der Gemeinde ertragen.
Für 3/4 Morgen Allmand zahlt jeder Bürger einen Zins von 35 Pf.
11 Morgen Wiesen braucht die Gemeinde zur Farrenhaltung; einige Güter verpachtet sie um 130 M.
Die Pferdehaltung ist gering, desgleichen die Zucht (leichter Landschlag), behufs welcher die Stuten auf die Platte Balingen geführt werden.
Dagegen ist die Rindviehzucht stark, ergibt aber auch nur einen leichten Schlag, Simmenthaler-Kreuzung, von dem auch die 3 Farren sind, welche die Gemeinde hält.
Stallfütterung ist allgemein; einiger Handel mit Vieh kann getrieben werden.
Die Schafe, Bastardrace, sind von auswärts; im Sommer laufen circa 1200 Stück, Winters 20. Der Wollverkauf geht nach Kirchheim u. T.
| Die Schweine, englischer Race, werden nicht selbst gezüchtet; die gemästeten werden zur Hälfte verkauft; der Erlös ist nicht unbedeutend.Ziegenzucht ist gering, dagegen hält man viel Hühner, wenig Gänse und Enten. Eier werden an Händler verkauft.
Bienenzucht schwach.
Die von der Heiligenconfraternität Balingen im J. 1827 abgezweigte Stiftung bekam damals 6000 fl. Kapitalien und einen Theil des Zehntens. Jetzt beträgt das Grundkapital 12.660 fl. neben 3 ha Waldung, wovon neben dem Laufenden Kirche, Pfarrhaus und Schulhaus zu erhalten ist. Zum Schulfonds machten 1872 die Schneider’schen Eheleute eine Stiftung von 50 fl. behufs Anschaffung von Lehrmitteln für arme Kinder.
Parzellen:
- a. Vohenthal. Mühle (s. o.) 1/2 Stunde vom Ort gegen Ober-Digisheim in einer Schlucht der Artlishalde am stärksten Quellbach der obern Beera gelegen.
- b. Heidenhof. Nicht weit davon auf der Höhe der Artlishalde (vergl. Geyerbad bei Ober-Digisheim); mit 6 Schöpfbrunnen.
Ohne Zweifel als alten Besitz der Familie verkaufte Graf Heinrich von Hohenberg den 4. Mai 1345 „unser eigen Dorf Ttieringen, Leute und Gut, mit aller seiner Zugehörde …, als unser Vatter sel. an uns bracht hat … auch die Kilchun und den Kilchunsatz“ und „Winzelon (s. unten), was wir da Rechts haben“, um 656 Pfd. Heller an „Heinrich von Ttierberg unsern lieben Diener“ (Monum. Hohenb. 384). Aus dem Besitze der thierbergischen Familie kam der Ort durch Erbschaft in den hölnsteinischen. So verwiesen Konrad von Hölnstein und seine Gattin Anna von Thierberg den 8. Dezember 1400 ihre Tochter Englun, Aberlins von Ow Hausfrau, mit ihrer Heimsteuer um 550 Pfd. Hllr. auf ihren Theil der halben Burg Thierberg und das Dorf Thieringen mit dem Widdum, | Kirchensatz und übrigen Zugehörden, deren Wiederlosung sie sich vorbehielten. Am 25. März 1418 jedoch verkauften Konrad und seine genannte Tochter den Ort mit dem Kirchensatz, Widmen und Zehnten an Graf Eberhard den Jüngeren von Württemberg (vergl. oben S. 410). Übrigens erhob Österreich noch zufolge der Jurisdiktionstabelle vom J. 1804 mancherlei Ansprüche an den Ort, so auf die Forstherrlichkeit, welche Württemberg jedoch anerkannte, indem der Ort jährlich Forstzins in das oberhohenbergische Rentamt zahlte, deßgleichen zu einem Theil auf den Blutbann u. s. w.
Einiges hatten sich die Grafen von Hohenberg übrigens immerhin noch zurückbehalten. Daher übergab z. B. Graf Heinrich den 7. Jan. 1348 seinen hiesigen Hof, des Banwarten Hof genannt, samt dem darein gehörigen Zehnten, einen erst von der Frau von Bern (OA. Rottweil) einzulösenden Besitz, Heinrich dem Smit von Unter-Digisheim als Eigenthum, worauf Dietrich von Bern den 7. August 1361 seine Rechte an den genannten Hof und 1/4 des großen und kleinen Zehnten dahier um 46 Pfd. Hllr. an genannten Schmid, Bertold Schmid aber den 26. Sept. 1413 diesen sog. Schmidzehnten um 50 Pfd. Hllr. an die hiesige St. Katharinenpflege verkaufte. Weiterhin bewilligte Graf Rudolf III. den 20. Juni 1375, daß Wernher der Buwenburger und seine eheliche Hausfrau Adelhait von Bermatingen einen von ihm zu Lehen gehenden Hof dahier an Haintz von Lichtenstein und Adelheid von Neuneck, seine ehliche Wirthin, verpfändeten, und belehnte am 22. Dez. 1379 Albrecht den Huser als Erben seines zuvor damit belehnten Vaters mit des Husers Gütern dahier (Mon. Hohenb. 398. 605. 640), worauf noch am 16. Jan. 1497 die Belehnung Konrad Roths mit diesen Gütern durch K. Maximilian I. erfolgte. Auch sonst gingen hiesiger Zehnt und mehrere Feldgüter, Wiesen, Äcker, Hölzer von der Grafschaft Hohenberg her von Österreich zu Lehen: so empfingen Fritz Tieringer den 9. Juni 1392, 16. Febr. 1397 und 1. Febr. 1423 ein Drittel des Zehnten, welches er von seinem Vater ererbt hatte, von Herzog Leopold dem Dicken, beziehungsweise dem österreichischen Landvogt Graf Hans von Thierstein, Unser l. Frauen Pfleger dahier ein Viertel dieses Zehnten, das sie von Hans Tieringer übergeben erhalten, den 16. Juni 1463 von der Erzherzogin Mechthilde, die St. Katharinenpfleger dahier den 29. Okt. 1468 die genannten Feldgüter von derselben, Unser l. Frauen und St. Katharinenpfleger beide Lehen den 9. August 1483 von Erzherzog Sigmund, den 8. Jan. 1497 von König Maximilian I. Im folgenden Jahrhunderte unterblieben alle diese Belehnungen von Seiten Österreichs und eine in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts versuchte neue Geltendmachung der lehensherrlichen Rechte führte zu keinem Ziele.
Anderweitigen unbedeutenden oder vorübergehenden Besitz am Orte betreffend ist zu bemerken: Leute und Güter dahier, welche zu Winzeln gehörten, werden in den öfters erwähnten Urkunden vom 22. April 1253, 12. April 1303 und 3. Febr. 1305 als weiterhin zu dem unter | zollerischen Schutz gestellten Kloster Beuron[2] gehörig genannt (vgl. oben S. 409). Die zollerische Familie besaß hier ein Mltr. Korngelds und 5 Schill. Hllr., welche mit der Herrschaft Schalksburg im J. 1403 an Württemberg verkauft wurden. Der Edelknecht Hans von Winzlau verkaufte den 18. Okt. 1427 seine Zehnten aus des Walders Gut und etlichen Wiesen dahier um 26 Pfd. Hllr. an die hiesige Kirchenpflege.Nach Röders öfters erwähntem Lexikon von Schwaben zählte der Ort 773 Seelen.
Die kirchlichen Verhältnisse betreffend wird bereits im J. 1275 Heinrich von T. als hiesiger Pfarr-Rektor, zugleich aber auch als solcher zu Stetten am kalten Markt, Engstlatt und Mägerkingen, und im J. 1280 ein „decanus de Dieringen“ als Zeuge des Grafen Mangold von Nellenburg erwähnt (vergl. oben S. 228 und Zeitschr. f. Gesch. des Oberrheins 6, 410). Ein hiesiger Pfarrer, zubenannt der Cappadocier, Notar des Grafen Alberts II. von Hohenberg († 1298) des Schwagers von K. Rudolfs I., war, wie es scheint, ein lustiger auch am königlichen Hofe gerne gesehener Mann, von welchem noch eine Reihe von Witzen überliefert sind (vergl. Matthias Neoburg. Chron. ed. Studer 186 ff., Schmid Hohenberg 120 und Anm.). Im J. 1338 wird Johannes von Owe als Kirchherr, Berthold der Maiger als Leutpriester dahier genannt. – Der Thieringer Pfarrer Joh. Wilh. Maurer traute am 28. Jan. 1711 Nachts 6 Uhr auf dem benachbarten Gute Oberhausen die berüchtigte Wilhelmine von Grävenitz mit dem Grafen von Würben (Oberamtsbeschr. Rottweil 426). – Bis zur Einführung der Reformation im Orte war das, auch in der Folge katholisch gebliebene Hausen am Thann (OA. Rottweil) Filial von Thieringen.
Als ein abgegangener Ort bei Thieringen wird nicht selten „Winzeln“[3] aufgeführt; wie sich übrigens aus der genauen Markungsbeschreibung des späteren, heutzutage unter diesem Namen nicht mehr erhaltenen Hofes Winzlau, Wenzlau, nach dem Lagerbuch der Kellerei Balingen vom J. 1721 in Vergleichung mit den Flurkarten ergibt, fallen der genannte Hof sowie der gleichfalls abgegangene Unnothhof ihrer ganzen Fläche nach mit dem Locherhof, beziehungsweise der nördlichen Hälfte der jetzigen | Markung Oberhausen (OA. Rottweil) in der Weise zusammen, daß Winzlau vielleicht der nördlichen Häusergruppe von Oberhausen, der Unnothhof dem Locherhof entsprochen hat. Demgemäß fällt Winzeln außerhalb der Grenzen der Markung Thieringen und des Oberamts Balingen, und ist auch die Geschichte des Hofes Winzlau bereits in der Beschreibung des Oberamts Rottweil S. 427 dargestellt worden, doch kann hier nachträglich, insbesondere zur Familie der Herrn von Winzeln, noch folgendes bemerkt werden. – Die freien Herren von Winzeln, welche ohne Zweifel auf der a. a. O. genannten zwischen Oberhausen und dem Locherhof gelegenen, heutzutage kaum noch in Trümmern erhaltenen Burg Wenzelstein ihren Sitz hatten, waren ein Dynastengeschlecht, welches wahrscheinlich zur Sippschaft Hezelos und Hessos der Stifter von St. Georgen, der Freien von Entringen und des zollerischen Hauses selbst gehörte. Das älteste bekannte Glied der Familie ist Landoldus de Winzelun im März 1050 Zeuge des Zürichgrafen Eberhard vorgreifend gewöhnlich von Nellenburg genannt (Quellen zur Schweizer. Geschichte 3, 7). Noch dieselbe Person, wahrscheinlicher aber sein Nachkomme, ist Landoldus de Winzila. zugleich mit einem Hugo von Ehestetten, vielleicht seinem Sohne (vergl. oben S. 356), im J. 1084 zu Irslingen Zeuge der oben genannten Stifter St. Georgens. Bald darauf, in den Jahren 1094 und 1095 erscheinen zur Familie gehörig: Landold und sein Sohn Hugo, sowie des ersteren Schwiegersohn Hartmann von Thalhausen als reich begütert zu Ehestetten, Dürrwangen und Stockenhausen und als Schenker solcher Güter an das Kloster St. Georgen (s. S. 356). Ferner noch vor Schluß des Jahrhunderts Landoldus de Winzilun als Zeuge bei der Gründung des Klosters Alpirsbach (Wirt. Urkb. 1, 316. 364); im J. 1192 und 1194 Landolfus, Landoldus de Winzelun, Wincelun, desgl. Diethelms, Abts von Reichenau und Bischofs von Constanz (Monum. Zolleran. 1, 19. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 28, 166); den 11. April 1195 dominus Landoldus de Wincelun desgl. Herzog Konrads von Schwaben und zwar zwischen den beiden Grafen Friedrich von Hohenberg und von Zollern aufgeführt (Wirt. Urkb. 2, 310); den 17. Mai 1196 Landolfus de Winzinlon desgl. K. Heinrichs VI. (Monum. Zolleran. 1, 23); um dieselbe Zeit nobilis vir Landolfus de Wincilun in einer Kl. Salemer Urkunde (Zeitschr. für Gesch. d. Oberrheins 31, 66). Um die Mitte des 13. Jahrhunderts erscheinen Hugo nobilis | de Winzilun den 26. Dez. 1240 als Zeuge des Grafen Heinrich von Küssaberg, den 21. Mai 1247 als Schenker eines Hofes unterhalb Mettingen (bad. BA. Waldshut) an die Deutschordenskommende Beuggen, den 11. Nov. 1259 als Zeuge des Edeln Heinrich von Radeck (Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 3, 252. 28, 89. 103. 6, 228) und Heinricus de Winzelo Deutschherr zu Beuggen im Mai 1246 und 1247 als Zeuge in Urkunden dieser Kommende (Zeitschr. a. a. O. 28, 102 ff.). Weiterhin kommen vor wohl als Nachkommen dieser Herren von Winzeln: Petrus de Wincelon domicellus Bürger zu Waldshut, Petroz de Winzelen, den 2. Febr. 1296 Verkäufer eines Leibeigenen an die Kommende Beuggen und den 14. Februar 1300 Zeuge des Ritters Ulrich von Bernau (bad. BA. St. Blasien. Zeitschr. a. a. O. 28, 426; Monum. Hohenb. 143); die Herren von Winzeln, welche im J. 1396 ihr Gütlein zu Warmthal (OA. Riedlingen) mit dem Zehnten für 40 Pfd. Heller und 10 ungarische Gulden verkaufen (Oberamtsbeschr. Riedlingen 161), der Edelknecht Hans von Winzlau im J. 1427 (S. 502; ohne Zweifel die in der Rottweiler Oberamtsbeschr. unter dem J. 1437 aufgeführte Urkunde); Else von Wintzlau, Junker Hansen von Wintzlau sel. Tochter zu Digisheim gesessen, welche am 29. Septbr. 1431 den von ihrem Vater ererbten Stock, Graben, Wiesen und Garten zu Digisheim an einen Digisheimer Bürger verkauft (St.A.). Noch in der Mitte des 16. Jahrhunderts erinnerten sich nach der Behauptung Peter Scheers von Schwarzenburg die alten Leute zu Thieringen von ihren Eltern gehört zu haben, daß vor Jahren neun Mäntel, d. h. edle Frauen, vom Wintzler Berg gen Thieringen in die Kirche gegangen seien.Zur alten, nicht sehr lange bestehenden Herrschaft Winzeln gehörten namentlich der Ort Winzeln, Leute und Güter in den Ortschaften Thieringen, Hausen am Thann, Hossingen, Meßstetten und Böttingen (an letztgenanntem Orte auch das Gericht), ein Besitz, welcher nach den bereits erwähnten Urkunden vom 22. April 1253, 12. April 1303 und 3. Februar 1305 sich in den Händen des Klosters Beuron befand, daher schon die Vermuthung ausgesprochen wurde, der Stifter desselben könnte zu dieser Familie gezählt haben (Monum. Zolleran. 1, 68. 112. 116. 118, vergl. auch Zeitschr. für Gesch. d. Oberrheins 6, 414). Über die Geschichte des Orts selbst und seines allmähligen Herabsinkens zu einem Hofe ist nur wenig bekannt. Im 14. Jahrhundert | scheint er hohenbergisch gewesen zu sein; zwar mag es zweifelhaft bleiben, ob die Mühle bei „Vingullun“, welche die Grafen Rudolf I. und Albrecht IV. von Hohenberg am 25. August 1308 an das Kloster Kirchberg vertauschen, hieher zu beziehen sei, allein am 4. Mai 1345 verkaufte Graf Heinrich von Hohenberg, was er zu Winzeln Rechts hatte, mit Thieringen an Heinrich von Thierberg (Mon. Hohenb. 170. 384). Als Zugehörde Thieringens kam der Hof wohl im J. 1418 an Württemberg. Am Ende des 15. Jahrhunderts war er im Besitze des Balinger Bürgers Arnold Bücklin, welcher nach einem Lagerbuch von 1496 aus dem Hofe mit Zugehörden 7 Pfd. 12 Schill. Hllr. jährlich zinste; was sich im Wintzler Bann von Atzung, Schaden, Spänn, Irrung, von Äckern und Wiesen, auch von Ungerichten begab, das sollte altem Herkommen gemäß zu Thieringen berechtet werden. Von Bücklin kaufte den Hof der Ritter Hans Kaspar von Bubenhofen, ihm folgten im Besitz sein Sohn Hans Jakob, die von Weitingen, Dietrich von Späth. Dieser verkaufte das Gut, auf dem sich zur Zeit nur ein altes, baufälliges Haus mit zwei Scheuern befand, den 15. Januar 1530 an Peter Scheer von Schwarzenburg. Dessen gleichnamiger Sohn baute sich auf dem angrenzenden hohenbergischen Boden einen neuen Sitz (Oberhausen), worauf die Gebäude zu Winzeln allmählig in Abgang kamen und beanspruchte die Rechte eines adeligen Gutes für den Hof. Er kam deshalb mit Württemberg in einen Streit, der den in der Rottweiler Oberamtsbeschreibung erwähnten und unter der Rubrik Ober- und Herrlichkeit dem Balinger Kellereilagerbuch von 1721 einverleibten Vergleich vom 1. Sept. 1569 herbeiführte.
Die württembergischen Adreßbücher nennen den Hof noch bis zum J. 1805 übrigens nur im Ortsregister mit dem Beisatz: Balingen, ohne ihn beim Amte Balingen selbst aufzuführen.
- ↑ Nach einer Urkunde im St.Arch. fiel 1592 der Thurm ein und hatte der Fürstl. Baumeister G. Beer den Überschlag über die Wiederherstellung zu machen.
- ↑ Über spätere Beuroner Bezüge dahier vergl. Alemannia 8, 192.
- ↑ Nicht zu verwechseln mit dem, früher Winzagel, erst im 16. Jahrhundert Winzeln genannten gleichnamigen Orte des Oberamtes Oberndorf.
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