Beschreibung des Oberamts Gmünd/Kapitel B 23
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Ganz versteckt im stillen, reizend schönen Thale, da wo fächerförmig frischgrüne, von klaren Bächen durchrauschte Schluchten zusammen laufen, liegt beschattet von prächtigen Obstbaumgruppen, theils ganz im Thale, theils erhöht, der sehr freundliche reinliche Ort, der sich größtentheils lang gedehnt an dem von Süden herkommenden Stoffelbache lagert. Gar schön ist dieses hochansteigende, mit Wiesen-, Obst- und Waldesgrün belebte, und mit zerstreuten Gehöften besetzte, vielgehügelte Thäler- und Schluchtengebiet, in das großartig ruhig die kahlen Häupter des Stuifens, des Rechberges und anderer Albhöhen hereinschauen. Besonders schöne und weite Aussichten bietet das ganz in der Nähe, östlich vom Dorf gelegene Eichhölzle, und noch mehr der Hornberg.
Die dem h. Lorenz geweihte Kirche, den höchst malerischen und wohlthuenden Eindruck des Dorfes vollendend, liegt samt Schul- und Pfarrhaus am westlichen Thalgehänge, burgartig erhöht auf steilem, felsigem, üppig verwachsenem Vorberge; sie ist ein romanischer Quaderbau, der aber gründlich erneuert wurde, so daß von den alten Rundbogenfenstern sich nur an der Ostseite des Thurmes noch eines erhielt; an der Südwand des Schiffes sieht man den alten rundbogigen Eingang zugemauert und auf der Kirchenbühne an der Westseite des Thurmes das Schutzgesimse des ursprünglichen Kirchendaches. In dem mit Rococofresken geschmückten Innern ist das Schiff flachgedeckt, der Thurm mit dem alten romanischen Kugelgewölbe überspannt. Der treffliche, den 17. November 1813 verstorbene Pfarrer Melchior Fischer, dessen Grabstein an der Nordwestecke der Kirche steht, ließ auf seine Kosten die Kirche 1807–1810 bedeutend verschönern und machte noch eine Stiftung zu diesem Zwecke; so ist die Kirche mit guten Altären und Bildern sehr freundlich geschmückt und macht einen höchst angenehmen Eindruck; die Tafelbilder und die Seitenaltäre wurden von Maler Huber in München gemalt, der Hochaltar von Fleiner in Gmünd gefertigt. Auch das Stuhlwerk, | aus dem vorigen Jahrhundert stammend, ist hübsch. In einem Glasschrank befinden sich die Gebeine des Märtyrers Elektus. Auf dem dreistockigen, mit spitzem achtseitigem Zeltdache bekrönten, ziemlich hohen Thurme hängen 3 Glocken. Die größte trägt die Namen der vier Evangelisten in gothischen Minuskeln und anno domini 1459, die zweite, noch ältere, hat in gothischen Majuskeln die Umschrift o rex glorie criste veni cum pace, die dritte ist uralt, von eigenthümlich schlanker und steiler Form und ohne Inschrift. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Gemeinde.Der 1831 angelegte Gottesacker liegt westlich am Ort.
Westlich bei der Kirche steht das schöne, zweistockige, schon in älterer Zeit erbaute Pfarrhaus; es bietet eine reizende Aussicht und ist von freundlichen Pfarrgärten umgeben. Zu seiner Unterhaltung wird jährlich ein Bauschilling von 30 fl. zwischen dem Interkalarfonds und dem Pfarrer ausgeworfen.
Das ansehnliche, 1810 erbaute Schul- und Rathhaus enthält neben den Gemeinderaths-Gelassen zwei Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters; an der Schule sind zwei Lehrer angestellt.
Ein ehemaliges herrschaftliches Schloß, jetzt in Privathänden, steht im nördlichen Theile des Ortes.
In Weilerstoffel befindet sich am Nordende des Weilers die 1755 erbaute Kapelle zum h. Patricius; sie ist innen hübsch mit Fresken, Ölbildern und Statuen geziert und trägt einen Dachreiter mit Glocke. Eine weitere Kapelle steht am Anfang des Christenthals.
Gutes Trinkwasser liefern hinreichend 6 laufende, 36 Pump- und 18 Schöpfbrunnen; eine Wasserleitung mit hölzernen Deucheln besteht. Auch die Markung ist reich an guten Quellen, die bedeutendste in der sog. Reisebrunnenklinge; von Bächen gehen über die Markung der Stofflerbach, Rechbach, Langenbach und Thienenbach; bei Wolkenbrüchen treten sie zuweilen verheerend aus; der Rechbach trocknet in heißen Jahrgängen ein. Ein sog. Goldbächlein, das sehr sparsam Gold führen soll, ist vorhanden. Zwei Weiher lagen früher neben einander im Thal und sind jetzt in guten Wiesengrund verwandelt.
Eine Korporationsstraße geht von hier nach Gmünd, eine Vicinalstraße nach Bettringen und eine nach Weilerstoffel.
Drei kleine steinerne Brücken, 2 hölzerne, und 12 Stege sind über den Stofflerbach, Langenbach und den Rechbach angelegt; ihre Unterhaltung hat die Gemeinde.
Die Einwohner sind ein ansehnlicher gesunder Menschenschlag, einige Personen zählen über 80 Jahre; man trifft bei ihnen im allgemeinen viele Betriebsamkeit, Sparsamkeit und Ordnungsliebe; ihre Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau, Viehzucht und Gewerben. | Von den letztern werden Beindrehereien und Neusilbergeschäfte mit gutem Erfolg betrieben; auch die Schuster und Pfeifenmacher, welche viel nach außen arbeiten, sind zahlreich vertreten. Ferner bestehen im Ort zwei Kaufläden und ein Kramladen, eine Kleider- und eine Perlenbeutelhandlung, 3 Schildwirthschaften, 3 Bierbrauereien, eine Ziegelei und zwei Mühlen, eine mit einem Gerbgang und zwei Mahlgängen, die andere mit einem Gerbgang, einem Mahlgang und einer Malzbrechmaschine.Zwei mittelmäßig besuchte Viehmärkte werden jährlich in den Monaten Februar und September hier abgehalten.
Die Vermögensverhältnisse sind nicht ungünstig; der vermöglichste Bürger in Waldstetten besitzt 80–90 Morgen, worunter 4 Morg. Wald, der Mittelmann 40, die ärmere Klasse 1–2 Morg. Feld. Der größte Grundbesitz auf der Markung ist der Thannhof mit 400 Morg. Feld und 100 Morg. Wald.
Armenunterstützung erhalten etwa 12 Erwachsene und mehrere Kinder.
Die ziemlich große, von Süd nach Nord in die Länge gezogene Markung ist mit Ausnahme des nördlichen Theils uneben, hügelig, zum Theil sogar sehr bergig, indem die Alb mit ihrem Steilabfall und ihren Vorbergen theilweise in die Markung eingreift. Der Boden ist sehr verschieden, theils fruchtbar, theils mittelfruchtbar oder gar gering. Im nördlichen ebenen Theil der Markung erscheint ein fruchtbarer Lehm, der von Liaskalk und Liassandstein unterlagert wird, mehr gegen Süden treten alsdann die thonigen Zersetzungen der Turneri-, Numismalis- und Amaltheenthone, des Posidonienschiefers und in namhafter Ausdehnung der Opalinusthone auf; über dem letzteren erheben sich die wenig fruchtbaren Verwitterungen des Eisensandsteins und endlich an dem Steilabfall der Alb die kalkreichen Zersetzungen des weißen Jura, die indessen meist mit Wald bestockt sind. Steinbrüche sind angelegt im Liaskalk- und Liassandstein, im weißen grobkörnigen Keuper und im jüngeren Süßwasserkalk (Tuffstein), welche Bau- und Werksteine, auch Straßenmaterial, wozu auch der weiße Jura benützt wird, liefern. Lehm-, Sand- und Kiesgruben sind vorhanden.
Das Klima ist mild und begünstigt noch den Anbau von feineren Gewächsen, obgleich zuweilen kalte Nebel und Frühlingsfröste schädlich auftreten; vor starken Winden ist der Ort wegen seiner tiefen Lage geschützt und Hagelschlag kommt selten vor, weil der Staufen und Rechberg Wetterscheiden bilden.
Die Landwirthschaft wird mit vielem Fleiß und Verständniß sehr gut betrieben und der Boden durch kräftige Düngung, wobei auch Gips, Asche, Guano etc. in Anwendung kommen, immer mehr zu verbessern gesucht. Von verbesserten Ackergeräthen sind die Hohenheimer | Beetpflüge, die Walze und die eiserne Egge allgemein geworden; auch Repssäe- und Dreschmaschinen sind einzelne vorhanden. Der deutsche Wendepflug ist nur auf einzelnen an Bergabhängen gelegenen Höfen noch üblich.Zum Anbau kommen die gewöhnlichen Getreidearten und von diesen vorzugsweise Dinkel und Haber, ferner dreiblättriger Klee, Wickenfutter, Kartoffeln, weiße Rüben, Angersen, Kohl und von Handelsgewächsen Reps, Mohn, Flachs und Hanf; der Reps wird theilweise nach außen abgesetzt; von den Getreideerzeugnissen kommen jährlich 4–500 Scheff. Dinkel und 600 Scheff. Haber zum Verkauf.
Der Wiesenbau ist ausgedehnt und die 2–3mähdigen Wiesen, von denen nur ein ganz kleiner Theil bewässert werden kann, liefern ein gutes, nahrhaftes Futter. Gemüse und Gartengewächse werden nicht allein für das eigene Bedürfniß gebaut, sondern kommen auch in ziemlicher Menge zum Verkauf nach Gmünd.
Die Obstzucht, welche sich nicht allein mit Mostsorten, sondern auch mit feinerem Kernobst, und mit Zwetschgen, Kirschen und Pflaumen beschäftigt, ist ausgedehnt und liefert gerne guten Ertrag, der jedoch meist im Ort selbst verbraucht wird.
Die Gemeinde besitzt keine Waldungen, dagegen Allmanden, die theils als Schafweiden benützt, theils an Bürger zum Anbau verliehen werden; die Weiden tragen nebst der Brach- und Stoppelweide der Gemeindekasse 6–700 fl., die Pferchnutzung 100–150 fl. und die zum Anbau verliehenen Allmanden 100 fl. jährlich ein.
Die Pferdezucht ist nicht von Bedeutung, während die Rindviehzucht in ganz gutem Zustande sich befindet; man hält die Leinthaler- und Simmenthaler Race und hat 3–4 Leinthaler Farren zur Nachzucht aufgestellt. Der Handel mit Vieh ist nicht beträchtlich und einiges gemästete kommt nach Gmünd und Stuttgart zum Verkauf. Milch wird theils in die im Ort bestehende Käserei, größtentheils aber nach Gmünd und zwar um etwa 4500 fl. jährlich abgesetzt.
Die Schafzucht wird von fremden Schäfern und von einigen Bürgern betrieben; es laufen das Jahr hindurch 8–900 Stück deutsche und spanische Schafe auf der Gesamtgemeinde-Markung. Die Wolle wird auf dem Kirchheimer Wollmarkt und die Schafe meist nach Frankreich verkauft.
Eine Stiftung von dem verstorbenen Pfarrer Melchior Fischer mit 5000 fl. ist vorhanden, deren Zinse zur Unterstützung armer Lehrlinge und Studierender bestimmt sind.
Bei dem Eichhölzle auf einem vorgeschobenen Hügel östlich von Waldstetten stand eine Burg, von der noch Graben und Wall sichtbar, und schon Grundmauern, Pfeilspitzen etc. ausgegraben worden sind; sie gehörte den Grafen v. Rechberg.
| Auf der Flur Zuckmantel oberhalb Thannweiler sind Graben und Wall einer ehemaligen Befestigung, nach der Volkssage von einem Schlößchen, noch vorhanden; in der Nähe ist auch das sog. Graneggle, wo ebenfalls eine Burg stand; auch sind hier Graben und Wall noch sichtbar.Waldstetten (oft Walstetten und Wallstetten, gegenüber von der Burg auch Unterwaldstetten genannt) am Fuße des Rechbergs gelegen, mit dessen Mutterkirche, gehört natürlich zu den unmittelbarsten Zubehörden der Burg Rechberg; aber frühe schon diente eine stattliche Burg oberhalb des Dorfs Waldstetten einzelnen Mitgliedern und Zweigen der Herrn v. Rechberg zur Residenz. Diese Burg ist im Städtekrieg 1449 von den Gmündern zerstört worden. Hans Philipp v. Rechberg † 1611 baute aber im Dorf ein Schlößchen, das von kaiserlichen Völkern 1643 verbrannt, blos nothdürftig als Amthaus hergestellt wurde und jetzt in Privathänden ist.
Von nicht-rechbergischen Gütern in Waldstetten ist nichts bekannt. Die Linie von Illeraichen war im Besitz, deren Stifter Georg a. 1393 eine Gült aus seinem Dorfe Walsteten anwies zu einer Messe im Dominikanerkloster zu Gmünd. Von der Kronburger Nebenlinie wurde ganz Waldstetten an ihre Vettern zu Rechberghausen und Donzdorf abgetreten, von welchen Kaspar Bernhard v. Rechberg 1602 auf sein Dorf Waldstetten 2000 fl. aufnahm; sein Sohn Hans Philipp baute das Schlößchen, in welchem nachher von seines Bruders Haug Erkinger Söhnen Hans Michael zu Waldstetten residirte, † 1635. Der letzte männliche Sprosse dieser Linie, Hans Wolf v. Rechberg zu Rechberghausen und Waldstetten, verkaufte 1672 das Rittergut Waldstetten ganz frei und unbeschwert an Joachim Gotfried, Grafen von Gravenegg, wobei das Gut angeschlagen wurde: Gebäude und Güter 10.140 fl., beständige Gefälle 902 fl., unbeständige 494 fl.; dazu alle Obrigkeit und Gerichtsbarkeit, jus patronatus und leibeigene Leute. Der Kaufpreis war 35.500 fl. Des Käufers Sohn, Graf Gotfried Anton D. v. Gravenegg, verkaufte 1699 Waldstetten wieder an das Stiftskapitel zu Ellwangen um 45.000 fl. Graf Franz Albert v. Rechberg versuchte zwar als rechbergischer und graveneggischer Vetter ein Familien-Vorkaufsrecht geltend zu machen, aber vergeblich. Der Reichstag selbst verwendete sich gegen die übertriebenen Ansprüche der Ritterschaft auf ein vom Kaiser 1688 verliehenes jus retractus. So blieb denn Waldstetten ellwangisch bis zur Säcularisation 1802 und 1803 und die Aushebung von Rekruten durch Württemberg verursachte nochmals 1805 einen Streit mit der Reichsritterschaft, bei welcher das Gut verblieben war. Die Rheinbundsakte machte auch diesen Zwistigkeiten ein Ende.
Eine Pfarrei zu Waldstetten bestand jedenfalls schon 1397, | deren Patrone die Herren v. Rechberg gewesen sind, welche 40 Malter Früchte Advocatierente von da bezogen und zu einer Kaplaneistiftung in Falkenstein 1506 verwendeten. Die auf dem Rechberg gestiftete Messe sollte nach Revers von 1492 der Mutterkirche in Waldstetten unschädlich sein, führte aber zur Errichtung einer abgetrennten selbstständigen Pfarrei.Von den zu der Gemeinde gehörigen Parzellen (s. oben) nennen wir nur die bedeutenderen und zwar:
Thannweiler, liegt mit schöner Aussicht 1 Stunde südlich von Waldstetten hoch am Fuß des Steilabfalls der Alb, unfern der Wasserscheide zwischen der Rems und der Lauter.
Thannweiler gehörte später zum Rittergut Winzingen (s. d.) und theilte dessen Schicksale. Ursprünglich finden wir Syfrid v. Holz im Besitz, welcher den Hof zum Tanner 1441 an seinen Stiefvater Hans Offenhauser zu Donzdorf verkaufte. Benjamin v. Bubenhofen zu Ramsberg hat den Hof zu Dannweiler um 3600 fl. erkauft.
Bei Thannweiler liegen die 2 Berge: Rechbergle und Graneggle, auf denen die Spuren von ehemaligen Burgen unverkennbar sind; der Gmünder Chronist Vogt beruft sich (c. 1680) auf einen Bauern von da, welcher beim Viehhüten die Mauern und Gräben oft gesehen, in der einen Burg auch in dem Keller gewesen. Dekan Rink sah noch im Anfang dieses Jahrhunderts Mauerreste.
Bei Weiler i. B. ist die Rede von einer Kirche – zu Holzkirchen S. 455 und von einem abgegangenen Hof Holzhausen und zu den Hölzern. Dürfen wir diese Orte vielleicht beim Rechbergle suchen, wo noch jetzt eine Kapelle am Fuße steht? Ist das abgegangene feste Haus ebenda nicht vielleicht das Stammhaus der Herren vom Holz, welche zuerst als ritterliche Dienstmannen der Herren v. Rechberg und etwa auch der Haggen v. Rosenstein erscheinen und 1441 (s. o.) den Hof zum Thanner besessen haben? 1343 ff. lebte Hans zum Holz; 1351 Johann vom Holze unter den Gmündischen „Uzleuten“.
Der Thannhof gehörte früher zum Rittergut Wißgoldingen; Erkinger v. Rechberg verpfändete 1524 seinen Hof Thannhof bei Stoffel gelegen.
Weilerstoffel, ein ansehnlicher Weiler, der beinahe 3/4 Stunde südlich vom Mutterort in dem Stofflerbach-Thälchen eine reizende und geschützte Lage hat.
Weilerstoffel ist ein ziemlich neuer Name; früher heißt es immer nur „Stoffel“.
Den Zusenhof zeichnet schon die Gmünder Pürschkarte.
Die Pfeilhalde, ein an der Straße nach Gmünd lieblich gelegenes schönes Landhaus mit Garten und Gut.
| Die übrigen Parzellen (Häuser und Höfe) lagern sich vereinzelt an den Berggehängen, Bergvorsprüngen und in dem Flachland und tragen zu dem malerischen Charakter der Gegend wesentlich bei.
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