Beschreibung des Oberamts Laupheim/Unter-Balzheim
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Der mittelgroße, freundliche und reinlich gehaltene Ort liegt angenehm zwischen üppigen Obstgärten in der Illerthalebene, am Fuße der westlich sich erhebenden, bewaldeten Thalgehänge, an die ein kleiner Theil des Orts hingebaut ist. Die Verkehr bringende Ulm–Leutkircher Landstraße führt durch das Dorf, und überdieß ist noch eine Vicinalstraße nach Wain angelegt; eine öffentliche Fähre ist nicht vorhanden, dagegen besteht ein Gemeindenachen, der die auf dem jenseitigen Ufer der Iller güterbesitzende Ortsbürger hin- und herführt. Laupheim liegt vier Stunden nordwestlich vom Ort.
Die sehr alte Pfarrkirche, deren Unterhaltung der Stiftungspflege obliegt, wurde im Jahr 1583 erneuert und 1817 verschönert. An derselben sind drei verschiedene Bauperioden ausgesprochen, indem das Langhaus in einen modernen einfachen Styl umgeändert, während eine Seitenkapelle mit ihren spitzbogigen, gefüllten Fenstern noch in der germanischen Bauweise gelassen wurde, der alte nicht hohe, mit einem Satteldach versehene Thurm aber noch Spuren des romanischen Baustils trägt; namentlich enthält der Thurm in dem obersten Stockwerke gedoppelte Rundbogenfenster, unter dem Dache ein Rundbogenfries und sein unteres Stockwerk deckt ein einfaches Kreuzgewölbe. Das etwas düstere Innere der Kirche ist mit einer flach getäfelten Decke versehen, während die Emporenbrüstungen, Kanzel, Altarfassung, Kirchen- und Chorstühle in reinem Renaissancegeschmack recht gut gehalten sind; der Taufstein hingegen trägt noch den germanischen Styl. Der mit einer gewölbten Decke versehene Chor enthält den Altar mit einem gut ausgeführten Gemälde, das heil. Abendmahl vorstellend, und überdieß zwei runde, aus Holz gefertigte Denktafeln, die eine mit dem Wappen der Herren v. Ehinger von 1547, die andere| ist einem Servatius Schad, Fähndrich in dem Fürstl. Lichtenstein’schen Regiment, der 1703 starb, gewidmet. Die Seitenkapelle, gegenwärtig Sacristei der Kirche, deckt ein schönes Kreuzgewölbe, an dessen drei Schlußsteinen Rosetten angebracht sind; sie enthält mehrere Grabdenkmale und zwar 1) eines Hans v. Ehinger, † 1583, und dessen Frau, eine geb. Reme, † 1576, 2) Anno 1608 † Hans Christoph Ehinger von und zu Balzheim etc., Anno 1608 † dessen Frau, geb. Katzpocken, 3) Anno 1503 † Hans Eberhard Krafft, des Raths zu Ulm, 4) Anno 1629 † Hans Ehinger von und zu Balzheim, des Raths und Oberrichters zu Ulm, dessen Frau eine geb. Weislände, † 1665, 5) Anno 1626 † Hans Christoph Ehinger von und zu Balzheim, des Raths zu Ulm, dessen Frau eine geb. Röthin, † 1638.Der mit einer festen Mauer umfriedigte Begräbnißplatz liegt um die Kirche.
Das Pfarrhaus, dessen Unterhaltung auf dem Pfarreinkommen ruht, wurde im Jahr 1851 erneuert und hat nun ein freundliches und gefälliges Aussehen.
Das zunächst der Kirche gelegene Schulhaus mit Lehrerwohnung wurde im Jahr 1825 aus dem Stiftungsfonds mit einem Aufwand von 2200 fl. neu und massiv erbaut; die Unterhaltung desselben hat die Stiftungspflege. Eine Industrieschule besteht seit 1852.
Die Gemeinderathssitzungen werden gegenwärtig noch in der Wohnung des jeweiligen Schultheißen abgehalten; übrigens beabsichtigt die Gemeinde demnächst ein besonderes Rathhaus zu erbauen.
Gutes Trinkwasser liefern mehrere Brunnen, und überdieß fließt der Breitenbach mitten durch das Dorf; ein zweiter Bach, Namens Gieße, fließt 1/8 Stunde östlich vom Ort vorüber und treibt dort eine zur Gemeinde gehörige Mühle mit drei Mahlgängen und einer Säge-, wie auch einer Öl-Mühle mit Eisendreherei, welche Eigenthum des Mechanikus und Mühleschauers Schwarz ist. Von dem Gießen noch einige 100 Schritte östlich bildet die vielarmige Iller die Grenze zwischen dem Gemeindebezirk und dem Königreich Bayern. Auf den Fall der Feuersgefahr und zum Pferdeschwemmen ist im Ort eine Wette gelegt.
Die Einwohner, deren Vermögensverhältnisse im Allgemeinen zu den mittelmäßigen gehören, treiben mit vielem Fleiß den Feldbau, der verbunden mit der Viehzucht ihre Haupterwerbsquelle bildet; überdieß befinden sich fünf Holzhändler im Ort, die Lang- und Scheiterholz in der Umgegend aufkaufen und auf der Iller und Donau nach Ulm, Günzburg etc. verflößen; bei ihnen finden | viele Einwohner des Orts beinahe das ganze Jahr hindurch Arbeit und Verdienst. Der begütertste Einwohner besitzt etwa 100 Morgen.Die nicht große Markung, außer welcher die Gemeinde auch noch Waldungen und Güter jenseits der Iller auf bayerischem Gebiet besitzt, ist im östlichen Theile, im Illerthale, eben und wird durchgängig für den Feldbau benützt; im westlichen Theile treten die ziemlich steilen und durch Schluchten sehr getheilten Thalgehänge auf, von denen nur einzelne Ausläufer dem Feldbau, das übrige aber der Holzzucht überlassen wird.
Hinsichtlich der natürlichen und landwirthschaftlichen Verhältnisse s. die Ortsbeschreibung von Ober-Balzheim.
Die Obstzucht ist beträchtlich und hat sich in neuerer Zeit durch den Einfluß des vormaligen Ortsvorstehers, Georg Ranz, der mit gutem Beispiele voranging und zugleich diesseits der Iller gelegene Allmanden mit Obstbäumen anpflanzen ließ, namhaft gehoben.
Das Fischrecht ist unter der Krone Bayern und der Grundherrschaft getheilt.
Die Gemeinde besitzt einen etwa 100 Morgen großen Wald, dessen jährlicher Ertrag, in 10 – 12 Klaftern bestehend, für die Gemeindekasse verkauft wird; überdieß besitzt dieselbe diesseits und jenseits der Iller gegen 200 Morgen mit Buchhölzern bewachsene Flächen (Griese), deren Ertrag zu Faschinen (öfters 30.000 Stücke in einem Jahr) zum Illeruferbau benützt wird. An weiteren Gemeindegütern sind 350 – 400 Morgen vorhanden, welche theils öde liegend als Schafweide benützt – theils angebaut und an Bürger um etwa 200 fl. jährlich verpachtet werden; die an einen Pachtschäfer verliehene Schafweide erträgt der Gemeinde nebst der Pferchnutzung etwa 400 fl. jährlich.
Armenstiftungen, deren Zinse an Ortsarme ausgetheilt werden, sind 411 fl. und 116 fl. vorhanden; letztere gemeinschaftlich mit Ober-Balzheim.
Die Gemeinde hatte früher Kapitalvermögen, ist aber in Folge der vielen Uferbaukosten bis zu einer Schuldenlast von 2000 fl. zurückgekommen (über den Gemeinde- und Stiftungshaushalt s. auch Tabelle III).
In der Sandgrube westlich vom Ort, wie überhaupt an dem Illerthalabhange, kommen Molassesandsteine vor, die man theilweise als Bausteine benützt.
Den Zehnten bezog, mit Ausnahme von etwa 6 Morgen, wovon ein Bürger in Unter-Balzheim der Berechtigte war, die Pfarrei.
Die Gutsherrschaft (vergl. Ober-Balzheim) besitzt an Grund-Eigenthum | auf hiesiger Markung 7 Morgen Felder und 937 Morgen Waldungen.Ihre abgelösten Gefälle betrugen an Geld 281 fl. 5 kr., an Naturalien 2 Scheffel 3 Simri Roggen, 136 Scheffel 5 Simri Dinkel und 110 Scheffel 1 Simri Hafer.
Das Pfarr-Patronat steht der Gutsherrschaft zu, so daß in der Ausübung der Freiherr v. Palm und die v. Ehinger’schen Interessenten alterniren.
Etwa 1/4 Stunde und nordwestlich von dem Ort in dem sog. Ried fand man auf einem, dem Jacob Schließer von Unter-Balzheim gehörigen Grundstück, ziemlich ausgedehnte Grundreste von Gebäuden, Estrichböden, Hypokaustum, viele römische Ziegel, Heizröhren etc., die einen hier bestandenen Römerort bekunden (s. den allg. Theil).
Auf dem Bürschlatt, einem zunächst am Ort von den Illerthalgehängen vorspringenden Hügel, sieht man noch den kreisrunden Graben und Wall einer ehemaligen Burg; daselbst wurden schon Backsteine etc. ausgegraben; auch soll früher noch Gewölbe sichtbar gewesen sein.
Über die Geschichte dieses Ortes und die gutsherrlichen Verhältnisse, welche ganz dieselben sind, wie bei Ober-Balzheim, ist letzteres (s. oben) zu vergleichen.
Was die Kirchengeschichte Unter-Balzheims, sowie Ober-Balzheims betrifft, so war bereits im Jahr 1541 in diesen Orten von Ulm aus durch die Bemühungen des damaligen Besitzers, Hans Ehinger, Bürgermeisters von Ulm, die Reformation eingeführt und bis zum Jahr 1629 blieben sie in unbestrittenem Besitz des evangelischen Bekenntnisses. In letztgenannter Zeit wurde der evangelische Prediger durch einen katholischen Priester verdrängt, jedoch schon im Jahr 1631 wieder von den schwedischen Reitern vertrieben. Indeß erscheint erst 1649 wieder ein evangelischer Prediger in Unter-Balzheim. Darauf hatten aber noch die Balzheimer Gutsherren mit dem Erzhause Österreich über die jura superioratis und somit auch über das jus reformandi einen langwierigen Streit durchzufechten; letzteres Recht wurde der Herrschaft als einem Afterlehen der Grafschaft Kirchberg abgesprochen. Nach vielen Verhandlungen schritt im Jahr 1661 der Graf Fugger von Kirchberg mit dem Dechanten von Ehingen und einer Bedeckung von 16 Reitern anrückend gegen den protestantischen Pfarrer mir Gewalt ein, indeß fanden die Gutsherren, die Ehinger, an dem Ulmer Senat und an dem Herzog Eberhard III. von Württemberg | eine Stütze. Der Württembergische Obervogt von Blaubeuren, nach Innsbruck gesandt, und der in letzter Stadt anwesende Ulmer Agent vermittelten, unter Berufung auf die Verzichtsurkunde des Bischofs von Constanz vom Jahr 1649, und so wurden die Orte in ihrem evangelischen Bekenntniß von jetzt an nicht mehr angefochten.