Beschreibung des Oberamts Neresheim/Kapitel B 18
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Die frei am Südostende des Dorfes gelegene Kirche zu St. Peter und Paul wurde 1736 von Abt Edmund Heisser erbaut (der Thurm 1720) und 1796 erneuert, ist im Zopfstile gehalten und von einem quadratischen Chore geschlossen. Sie enthält an den Decken Stuckaturen und Fresken, drei Rococoaltäre und eine Kanzel in demselben Stil. Über dem Triumphbogen steht 1736. An den Chor ist eine halbachteckige Kapelle mit Vierblattfenstern und gurtenlosen Kreuzgewölben angebaut, die auf ihrem Zopfaltare ein gutes holzgeschnitztes Krucifix besitzt. Der auch aus Backsteinen, unter Abt Amand Fischer erbaute, 124′ hohe Thurm ist mit Friesen und mit Doppelfenstern geschmückt, trägt ein hohes Achtecksgeschoß mit Zwiebelkuppel, und drei Glocken. Auf der ersten steht: Richhard Geissendörfer in Nördlingen 1859; auf der zweiten: dns dns Georgius Gerstmair 33. Abbas monasterii noreshaim hanc campanam comparavit. Die dritte Glocke hat keine Inschrift. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Stiftungspflege; früher hatte Fürst von Thurn und Taxis die subsidiäre Baulast.
Der Friedhof geht um die Kirche, an seiner Mauer sind zum Theil kolossale Kalksteinblöcke verwendet.
Das zweistockige, in der Mitte des vorigen Jahrhunderts erbaute Pfarrhaus ist jetzt vom Staat zu unterhalten; früher vom Fürsten von Thurn und Taxis.
Das ansehnliche Schul- und Rathhaus mit hübschem Gärtchen wurde 1830 errichtet und enthält neben dem Rathszimmer ein Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters; es kostete ohne die zu 600 fl. angeschlagenen Frohndienste 3000 fl.
Meist gutes und gesundes Trinkwasser liefern in Großkuchen 37 Schöpfbrunnen, in Kleinkuchen 5; sonst besteht nur eine einzige kleine Brunnquelle in Kleinkuchen, die bei trockenen Jahren fast ganz versiegt. Wassermangel tritt selten ein. Hülben sind in Großkuchen vier, in Kleinkuchen eine angelegt. Bäche fließen keine auf der Markung.
Vicinalstraßen gehen nach Neresheim, Kleinkuchen, Königsbronn und Ebnat. Dann befinden sich drei von der Gemeinde zu unterhaltende Brückchen auf der Markung.
Die Haupterwerbsmittel der sehr geordneten und fleißigen Einwohner bestehen in Feldbau und Viehzucht; daneben treibt man nur die gewöhnlichen Handwerke. Eine Ziegelei bereitet mit gutem Erfolg feuerfeste Steine.
| In Großkuchen bestehen zwei Schildwirthschaften, wovon eine Bier braut, in Kleinkuchen eine Sudwirthschaft, in Rothensohl und Nietheim je eine Schenkwirthschaft. Außerdem ist in Großkuchen ein Kramladen.Die Vermögensverhältnisse sind befriedigend, der begütertste Bürger besitzt 170 Morgen, der Mittelmann 30–50, die wenig bemittelte Klasse 3–10 Morgen Feld.
Die sehr große Markung bildet einen Theil des flachwelligen, von Mulden, Rinnen und Trockenthälchen vielfältig durchzogenen Herdtfeldes und hat einen mittelfruchtbaren, meist aus den Zersetzungen des weißen Jurakalks bestehenden steinigen, nicht tiefgründigen Boden, an einzelnen Stellen kommt Lehm (Lüxe) vor. Im Taxis’schen Walde Egelsee befinden sich eine Lehm-, eine Töpferthon- und eine Sandgrube; beim Ort ist eine Kiesgrube angelegt.
Das Klima gehört, wie auf dem ganzen Herdtfeld, nicht zu den milden und Frühlingsfröste sind ziemlich häufig, daher auch die Obstzucht von keiner Bedeutung ist; Hagelschlag kommt durchschnittlich alle 15–18 Jahre vor.
Die Landwirthschaft wird gut getrieben und verbesserte Ackergeräthe (eiserner Wendepflug, eiserne Egge, Walze, Futterschneid- und Dreschmaschine) haben Eingang gefunden. Von den zum Anbau kommenden Getreidearten gedeihen Dinkel, Gerste und Roggen am besten, weniger Haber und Einkorn; in der Brache baut man Kartoffeln, Futterkräuter (dreiblättrigen Klee, Luzerne und Esparsette), Runkelrüben, Flachs und etwas Reps. Von den Felderzeugnissen können über den eigenen Bedarf jährlich nach außen abgesetzt werden: 600 Scheffel Dinkel, 500 Scheffel Gerste, 50 Scheffel Haber, 30 Scheffel Einkorn und 10–15 Scheffel Roggen.
Der nicht besonders ausgedehnte Wiesenbau liefert gutes Futter; die Wiesen sind meist zweimähdig und nur etwa 8 Morgen dreimähdig.
Die unbedeutende Obstzucht beschäftigt sich vorherrschend mit Steinobst, während Kernobst weniger gerne geräth; das Obst wird meist grün verspeist und nur selten gemostet.
An Waldungen besitzt Großkuchen 71 Morgen, Kleinkuchen 150 Morgen; in Großkuchen wird der jährliche Holzertrag (18 Klafter und 2000 Stück Wellen) verkauft und der durchschnittliche Erlös mit 200 fl. fließt in die Gemeindekasse. In Kleinkuchen werden von dem jährlichen Ertrag 191/2 Klafter und 1463 Stück Wellen unter die 191/2 Gemeinderechtsbesitzer vertheilt und der Rest mit 300–400 fl. verkauft, welcher alsdann der Gemeindekasse zukommt.
Eigentliche Weiden sind nicht vorhanden und nur die Brach- und Stoppelweide, wie auch der Eintrieb in die fürstlich taxis’schen Waldungen, werden an fremde Schäfer verpachtet, was in Großkuchen 1000 fl., in Kleinkuchen 500 fl. einträgt. In Großkuchen beziehen | die berechtigten Bürger die Pachtsumme und die Pferchnutzung mit 200–300 fl.; in Kleinkuchen fließt der Weidepacht in die Gemeindekasse und nur die Pferchnutzung mit jährlich 300 fl. gehört den Pferchberechtigten.Die Pferdezucht, welche sich nur mit gewöhnlichen Racen beschäftigt, ist ganz unbedeutend, dagegen die Rindviehzucht in gutem Zustande; man züchtet vorherrschend die Limpurgerrace und theilweise Simmenthalerrace, auch eine Kreuzung von Limpurger- und Alpenschlag. In Großkuchen sind zwei Farren und in Kleinkuchen ein Farre aufgestellt. Der Handel mit Vieh beschränkt sich nur auf den Verkauf des entbehrlich gewordenen. Viehmastung und Viehaustrieb findet nicht statt. Einer ausgedehnteren Viehzucht steht, wie allenthalben auf dem Herdtfeld, der Mangel an Futter entgegen.
Fremde Schäfer lassen auf den Markungen Großkuchen 900, Kleinkuchen 600, Hagenbucherhof und Hubertsweiler 300 Stück Bastardschafe laufen.
Von Überresten aus grauer Vorzeit nennen wir die von Heidenheim nach Bopfingen führende, noch ziemlich gut erhaltene römische Heerstraße, welche den östlichen Theil der Markung berührt und durch die östlichste Spitze des Waldes „Badhäule“ in der Richtung von Süden nach Norden hinzieht. In diesem Walde liegen zu beiden Seiten der Römerstraße 10 altgermanische Grabhügel, von denen einer geöffnet wurde; man fand Gefässefragmente, Kohlen und Asche in demselben. Auch in dem 1/4 Stunde westlich von Kleinkuchen gelegenen Wald „Gschellteich“ befinden sich mehrere Grabhügel, ferner zwei zwischen Groß- und Kleinkuchen auf dem sog. Zigeunerbuck, einer auf der sog. Heide bei Nietheim und mehrere im Wald „Buchen“ südlich von Kleinkuchen. Nördlich von Großkuchen kommt die Benennung „Kapellenberg“ vor; hier stand ohne Zweifel eine Kapelle.
In den ältesten Nachrichten werden nicht zwei Kuchen unterschieden; so schenkte ein Fricho de Alemania dem Kloster Fulda bona sua im Brenzgau in Chuocheim. 1299 genehmigte der Abt von Ellwangen einen Tausch von Gütern in villa Cuchen, welchen Hermann von Haheltingen mit Kloster Neresheim getroffen hatte; auch Gülten in Kuchen schlechtweg hat die Kommende Kapfenburg vom Kloster Lorch 1471 erworben.
Ausdrücklich in Großkuchen, oder Mehrkuchen, erwarb Neresheim 1303 von Conradus dictus Scheureller und 1299 ein paar Ellwanger Güter, welche zum Theil der Pfarrei Unterkochen zugehört hatten. – Von hier stammen Jakob, Johann Michael und Johann Evangelist Mettenleiter, Maler oder Kupferstecher, auch um die Lithographie verdient; s. Nagler’s Künstlerlexikon. Brände waren z. B. 1811, 26, 44.
Ausdrücklich in minori Cuochen (Minder- oder Kleinkuchen) | erhielt Neresheim Schenkungen von Graf Adelbert von Dillingen, des Stifters Sohn, und von einem Heinricus Zimbermann. Einige Güter besaß auch die Johanniterkommende Klein-Erdlingen. Schenk Andreas von Witteslingen verbrannte in einer Fehde mit Neresheim 1375 Kleinkuchen, wurde aber dafür von den Oettinger Grafen enthauptet.Beide Orte (auch Ober- und Niederkuchen genannt) waren allmählig ganz neresheimisch geworden und hatten ihr Gericht zu Neresheim, indem die Grafschaft Oettingen die Obrigkeit und Dorfsherrschaft handhabte. Beides wurde 1764 an das Kloster abgetreten und ist 1803 taxisch geworden. Ein Gut hatte die forstliche Dienstbarkeit nach Heidenheim zu leisten.
Die Pfarrkirche in Großkuchen gehörte noch 1298 dem Kloster Neresheim, wurde aber wenige Jahre später dem Augsburger Domkapitel ad mensam communem überlassen und 1318 incorporirt, jedoch gegen einen Zins von jährlich 20 Pfd. Hellern dem Kloster Neresheim überlassen. 1461 bestätigte Bischof Petrus dem Kloster die Incorporation ecclesiarum parrochialium in majori et minori Kuechen gegen einen Abtrag von jährlich 32 Pfd. Heller. Denn auch die Pfarrei Kleinkuchen hatte Neresheim 1322 von Ellwangen erworben und 1332 demselben Domkapitel überlassen gegen 15 Pfd. jährlich. Mit dem Kloster Neresheim kam das Patronat an Taxis.
Die Kirche zu St. Ulrich in Kleinkuchen, 1517 und wieder 1746 neu gebaut, ist jetzt Filialkapelle. Ohne Zweifel hat sie nicht der heilige Ulrich selber eingeweiht.
Wegen Priestermangels wurde Kuchen 1648–60 von Ebnat aus pastorirt; um 1760 versah ein Weltpriester K. und Auernheim alternirend. Zu den Filialen gehörte bis 1811 auch Diepertsbuch, dagegen waren Nietheim und Rothensohl erst 1784–87 nach Kuchen eingepfarrt worden.
Zu der Gemeinde gehören:
b. Hagenbucherhof, liegt 1 Stunde nordwestlich von Großkuchen; zu dem Hof gehört ein 252 Morgen großes arrondirtes Gut, an dem gegenwärtig drei Besitzer Theil haben.
Von hier nennt sich wohl ein Conradus de Hagenbuch, der in den ältesten Zeiten dem Kloster Neresheim einen Theil von einem Gut in Ohmenheim schenkte, neben andern Gütern im Bayerischen und Rudolfus de Hagenbuche in einer ötting’schen Urkunde von 1262; 1298 war der Ort im Besitz von Neresheim, gieng jedoch ein und wurde erst um 1770 wieder angelegt.
c. Hubertsweiler, ein nur 1/4 Stunde südwestlich vom Hagenbucherhof gelegener Hof, zu dem 246 Morgen gehören. Das Gut ist arrondirt.
Hubertsweiler, Hubatsweiler – wurde 1298 von Oettingen | an’s Kloster Neresheim verkauft, ist aber – gleich dem benachbarten Brandelhausen eingegangen und erst um 1770 neu errichtet worden.d) Kleinkuchen; eine kleine halbe Stunde südöstlich von Großkuchen liegt an einem ziemlich stark südlich geneigten Abhange der freundliche Ort, dessen meist ansehnliche, einstockige, theilweise noch mit Stroh gedeckte Bauernhäuser die Wohlhabenheit der Einwohner verrathen.
Das hübsche Schulhaus, mit vorliegendem Gärtchen, enthält ein Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters.
In der Mitte des Weilers steht innerhalb des ummauerten Begräbnißplatzes die Kapelle des hl. Ulrich, ein einfaches Gebäude im Rococostil, eingeweiht den 15. Oktober 1746, mit einem Dachreiter auf dem First, der 2 Glocken, von denen eine 1845 umgegossen wurde, enthält. Das Innere birgt einen großen Zopfaltar und ein schönes 4′ hohes Krucifix.
Die Vermögensverhältnisse der Einwohner sind noch etwas besser als in Großkuchen, während die natürlichen und landwirthschaftlichen Verhältnisse denen in Großkuchen gleichen (s. oben). Im Jahre 1826 den 12. Dezember war hier ein großer Brand, 1844 den 13. Juni schlug der Blitz ein, und fünf Wohnhäuser, drei Scheuern und das Kapellenthürmchen brannten ab.
e) Nietheim, liegt still und abgeschieden auf drei Seiten mit Wald umgeben 1/2 Stunde nordwestlich von Großkuchen; der Ort besteht aus dem 1784 erbauten fürstlich Thurn und Taxis’schen Jagdschloß (Wohnung des fürstl. Revierförsters) und vier Privathäusern. Zwei Cisternen und zwei Hülben liefern das nöthige Wasser. Zum Hof gehören 171 Morgen Güter, in die sich drei Eigenthümer theilen.
In der Nähe des Orts kommen mehrere Erdfälle vor.
In der päpstlichen Bestätigungsurkunde von 1152 schon sollte unter den Neresheimischen Besitzungen ohne Zweifel Nitheim stehen statt Hitheim. Einige Güter waren ellwangische Lehen, kamen aber auch 1300 an Neresheim.
Im 30jährigen Krieg gieng der Weiler ein. Abt Benedict 1755–87 erbaute hier ein Schlößchen, zur Villegiatur, nebst Meierei. Es diente später als Taxis’sches Jagdschlößchen und dann als Försterswohnung.
f) Rothensohl, liegt in einem kleinen Trockenthälchen 1/2 Stunde südwestlich von Großkuchen; zum Hof gehört ein 173 Morgen großes, arrondirtes Gut.
Rothensohl gehörte dem Kloster Neresheim, das 1301 von den bayrischen Herzogen und Pfalzgrafen Rudolf und Ludwig noch einige Güter in Rottensol geschenkt bekam. Der Ort gieng ein, 1484–87 wurde vom Kloster ein Hof neu angelegt, der im 30jährigen Krieg nochmals zerstört worden ist und im französischen Kriege viel gelitten hat.
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