Beschreibung des Oberamts Neresheim/Kapitel B 17

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« Kapitel B 16 Beschreibung des Oberamts Neresheim Kapitel B 18 »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Goldburghausen.
Gemeinde III. Kl. mit 320 Einw., wor. 3 Kath. – Evang. Pfarrdorf; 4 Stunden nordöstlich von der Oberamtsstadt und 11/2 Stunden nordöstlich von Bopfingen gelegen.

Am westlichen Saume des Rieses, im sog. oberen Ries, liegt theils auf einem Flachrücken, theils an dem mäßig geneigten, sommerlichen Abhange gegen das Rößlesgrabenthälchen der freundliche, ziemlich regelmäßig angelegte Ort, durch dessen nördlichen Theil die breite Kirchheim-Nördlinger Vicinalstraße dem Dorf entlang zieht; die Seitenstraßen sind etwas enger. Die ziemlich weitläufig gestellten, meist durch Obstbaumgärten getrennten Gebäude sind zum Theil ansehnliche Bauernhöfe, welche die Wohlhabenheit einzelner Ortsbürger verrathen, von den übrigen, meist einstockigen Häusern haben nur zwei noch Strohbedachung. Außer der schon angeführten Vicinalstraße ist noch eine weitere nach Pflaumloch angelegt.

Die sehr alte Kirche steht am westlichen Ende des Orts im noch rings ummauerten Friedhof und bildet ein rechteckiges Schiff mit östlich angebautem, unten den Chor vertretenden Thurm; sie stammt aus dem zwölften Jahrhundert, das beweist schon ihr Quadergemäuer mit seinem Dachgesims und seinen spärlichen romanischen Rundbogenfenstern. Der ursprüngliche Eingang durch die Nordwand des Schiffes ist vermauert und auf dem Dachboden sieht man noch den alten flachen Quadergiebel des Schiffes. Der Baustein ist Basalttuff. Das Innere des Schiffes bietet nichts baulich bemerkenswerthes, dagegen erhielt sich im Chor, d. h. im untern Geschoß des Thurmes, noch das alte romanische Rippenkreuzgewölbe, dessen Rippen von breiter rechteckiger Leibung auf vier stämmigen, einfach kapitellirten Rundsäulen ruhen. Der Triumphbogen ist breit und spitz; auch die Stirnbögen des Chorgewölbes sind spitzbogig. Ferner enthält die Kirche: ein Altarbild, die Grablegung Christi, vom Jahr 1739, ein steinernes Grabmal des | Jörg Beckh, † 1611, 87 Jahr alt, und seiner beiden Hausfrauen, dann das des Hans Algeer, † 26. Oktober 1615. Auf dem fünfstockigen, 90′ hohen, in den zwei untern Geschossen sehr alten und aus Buckelsteinen errichteten Thurm hängen zwei Glocken, die größere mit der Umschrift: Wolfgang Neidhardt in Augspurg gos mich Anno domini 1612; auf der kleineren steht in altgothischen, fast noch ganz lateinischen Majuskeln: Ave Maria. Lucas. Marcus. Matheus. Der Thurm endigt in zierlichen backsteinernen Achtecksgeschossen. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Gemeinde.

Außer der Pfarrkirche zu St. Michael bestand noch im unteren Theil des Dorfs die Kirche zu St. Peter, die aber schon längst abgegangen ist; der sog. Kappelbauer hat von ihr seinen Namen.

Das freistehende, zweistockige alte Pfarrhaus liegt nahe bei der Kirche; es wurde 1824 vergrößert und war von dem Hospital Nördlingen zu unterhalten; die Baulast hat jetzt die Gemeinde. Das Schulhaus, welches früher ebenfalls die Stadt Nördlingen aus Hospitalmitteln zu unterhalten hatte, enthält ein Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters. Ein Rathhaus ist nicht vorhanden und der Gemeinderath hält seine Sitzungen in einem gemietheten Zimmer im Gasthaus. Ein Armenhaus besteht.

Früher hatte der Ort zuweilen Wassermangel, dem durch die Anlage einer Wasserleitung im Jahr 1865 abgeholfen wurde; es bestehen jetzt 5 laufende und viele (längst vorhandene) Pumpbrunnen. Zu gleicher Zeit wurde eine Wette, die von dem Ablauf der Brunnen gespeist wird, angelegt. Überdieß fließen über die Markung der Schellengraben und der Rößlesgraben. Etwa 1/4 Stunde nordöstlich vom Ort bestand ein 10 Morgen großer, jetzt trocken gelegter Weiher.

Die Einwohner sind im allgemeinen gesund, kräftig und hinsichtlich der Körpergröße gehören sie zu den ansehnlicheren im Riese; epidemische Krankheiten kommen nie vor und in der Regel erreichen die Einwohner ein ziemlich hohes Alter; gegenwärtig ist nur eine Person über 80 Jahre alt. Man trifft gute Geistesanlagen, viel Fleiß, Sparsamkeit und kirchlichen Sinn; dagegen spielt der Aberglaube noch eine bedeutende Rolle, überhaupt herrschen hier noch manche Eigenthümlichkeiten in Sitten und Gebräuchen (s. hier den allg. Theil).

Haupterwerbsquellen sind Feldbau und Viehzucht, während die Gewerbe, von denen das der Weber am meisten vertreten ist, nur den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen dienen; eine Bierbrauerei besteht und ein Fruchthändler wohnt im Ort, der in der Umgegend Getreide aufkauft und im Unterland absetzt. Die Vermögensverhältnisse gehören zu den guten; der vermöglichste Bürger besitzt 80 Morgen, der sog. Mittelmann 15–20 Morgen und die unbemittelte Klasse 2–3 Morgen Grundeigenthum. Gegenwärtig erhalten nur 3 Personen Unterstützung von Seiten der Gemeinde. Seit der im Jahr | 1810 vorgenommenen Vertheilung von 30 Morgen Äckern und Wiesen giebt es sog. halbe und ganze Gerechtigkeiten, die jeder Bürger, mit Ausnahme von 2 Gnadenhäuslern, genießt; eine ganze Gerechtigkeit begreift 3/4 Allmanden, 1/8 Rüben- und Krautland, überdieß Weid- und Pferchantheil. Eine gewisse Dorfaristokratie macht sich durch eine entschiedene Kluft zwischen dem eigentlichen Bauern und Söldner ziemlich bemerklich.

Das Klima ist etwas rauh, jedoch gesund; die Luft meist bewegt, nicht selten windig, auch kommen häufig sehr starke Nebel vor. Hagelschlag schadete in den Jahren 1822, 1849 (zweimal) und 1853 (theilweise).

Die mittelgroße, mit wenig Ausnahme meist ebene Markung hat im allgemeinen einen fruchtbaren, leicht zu bearbeitenden Boden, der zum größten Theil aus Lehm, und in geringer Verbreitung aus den Zersetzungen des weißen Jura und des Kalktuffs besteht; im Thale, südlich von Goldburghausen, lagert ein ursprünglicher Moorgrund, der in sehr fruchtbaren Boden umgewandelt wurde. Kalktuff wird in zwei Gemeindesteinbrüchen abgebaut; sie geben Arbeit und Verdienst und haben schon öfters der Gemeindekasse eine jährliche Rente von 300 fl. eingetragen. Überdieß hat jeder Bürger das Recht, am Goldberg für seinen eigenen Bedarf Steine zu brechen.

Die Landwirthschaft wird unter Anwendung verbesserter Ackergeräthe fleißig und umsichtig getrieben; zum Anbau kommen, außer den gewöhnlichen Cerealien (Dinkel, Haber, Gerste, Roggen), Kartoffeln, Klee, Wicken, Ackerbohnen, Erbsen, Linsen, Flachs und namentlich viel Kraut (Spitzkohl), das auf 54 Morgen gepflanzt wird; auf den Morgen kommen etwa 5400 Stücke zu stehen und über den eigenen Verbrauch kann jährlich etwa für 10.000 fl. Kraut nach außen verkauft werden; das Kraut ist wegen seiner Güte sehr gesucht, daher auch der Ort schon seit alten Zeiten von den Bewohnern der Umgegend „Krauthausen“ genannt wird. An Getreidefrüchten werden alljährlich für ungefähr 60.000 fl. auf der Schranne in Nördlingen abgesetzt.

Der ziemlich ausgedehnte Wiesenbau liefert reichlich gutes Futter, das die Ernährung eines namhaften Viehstandes ermöglicht.

Von geringer Bedeutung ist die Obstzucht, da kalte Nebel und Frühlingsfröste der Obstblüthe häufig Schaden bringen; man pflanzt nur späte Obstsorten und Zwetschgen.

Die vorhandenen Weiden sind nebst der Brach- und Stoppelweide an einen Ortsschäfer, der 300 Stück Bastardschafe laufen läßt, um 300–350 fl. jährlich verpachtet; die Pferchnutzung trägt 500 fl. ein.

In gutem Stande ist die Rindviehzucht; sie beschäftigt sich mit verschiedenen Racen, vorzugsweise mit einer Kreuzung von Simmenthaler- und Landvieh und zur Nachzucht sind drei Farren (Simmenthaler- | und Landschlag) aufgestellt. Der Handel mit Vieh in die Umgegend ist beträchtlich; Butter und Schmalz kommt nach Nördlingen zum Verkauf. Hühner und Tauben, namentlich aber Gänse, werden viel gezogen und in Handel gebracht.

Waldungen sind keine vorhanden und der Holzbedarf muß daher von außen bezogen werden.

Ein Stiftungsvermögen von etwa 1200 fl. ist vorhanden.

Auf dem 1/4 Stunde südlich vom Ort sich schroff erhebenden Hügel, Goldberg genannt, fand man eine große Menge von Scherben rohgearbeiteter, kaum gebrannter Gefässe, ferner eine Fibula und einen Ring von Bronze, was Alles auf altgermanischen Ursprung hinweist; es scheint hier eine ähnliche Opfer- und Gerichtsstätte gewesen zu sein, wie auf dem Ipf. Später soll hier die Goldburg gestanden sein. Zu erwähnen ist noch die Volkssage, daß zur Zeit, als das Ries noch ein See gewesen sei, die Schiffer ihre Schiffe an dem Felsen des Goldbergs angelegt hätten; die Hacken und Ringe zu diesem Zwecke sollen früher an dem Goldberg noch vorhanden gewesen sein (?). Beim dritten Steg von hier nach Pflaumloch leitet ein Geist die Wanderer irre. Bei Nacht läuft ein Männchen auf dem Goldberg und schreit „daher“!

Etwa 1/8 Stunde südöstlich von Goldburghausen kommen die Flurbenennungen „Wasserstall“ und „Kesseläcker“ vor, was, namentlich die erstere Benennung, auf eine ehemalige Befestigung hindeutet.

Zum Unterschied von anderen Orten Hausen, deren es auch in dieser Gegend mehrere gibt, hat unser Hausen den Namen von seiner Lage am Goldberg. Die Herrn von Hausen, welche in der Umgegend begütert waren, z. B. in Trochtelfingen, Nähermemmingen u. a. O. stammen wohl von einem andern Orte und das ist auch glaublich von der Bertha de Husen und ihrem Mann Bebo (liber homo), welche nach den Neresheimer Traditionen um 1200 in Golpurgehusen die Kirche, 1 Hof und 2 Huben schenkten nebst dem größern Hof in Munzingen. Hier scheint fast das Hausen von Goldburghausen unterschieden zu werden.

Sichere Spuren von einer Burg sind auf dem Goldberg noch nicht nachgewiesen, obwohl es bemerkenswerth ist, daß die Malstätte des öttingen’schen Landgerichts stets „auf der Goldpurg“ heißt und daß zwischen 1397–1438 ein Seiz und Jakob von Altheim von der Goldburg heißen. Ein Heinrich von Colburg (?) und seine Brüder Marquard und Berchtold werden c. 1270 genannt (Reg. boic. III., 361).

Wann und wie das neresheim’sche Besitzthum für den Nördlinger Spital erworben wurde, vielleicht schon von dem Gründer desselben, Fridericus minister de Nordelingen, fidelis Heinrici regis 1233, – ist nicht bekannt. Mancherlei Erwerbungen wurden später | noch gemacht, z. B. Ludwig von Ramstein verkaufte 1332 sein Gut in Goldburghausen an den Spital. Außerdem ist bekannt, daß Eckard von Aufhausen (? an der Kessel) 1276 dem Kloster Kaisersheim einen Hof in Goldburghausen verkaufte; Götz Einkürn und Georg Ölhaven, Nördlinger Bürger, verkauften an eine Frühmeßstiftung zu Kirchheim u. a. auch Güter in Goldburghausen und 1374 verzichtete Conrad von Grünberg auf seine Ansprüche an gewisse Lehen zu Kirchheim, Goldburghausen und andern Orten zu Gunsten der Deutschordenskommende Kapfenburg, welche 1471 vom Kloster Lorch auch Gülten zu Goldburghausen erwarb. Das alles muß aber der Spital allmählig an sich gebracht haben, weil Goldburghausen späterhin ausschließlich nördlingisch gewesen ist. Die niedere Gerichtsbarkeit und Dorfsherrschaft übte die Stadt unbestritten, über die hohe Obrigkeit und Jurisdiction dagegen gab’s endlose Streitigkeiten mit Oettingen.

In Goldburghausen bestand ein nördling’sches Gericht zugleich für die Unterthanen der Stadt weit umher, z. B. in Benzenzimmern, Kirchheim, Oberdorf, Kerkingen, Itzlingen, Sechtenhausen, Zipplingen, Dirgenheim, O.- und U.-Schneidheim u. s. w. u. s. w. Das Dorfgericht war mit 6 Bauern und 6 Seldnern besetzt, den Gerichtsstab hielt der Spitalmeister. Über des Dorfs Gerechtigkeiten und Gewohnheiten, auch Lasten u. s. w., bestand eine Ehehafte, welche jährlich vor der Gemeinde verlesen wurde. Krauthausen heißt der Ort in neuern Zeiten, weil der Krautbau hier zuerst in Aufnahme kam und eifrig betrieben wird. Um 1828 sollen im Jahr c. 150.000 Krautköpfe gebaut worden sein.

1470 haben Feinde der Stadt bei Nacht Goldburghausen gemordbrannt und das Dorf samt Vieh und Habe verbrannt, wobei ob 10 Personen verbrannten. Ein großer Brand kam 1629 aus, 1634 zündeten die Kaiserlichen das Dorf an; andere Brände waren 1653, 88, 1800, 53.

Eine Pfarrkirche bestand um 1200, kam an’s Kloster Neresheim und nachher an’s Spital Nördlingen, welches 1324 vom Bischof Erlaubniß erhielt, die Pfarrzehenten an sich zu ziehen; 1379 wurde der ganze Zehnte incorporirt. Nördlingen reformirt 1543. Als Filial wurde es 1816 provisorisch, 1828 definitiv Pflaumloch zugetheilt.


« Kapitel B 16 Beschreibung des Oberamts Neresheim Kapitel B 18 »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).