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Beschreibung des Oberamts Nürtingen/Kapitel B 15

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15. Kohlberg,
evangelisches Pfarrdorf, Gemeinde III. Cl. mit 893 Einwohnern, darunter 6 katholische Filialisten von Unter-Boihingen, 23/8 Stunden südlich von Nürtingen (Forstamt Urach). Am Fuß des Jusibergs, dessen nordwärts gekehrte Stirne den Namen Kohlberg trägt, breitet eine hochgelegene, nördlich sich absenkende, von einigen Bächen und Thälern (Authmuth, Sallenbrunnen, Längert) durchschnittene Fläche sich aus, auf welcher Kohlberg liegt. Der hohen Lage von 1500 p. Fuß über dem Meere ungeachtet ist die Luft weniger rauh als man erwarten sollte und Frühlingsfrost seltner als in benachbarten tiefern Orten. Die Markung ist im Verhältniß zur Bewohnerzahl weder ausgedehnt, noch hinsichtlich der Bodenbeschaffenheit an sich fruchtbar und ergiebig, da der schwere, kalkhaltige Lehmboden sehr viele Nachhilfe und künstliche Besserung verlangt, auch die unebne Lage der Felder den Anbau vielfältig erschwert. Allein die ungemein fleißige Cultur, in welcher Hinsicht Kohlberg musterhaft ist, | sucht diese Nachtheile mit Erfolg zu überwinden. Auch haben sich die vermöglichern Einwohner viele Güter auf benachbarten Markungen, besonders in Neuffen, erworben. Von Fruchtarten werden Dinkel, Weizen und Mischling, auch Gerste gebaut und Weniges nach Außen abgesetzt. Der Wiesenertrag ist quantitativ mittelmäßig und kaum zureichend, das Futter aber gut. Die Acker- und Wiesen-Preise stehen zu 200, 400–800 fl. Obst und Wein sind allein erhebliche Gegenstände des auswärtigen Verkaufs. Cultur- und Absatz-Verhältnisse des mittelmäßigen, doch den bessern der Gegend beizuzählenden Weins sind wie in den Nachbarorten; der Durchschnittsertrag berechnet sich auf jährlich 350–400 Eimer zu 20 fl. Die Obst- und namentlich Kirschen-Zucht gehört zu den wichtigsten des Bezirks; es wird sehr Vieles grün verkauft, vieles Steinobst auch zu Branntwein, besonders die Kirschen zu Kirschenwasser gebrannt. Die Ausdehnung dieses Nahrungszweiges und die Veredlung der Sorten ist noch immer im Zunehmen begriffen. Die Waldungen, zum größten Theil der Commune zugehörig, reichen zum eigenen Bedarf nicht zu und gewähren, außer den Rinden, keinen auswärts zu verwerthenden Ertrag. Mehrere Brüche liefern marmorartige Kalksteine, welche häufig in die Nachbarschaft ausgeführt werden. – Die Rindviehhaltung ist so ausgedehnt, als der Güterbesitz nur immer erlaubt; die Zucht gehört zu den bessern des Oberamts; besonders wird auf gute Stiere gesehen, welche der Anbau des schweren Bodens verlangt. Die Schafzucht hat bis jetzt nicht abgenommen, ist aber wenig erheblich; der Weidepacht erträgt für die Gemeinde 200 fl. Die Einwohner, ein sehr tüchtiger Schlag Menschen, haben sich durch Fleiß und Ökonomie in einen Wohlstand und Credit gesetzt, welcher die umliegenden Ortschaften namhaft übertrifft. Man zählt kaum 4–5 Ortsarme. Bei aller Genügsamkeit, bisweilen selbst weit getriebener Sparsamkeit, lieben sie es übrigens doch, bei besondern Gelegenheiten etwas aufgehen zu lassen. Besonders werden Hochzeiten mit nicht gewöhnlichem Luxus und gegen die in unserm Bezirk vorherrschende Sitte gewöhnlich nicht im Wirthshaus, sondern im Hause der Eltern des Bräutigams oder der Braut gefeiert, wobei die Hochzeitgäste auf Kosten der Brautleute traktirt, und diese von den Gästen wiederum so reichlich beschenkt werden, daß ihnen oft nach Abzug des gehabten Aufwandes hundert und mehr Gulden übrig bleiben. Diese sogenannten Hochzeitessen dauern dann gewöhnlich ein Paar Tage. Im Ort selbst wird außer den gewöhnlichen ländlichen Gewerben ziemlich viel Leinwandweberei getrieben. Schildwirthschaften sind zwei vorhanden, auch besitzt die Gemeinde ein öffentliches | Wasch- und Back-Haus. – Der Groß- und Wein-Zehnte steht dem Staat, der kleine und Heu-Zehnte der Pfarrei zu.

Kohlberg hat eine wunderschöne, hohe und freie Lage, sehr gesunde Luft, vortreffliches und reichliches Quellwasser vom Gebirge herab, und ein von Außen und Innen, besonders in der Nähe der Kirche und des Rathhauses, gutes und freundliches Aussehen, namentlich eine wohlgehaltene Hauptstraße durch den Ort. Die ungefähr in der Mitte des Dorfs stehende Kirche ist 1768 erbaut, freundlich und hell. Eigenthumsrecht und Baulast steht der Commune mit Concurrenz des Heiligen zu. Der Begräbnißplatz liegt am Ende des Orts an der Straße nach Dettingen. Das alte, aber geräumige Pfarrhaus steht hinter der Kirche und ist Eigenthum des Staats; der Kirche gegenüber das stattliche, 1831 von der Gemeinde neu erbaute Schulhaus. Das Rathhaus ist zwar alt, hat aber ein erneuertes und besseres Aussehen erhalten.

Allhier erhielt das Kl. Zwiefalten durch die Mildthätigkeit Graf Cunos von Achalm ansehnliche Güter, welche die Mönche nach Ausreutung der Wälder zu einer fruchtbaren Obst- und Wein-Gegend umzuschaffen verstanden;[1] sie erbauten daselbst eine Kirche zu Ehren der zwölf Apostel, bald darauf auch des h. Erzengels Michael, des h. Nikolaus und des h. Benedikts. Unter dem J. 1102 wird in den Zwiefalter Jahrbüchern erwähnt, daß damals die hiesige St. Nikolaikirche geweiht worden sey (Hess Mon. Guelf. 219). Abt Ulrich von Zwiefalten († 1127) erbaute hier eine Wohnung für etliche Mönche und eine Anzahl Laienbrüder, welche die Güter bauen sollten, und gab ihnen zum Vorsteher einen Propst.[2] Der Bezirk war in Vorder-, Mittel- und Hinter-Kohlberg getheilt. Dieser Besitz wird immer namentlich aufgeführt in den Schutzbriefen, welche sich das Kloster von den deutschen Königen, seinen Schirmherren, wie von K. Albrecht im J. 1301, Jan. 18, K. Friedrich dem Schönen i. J. 1317, Jan. 22, K. Karl IV. i. J. 1360, Sept. 22, verschaffte.

Auch das Reich hatte in Kohlberg einen Hof, welcher übrigens öfters verpfändet wurde. Als i. J. 1301 Konrad von Weinsberg | Neuffen nebst zugehörigen Orten an Württemberg verkaufte, nahm er ausdrücklich diesen Hof aus, weil er Pfand vom Reiche war (Gabelkh.). K. Albrecht verpfändete 1307, Okt. 11. curia sua et imperii dicta Colberg an Burkhard von Ellerbach für verschriebene 200 Mark Silber. Über die Abgrenzung zwischen dem Reichs- und Kloster-Gut wäre beinahe ein Krieg entstanden, als i. J. 1459 K. Friedrich III. seinen Vicecaplan Ulrich Welzlin mit einem hiesigen Hofe beschenkte (Sattler Grafen 2, 242. 2te Ausg.), in welcher Absicht der König i. J. 1460 Sept. 30. an die Stadt Eßlingen den Befehl erließ, sie solle dem Pfalzgrafen Friedrich als Reichshauptmann und dem Welzlin beholfen seyn, daß letzterer den Hof Kohlberg sammt Vorder-, Mittel- und Hinter-Kohlberg erhalte, da das Vorgeben des Abtes von Zwiefalten falsch sey (Eßlinger Arch. Urk.). Erst 1482 mit Welzlins Tod ruhte der Streit; Zwiefalten erhielt den Hof gegen Verpflichtung, 2 Fuder Weingült an den Besitzer des Schlosses Achalm zu entrichten (Gabelk.).

Kohlberg gehörte ins Amt und (1526) Gericht Neuffen. Die Pfarrei hatte damals schon die Herrschaft zu verleihen, welcher auch, unter Concurrenz der Karthause Güterstein, der große Zehnten zugehörte. – Eine freigeborne Gisela de Hiltiniswilare, Eberhardus de Urach, ein Landolphus und Walterus de Tettingen machten ums J. 1111 gleichfalls Schenkungen an Zwiefalten (Sulger Annal. Zwif. I. 51–54). Caspar von Schlatt verkaufte 1431 an Ulrich Schilling, Bürger zu Nürtingen, etliche Güter hier und die Hälfte eines Hofes zu Raidwangen, dessen andere Hälfte Albert von Tachenhausen zustand. Kohlberg wurde als eine Zugehörde der Grafschaft Achalm 1640 von der Erzherzogin Claudia von Österreich in Besitz genommen.

Fußnoten:

  1. Cholberg quae terra similis est terrae repromissionis, terra fructifera et fertilis vini...hic est mons et collis, de quo multi testantur, quod pene in omni romano imperio tantis usibus aptam nullam vidissent areolam. Ortlieb von Zwiefalten, schrieb 1135, Hess. Mon. Guelf. 175, woraus auch das Folgende. Vergl. Berthold von Zwiefalten, Hdschr. der k. öff. Bibl. Hist. Fol. Nro. 430. S. 26, 27, wo mehrere Schenkungen in Kohlberg erwähnt sind.
  2. Bertoldus prepositus in Colberg. Necrol. Zwif. 246.
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