Beschreibung des Oberamts Nürtingen/Kapitel B 2
« Kapitel B 1 | Beschreibung des Oberamts Nürtingen | Kapitel B 3 » | |||
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
| |||||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
evangelisches Pfarrdorf, Gemeinde III. Cl. mit der Bombachmühle, 867 Einwohner (darunter 1 Katholik), 21/2 Stunden westlich von Nürtingen,[1] an der Aich und der Staatsstraße von Stuttgart nach Urach und Reutlingen, Ober-Schwaben und der Schweiz (Forstamts Tübingen).
Die Feldmark Aich liegt uneben auf der südlichen Absenkung der Filder, im Aichthal und auf dem Rücken zwischen diesem und dem Neckarthal, ist quellenreich und durch die Aich, Schaiach, Baierbach, Bombach und Finsterbach bewässert, hat reine aber etwas rauhe Luft, und einen nicht besonders fruchtbaren, magern, schweren Boden mit steinigter, häufig auch lettiger Unterlage. Da dieser Boden stärkere Düngung verlangt, als mancher Eigenthümer zu gewähren vermag, so ist der Zustand des Anbaues noch immer ziemlich mittelmäßig, wenn gleich es den Bewohnern keineswegs an Fleiß und Willigkeit in Annahme landwirthlicher Verbesserungen fehlt. Dinkel und Haber sind das Haupterzeugniß, von welchem noch ein Quantum nach Außen, auf der Schranne in Metzingen, abgesetzt werden kann. Ackerpreise sind 100–200–400 fl. vom Morgen; doch gibt es Äcker zu kaum 50 fl. und von der höchsten Klasse eben nicht viele. Der Wieswachs ist gut, aber für das eigene | Bedürfniß kaum hinreichend. Die häufigen und gewaltsamen Überschwemmungen sind nur im Frühling und im Spätherbst gern gesehen, während im Sommer die Verschlämmung des Graswuchses oft großen Schaden anrichtet. Der Morgen Wiese kostet 200 bis 400 fl. Weinbau hat der Ort nicht mehr, indem schon vor etwa 100 Jahren die wenigen Weinberge ausgereutet und, gegen einen bestimmten der Herrschaft zu entrichtenden Canon, mit Getreide und Obstbäumen angepflanzt wurden. Die Obstzucht ist im Zunehmen; besonders übertrifft in guten Jahren das hiesige Steinobst das der Nachbarschaft. Holz ist nicht zur Genüge vorhanden, wiewohl die Gemeinde für ihre Ansprüche an die Schönbuchwaldungen ein Areal von 225 M. erhalten hat. – Die Rindviehzucht steht auf mittlerer Stufe; zu wünschen wäre eine größere Ausdehnung der Viehhaltung, welcher aber die Beschränktheit des Futtererzeugnisses im Wege steht. Der Handel mit Vieh ist bei einigen Bürgern ein eigener Erwerbszweig. Die Schafzucht ist im Abnehmen; doch haben noch einige vermöglichere Einwohner eine ansehnliche Zahl spanischer Schafe. Der Weidepacht erträgt für die Gemeinde 500 fl.Die Einwohner, deren Vermögensumstände bei den angegebenen Verhältnissen im Ganzen kaum zu den mittleren gerechnet werden können, sind rührig und betriebsam. Der Viktualienhandel nach den benachbarten Städten, besonders mit Geflügel, das hier in namhafter Anzahl gezogen wird, ist ein nicht unbeträchtlicher Nebenerwerbszweig. Dieser und der Verkehr auf der frequenten Landstraße, wozu noch in neuester Zeit die neu angelegte Straße von Kirchheim und Nürtingen nach Böblingen und Calw kommt, die ziemlich lebhaft zu werden verspricht, führen manchfaltige Berührungen mit Auswärtigen herbei, was sich auch bei Manchem in dem mehr abgeschliffenen Benehmen und der der städtischen sich nähernden Kleidung nicht verläugnet. Die Gewerbe sind die auf Dörfern gewöhnlichen. Schildwirthschaften bestehen 3, Mahlmühlen 2, die sogenannte innere im Dorfe selbst und die Bombachmühle, einige 100 Schritte oberhalb desselben, beide an der Aich.
Ein Hauptbestandtheil des Communalvermögens sind 300 Morgen Laubwaldung; der Ertrag des Weidepachtes ist vorhin genannt. Auch hat die Gemeinde Sandsteinbrüche verpachtet, deren Material, ein sehr brauchbarer Baustein, auswärts abgesetzt wird. Besonders beliebt ist der reine Bausand, welchen die Aich mit sich führt, und der in Menge hier geholt wird. – Das Stiftungsvermögen ist unzulänglich; durch das Abkommen mit dem Nürtinger Hospital ist übrigens ein Capital von 3000 fl. für die | Ortsarmen erworben worden. – Sämmtliche Zehnten, vom Kloster Denkendorf herrührend, bezieht der Staat, welcher die 1841 verwandelte Pfarrstelle besoldet. Nur ein unbedeutender Zehntantheil steht dem Hospital Kirchheim zu. – Das Fischwasser in der Aich gehört dem Staat; die Verpachtung ist aber wegen mangelnden Ertrags seit längerer Zeit nicht mehr versucht worden. Alle Gülten und Hellerzinse, die auf der Markung gelastet, sind 1843 mit einem Capitalbetrage von 15.056 fl. abgelöst worden.Das Dorf ist theils im Thal der Landstraße entlang, theils den linken Abhang hinan gebaut, hat eine reinliche Hauptstraße und ist von gutem Aussehen. Im obern Theil des Ortes, vom Begräbnißplatz umgeben, steht die Pfarrkirche, ein für seine Bestimmung zu beschränktes Gebäude. Nach der Sage, für welche auch der Name einer Gasse im untern Dorfe „Kirrigasse“ (Kirchgasse) spricht, sollen Kirche und Pfarrhaus in alten Zeiten unten gestanden haben, und erst 1449, nach der Einäscherung des Ortes durch die Reutlinger, auf die Anhöhe gebaut worden seyn. Für diese Zeit zeugt auch die Bauart der Kirche, wenigstens des Chors. Die Baulast ruht auf der Stiftungspflege, und bei deren Unvermögen auf der Gemeindecasse. Das ganz in der Nähe der Kirche hoch und angenehm gelegene Pfarrhaus, welches der Staat im Bau erhält, bietet eine schöne Aussicht nach der Alpkette.[2] Die Schule mit 2 Lehrern befindet sich ebenfalls oben im Ort, in einem 1841 mit einem Aufwand von 4000 fl. (darunter 450 fl. Staatsbeitrag) vollständig erneuerten Hause. Eine 1836 errichtete Industrieschule findet wenig Anklang. Das hübsche Rathhaus unten an der Hauptstraße wurde 1836 mit einem Aufwand von 2200 fl. auf den Unterstock des alten erbaut. Über die Aich führt am östlichen Ende des Ortes eine solide steinerne Brücke, eine kleinere über den Bombach. Der untere Theil des Dorfes hat reichliche und vortreffliche Quellbrunnen. In älterer Zeit war hier eine Badstube, von welcher noch ein Acker seinen Namen trägt. Unterhalb desselben sprudelt eine Quelle aus einem hohlen Eichenstumpf hervor, welcher man Heilkräfte für das Vieh zuschrieb. Ein Hungerbrunnen soll bisweilen zum Vorschein kommen. In dem von Wasseradern reichlich durchsetzten Boden der Gegend findet man die Ursache der Erdbrüche und Schlipfe[WS 1], welche sich zuweilen ereignen.
Ehemals führte man es als eine Merkwürdigkeit von Aich an, daß hier der Mittelpunkt des Herzogthums sey.
| Am linken Aichufer, gleich oberhalb der Bombachmühle, stand eine jetzt längst zerstörte Burg;[3] die Höhe über derselben führt den Namen Hohsträß. Die Römerstraße (s. oben S. 109) zieht unter dem Namen Herweg durch einen kleinen südlichen Theil der Markung gegen Schlaitdorf. Der Name Mühlstetten 1/8 Stunde unterhalb des Ortes an der Aich deutet auf eine abgegangene Mühle oder einen Weiler.In Aich hatte Kloster Adelberg laut Archivalurk. von 1297 einige Zinsleute und Kloster Hirschau im Jahre 1341 Besitzungen, welche es damals an die Schilling’sche Familie verlieh. Das begütertste Kloster aber war Denkendorf; dieses erkaufte unter anderem daselbst im Jahr 1360 die Kirche und den Kirchensatz um 320 Pfd. und besaß den Zehnten (s. oben), eine eigene Zehntscheuer, einen Widumhof und das Vogtrecht auf Gütern (Schmidlin Beitr. 2, 70. Cleß C. 129).
Am 22. Juni 1369 verkauften Benz Sperwer von Sperwerseck, ein Bürger von Reutlingen und sein Sohn Wernher Benz Sperwer an den Grafen Eberhard von Württemberg all ihr Gut zu Aich dem Dorf, ihre eigenen Leute, sie seyen zu Aich gesessen oder nicht, wann sie nur nach Aich gehören, mit Vogtei, Gericht und andern Zugehörden, auch der Mühlen, als ein freies Eigenthum, für 550 Pfd. Heller (Archivurk., Sattler Topogr. 165).
Im Jahr 1449 im Städtekrieg, wurde das Dorf in Asche gelegt (Steinhofer 2, 914).
In der ältesten Zeit hatte der Ort seinen eigenen Adel; diesem gehört an Wernher und sein Bruder Wolfram von Aich (Eichacha), welche zwischen den Jahren 1103–1109 das Kloster Hirschau mit Gütern bei Neckar-Tenzlingen beschenkten (Cod. Hirs. p. 47 ed. Stuttg.) und ist dieß das früheste Vorkommen dieses Dorfes. Am 23. April 1322 erscheint Albrecht von Aich, welchen damals Graf Eberhard von Landau mit einer Hube zu Enslingen belehnt (Archivurkunde).
Der Ort wurde früher E und Ech und Eich geschrieben. Über Kirchliches und das Edelgeschlecht des Ortes noch einige Archivalnotizen. Wernherus de E ist 1292 Kirchherr von Walddorf. Eberhard der Vogt von E wird 1297 mit dem Kloster Adelberg über das Vogtrecht von 3 Klosterhintersassen verglichen. Conrad von E stiftet 1319 in die Pfarrkirche eine eigene Messe und verzichtet | auf die Vogtei einiger derselben übergebenen Güter zu E. Das letztere thun 1321 auch dessen Brüder: Johann, Albrecht der Kirchherr von E, Conrad, Einz und Eberhard Voke. 1326 bestätigt der Bischof die Messe. Conrad Emertz von E übergibt 1340 der Caplanei 3 Güter zu E. Hans von E, des Emertzen seliger Sohn, verkauft 1360 dem Kloster Denkendorf „das Haus, die Bünde und den Garten, gelegen zu E ob der Kirchen, und dazu die Kirche, den Kirchensatz und Wittumhof zu E“ nebst Zehenten um 280 Pfd. Heller. Benz Swigger von E wird 1394 von Graf Eberhard dem Milden mit 4 Mannsmad Wiesen belehnt. – Im Jahr 1319 verkauft Wernher von Bernhausen, von Waldenbuch genannt, der Frühmesse seinen Hof zu E, der da heißet der Hof an dem Steg, um 27 Pfd. Heller. Katharina Spät von dem Neuenhaus verkauft 1403 alles, was sie hier besaß, an Württemberg. Ritter Burkhart Schilling und Ursula Kaib, seine Hausfrau, verkaufen 1409 der Frühmesse zu Walddorf etliche hiesige Gülten. Das Kloster Reichenau eignet 1416 dem Berthold Kayb den Zehnten zu Schlaitdorf, ein hiesiges Zehntrecht und Gülten hier, zu Grötzingen und Rieth, die er zu Lehen hatte, worauf Württemberg den hiesigen Zehntantheil verkauft.Aich war ein Bestandtheil des alten Amtes Nürtingen. Im April 1586 war hier eine große Feuersbrunst. Heinrich Schickard baute den Ort wieder auf (s. dessen Lebensbeschr. 1821 S. 19).
Fußnoten:
- ↑ Die Entfernungen sind nach den Straßen und Vicinalwegen berechnet.
- ↑ Neben der Pfarrei, deren Patronat dem Kloster Denkendorf zustand, bestand vor der Reformation auch eine Frühmeßpfründe.
- ↑ Sie hieß Bonbach und war der Sitz der nachgenannten Edelleute von E. oder Aich. Die hienach zu erwähnende Urkunde von 1340 stellte Conrad „zu Bonbach“ aus. Im J. 1404 war hier noch ein Hof. Benz Kaib von der Mühle wird 1372 von Württemberg mit dem Göldlinsgut zu Bonbach bei Aich belehnt.
- ↑ WS: Schlipf = Erdrutsch
« Kapitel B 1 | Beschreibung des Oberamts Nürtingen | Kapitel B 3 » | |||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|