Beschreibung des Oberamts Stuttgart, Amt/Kapitel B 11
« Kapitel B 10 | Beschreibung des Oberamts Stuttgart, Amt | Kapitel B 12 » | |||
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
| |||||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Auf der südlichen Anhöhe im Oberweiler steht das kleine Rathhaus, welches vor 1833 Schulhaus war und welchem im Jahr 1846 ein Thürmchen mit einer Glocke aufgesetzt wurde. Seit 1838 hat Kaltenthal einen eigenen Friedhof, welchen die Gemeinde südwestlich vom Ort an einem Bergabhang rechts der Straße von Kaltenthal nach Vaihingen anlegen ließ; früher mußten die Leichen nach Vaihingen gebracht werden.
Die Markung ist sehr reich an guten Quellen, die nicht nur den Ort hinlänglich mit gesundem Trinkwasser versehen, sondern auch mehrfach hier gefaßt und nach Stuttgart geleitet werden. Die Einwohner sind wenig bemittelt, aber rührig und fleißig. Die kleine Markung steht mit der Bevölkerung in keinem Verhältniß, daher nur die bemittelteren Einwohner sich von Feldbau und Viehzucht nähren. Von den 4 Ortsangehörigen, welche den größten Grundbesitz haben, besitzt der eine 19, der andere 14 und der dritte und vierte je 9 Morgen. Sowohl die vom eigenen Vieh gewonnene, als die in den Nachbarorten aufgekaufte Milch, wird nach Stuttgart abgesetzt und bildet einen Haupterwerbszweig der Kaltenthaler. Minder Bemittelten ist ein der Gemeinde gehöriger Steinbruch mit Sandgrube angewiesen, wodurch sie einen fortwährenden Verdienst von alljährlich mehreren 100 fl. (im Jahr 1846/47 sogar 1400 fl.) haben. Die größtentheils an den Abhängen liegenden Felder werden willkürlich gebaut und haben einen sehr verschiedenen, im Durchschnitt fruchtbaren Boden. Der weiße Stubensandstein, der beinahe durchgängig die Unterlage bildet, ist im Thal mit einem ziemlich mächtigen, der Vegetation sehr förderlichen, Diluviallehm und am Fuße der Filderterrasse mit einem schweren Thonboden überlagert. Dagegen ist auf dem übrigen Theil der Markung die Decke so gering, daß der aufgelöste unten liegende Sandstein eine Hauptrolle spielt und somit den Sandboden zum vorherrschenden macht. Heiße Jahrgänge sind daher dem Gedeihen der Gewächse nicht so zuträglich, wie mäßig nasse. Es werden die gewöhnlichen Getreidearten gebaut, welche, wie die Bracherzeugnisse, mit Ausnahme von Flachs und Kraut, recht gut gedeihen. Die Obstzucht ist | vorherrschend und im Zunehmen; der mittlere Obstertrag kann zu 8000 bis 10.000 Simri angeschlagen werden; neben dem Mostobst werden die meisten edlen Birn- und Äpfelsorten vielfach gezogen und in Handel gebracht. Zwetschgen und Kirschen, obgleich sie gut gedeihen, findet man wenige. Die Wiesen sind besonders ergiebig und erzeugen ein nahrhaftes Futter. Die Preise der Güter bewegen sich zwischen 400 und 600 fl. Die Viehzucht, die nur der Milch wegen getrieben wird, ist nicht bedeutend; die Verpflichtung zur Faselviehhaltung ruht auf der Gemeinde. Außer den 7 Privat-Steinbrüchen, die theils auf Pflastersteine (Liaskalk), theils auf Bausteine (weißer Keupersandstein), hier betrieben werden, beschränken sich die Gewerbe nur auf die gewöhnlichsten; dagegen sind mehrere Schuhmacher angesessen. Der Ort hat zwei Schildwirthschaften, von denen eine zugleich Bierbrauerei ist.Die ökonomische Lage der Gemeinde als Corporation ist eine höchst ungünstige. Außer dem Rathhaus und dem Schulhaus und 223/8 Morgen ehemaligen Staatswalds, wo ihre Steingruben sind, besitzt sie nicht ganz zwei Morgen Grundeigenthum. Auf der Gemeindepflege ruhen 2450 fl. Passiv-Capitalien; alljährlich muß das Doppelte, ja oft Dreifache der Staatssteuer als Gemeindeschaden umgelegt werden. Die örtliche Stiftungspflege hat nur 743 fl. Vermögen. Vor den Theuerungsjahren belief sich die Summe der versicherten Passiv-Capitalien der Gemeindeangehörigen auf 93.632 fl. Die gemeinschaftlichen Kirchen- und Kultkosten hat die Stiftungspflege Vaihingen zu bestreiten (s. u.). Den großen Zehenten bezieht die Stiftungsverwaltung Eßlingen; der kleine und der Heuzehenten gehört derselben, ist aber der Pfarrei Vaihingen als Besoldungstheil überlassen; die Grundgefälle, welche nach den Gesetzen von 1836 ablösbar waren, sind abgelöst. Als Eßlingen noch Reichsstadt war, gehörte dieser die kirchliche Jurisdiction im Orte.
Die früheste Erwähnung Kaltenthals geschieht um’s Jahr 1125; in einer Kl. Hirschauer Urkunde aus jener Zeit sind Zeugen: Ruggerus et Sigebolt filii domni Engelboldi de Kaltendal (Cod. Hirsaug. 57). Möglich ist, daß einer dieser Brüder ein Ahnherr der späteren Herren von Kaltenthal war. Unter diesen treten auf im Jahr 1236 Febr. 8 Gothefridus de Kaltindal, im Jahr 1270 Waltherus de Kaltenthal (Sattler, Grafen 1 Beilage Nr. 3), und seitdem eine ununterbrochene Reihe dieser Herren; im Jahr 1278 Nov. 3 wird Walther von Kaltenthal von Graf Ulrich von Tübingen mit dem Orte Eltingen belehnt.[1] Im Jahr 1281 nach Jacobi hatte die Veste Kaltenthal eine Belagerung durch die Eßlinger Bürger zu bestehen (Chron. Sindelf.).
| Nach der frühe erfolgten Veräußerung der Stammburg (s. unten) erwarben sich die Herren von Kaltenthal Wohnsitze, Güter und Rechte in Aldingen (ursprünglich tübingisch-aspergisches, dann württembergisches Lehen, wo in der Kirche Grabdenkmale der Herren von Kaltenthal), Osweil, Mühlhausen, Neuhausen, Osterzell (im jetzt bair. Schwaben). Ihr Wappen ist ein Hirschgeweih im rothen Felde. Sie nannten sich am Schlusse des 13. und Anfang des 14. Jahrh. „Burggrafen“ von Kaltenthal, z. B. im Jahr 1283 „Marquart der Burcgrave von Caltental.“ Vorkommende Namen aus der ersten Zeit bis 1318 sind, neben Walther: Götz, Johann, Wolfram, Kaspar, Marquart, Georg, Wilhelm, Konrad; nach 1318 außer den erwähnten: Rudolf, Henel, Burkhard, Engelbold, Christoph, Reinhard, Wolf etc. Eine bis zum Schlusse des vorigen Jahrhunderts herunterreichende Stammtafel gibt die Schillingische Geschlechtsbeschreibung S. 359–361.Je mehr bald nach dem Übergange des Schloßguts in bürgerliche Hände sein Besitz sich vertheilte, um so unvereinbarer mit diesem neuen Verhältnisse erwies sich die auf dem Gute ruhende Befreiung von Gemeindelasten, und bei dem im J. 1837 gehaltenen Ruggerichte kam denn auch zwischen den Gemeindebehörden und den Schloßgutsbesitzern eine Übereinkunft zu Stande, durch welche unter Verzichtleistung der letzteren auf Exemtion von Gemeinde-, nicht aber auch von Amtsumlagen eine vollständige Vereinigung und Gleichstellung des Schloßguts mit dem übrigen bürgerlichen Besitzthum in der Gemeinde Kaltenthal erzielt wurde.
Kaltenthal hatte früher zwei Mühlen, von welchen die obere noch vor 60 Jahren an der Stelle des jetzigen Wirthshauses zur Krone stand, die untere (s. g. Eselsmühle) am s. g. Müllerwäldle am Ende der Ortsmarkung gegen Stuttgart hin schon früher einging.
Für den der Gemeinde früher zuständigen Viehtrieb in den herrschaftlichen Waldungen Wolfsberg und Pfaffenwald, wurde ihr i. J. 1834 durch Finanzmimsterialverfügung ein Bezirk zum unentgeldlichen Laubrechen angewiesen.
Gemeindenutzungen finden keine statt; dagegen haben die Besitzer der längst in viele Theile zerstückelten 2 Erblehenhöfe zusammen das Recht zum jährlichen unentgeldlichen Bezüge von 12 Klaftern Scheiterholz und 600 Wellen.
- ↑ Als württemb. „Dienstmann,“ und zwar Graf Eberhard’s, erscheint Johann von Kaltenthal, ein Ritter, i. J. 1303. Salemer Schenkungsbuch in Carlsr. 3, 317.
- ↑ Zum Schloßgut gehörte damals ein unterer Baumgarten von 31/2 Morgen, der Hungerberg mit 20 Morgen, worauf 2 starke Quellen, ein Wald von 50 Morgen (jetzt längst ausgestockt), der Burgrain von 5 Morgen, der Vorhof zu Kaltenthal mit den Gebäuden darin, das Mühlhaus unten am Berg (an dessen Stelle jetzt das Wirthshaus zur Krone), 211/2 Morgen Wiesen, 60 Morgen Äcker, das kleine Waidwerk auf einem Bezirk von 10.000 Morgen u. a. m.
« Kapitel B 10 | Beschreibung des Oberamts Stuttgart, Amt | Kapitel B 12 » | |||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|