Beschreibung des Oberamts Ehingen/Kapitel B 6

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6. Alt-Steußlingen mit Briel.
a. Alt-Steußlingen,
ein kathol. Pfarrdorf in einer Einfurchung der Alp hinter| dem Stoffelberg, an der Münsinger Straße, 13/4 St. nordwestlich von Ehingen mit 228 Einw. F. A. Zwiefalten. Grundherrschaft: zum größten Theil der Spital Ehingen. Die Zehnten hat die Pfarrey.

Gefälle beziehen: der Staat 6 fl. 18 kr., die Stiftspflege Ehingen 762 fl. 3 kr., die Ortspfarrey 123 fl. 16 kr., die Stiftspflege 24 fl. 41 kr., zus. 916 fl. 18 kr., und zwar 168 fl. 39 kr. Geld, 177 Sch. 7 Sr. Dinkel, 106 Sch. 71/2 Sr. Haber.

Die Pfarrey hat auch den Zehenten in einigen Waldungen, das Stammholzerzeugniß ausgenommen. Die Kirche wird bey Unzulänglichkeit der Kirchenpflege von der Pfarrey, das Pfarrhaus von letzterer allein, gebaut. Die sehr alte Pfarrey umfaßte ehemals, außer den jetzigen Filialen Dächingen und Briel, auch noch die Kirchen von Kl. Allmendingen und Schelklingen. Bey dem Ort, auf einem Felsenvorsprunge an dem Thaleinschnitte, lag die Burg Alt-St. wovon aber jetzt fast alle Spur verschwunden ist. Burg und Dorf sind sehr alt. Schon 776 überläßt der Gaugraf Agylolf die Kirchengefälle und Güter in St. dem Kl. Marchthal, von dem sie 854 an das Kloster St. Gallen kommen; 797 stellt ein gewisser Pebo eine Urkunde in St. aus (Actum in Stiuzzelingun)[1]. In späterer Zeit gehörte Steußlingen den Herrn von Steußlingen, oder wie alte Urkunden auch schreiben, Stuißlingen, Stiuzlingen, Stuzzelingen; es war der Stammsitz dieser einst berühmten Familie, deren Herrschaft sich rund um über die Gegend ausbreitete, und mit einem Gürtel von festen Burgen ihrer Lehensleute – der von Granheim, von Hochdorf, der Harscher, der Flecken, der von Bergach, von Kirchheim, von Eschibach etc. umgeben war. Sie nannten sich liberi Nobiles, und gehörten also zu dem höhern Adel, zu der Klasse der Dynasten, wie die von Berg, Gundelfingen und Justingen, welche sich mit ihren Besitzungen an sie anschlossen, und wovon die beyden letztern auch einerley Wappen hatten. Otto von Stuscelingen| steht als Zeuge in einer Urkunde K. Heinrichs V. v. J. 1125 unmittelbar nach den Fürsten und Grafen[2]; von seiner Zeit an findet man die Steußlingen in einer Menge Kais. und andern Urkunden, bis ihr Stamm im 14ten Jahrhundert erlosch. Otto war 2 Mal in Jerusalem, nach seiner zweyten Rückkehr ging er mit seinen beyden Brüdern Adalbert und Ernst in das Kloster Zwiefalten, das er, wie die von Berg mit seiner Familie sehr freygebig bedachte. Er war es auch, der 1141 aus Auftrag des Klosters die Hand des h. Stephanus bey der Herzogin Salome von Polen, Tochter Gr. Heinrichs von Berg, abholte[3]. Sein Bruder Ernst wurde 1142 Abt zu Zwiefalten, legte aber 1146 den Hirtenstab nieder, und folgte der Fahne des Kreuzes nach Palästina, wo er 1148 in einer Schlacht verwundet, in Gefangenschaft gerieth, und unter grausamen Martern seinen Geist aufgab[4]. Die Herrschaft hatte sich frühe schon in die 2 Herrschaften – Alt- und Neu-Steußlingen getheilt. Im J. 1270 trug Egilof von Steußlingen seine beyden Burgen, oder, was immer gleichbedeutend war, die beyden Herrschaften Alt- und Neu-Steußlingen, den Grafen von Würtemberg zu Lehen auf. Die Urkunde ist auf dem Schloß Würtemberg ausgestellt[5]. Auf welche Weise die Herrschaften später an die von Freyberg gekommen, ist nicht klar. Aber theils Verwandtschaft mit den Steußlingen, theils lange Dienstverhältnisse mit dem Würt. Hause scheinen Ursache gewesen zu seyn. Nach den Freybergischen Familien-Nachrichten hat sich schon Burkhard v. Freyberg zu Raunau ums J. 1286 zuerst von Steußlingen geschrieben; urkundlich erwiesen ist, daß 1367 ein Enkel gleiches Namens mit Neu-Steußlingen und Albrecht, dessen Vatersbruder mit Alt-St. von Würtemberg belehnt| wurden. Daß aber diese Belehnung nicht die erste war, geht aus dem Würt. Lehensverzeichniß von 1344 hervor, wonach ein Albrecht von Freyberg damals schon Stusselingen die Burg und was dazu gehört, zu Lehen hatte[6]. Übrigens verkauften noch 1340 die Brüder Albrecht und Conrad von Steußlingen die Kirchen und Kirchensätze zu Stuißlingen, Schelklingen und Kl. Allmendingen an Eglof von Freyberg (s. o.) und noch 1368 verkauft Conrad von Steußlingen den Kirchensatz zu Schmiechen an die Flecken. Die erstern nennen den Eglof ihren patruum und man möchte daraus schließen, daß auch sie schon zur Familie Freyberg gehört, und sich nur nach gewohnter Sitte von Steußlingen als ihrem Sitze geschrieben haben[7].

Die Lehenschaft über Alt-St. ging allmählig für Würtemberg größtentheils verloren. 1390 verkaufte der Sohn Albrechts, Burkhard von (Freyberg) Alten-Steußlingen das Dorf mit Ausnahme des Kirchensatzes, an 2 Ehinger Bürger. Des einen dieser Bürger Antheil wurde, nachdem er durch mehrere Hände gegangen war, 1485 für 1200 fl. von Hans v. Spät erkauft. Letzterer verkaufte ihn wieder 1490 mit dem Schlosse an den Spital Ehingen, der schon 1429 den andern Theil an sich gebracht hatte, s. o. Graf Eberhard verzichtete dabey auf seine Lehensherrlichkeit unter der Bedingung, daß „das Spittale die Vestin oder das Slos alten Steußlingen zerbrechen oder vergon lauffe,“ – was auch sogleich geschah.

Einen Hof, der dem Kloster Salem gehörte, hatte der Spital schon 1426 von diesem Kloster eingetauscht[8];| und so war nun dieser im Besitze des ganzen Dorfs, und durch den Kauf von Dächingen und Briel (s. u.) im Besitze der ganzen Herrschaft Alt-St. mit Ausnahme des Kirchensatzes zu Alt-St. und der damit verbundenen Höfe, welche Würt. Lehen und mit der Herrschaft Neu-St. verbunden blieben, wovon bey Thal-Steußlingen noch weiter die Rede seyn wird. Von K. Carl V. erhielt der Spital 1522 die hohe und niedere Gerichtsbarkeit über Alt-St. Vergl. S. 91.
b. Briel,

ein kathol. Weiler, von der Zeit des Lehensverbandes her auch Brielhöfe genannt, still und einsam an einem steilen Bergabhange, über einer tiefen Thalschlucht 1/2 St. nördlich von Alt-Steußlingen gelegen, mit 116 Einw., Filial von Alt-St., F. A. Blaubeuren. Grundherr: Spital Ehingen. Die Zehnten bezieht die Pfarrey Alt-Steußlingen.

Gefälle: die Stiftspflege Ehingen 97 fl. 50 kr. Geld, und 33 Sch. 1 Sr. Dinkel, 81/2 Sch. Einkorn, 33 Sch. 31/2 Sr. Haber, und der Staat, aus einer Weide, 1 Salzscheibe, oder 4 fl. 15 kr. Geld. Dem Spital Ehingen gehören auch größtentheils die Waldungen.

Der Ort hat weder Kirche noch Schule, beydes ist in Alt-St. Bey dem Ort in einer tiefen Thalschlucht auf einem Felsenhügel stehen die Ruinen einer Burg, welche einst die Gutsherrn bewohnten. Diese waren, soweit man weiß, die von Harscher, Lehensleute der von Steußlingen. Von 1492 an war der Spital Ehingen im Besitz des Orts.


  1. Neugart Codex Dipl. Nr. 66. 356. 132. Von Arx Gesch. von St. Gallen. B. I. S. 56
  2. Neug. Cod. Dipl. Nr. 845.
  3. Beschr. des Oberamts Münsingen. S. 220.
  4. Sulger Annal. Zwif. I. S. 68. 97. 114 und ff.
  5. Sattler, Grafen I. Beyl. 3.
  6. Sattler, Grafen I. Beyl. 104.
  7. Vergl. Sattler’s Topogr. Gesch. S. 464.
  8. Das Kloster hatte diesen und einen andern Hof 1273 von Egilof von Stiuzlingen zur Entschädigung für den ihm von diesem zugefügten Schaden erhalten. Gr. Eberhard leistete dabey ebenfalls Verzicht auf die Lehenschaft. Die darüber von ihm ausgestellte Urkunde ist datirt vom Schloß Wirtemberg, nicht Württemberg, wie Sattler hat, und mit dem Sigill seines Bruders Ulrich versehen, das Original liegt in Ehingen.