Beschreibung des Oberamts Göppingen/Kapitel B 16
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evang. Pfarrdorf mit der Exen-Mühle, mit Marktgerechtigkeit und mit 1095 Einw., liegt südlich 3 St. von Göppingen, an den Grenzen der Oberämter Kirchheim und Geislingen. Die Gemeinde gehört in die III. Classe und in das Forstamt Kirchheim. Die Zehenten stehen dem Staate zu, der auch hauptsächlich Grundherr ist. Die Gemeinde hat seit 1817 an solchen Rechten für 3440 fl. 39 kr. demselben abgekauft. (S. auch S. 80.)
Oberhalb jener kahlen, auf Meilen hin sichtbaren, Stelle an der Alpkette, die sich in der Entfernung wie ein riesenhaftes Schloß darstellt und von einer Erdrutsche oder Erdschliffe herrührt, zwischen zwei Bergreihen der niedern Alp (s. oben S. 3), in einem von Westen nach Osten sich hinziehenden Seitenthale der Fils und umgeben von waldigem Gebirge, liegt Gruibingen. Diese Lage eröffnet einen Gesichtskreis, der sich von Achalm bis Ellwangen erstreckt; sie ist rauh, aber sehr gesund, wie sich denn auch der Ort durch Personen von hohem Alter auszeichnet (oben S. 36). Durch denselben führt die von Göppingen nach Wiesensteig ziehende Straße; die einzige, welche ihn mit den Nachbarorten verbindet. Er ist reich an Bergquellen mit köstlichen Forellen und von dem Zwinkelbach oder Winkelbach und dem Gruibinger Bache durchflossen (oben S. 16). | Die Straßen sind auf beiden Seiten gepflastert und mit erhöhten Fußpfaden versehen. Die Häuser zeugen von Wohlhabenheit; die Zahl der Hauptgebäude ist 163, die der Nebengebäude 79. Die Kirche zu St. Martin liegt am östlichen Ende des Dorfes, ist klein, ziemlich alt und bietet keine Merkwürdigkeiten dar. Sie wurde 1743 erweitert, ist mit einer Mauer umfangen und diente einst zur Vertheidigung der Bewohner gegen Feinde; wie denn auch der niedrige, unförmlich dicke Thurm noch Schießscharten hat. Die Principalbaulast hat der Staat; die bauliche Unterhaltung liegt dem Heiligen ob. Das daneben im sogenannten Anger stehende Pfarrhaus hat der Staat im Bau zu erhalten. Die Zehentscheune wurde 1556 erbaut; der Fruchtkasten, ein solides und massives Gebäude, ist 1839 durch die Gemeinde vom Staat erworben worden. Ein Rathhaus hat die Gemeinde erst seit 1829; die Rathsversammlungen hatten zuvor in den Wirthshäusern Statt und sollen in noch frühern Zeiten vor dem Hause des Amtmanns unter freiem Himmel gehalten worden seyn. Das Schulhaus war früher die Wohnung des Diakonus. Sodann sind noch 3 Gemeindewaschhäuser und 1 Gemeindebackofen zu erwähnen. Die Einwohner sind von schönem Schlag, außerordentlich arbeitsam und ausdauernd, dabei, ohne Hinneigung zum Pietismus, religiös und wenig abgeschliffen. Ihre eigenthümlichen Gebräuche S. oben S. 39. Es herrscht Wohlstand. Gruibingen hat die größte Markung, aber auch die größte Weidefläche (S. die Tab.); jene erstreckt sich über die Berge hin gegen manche Seite auf 1 – 2 Stunden. Es finden sich Tuffsteinlager, die aber nicht ausgebeutet werden. Der Boden ist äußerst verschieden. Im Thale ist derselbe ziemlich fruchtbar und das Getreide gedeiht ganz gut, Haber und Kartoffeln vorzüglich. Allein 7/8 der Äcker liegen auf den Bergen und werden nicht gedüngt, sondern als Wechselfelder, die nach 15 – 20, zum Theil auch nach 6 – 10 Jahren gebaut werden, benutzt. Daher steht denn auch der Preis eines Morgens Acker von 1/2 bis 400 fl., und es ist schon manchmal ein solcher um eine Maas Wein verkauft worden. Der Suppinger Pflug wird allmälig allgemeiner und dadurch die bis jetzt noch nöthige Bespannung des Pfluges mit mehr als vier Zugthieren entbehrlich. Mit dem Anbau von Klee und andern Futterkräutern ist ein hinreichend lohnender Anfang gemacht. Auch Mohn und Mais gedeihen, werden aber wenig gepflanzt. Der landwirthschaftliche Bezirksverein zählt in Göppingen und hier seine meisten Mitglieder. Gleichwohl ist der Obstbau, der durch eine von der Gemeinde kürzlich angelegte Baumschule gehoben werden wird, noch zurück, und für die Stallfütterung ist noch gar nichts gethan. Übrigens ist bei dem üppigen Graswachsthum und den guten Bergweiden die | Viehzucht von höherem Belang, als der Ackerbau. Hier ist ein eigener Rindviehschlag einheimisch. Den ganzen Sommer über fahren 6 Hirten aus (oben S. 61). Dazu kommen noch die Schäfer mit wenigstens 1800 Schafen. Die Fohlenzucht, wozu sich der Ort wegen seiner gesunden Weide (oben S. 59) ganz besonders eignen würde, wird ganz vernachläßigt. Wie der Haberhandel, so ist auch der Viehhandel von Bedeutung. Was die Gewerbe betrifft, so sind 1 Feldmesser, 1 Ziegelei, 2 Bierbrauereien, 1 Mahl- und 1 Öl-Mühle und 1 Potaschenfabrik zu nennen. Zahlreich sind sodann die Baumwollenweber; der kleinere Theil arbeitet auf eigene Rechnung, der größere für Fabrikanten in Göppingen und Jebenhausen um den Lohn. Der Gasthof zum Hirsch ist mit Recht stark besucht. Das Flachsspinnen, früher allgemein und einträglich, ist sehr herabgekommen. Das früher mit Nutzen betriebene Stückweben hat aufgehörtDie Gemeindeeinkünfte sind, wie die Tabelle zeigt, ansehnlich. Auf den großen Gemeindewaldungen ruhen Realgerechtsamen. Die zwei Vieh- und Kram-Märkte sind stark besucht. Das Recht zu dem zweiten Markte rührt aus neuerer Zeit her. Der Kirchsprengel besteht, nächst der Gemeinde, seit 1808 aus den evangelischen Einwohnern von Wiesensteig. Das Patronat steht der Krone zu. Seit 1832 wird am Jahresschluß bei beleuchteter Kirche Gottesdienst gehalten. An der Schule (s. unten) stehen ein Schulmeister und ein Unterlehrer. Der Schulfonds ist 865 fl. Eine Industrieschule besteht seit 1840, eine Fortbildungsschule für die männliche Jugend seit 1841; eine Kleinkinderbewahranstalt ist im Entstehen. Zum Andenken an das Regierungsjubiläum 1841 wurde eine Orts- und Volks-Bibliothek gegründet. Die in kleinen Legaten zum Heiligen gegebenen Armenstiftungen betragen 1489 fl.; wozu kürzlich noch 800 fl. von dem von hier gebürtigen Landgerichts-Wundarzt J. J. Straub in Lindau kamen. Der Gottesacker liegt um die Kirche her.
Die Exenmühle liegt an der Fils, außerhalb des Bezirkes, von der Markung von Mühlhausen umschlossen, südlich 3/4 St. von Gruibingen, und hat eine eigene Markung. Sie stand von jeher in nahen Beziehungen zu Gruibingen. Das Kl. Ursberg in Bayern trat 1406 die Hälfte derselben, die es zuvor von dem Wiesensteiger Bürger von Ehingen erworben hatte, an die Grafen von Helfenstein ab; Württemberg kaufte sie aber 1628 an sich.
Gruibingen ist ein sehr alter Ort, dessen Marke schon 861 genannt wird. (S. oben S. 93.) Allem Anscheine nach war in den frühesten Zeiten die Hohheit über denselben zwischen den Herzogen von Zähringen und den Grafen von Helfenstein (S. 93) getheilt, da die Besitzungen derselben hier zusammengrenzten. Die erstere Hälfte scheint | an die Herzoge von Teck und von diesen an die Grafen von Württemberg gekommen zu seyn, da diese schon sehr frühe hier Rechte und Güter hatten. Gleichwohl behauptete der Ort lange Zeit eine gewisse Selbstständigkeit, indem er namentlich das Gericht zur Hälfte selbst besetzte. Im J. 1418 aber brachte Württemberg diese Hälfte gegen Einräumung der Rügungen und Einungen an die Gemeinde an sich; die andere Hälfte des Gerichtes war eine Zugehör der Burg Leinberg und wurde, wie wir hienach finden werden, 1422 und 1455 erworben. Aber noch war Württemberg nicht völliger Herr. In dem mehrangezogenen Berichte von 1535 sagen die Vögte: Gruibingen sey bei Graf Ulrichs Zeiten ein Freidorf gewesen und habe selbst den Stab und alle Oberkeit gehabt. Als nun nach dieses Grafen Niederlage im Pfälzer Krieg (im J. 1462) ein Schatzgeld an sie begehrt worden, haben sie keines geben wollen und von dem Grafen von Helfenstein und dem Abt von Ursberg, ihren Zinsherren, Vertröstung bekommen, sie dabei zu handhaben. Allein die Vögte von Göppingen haben das Dorf mit Gewalt eingenommen, das Vieh nach Boll weggetrieben und nur gegen Erlegung von 900 fl. wieder ausgefolgt. Darauf haben sie von Graf Ulrich Brief und Siegel erhalten, wodurch ihre früheren Freiheiten und Ordnungen bestättigt worden, mit Ausnahme des Stabs, den der Graf behalten. Jetzt hatte der Graf also auch das Steuerrecht und die Befugniß, den Amtmann zu bestellen, der bis dahin von der Gemeinde gewählt worden war. Dagegen beschwerte sich zwar Helfenstein; allein durch Vertrag von 1482 wurde Württemberg Stab und Gerichtszwang auch auf den helfensteinischen Gütern eingeräumt und dagegen Helfenstein gestattet, einen eigenen Schultheißen zu Beitreibung von Steuern und Zinsen in Gruibingen zu halten. [1] – Was nun die vogteilichen und grundherrlichen Rechte betrifft, so waren dieselben vielfach getheilt und gaben zu manchen Zwistigkeiten Veranlassung. Württemberg kaufte 1422 von Schwarzfritz von Sachsenheim und seiner Hausfrau Anna von Lichtenstein 1/4 am Gerichte, 11/2 Höfe und 6 Lehen zu Gruibingen, 2 Lehen zu Gosbach und 1 Lehen zu Ganslosen, mit Bännen, Zwingen und Vogteien, um 1200 fl.; und 1455 kaufte Württemberg von Wilhelm Schenk von Geyern zu Oberstotzingen ein anderes 1/4 am Gericht, 100 Käse jährliche Gülte von dem Vieh, 10 Sch. Heller Handlohn vom Hirtenstab, ebenso viel vom Eschayenamt (Flurschützenamt), 19 Pfd. 1 Sch. 4 Hl. jährliche Kornsteuer | und die in dieselbe gehörigen Leute um 900 fl.; doch ausgenommen das Schloß Leinberg, wozu diese Rechte gehörten. Im J. 1524 besaßen a) Württemberg: 1 Pfd. Heller vom Schützen- und Hirtenstab, die vorgedachte Kornsteuer, 3 Pfd. Heller Leibsteuer, Zinse aus dem Leinberg, 8 Sch. 11/2 Sr. Weidhaber, 2 Pfingstkäse von jedem Viehhalter, 13 Lehengüter und den Velbergers Hof mit aller Hohheit und Obrigkeit, b) Helfenstein 6 Höfe und 1 Lehen (ursprünglich 3 Höfe), deren Besitzer mit der helfensteinischen Herrschaft Wiesensteig steuerten, reisten und dienten, c) Das Kl. Blaubeuren 18 (ursprünglich 9) Lehen, worunter der sogenannte Maierhof, der früher mit Thoren und Mauern umgeben war und dem Kloster jährlich „ein Mahl“ zu reichen hatte. Diese Besitzungen rühren größten Theils von Schenkungen aus dem zwölften Jahrhundert her, welche die Blaubeurer Chronik (Sattler IV. Beil. 73) aufzählt. Die Inhaber derselben hatten wie die eben bemerkten zu reisen und zu steuern, dagegen aber Württemberg Jagddienste zu leisten. Dieses Klosters 6 Sölden, so wie d) des Hospitals Wiesensteig 6 Lehen und e) des Stiftes Wiesensteig 8 Lehengüter hatten mit beiden Herrschaften zu reisen, waren von ordentlichen Steuern frei und mußten der Herrschaft Wiesensteig frohnen. f) Die Gefälle und zerstückelten Güter der Pfarreien Drackenstein und Gosbach und der Heiligen zu Ditzenbach, Mühlhausen etc. standen unter württembergischer Obrigkeit. g) Dasselbe war mit den 6 Lehen der Fall, welche 1700 die geistliche Verwaltung Göppingen besaß, h) Über den Widumhof und die in denselben gehörigen 4 Huben und 9 Sölden behauptete Helfenstein die Vogtei (s. hernach). Die grundherrlichen Rechte Helfensteins wurden 1628 an Württemberg verpfändet und nicht wieder ausgelöst. Von besonderen Freiheiten und Rechten des Dorfes ist zunächst sein uraltes Marktrecht hervorzuheben, sowie daß es vom Umgeld befreit war und die Rügungen aus den Gemeindewaldungen selbst bezog. Gruibingen hatte ferner sein eigenes Hochgericht, daher noch jetzt Galgenacker und Galgenwiesen genannt werden. Auch hatte Gruibingen ein eigenes Getränkemaas. Eine Badstube bestand 1541, und das Schießhaus, das noch 1700 genannt wird, stand da, wo jetzt der Viehmarkt gehalten wird. Wie schon oben S. 96 bemerkt, war Gruibingen bis in die neueren Zeiten der Sitz eines eigenen Ämtchens. Eigenthümlich war hier das Amt des Feldschützen. Nach dem Kellereilagerbuch wählen nämlich der Amtmann, das Gericht und die „fünf Verordneten von der Gemeinde“ [2] jährlich einen | Schützen, dem der Amtmann die Hut in Hölzern und auf dem Felde befiehlt und ihn verpflichtet. „Vnd hat solcher Feldschütz auf Solches hin Macht vnd Gewalt, 12 Mann auß der Gemeind bey seinem geschwornen Eyd zu erwählen, die ihm helfen mögen rügen, und soll dieselben wählen heimlich, daß Niemand wissen noch erfahren möge, wen er genommen, auch unter den Zwölfen selbst keiner wisse, wer seine Mitrüger seyen, und welcher also von einem Schützen zu einem Rüger erwählt, derselbig ist schuldig und pflichtig, gleichermaßen wie der Schütz gute und getreue Aufsicht zu haben, und was er befindet für Schaden oder Argwöhnigkeit, solches dem Schützen zu eröffnen ... und ist der Schütz schuldig, diejenigen, die er also zu Rügern erwählt, desgleichen, was ein Jeder gerügt, Niemanden (als dem Amtmann) zu eröffnen, sondern bey ihm bis in den Tod verschwiegen zu halten."Von den besonderen Schicksalen des Ortes ist noch Folgendes auszuheben. Im J. 1549 lag ein Commando spanischer Reisigen 7 Wochen lang im Dorf, welche einen Schaden von mehr als 12.000 fl. verursachten. Bei einem Überfalle der Kaiserlichen am 9. Sept. 1634 wurden mehrere Einwohner erschlagen. In demselben Jahre starben 90 Menschen an der Pest, und 1635 wieder 86. Als am 24. April 1647 das königsmark’sche Hauptquartier hier lag, wurden 130 Häuser (mehr als 3/4 der Gesammtzahl) in die Asche gelegt. Kurz zuvor hatten die Soldaten alles Vieh und die im Walde verborgenen Fruchtvorräthe weggenommen. Noch stand das mit Hülfe einer Brandsteuer wieder erbaute Dorf nicht lange, als am 20. März 1668 Nachmittags durch Unvorsichtigkeit eines Schmieds ein Feuer ausbrach, das in anderthalb Stunden das ganze Dorf, mit Ausnahme der Kirche, des Pfarrhauses, des Fruchtkastens und eines Bauernhauses, verzehrte. Nichts konnte sonst gerettet werden; mit 140 Gebäuden verbrannten alle Vorräthe, 16 Pferde, 65 Stücke Rindvieh, 210 Schafe. Sieben Menschen, die Andern helfen wollten, kamen in den Flammen um.
Daß Gruibingen bis 1485 zum Amte Kirchheim gehörte, ist oben S. 95 bemerkt.
Die Pfarrei ist den ältesten des Bezirkes beizuzählen. Denn wenn auch die Schenkung des Sigehardus de Kalphen, der nach dem hirschauer Codex ums J. 1100 XIIII. hubas et dimidiam ecclesiam | et octauam ejus partem ad Grubbingen dem Kloster Hirschau übergab, nicht auf unser Gruibingen zu beziehen ist, so ist dieß doch mit der ums J. 1170 – 1180 vorgefallenen Übergabe des Freiherrn Walther v. Schelkingen an das Kloster Ursperg bei Burgau (nicht Urspring, wie Sattler H. III. 70 angibt) der Fall; denn am 28. Okt. 1184 bestättigte der Bischof Hermann von Constanz, daß »Waltherus liber homo de Schalkelingen possessionem, quam heriditario jure possederat in Griubingen cum ecclesia in eodem fundo sita et omnibus appendiciis in usum fratrum in Ursperc potenti manu cum aduocatia, que suo juri spectabat, contradidit;« und am 1. Juli 1207 bestätigt Bischof Werner dem genannten Kloster »jus plebanatus ecclesie in Gruibingen et filie ejus in Gaslosun.« Mutterkirche und Filial gehörten, wie oben S. 99 gezeigt, in das Landcapitel Geislingen. Obgleich nun aber Ursberg mit dem Kirchensatz auch die Vogtei erworben hatte, so behaupteten doch die Grafen v. Helfenstein die Kastvogtei über die Pfarrei und deren Güter, in welcher Hinsicht beide Theile im J. 1406 auf eine Aversal-Entschädigung von jährlichen 90 Scheffeln Frucht aus dem Widumhof vertragen wurden. [3] Am Aftermontag nach dem h. Dreikönigtag 1533 verkaufte Ursperg dem Kl. Adelberg um 7000 fl. in Gold und | 300 fl. in Münze die Zehenten zu Gruibingen, Ganslosen, Drackenstein, Gosbach und Schönbach, samt dem Leinberg, den Widemhof zu Ganslosen und Waldungen, sowie das Patronat und die Lehenschaft der Pfarrei und Helferei Drackenstein, der Pfarrei und Frühmesse Gruibingen und der Pfarrei Gosbach sammt etlichen Leibeigenen; welches Alles noch an demselben Tage und um dieselbe Summe Adelberg an Württemberg abtrat. König Ferdinand, damals Inhaber des Landes, regulirte sofort die hiesige Pfarrei. Diese, sowie die 1431 von der Gemeinde Gruibingen gestiftete Frühmeß-Caplanei, welche bis dahin dem Kl. Ursperg einverleibt und nur durch Vikarien versehen worden waren, sollen nun beständig mit Priestern besetzt und der eine, mit dem Sitze in Gruibingen, zugleich die Caplanei Ganslosen versehen. Auch diesem, der indessen am Tische des Pfarrers gesessen, wurde eine Besoldung geschöpft. Die 2 Springochsen, den Ranen und den Eber, die bis dahin der Pfarrer gegen das Recht zu halten hatte, täglich einen Springochsen und eine Kuh in die Wiesen frei gehen zu lassen, wurden dem Meßner, bis dahin ein Knecht des Pfarrers, übergeben und demselben die Meßnergarben und Meßnerlaibe eingeräumt. Das Gesegnete auf Ostern, den bischöflichen Bannschatz, Hostien und Wein soll der Pfarrer auch künftig geben, dagegen das Fastnachtküchlen und andere Gastungen zu geben entbunden seyn. – Neben der Kirche stand auf dem Kirchhofe auch eine Capelle zu unserer lieben Frau, die einen eigenen Fonds hatte und erst 1828 abgebrochen wurde. Sodann stand auf einer südlich emporsteigenden Waldhöhe 1/2 St. entfernt eine Wallfahrtscapelle zu St. Wolfgang, die ebenfalls ihren eigenen Fonds hatte. Schon 1552 war diese durch freiwillige Gaben entstandene Capelle zerfallen. Ein daneben gestandenes, von einem Garten umgebenes Haus diente bis zur Reformation, wo dasselbe abgebrochen und in Gruibingen als Pfarrhaus wieder aufgebaut ward, einem Einsiedler zum Wohnsitze. Eine neben dem vormaligen Kirchlein entspringende Quelle wurde lange noch von den Katholiken der Nachbarschaft als wunderthätig aufgesucht. – Die Reformation wurde frühzeitig vollzogen, da schon 1537 die Pfarrbesoldung mit der Frühmeßpfründe aufgebessert war. Sofort wurden auch die Gefälle der drei Heiligen, St. Martins, unserer Frau und St. Wolfgangs, vereinigt und dem Armenkasten übergeben. Der während des Interims bestellte Pfarrer, Michael Emmerer, gab zu vielen Beschwerden Anlaß. Die Vögte und der Keller klagten am 20. März 1551: unter ihm seyen die Unterthanen, die unter seinem evangelischen Vorgänger gehorsam gewesen, ganz unbotmäßig; „er thue vff der Canzel nichts, denn pochen, poltern vnd männiglichs übelreden, hab auch offentlich vff der Canzel gesagt, | der Judas hab sich erhenkt, sey vffgebrochen vnd sein Leber in die großen Herrn, vnd in Ober- vnd Vnter-Vogt vnd Keller gefahren, vnd gönnten ihm diese nicht Gutes.“ Darauf wurde bald beschlossen: „einen rechtschaffenen, gutherzigen evangelischen Prediger an seine Statt zu verordnen.“ Auf die Bitte der Gemeinde, daß sie eine große Jugend habe, welche die weit entlegenen Schulen Kirchheim oder Göppingen nicht besuchen könne, wurde am 3. Febr. 1552 Michael Greiff hierher verordnet, um als Diakonus das Filial Ganslosen und zugleich die Schule in Gruibingen zu versehen. Dieses Diakonat bestand bis zu Errichtung der Pfarrei Ganslosen. Nun wurde hier auch ein eigener, zum Theil aus Mitteln der geistlichen Verwaltung besoldeter, Schulmeister bestellt. – Zehenten waren, wie oben bemerkt, immer in den Händen des Patrons. Nach der Reformation gingen der kleine und Heu-Zehente an die geistliche Verwaltung über, wogegen der große bei der Kellerei blieb. Auf der Markung von Gruibingen standen einst mehrere Burgen, wovon sich meist nur noch lagerbüchliche Bezeichnungen erhalten haben, welche – wie z. B. Königssteig, Emmerstall, Dittenstall, Königschwang – von geschichtlicher Bedeutung seyn möchten. Der westlich gelegene Hermannstall scheint einst eine Burg der Zähringen getragen zu haben. Nicht ferne davon ist Geyerstall, über welchem sich der Berg „Bürgstle“ erhebt, wo noch Spuren eines Grabens wahrzunehmen sind. Hier saßen wohl die Schenken von Geyern, die das helfenstein’sche Schenkenamt bekleiden haben mochten und 1455 die Burg Leinberg besaßen. [4] Friedrich und Hans von Geyern kommen 1463 als helfenstein’sche Vasallen vor. (S. auch Ganslosen.) In welch näherer Beziehung die auf der Gosbacher Markung gestandene Burg Leinberg (OA.-Beschre. v. Geislingen S. 203) zu den Dörfern Gruibingen und Ganslosen einst stand, haben wir oben gesehen. Heinz v. Leinberg verkaufte 1367 seinem Bruder Eberhard seinen Theil an der Burg zu Lainberg nebst 1/4 des Gerichts und Hirtenstabs zu Gruibingen, und 1369 erhält er von seinem andern Bruder Seifried dessen Antheil mit den dazu gehörigen Rechten zu „Gaslosen.“ Im J. 1455 ist Wilhelm Schenk v. Geyern im Besitze. Aber schon 1524 muß das Schloß zerfallen gewesen seyn, da Württemberg den ganzen Berg zum Anbau und zur Weide verliehen hatte. Eine weitere Burg stand auf dem Bergvorsprung über der Exenmühle, die Leiningshalde genannt, wo | nur noch geringe Reste eines Burgverließes oder Brunnenloches zu finden sind. Vor dem dreißigjährigen Kriege soll hier „auf Mühleck“ noch Jemand gewohnt haben. Wer die Burgbewohner gewesen, ist unbekannt. Vielleicht waren es die Herren von Gruibingen, die seit dem dreizehnten Jahrhundert oft vorkommen, das Truchsessenamt der Grafen von Helfenstein versahen und jebenfalls unserm Gruibingen angehörten. Dominus Bertholdus de Gruibingen kommt 1241 vor, und die erbarn Ritter Rugger und Hug v. Gruibingen sind 1267 Zeugen. Einen Berthold werden wir bei Heiningen finden. Der Letzte dieses Geschlechtes scheint Eberhard zu seyn, der 1559 Burgvogt in Kirchheim war. Abgegangene Orte auf der Markung scheinen Ulrichstetten und Hofstetten gewesen zu seyn, die aber nicht näher nachgewiesen werden können.Auf der Höhe, zu welcher die Steige von Boll führt, trifft man einen die Straße durchschneidenden Bodenstreifen von einiger Erhöhung, der namentlich in südlicher Richtung sehr bemerkbar ist. Er ist unter dem Namen Schanze bekannt. S. oben S. 105.
Über die Höhlen im Rufstein, die Fernsicht auf den nahen Gebirgen und die Versteinerungen s. oben S. 7. 21 und S. 28.
- ↑ Dieser hatte (1527) das Recht, die säumigen Gültleute „durch des Dorfs gemeinen Schützen vnd Knecht zu mahnen, sich gen Wiesensteig in Eins Wirthshus zu stellen vnd daraus nit zu kommen, sie haben dann bezahlt.“
- ↑ Diese sogenannten „Fünfer,“ wie sie in andern Orten häufig heißen, waren die Rathsmitglieder. Die herzoglichen Räthe befahlen 1518, das Gericht zu Gruibingen soll „die fünf Geschwornen der Gemeind füro wählen, wie bisher,“ und diese sollen „des Dorfs Nutz handhaben." Daneben kommt aber auch noch eine Bürgerrepräsentation vor; denn dieser Befehl setzt bei, es sollen der Schultheiß, 2 Richter, „2 von den 5 Geschwornen vnd einer von der vssern Gemeind“ zum Steuersatz berufen werden.
- ↑ Der Abt klagte 1406: er musse alle Jahre 60 Sch. Korn dem Grafen aus dem Widumhof zu Gruibingen reichen, darauf die Pfarrkirche gewidmet sey, und das nehme er von Gewaltsami und keinen Rechten. Denn erst des Grafen Vater habe damit den Anfang gemacht, also, daß er mit Gewalt auf dem Hof Korn und Drasch vom Kirchenzehent genommen, als viel er gewollt. Darauf habe ihm der Abt jährlich 20 Sch. Korn versprochen, wenn er ihn unbekümmert lasse. Das habe aber der Graf überfahren, worauf ihm 40 und später 60 Sch. geboten worden, die er heute noch empfange. „Aber über das Alles, so beschwer er sie vnd ihr Gottshaus vff demselben ihren Hof mit Gastung, mit Jägern, mit Hunden vnd Rossen, die sie ihm da halten vnd füren müssen, vnd auch mit ander onzitlicher Beschwerung, daß ein Pfarrer daselbs sin Narung nit gehaben mög, dazu beschwer er sie an den vier Huben vnd neun Sölden, die ze Gruibingen gelegen sind vnd in den Widemhof gehören, mit schweren Diensten, Stüren, Winstüren vnd andern Beschwerungen, dazu er kein Recht hab,“ weil das Kloster Kirche und Kirchengut als unvogtbar erworben. Sofort vermittelte Schenk Friedrich von Limpurg, das Kloster solle jährlich 90 Sch. halb Dinkel und halb Haber reichen und dagegen aller andern Beschwerungen frei bleiben. Auf die „Ober- und Vogtbarkeit über den Pfarrhof“ verzichtete Helfenstein 1594; diese Vogtfrucht mußte aber fortentrichtet werden, wozu von Alter her „ein sonderbar hiezu gebrauchtes Helfensteinisches Uff- oder Druckmeß“ gebraucht ward; „welche Vogtfrucht der Helfensteinsche Kornmesser allwegen mit betagtem Meß so viel vnd allermeist er in vnd vff das Simri hat bringen mögen, gemessen hat.“
- ↑ Ob der am 19. Mai 1822 zu Stuttgart verstorbene k. Oberhofmeister Schenk von Geyern diesem Geschlechte angehörte, ist uns unbekannt.
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