Beschreibung des Oberamts Gerabronn/Kapitel B 22

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22. Gemeinde Ober-Stetten,


aus dem evangelischen Pfarrdorf Ober-Stetten mit den einzelnen Wohnsitzen Weilerhof, Fuggersmühl, Obermühle, Reuthalmühl, Stegmühl und Untermühle bestehend, mit 743 Einwohnern, worunter 3 Katholiken. Der größere Theil der Markung liegt noch auf der oftgedachten Hochebene und nur etwa ein Drittel in dem Vorbachthal und in den dazu gehörigen Seitenthälern und Schluchten. Von Süden her ist dieß die erste in das Gebiet des Tauberflusses gehörige Gemeinde mit Weinbau. Die meisten Fruchtfelder liegen auf der östlichen, von dem Reubachthal durchfurchten Höhe, die bedeutenden Waldungen westlich und südwestlich des Thals und die Weinberge an den gegen Süden geneigten Thalhängen. Das von Schrotzberg aus zuerst seicht und schmal in die Markung eintretende Vorbachthal bildet bei Ober-Stetten mit den Ausmündungen des Reubach-, des Buchbronnen- und des Heimloch-Thals einen ansehnlichen Kessel. Die Vorbach gibt dem Thal von dem 11/8 Stunden entfernten Schrotzberg bis zum Ausfluß in die Tauber bei Weikersheim, 2 Stunden von hier, den Namen. Was dazwischen und in den Seitenthälern liegt, wird unter dem Namen „die Vorbach“ begriffen. Das Gefäll des Bachs auf dieser kurzen Strecke beträgt 767′, woher es kommt, daß, wenn gleich seine Wassermasse gering ist, durch| ihn doch eine bedeutende Zahl Mühlen betrieben wird, auf hiesiger Markung allein 3, neben 2, die der noch kleinere Reubach in Bewegung setzt. Dabei dient er auf seinem ganzen Lauf zur Wiesenwässerung.

Ober-Stetten liegt 4 St. nördlich von Gerabronn, im Vorbachthal, an der Nachbarschaftsstraße von Schrotzberg in das Tauberthal. Das in Kreuzesform gebaute Dorf wird durch den forellenreichen Vorbach in zwei Theile geschieden, die durch zwei Stege und eine steinerne und eine hölzerne Brücke miteinander verbunden sind. Der Bach ist durch Mauern gefaßt. Der Ort ist an den Winterberg angelehnt und deßhalb etwas erhaben über den übrigen Theilen des Kessels gelegen, er gewährt bei der vielen Abwechslung, welche das Gebirge, die Gewässer und die Mannigfaltigkeit der Bepflanzung bieten, ein anziehendes Bild und ist mit gesundem Quellwasser zum Überfluß versehen; er zählt 103 meist zweistockige, theils ganz, theils wenigstens im ersten Stock von Stein erbaute Häuser. Bei der Zählung von 1832 fanden sich 42 zwischen 60 und 70, und 16 von 70–90 Jahre alte Personen. Im Jahr 1803 hatte die statistische Aufnahme 94 Häuser und 531 Seelen ergeben. Die Häuser stehen meist längs der Hauptstraße, die wie die übrigen Ortswege reinlich gehalten ist. Weil der Ort früher mit Markt- und Stadt-Recht begabt war, war er – zwar nicht mit Mauern – aber mit Gräben, Wällen und Thürmen vertheidigt und überdieß die Kirche mit Kirchhof von doppelten Wällen und Gräben umzogen, die noch zu sehen sind. Gleiche Einwallung bestimmte die Markungsgrenze nach allen Seiten, und dort, wie hier war diese Befestigung durch Gehege vermehrt. Unfern des Dorfes, östlich, mit demselben nicht zusammenhängend, doch in ältester Zelt vielleicht dazu gehörig, stand bis 1441 in der sogenannten Heingrube ein festes Schloß.

Hinsichtlich des Vermögens- und Nahrungs-Standes gehört der Bezirk zu den besten des Oberamts. Neben vielen großen Bauerngütern, bis über 100 Morgen Feld, bestehen zwar auch viele Kleinbesitzungen, weil jedoch Frucht- und Wein-Bau von den meisten Einwohnern zugleich betrieben wird und die Handwerker nebenher Kleinbauern sind, so haben alle Einwohner ihr Auskommen; viele sind wohlhabend.

Die Weide ist aufgehoben. Die Zehenten gehören dem Staat. Sterbfall und Handlohn sind durchaus abgelöst. An den Grundzinsen, von jährlich 440 fl. 6 kr., ist auch das Rentamt Ingelfingen betheiligt. Die Gemeinde besitzt 206/8 M. Grundstücke und an verzinslichen Capitalien 11.975 fl., bei 2715 fl. Schulden. Communkosten wurden von 1842/43 keine umgelegt. Die| Stiftungspflege aber ist unvermöglich und hat die Gemeinde deren Deficit zu decken.

Das Wappen des Orts besteht aus einem einfachen niedrigen Kirchthurm. Die dem heiligen Bonifacius geweihte Kirche gehört zu den ältesten christlichen Kirchen Ostfrankens, da ihrer schon um die Mitte des neunten Jahrhunderts erwähnt wird. Die Kirche hat sehr alte Theile, mit mehreren Köpfen in halberhabener Arbeit an der Wand. Zum Kirchsprengel gehört die ganze Gemeinde mit Ausnahme der nach Wildenthierbach gepfarrten Reuthalmühle und von fremden Orten der Weiler Zell, in der Gemeinde Schrotzberg. Die Pfarrei besetzt die Krone; bis 1605 war sie hohenlohisch und von da, bis zur Aufhebung der Reichsstädte, der Reichsstadt Rothenburg zuständig. Vor der Reformation wurde der Gottesdienst durch 2 Geistliche (den Pfarrherrn und einen Frühmesser) versehen; seither ist bloß Einer angestellt. An Kirche und Pfarrhaus besorgt bisher die Stiftung die Reparaturen, wem aber ein Neubau obliegen würde, ist noch nicht ermittelt. Dasselbe gilt in Betreff des Kirchhofs, der als Begräbnißplatz dient. Der Bezirk der Schule fällt mit dem Pfarrsprengel zusammen. Daß schon in älteren Zeiten hier für den Unterricht gesorgt war, ergibt der Inhalt des rothenburgischen Consistorialprotocolls vom 25. April 1561, vermöge dessen der damalige Schullehrer Krauß auf ein Kirchenamt in der Nachbarschaft befördert wurde.

Ober-Stetten, in den ältesten Zeiten Eingehörung der hohenlohen’schen Herrschaft Brauneck im Taubergau, wird als Obersteten, superior Stetin, mit seiner St. Bonifaciuskirche unter denjenigen Orten genannt, in welchen das Kloster Fulda im neunten Jahrhundert Besitzungen erhielt (Traditiones Fuldenses ed. Dronke S. 16. nr. 3. 7.). In einer Zehentverkaufsurkunde Ludwigs von Schipf an das Kloster Schönthal von 1260 (Wibel C. D. III. S. 43.) ist ein Heinricus de superiori Stetin, miles, als Zeuge aufgeführt, dem das später v. seckendorff’sche Schloß gehört haben mag. Im Jahr 1366 ging, wie schon Seite 177 bemerkt worden, von Ulrich von Hohenlohe-Brauneck, Ober-Stetten mit Schloß und Markt Haltenbergstetten, Münster und andern Orten an seinen Vetter Gottfried von Hohenlohe über und von diesem 1384 mit Widerlosungsrecht an Ritter Martin von Mergentheim und seinen Sohn Martin Witprecht von Niederbalbach, und endlich von Letzteren, mit Zustimmung des Gottfrieds und Gerlachs von Hohenlohe, Gebrüdern (Stuttg. Archiv), 1388 für 1050 fl. an Seifried Häuptlein, Bürger in Rothenburg, von dem es dann endlich durch letztwillige Verfügung von 1422 der Stadt Rothenburg verschafft wurde, welche die Ansprüche der nachmals an Hans| von Rosenberg verheiratheten Wittwe des Häuptlein, durch Vergleich zu beseitigen wußte (Bensen Rothenburg 481). Die Herren von Hohenlohe hatten sich übrigens die Besetzung der Pfarrei und die Gerichtsbarkeit vorbehalten und wurden, als 1390 nach dem Aussterben der Linie Brauneck die Überbleibsel der Herrschaft von dem Erben, dem Burggrafen Michael von Magdeburg, an die Burggrafen von Nürnberg 1448 kamen, diese Rechte von ihnen angesprochen, jedoch später durch Vertrag von 1525 an Rothenburg überlassen. Die erst nachher im Jahr 1405 von dem Rathsherrn Seifried Häuptlein in Rothenburg mit zugehöriger Capelle zur heiligen Ottilie gestiftete Frühmesse besetzte Hohenlohe, bis im Jahr 1464 durch Vertrag das jus nominandi Rothenburg, das jus praesentandi aber Hohenlohe zugetheilt wurde. Im Jahr 1605 erwarb aber Rothenburg von Graf Wolfgang von Hohenlohe alle seine Rechte auf die Pfarrei, sammt den Zehenten zu Hachtel und Crailshausen.

Zu den von Hohenlohe hergekommenen Besitzungen im Ort hatte Seifried Häuptlein noch die Gefälle und Güter, die das Frauenkloster zu Rothenburg hier besessen, erworben (Urk. im Stuttg. Archiv von 1391), und die Reichsstadt sich den Zehenten auf verschiedenen Äckern und Weinbergen von Einwohnern des Orts erkauft, auch am 5. November 1566 die Ansprüche des Georg von Berlichingen an die Oberherrlichkeit über einige Egerten und Äcker beseitigt. Im Jahr 1347, den 9. Februar, überließ Cunrad von Finsterloh, ein Edelknecht, dem Kloster Schäftersheim seine Gülten und Güter in Ober-Stetten (Reg. Boic. VIII. 95.) um 14 Pfund Heller gegen Wiederlosung.

In Betreff des unfern des Orts gestandenen Schlosses und anderer Gefällherren im Ort findet sich, daß ersteres im 13ten Jahrhundert und bis zum Jahr 1441 im Besitz der Familie von Seckendorf war, in letzterem Jahr aber, als Heinrich von Seckendorf, ein Hauptfeind der Stadt Rothenburg, es besaß, von dortigem und anderem reichsstädtischem Kriegsvolk niedergebrannt und zerstört wurde.

Im Bauernkrieg, i. J. 1525, am Sonntag Judica, zogen die Rothenburger und die mit ihnen vereinigten Bauern des Zaisolfs von Rosenberg vor Ober-Stetten, nahmen das der Stadt Rothenburg gehörige, hier aufbewahrte Getreide weg und verkauften es an hohenlohesche Bauern. Als nach Dämpfung des Bauernkriegs der in demselben beschädigte Adel, unter Anführung des Adam von Thüngen, in das rothenburgische Gebiet einfiel, um Rache zu nehmen und sich Ersatz zu verschaffen, war Ober-Stetten der erste angegriffene Ort. Die Einwohner vertheidigten sich zwar zuerst| mittelst der aus dem Versteck wieder hervorgezogenen Waffen, unterlagen aber zuletzt und konnten die Zerstörung des Dorfs nur mittelst der Bezahlung einer Brandschatzung von 1800 fl. verhüten. Im dreißigjährigen Krieg waren hier Pestjahre 1626 und 1634. Im ersten Jahr starben 259, im zweiten 127 Menschen größtentheils an der Pest.

Ober-Stetten war bis 1802 zum Gebiet der Reichsstadt Rothenburg, in deren sogenannter Beiheeg, und bis 1810 zum Königreich Bayern gehörig (s. Brettheim). Unter Rothenburg war hier ein eigenes Amt, dem noch die Orte Wildenthierbach, Heimberg und Hachtel zugetheilt waren (Bundschuh Lexikon IV., 230).

Die Zeit der Reformation ist in Merz’s rothenburgischer Geschichte auf 1533, bei Winterbach auf 1544 angesetzt. Von den früheren Geistlichen werden Gernod von Thierbach (1334) und Albrecht von Vinsterloh (1502, Wibel a. a. O. II. S. 171 und 407) angeführt. Dann ist hier noch zu erwähnen, daß 1360 Kraft von Hohenlohe und Anna, seine eheliche Hausfrau, Irmengard verehlichte von Nassau, seine Schwester und Kraft sein Sohn, wie den andern Geistlichen ihrer Herrschaft Weikersheim und Schillingsfürst, so auch denen von Ober-Stetten für immer für ihren Leib und ihre Güter Befreiung von jeder obrigkeitlichen Belästigung und das Recht beliebiger Verfügung über ihr Besitzthum bewilligten.

In Betreff der Reuthalmühle, früher Reumühle, ist überliefert, daß 1301 Catharine von Eberstein, eheliche Wirthin des edlen Mannes Grafen Conrad von Flügelau, und Conrad und Otto, ihre Söhne, an den deutschen Orden ihre Güter, so sie hatten zu Braunsberg etc. und die Mühl zu Sturenthal verkauften. Später kam sie an das Dominikanerkloster in Rothenburg.


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