Beschreibung des Oberamts Leonberg/Kapitel B 4

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Flacht.
Gemeinde III. Kl. mit 876 Einw. a. Flacht, Pfarrd., 850 Einw. b. Ziegelhütte, 22 Einw. c. Mühle, 4 Einw. – ev. Pfarrei.

In dem ziemlich tief eingeschnittenen Thale des Strudelbachs liegt 21/4 Stunde nordwestlich von der Oberamtsstadt der unregelmäßig gebaute, nicht große Ort. Die Gebäude, welche meist alt und unansehnlich sind, liegen theils in der Thalebene, zum größeren Theil aber an den steilen Thalgehängen hinaufgebaut. Gutes Trinkwasser spenden in reichlicher Fülle 3 laufende Brunnen; überdieß fließt noch der in der Nähe entspringende Strudelbach mitten durch den Ort, an dessen südlichem Ende sich auch ein kleiner See befindet.

Die Pfarrkirche, welche die Stiftungspflege zu unterhalten hat, liegt beinahe mitten im Ort ziemlich erhöht am linken Thalabhange; das Gebäude ist durch ovale und oblonge Lichtöffnungen, welche später eingebrochen wurden, ganz entstellt und hat weder am Äußern noch im Innern etwas Bemerkenswerthes. Der viereckige, unten massive, gegen oben hölzerne Thurm ragt nur mit seinem Zeltdach über den First hervor; sein unteres Stockwerk mit spitzbogigen Fenstern versieht die Stelle des Chors, der wie das Langhaus nur flach getäfelt ist. Von den auf dem Thurme hängenden zwei Glocken ist die größere 1509, die kleinere 1746 gegossen. | Der frühere Begräbnißplatz, um die Kirche gelegen, wird gegenwärtig als Baumschule benutzt; er ist mit einer festen, zum Theil mit einem Umlauf versehenen Mauer umgeben. Im Jahr 1833 wurde statt desselben ein Gottesacker außerhalb des Orts an der Straße nach Rutesheim mit einem Aufwand von 900 fl. angelegt.

Das Pfarrhaus, dessen Unterhaltung dem Staat zusteht, liegt frei und angenehm in der Nähe der Kirche; es wurde 1820 verändert. Zunächst der Kirche, an die Kirchhofmauer anstoßend, steht das Schulhaus mit Lehrerwohnung, ein altes Gebäude, das 1824 erweitert wurde, aber wie das Rathhaus nicht im besten baulichen Zustande sich befindet. An der Schule unterrichten 1 Lehrer und 1 Lehrgehilfe; eine Industrieschule besteht seit 1833, ein Gemeindebackhaus seit 1844 und ein Gemeindewaschhaus seit etwa 15 Jahren.

Grundherr ist der Staat, der bisher auch den großen Zehenten auf der Markung zu beziehen hatte, den kleinen Zehenten und von 60 Morgen den Zehenten im Haferfeld hatte die Pfarrei, den Zehenten von einem Distrikt von 12 Morgen aber die Meßnerei anzusprechen.

Die Einwohner sind fleißig, in der Mehrzahl aber arm und verschuldet; sie zeigen einen besonderen Hang zum Sektenwesen, viele gehören dem strengen Pietismus an und eine ziemliche Anzahl bekennt sich zur Swedenborg’schen Lehre. Die Erwerbsquellen der Einwohner sind Feldbau und Viehzucht. Übrigens ist die nicht sehr ausgedehnte Feldmarkung, welche von dem Strudelbach-Thal und mehreren kleinen Seitenthälchen desselben durchzogen wird, meist uneben und hat einen theils steinigen, kalkhaltigen, theils schweren, mittelfruchtbaren Boden, der Muschelkalk zur Unterlage hat und in nassen Jahrgängen ergiebiger ist, als in trockenen. Das Klima ist nicht gerade rauh, dennoch schaden Frühlingsfröste im Thale häufig und die Ernte tritt um vierzehn Tage später als im Strohgäu ein; Hagelschlag gehört zu den Seltenheiten.

Auf der Markung liegen 2 Lehmgruben und 1 Muschelkalksteinbruch.

Der Ackerbau wird nach dem Dreifeldersystem ziemlich gut betrieben; verbesserte Pflüge finden übrigens wegen des steinigen Bodens weniger Eingang, als in andern Orten, dagegen sind zweckmäßig angelegte Düngerstätten mit Güllenlöchern sehr häufig. Zur Besserung des Bodens wird außer dem gewöhnlichen Stalldünger die Jauche, der Pferch, etwas Gyps und Compost angewendet. Von den gewöhnlichen Getreide-Arten baut man besonders viel Dinkel und Hafer, weniger Gerste, Einkorn, Roggen, Weizen und außer diesem noch Ackerbohnen. In der zu 1/3 angeblümten Brache werden Kartoffeln, meistens aber Futterkräuter gebaut, welche gut gedeihen und deren Anbau | wegen Mangels an Wiesen nothwendig wird; von Handelsgewächsen zieht man Mohn und Hanf. Auf den Morgen werden 8 Sri. Dinkel, 4 Sri. Hafer, 2 Sri. Gerste, 4 Sri. Einkorn, 2 Sri. Roggen und 2 Sri. Weizen ausgesät und durchschnittlich 6 Schfl. Dinkel, 4 Schfl. Hafer, 2 Schfl. Gerste, 4 Schfl. Einkorn, 2 Schfl. Roggen und 2 Schfl. Weizen eingeheimst. Etwas Dinkel kommt nach Außen zum Verkauf. Der höchste Preis eines Morgens Acker beträgt 400 fl., der mittlere 150 fl. und der geringste 4–5 fl.

Die Wiesen, welche nicht bewässert werden können, sind zweimädig, und ertragen durchschnittlich 25 Centner Heu und 10 Centner Öhmd; die sogenannten Ackerwiesen tragen übrigens nur die Hälfte. Die Preise bewegen sich von 150–400 fl. per Morgen.

Früher wurde auch Weinbau auf der Markung getrieben, den man übrigens schon seit etwa 100 Jahren völlig abgehen ließ.

Die Obstzucht, ist nicht sehr ausgedehnt.

Die Gemeinde ist im Besitz von 640 Morgen Waldungen, welche theils mit Laub-, theils mit Nadelholz ziemlich gut bestockt sind; sie liefern jährlich 150 Klafter und 6000 Stück Wellen, wovon jeder Bürger 1/2 Klafter und 20–25 Stück Wellen als Gabe erhält, und deren Rest durch Verkauf einen Erlös von etwa 400 fl. gewährt. Unter diesen Waldungen sind 40 Morgen begriffen, welche der Staat der Gemeinde im Jahr 1841 für ihre Holzberechtigung im Hagenschieß abgetreten hat. Flacht ist nämlich einer von den sieben Egonsflecken, welche neben anderen Beneficien auch Holzberechtigungen in einem bestimmten Distrikt des Hagenschieß hatten (s. auch die Ortsbeschr. von Wimsheim).

Auf der Markung liegen etwa 180 Morgen Weidfeld, welche nebst der Brache und Stoppelweide als Gemeindeschäferei verpachtet werden; neben 500 fl. Pachtgeld erträgt der Gemeinde die Pferchnutzung noch jährlich 250–300 fl.

Die Rindviehzucht ist mittelmäßig; zur Haltung der Farren sind die Widdumhofsbesitzer verpflichtet. An Schafen werden etwa 500 Bastarde auf der Markung ernährt, welche im Ort Überwinterung finden; die Wolle kommt meist nach Kirchheim zu Markt.

Die Schweinezucht ist ganz unbedeutend; ebenso die Zucht der Ziegen und der Bienen. Als bedeutende Gewerbe sind die unterhalb des Orts liegende Mahlmühle mit 2 Mahlgängen und 1 Gerbgang, sowie die Ziegelhütte zu nennen, welche 1/2 Stunde südlich vom Ort an der Straße nach Perouse gelegen ist; die übrigen Gewerbe beschränken sich auf die nöthigsten Handwerker. Im Ort befinden sich 2 Schildwirthschaften, 2 Krämer und 4 Branntweinbrennereien.

Durch Vicinalstraßen nach Rutesheim, Perouse, Friolzheim, Mönsheim | und Weissach ist der Ort nach allen Richtungen mit der Nachbarschaft in Verbindung gesetzt.

Das Gemeinde- und Stiftungsvermögen ist nicht unerheblich; die Gemeindepflege hat zwar Schulden, braucht aber keinen Gemeindeschaden umzulegen. (S. Tab. III.)

Eine Stiftung von 200 fl., deren jährliche Zinse zu Brod für Arme verwendet werden, ist vorhanden.

Die Patronats- und Nominationsrechte zu der Kirchenstelle hängen von königlicher Collatur ab. Die Pfarrei war in den Jahren 1635–57 und 1659–60 ein Filial von Weissach.

In der Nähe des Orts wird ein Wiesendistrikt „Burgstall" genannt; hier soll nach der Sage eine Burg gestanden haben. Etwa 1/2 Stunde östlich von Flacht kommt ein Flurname „Eutenburg" vor, was ebenfalls auf eine ehemalige Burg hindeutet.

Die älteste Schreibung ist Vlaht, wie der Ort in einer Kloster Maulbronner Urkunde vom 11. März 1293 heißt, worin er erstmals genannt wird, oder Flahte.

In frühester Zeit gehörte Flacht wohl den Grafen von Calw und insbesondere der Vaihinger Linie derselben. Urkundliches ist hierüber nichts bekannt und seit er in die Geschichte eintritt, theilten sich in den Besitz schon andere Familien, namentlich in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts Graf Ulrich von Helfenstein, ferner Graf Albrecht von Hohenberg und dessen Rechtsnachfolger Graf Eberhard von Tübingen; wenigstens vergabte den 11. März 1293 dem Kloster Maulbronn Graf Ulrich von Helfenstein seine Güter zu Flacht und verkaufte am 8. Mai 1293 eben diesem Kloster Graf Eberhard von Tübingen das „Gut ze Flahte mit ewiger Eigenschaft" und altem Recht, wie es sein Oheim Graf Albrecht von Hohenberg an ihn gebracht hatte.

Das Kloster Maulbronn, welches sich am 23. Mai 1352 die helfensteinische Schenkung durch die Enkel des Schenkers, die beiden Grafen Ulrich von Helfenstein Vetter, bestätigen ließ, gelangte nach und nach in den Besitz des Orts. Einen Güterkauf machte es z. B. im Jahr 1319; den sogenannten Gailingshof mit 1/4 des Zehenten erkaufte es den 25. Juli 1356 für 350 Pfund Heller von Gutha, Günther Rappenherrns von Pforzheim Wittwe, welche von Konrad von Stetten für 550 Pfd. Heller Einkäufe in Flacht gemacht hatte.

An der Kirche bestund eine Pfründe der heiligen drei Könige, gestiftet von dem Pfarrer Rudolf Ruff und der Gemeinde, welche am 17. August 1492 vom Hochstift Speyer deßhalb Bestätigung erhielt; den Pfründner präsentirte das Kloster Maulbronn dem betreffenden Archidiakonat | des Hochstifts Speyer. Im Jahr 1513 erfolgte die Incorporation der Kirche an das Kloster Maulbronn.

Württembergisch geworden ist das Dorf mit dem ebengenannten Kloster (s. den allgem. Thl.).


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