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Beschreibung des Oberamts Neuenbürg/Kapitel B 3

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Beinberg,
Gemeinde III. Klasse mit 254 Einw., Pfarrfilial von Liebenzell, O.A. Calw.


Beinberg liegt auf dem Plateau zwischen dem Enz- und Nagoldthale, übrigens dem letzteren so nahe, daß die am östlichen Ende des Orts stehenden Häuser bis an den oberen Rand des Nagoldthales reichen, während sich der übrige Theil des Orts nahe an dem oberen Thalrand des in das Nagoldthal eingehenden Kollbachthales hinzieht.

Der 31/2 Stunden südöstlich von der Oberamtsstadt – und nur 1/4 Stunde südwestlich von Liebenzell gelegene Ort ist sehr weitläufig in die Länge gebaut und besteht aus vereinzelten Häusergruppen, die sich in einer Ausdehnung von beinahe 1/2 Stunde an einer Straße mit großen Unterbrechungen lagern. Die Häuser sind größtentheils aus Holz erbaut, mit Schindeldächern durchgängig versehen und überdieß an den Wänden, jedenfalls an den Wetterseiten mit Schindeln verkleidet. Im Ganzen liefert Beinberg das treue Bild eines freundlichen Schwarzwaldortes.

In der Mitte des Dorfs steht das im Jahr 1843 neu erbaute Schulhaus, welches ein Lehrzimmer, die Wohnung des Schulmeisters, und Gelasse für den Gemeinderath enthält. Neben der Volksschule besteht auch eine Industrieschule. Im Dorfe selbst sind keine Quellen vorhanden, dagegen bestehen beinahe an jedem Haus Cisternen, die jedoch im hohen Sommer und lange andauernden Winter kein Wasser haben; dagegen befinden sich 1/4 Stunde nordwestlich vom Ort der immer fließende Rohrbrunnen und am Anfange des Kollbachthälchens der Kohlbrunnen, welch letzterer ein ganz ausgezeichnetes Wasser liefert und das ganze Jahr hindurch die gleiche Temperatur behält. Eine dritte, übrigens minder gute Quelle, der Steinbrunnen, entspringt südöstlich vom Dorfe. Wenn die Cisternen ihren Dienst versagen, was häufig vorkommt, sind die Einwohner genöthigt, ihr Wasser auswärts an diesen Brunnen zu holen.

Die im Allgemeinen körperlich kräftigen und gesunden Einwohner erfreuen sich nicht selten eines hohen Alters; die gewöhnlichen Krankheiten sind Lungenentzündungen, Schleim- und Nervenfieber, besonders aber Krätze, welcher wohl durch größere Reinlichkeit begegnet werden könnte. Die Erwerbsquellen beschränken sich auf Feldbau und Taglohnarbeiten, und die Vermögensumstände der Einwohner haben in neuerer Zeit um so mehr abgenommen, als beinahe die Hälfte der Einwohnerschaft aus Taglöhnern besteht, denen häufig die Gelegenheit zur Arbeit fehlt. Es sind noch mehrere geschlossene| Güter von 30–66 Morgen vorhanden, welche übrigens in neuerer Zeit allmälig in kleinere Parcellen getheilt werden.

Die nicht große Feldmarkung liegt eben und hat einen fruchtbaren, meist tiefgründigen Sandboden, der mit Lehm günstig gemengt ist und sich für den Anbau von Roggen, Hafer, Kartoffeln, Flachs etc. besonders gut eignet. Die Luft ist rein, trocken und rauh; Frühlingsfröste sind häufig und die Nächte sogar den Sommer über kühl. Der Frühling und die Ernte tritt um 8–14 Tage später als im Gäu, dagegen um 14 Tage früher als bei Freudenstadt ein; sogar in den nahe gelegenen Orten Maisenbach, Ober-Lengenhardt und Schömberg beginnt die Ernte um 8 Tage später als in Beinberg.

Die Landwirthschaft wird im Allgemeinen gut betrieben. Zur Besserung des Bodens wendet man neben dem gewöhnlichen Stalldünger den Gyps und die Jauche an; auch das Brennen der Felder ist üblich. Verbesserte Ackergeräthe und zweckmäßig angelegte Düngerstätten gehören noch zu den Seltenheiten.

In willkürlicher, sogenannter Wechselwirthschaft baut man vorzugsweise Roggen und Hafer, weniger Dinkel, Gerste, Waizen, Erbsen, Linsen, weiße Rüben und sehr viel Kartoffeln; der früher bedeutende Flachs- und Hanfbau hat in neuerer Zeit abgenommen. Die Aussaat beträgt auf den Morgen 7–8 Sri. Dinkel, 4 Sri. Waizen, 4–5 Sri. Roggen, 6–8 Sri. Hafer und 16–20 Sri. Kartoffeln; der durchschnittliche Ertrag wird zu 5 Scheffel Dinkel, 3 Scheffel Waizen, 21/2–3 Scheffel Roggen, 5–6 Scheffel Hafer und 100–120 Sri. Kartoffeln pr. Morgen angegeben. Da der Ertrag im Allgemeinen ein mittlerer, in trockenen Jahrgängen aber ein geringer ist, so wird derselbe in der Regel im Ort selbst verbraucht und nur einzelne Bauern sind im Stande, etwas von ihren Producten nach Außen, in Liebenzell oder Calw abzusetzen. Die höchsten Ackerpreise betragen pr. Morgen 100–200 fl., die mittleren 50–80 fl. und die geringsten 25–30 fl.

Der Gartenbau beschränkt sich auf die gewöhnlichen Gemüse und Küchengewächse, von denen besonders viel weißes Kraut (Kohl) gepflanzt und theilweise nach Außen verkauft wird. Von geringer Ausdehnung ist der Wiesenbau, daher, des ziemlich gepflegten Kleebaus ungeachtet, noch viel Futter von Außen aufgekauft werden muß; die Wiesen liegen größtentheils im Thal, sind 2–3 mähdig, können bewässert werden und liefern pr. Morgen 40–50 Centner Futter, das jedoch nicht besonders gut und nahrhaft ist. Die Wiesenpreise bewegen sich von 300–900 fl. pr. Morgen.

| Die Obstzucht ist ziemlich ausgedehnt und beschäftigt sich vorzugsweise mit Birnsorten; von Kernobst werden hauptsächlich Luiken, Bachäpfel, Süßäpfel, Knaus-, Wadel-, Franken-, Röthel-, Bergamotbirnen etc., von Steinobst viele Kirschen, ziemlich Zwetschgen und auch Pflaumen gezogen. Das Obst geräth wegen der hohen, rauhen Lage nicht besonders gerne, liefert jedoch in günstigen Jahren einen reichlichen Ertrag, der theils vermostet und im Ort verbraucht, theils nach Außen abgesetzt wird. Einige Baumschulen sind vorhanden. Heidelbeergeist, weniger Kirschengeist, wird für den eigenen Bedarf und zum Verkauf bereitet.

Die mit Land- und Allgäuerrace sich beschäftigende Rindviehzucht, bei der die Stallfütterung mit dem Weidetrieb verbunden ist, befindet sich in ziemlich gutem Zustande und wird durch Farren, deren Haltung unter den Ortsbürgern gegen Entschädigung abwechselt, unterhalten. Einer ausgedehnteren Viehzucht steht der Mangel an Futter und Streu entgegen.

Unbedeutend ist die Schafzucht, die sich nur auf den eigenen Bedarf an Wolle beschränkt; Schweinezucht besteht nicht, dagegen werden Ferkel auswärts gekauft und für den eigenen Bedarf gemästet. Ziemlich viele Ziegen werden von Unbemittelten der Milch wegen gehalten. Hühner zieht man viele und treibt Handel mit Eiern nach Liebenzell und Calw.

Die Bienenzucht wird nicht ohne Vortheil betrieben, namentlich hat ein Bürger (Joh. Georg Lörcher) schon über 100 fl. in einem Jahr aus Wachs und Honig erlöst.

Das Fischrecht in dem Kohlbach, der Krebse, Weißfische, Grundeln und Forellen führt, gehört dem Staat und wird von demselben verpachtet.

Außer den gewöhnlichsten Handwerkern befinden sich im Ort 2 Strohböden- und Strohkörbeflechtereien; als Nebengewerbe wird das Spinnen, namentlich Wollespinnerei auf Bestellung betrieben. Vicinalstraßen sind nach Liebenzell und Zainen angelegt.

Über das Gemeinde- und Stiftungsvermögen s. Tabelle III.

Beinberg gehörte zur Herrschaft Liebenzell (s. O.A. Calw), deren Schicksale theilend es 1603 von Baden an Württemberg kam, worauf den 5. Jan. 1604 der Markgraf Ernst Friedrich von Baden seine Unterthanen in genannter Herrschaft ihrer Pflichten entließ und die Herrschaft selbst am 25. Januar 1605 dem Württemberger Lande einverleibt wurde.

Als Filial von Liebenzell ist Beinberg in kirchlicher Beziehung dem Decanat Calw zugetheilt.

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