Beschreibung des Oberamts Neuenbürg/Kapitel B 7

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« Kapitel B 6 Beschreibung des Oberamts Neuenbürg Kapitel B 8 »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Calmbach[1],
Gemeinde II. Kl., Pfarrdorf, mit Äulens-Sägmühle, Böhmlens-Sägmühle, Spiesfeld, Weiler, Ziegelhütte und Zimmer-Sägmühle, 1680 Einw., worunter 2 Kath., Ev. Pfarrei.


Das Pfarrdorf Calmbach, 21/4 Stunde südlich von der Oberamtsstadt und 1 Stunde nordöstlich von Wildbad, ist der Sitz eines Revierförsters, und der Floßinspection, für das ganze Flußgebiet der Enz und Nagold, auch besteht hier eine Postexpedition.

An der Vereinigung der großen Enz, der kleinen Enz und des Calmbächles hat in einer anmuthigen, wiesenreichen tief eingeschnittenen Thalweitung der ansehnliche, freundliche Ort eine reizende Lage, die den Zutritt der Sonnenstrahlen mehr gestattet, als an manchen anderen Punkten der Schwarzwaldthäler. In diese liebliche, mit hohen, bewaldeten Bergen (Meistern, Eiberg, Hengstberg, Kälbling und Heimenhardt) umgebene Thalweitung und deren Seiteneinschnitte hinein, hat sich an den frischen, fleißigen Gebirgsgewässern das Dorf gelagert, welches in drei ungleiche | Theile, das sogenannte innere Dorf um die Kirche her, das äußere Dorf zwischen der großen und kleinen Enz und die Wart am Fuß des Eibergs zerfällt. Einige Sägmühlen stehen noch außerhalb des Orts an den Gewässern hin (s. hievon unten). Der 1/4 Stunde lange, reinlich gehaltene Ort, welcher in neuerer Zeit mit einem guten Straßenpflaster und mit zwei neuen hölzernen Brücken über die große und kleine Enz versehen wurde, hat außer den öffentlichen – noch viele ansehnliche Privatgebäude, worunter namentlich 7 von ehemaligen Förstern erbaute Wohnungen sich befinden, aufzuweisen, was ihm ein städtisches Ansehen verleiht und ihn zu dem schönsten Dorf des Bezirks stempelt. An der Stelle der früheren Kirche wird gegenwärtig eine neue erbaut, welche der Gemeinde Calmbach 10–12.000 fl. und der Gemeinde Höfen 1200 fl. Kosten verursacht. Auf dem Thurm hängen 3 Glocken, von denen die größte 1845 und die mittlere 1630 gegossen wurde; die kleinste trägt die Umschrift: Anno domini 1438 uf Sant Mertis Dag. Das Innere der Kirche hat nichts Bemerkenswerthes. Der ummauerte Begräbnißplatz, welcher schon einige Mal vergrößert werden mußte, liegt außerhalb des Orts an der alten Calwer Straße. Das etwas entfernt von der Kirche, dagegen dem Schulhaus gegenüber gelegene Pfarrhaus ist mit einigen dazu gehörigen Güterstücken um 4200 fl. angekauft und zu seiner Herstellung etwa 3000 fl. verwendet worden, wozu die beiden Gemeinden Calmbach und Höfen einen Beitrag von 1000 fl. leisteten. Die Unterhaltung des Pfarrhauses hat der Staat.

Das ansehnliche Schulhaus wurde im Jahr 1839/40 mit einem Gemeindeaufwand von 13.000 fl. neu erbaut; es enthält 4 Lehrzimmer und die Wohngelasse des Schulmeisters, eines Unterlehrers und des Lehrgehilfen; der zweite Unterlehrer wohnt in einem Privatgebäude. Eine Industrieschule besteht; überdieß ist ein Privat-Reallehrer im Ort, der gegenwärtig 10 Schüler unterrichtet.

Das ehemalige Goßweiler’sche Haus wurde im Jahr 1848 von der Gemeinde um 5000 fl. erkauft und als Rathhaus eingerichtet; es enthält neben den geräumigen Gelassen für den Gemeinderath die Wohnung des Ortsvorstandes und in seinem unteren Stockwerk die Postexpedition.

Die Wohnung des Floßinspectors, welche Eigenthum des Staats ist, befindet sich in gutem Zustande.

Öffentliche Waschhäuser sind 3 vorhanden. Der Ort hat drei Mühlen, worunter eine außerhalb des Dorfs am Calmbächle gelegene, eine Kunstmühle mit 3 Mahlgängen und einem Gerbgang ist, während die zwei weitern innerhalb des Orts, eine von der kleinen | Enz, die andere von dem Calmbächle in Bewegung gesetzt werden und je 2 Mahlgänge und einen Gerbgang enthalten. Überdieß sind 7 theils in, theils außerhalb des Orts gelegene Sägmühlen vorhanden (s. hierüber unten).

Gutes, wohlschmeckendes Wasser liefern reichlich 10 laufende Brunnen.

Die Einwohner sind im Allgemeinen gesunde, durch schwere Arbeit abgehärtete, von Charakter und Sitten etwas derbe Leute, die nicht selten ein hohes, kräftiges Alter erreichen, so daß 70jährige Flößer noch mit Flößen nach Mannheim fahren. Ihre Haupterwerbsquellen bestehen in Holzhandel, Flößerei, Holzhauen, Holzführen und Taglohnen; eigentliche Bauren gibt es nicht im Ort. Von den Gewerben sind, außer den gewöhnlichen Professionisten, die Mahl- und Sägemühlen, eine Bierbrauerei und 4 Schildwirthschaften, worunter eine mit Bierbrauerei, zu nennen. Der Holzhandel mit Floßholz und Schnittwaaren ist sehr bedeutend und die im Ort ansäßigen Holzhändler treiben immerhin ein Capital von 150.000 fl. jährlich um. Dieser bedeutende Verkehr, wie die Nähe von Wildbad machen den Ort sehr lebhaft und bieten viele Gelegenheit zu Arbeit und Verdienst, was um so mehr nöthig ist, als nur ein Theil der Einwohner sich in günstigen Vermögensverhältnissen befindet, während der größere Theil derselben von dem täglichen Verdienst lebt.

Was die natürlichen Verhältnisse betrifft, so ist die Luft in Folge der nahen, sehr ausgedehnten Waldungen gesund und rein, übrigens schaden zuweilen Frühlingsfröste und kalte Nebel dem Obst und den feineren Gewächsen; Hagelschlag gehört zu den Seltenheiten, dagegen haben Wolkenbrüche schon öfters namhaften Schaden angerichtet. Der für die Landwirthschaft benützte Boden besteht im Allgemeinen aus ergiebigem, mit Lehm gemengtem Sand; an einzelnen Stellen, wie bei der Ziegelhütte, tritt auch reiner Diluviallehm auf.

Der Ackerbau, der nur an den unteren Ausläufern der in den übrigen Theilen bewaldeten Gehängen getrieben wird, ist ganz unbedeutend und wird größtentheils den Weibern und Kindern überlassen. Man baut willkürlich Winterroggen, Hafer, etwas Gerste und vorzugsweise Kartoffeln; Flachs und Hanf geräth gerne. Die Feldgüter sind in kleinen Parzellen vertheilt und die Preise von 1/4 Morgen Acker bewegen sich von 60–120 fl. Von größerer Bedeutung ist der Wiesenbau, welcher die nicht unbeträchtliche Thalebene ausschließlich einnimmt. Die im Allgemeinen sehr ergiebigen, durchaus zwei-, theilweise dreimähdigen, größtentheils wässerbaren Wiesen ertragen durchschnittlich 45 Cent. Futter pr. Morgen. Die Preise eines | Morgens wechseln von 400–800 fl. Zum Mähen kommen Bauern von den benachbarten Waldorten.

Küchengewächse werden neben dem eigenen Verbrauch auch zum Verkauf nach Wildbad gebaut.

Die mit Mostsorten und etwas Tafelobst sich beschäftigende Obstzucht ist ziemlich gut und liefert nicht selten verhältnißmäßig reichlichen Ertrag, der übrigens im Ort selbst verbraucht wird. Pferdezucht besteht nicht, dagegen ist die Pferdehaltung von einigem Belang. Die Rindviehzucht, in Land- und Allgäuerrace bestehend, ist gut und wird durch 3–4 Farren, die ein Bürger Namens der Gemeinde gegen jährlich 161 fl. und der Nutzung von 7 Morgen Wiesen hält, nachgezüchtet. Der Handel mit Vieh ist unbedeutend.

Schweine werden viele gezüchtet und nicht nur für den eigenen Bedarf gemästet, sondern auch als Ferkel nach Außen verkauft. Ziegen halten Unbemittelte der Milch wegen.

Die Fischerei (meist Forellen) gehört dem Staat, der sie verpachtet. Die Poststraße von Neuenbürg nach Wildbad und Freudenstadt führt durch den Ort, von ihr lenkt im Ort die Poststraße nach Calw ab, und eine Vicinalstraße führt nach Schömberg.

Der Gemeindehaushalt ist geordnet, so daß bis jetzt eine Gemeindeschadensumlage nicht nöthig wurde (über das Gemeinde- und Stiftungsvermögen s. Tab. III.). Für Armenzwecke ist eine Revenue von 77 fl. vorhanden, indessen verwendet die Gemeinde jährlich 500 bis 600 fl. für Armenunterstützungen. Die Gemeinde ist im Besitz von 1091 Morgen Nadelwaldungen, welche sie durch Ablösung einer Waldgerechtigkeit erhielt; dieselben ertragen jährlich 700 Klafter, welche übrigens als Stammholz verkauft werden, was der Gemeindekasse eine jährliche Rente von 5000–8000 fl. abwirft. Das Abholz und Prügelholz wird vertheilt, so daß ein Bürger jährlich gegen 11/2 Klafter gemischtes Holz erhält.

Der Pacht des Pflastergeldes trägt der Gemeinde jährlich 250 fl. ein.

Auf dem Eiberg, etwa 1/8 Stunde östlich von der Straße von Wildbad nach Dobel, stund das gleichnamige Bergschloß und soll nach der Volkssage ein Ort gestanden haben; man findet daselbst noch einen rund ausgemauerten, jedoch beinahe ganz zugeschütteten Brunnen, von dem ein alter Weg zu dem Schloßkopf geführt haben soll. Bei der Anlage der Wildbad-Dobler Straße fand man auf dem Rücken des Eibergs alte Waffen, namentlich ein sehr langes Schwerdt, Sporen u. s. w. Auf dem nordwestlich von Calmbach gelegenen Schloßkopf stand eine Burg, von der übrigens nur noch einige Steine sichtbar sind.

| Im kleinen Enzthal, etwa 1/2 Stunde südlich von Calmbach, stand auf einem Vorhügel eine Burg, das sogenannte kleine Schlößlein, von dem noch ein ringförmiger Graben und einige Mauerreste vorhanden sind.

Zu der Gemeinde gehören:

Die Äulens-Sägmühle 1/4 Stunde südlich vom Mutterort an der kleinen Enz gelegen; solche wurde im Jahr 1677 von Joh. Jakob Barth erbaut (s. Eifert, a. a. O. S. 42).

Die Böhmlens-Sägmühle, liegt 1/4 Stunde nördlich von Calmbach an der Enz.

Der Weiler Spiesfeld, hat eine freundliche Lage 1/8 Stunde südwestlich von dem Mutterort an der Landstraße nach Wildbad.

Die 1/4 Stunde unterhalb des Mutterorts im Enzthale gelegene Ziegelhütte.

Die Zimmer-Sägmühle, liegt unterhalb der Äulens-Sägmühle und wird von der kleinen Enz in Bewegung gesetzt.

Calmbach erscheint als Calenbach (sonstige Schreibweisen sind Callenbach 1376, Callbach) in freilich nicht gleichzeitiger Aufzeichnung um’s Jahr 830 unter den ältesten Widemsgütern des Klosters Hirschau, welches in verschiedenen Zeiten allhier weiteres erwarb; so um 1100 6 Huben und 6 Leibeigene (Cod. Hirs. 25 a. 32 a.) und im Jahr 1303 von dem Grafen Konrad von Vaihingen den zwischen der großen und kleinen Enz gelegenen Wald Heimenhard (Kausler 151).

An Württemberg gelangte der Ort wohl mit Neuenbürg, die hiesigen klösterlichen Besitzungen aber erst durch die Reformation. Er hatte das Beholzungsrecht in benachbarten Hirschauer Klosterwaldungen, namentlich in dem Kälbling (zwischen Calmbach und Igelsloch), wofür jedes Haus jährlich eine alte Henne und zwei Heller (Holzhenne und Schützengeld) entrichten mußte; dieses Recht gab die Gemeinde im J. 1835 im Vergleich mit dem Staat auf gegen Überlassung von 1100 Morgen im Kälbling.

Die hiesige Einwohnerzahl hat sich in 120 Jahren versechsfacht.

In kirchlicher Beziehung erscheint Calmbach im J. 1376 als Zugehörung der Caplanei Wildbad, welche wiederum ein Filial von Liebenzell war (vergl. Wildbad).

Nach der Reformation war Calmbach ein Filial des Diaconats in Wildbad; der Diacon mußte alle Sonn-, Fest-, Feier-, Bußtags- und Vorbereitungspredigten, an Sonn-, Fest- und Feiertagen auch eine Kinderlehre halten, der Schulmeister aber am Sonntag die Vesperlection, am Mittwoch die Betstunde, bis im Jahr 1829 ein | ständiger Pfarrverweser kam und 1839 Calmbach mit Höfen zu einer eigenen Pfarrei verbunden wurde.
  1. Eifert, Pfarrer, Nachrichten zur Geschichte von Calmbach und Höfen. Calmbach 1850. 8.
« Kapitel B 6 Beschreibung des Oberamts Neuenbürg Kapitel B 8 »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).