Beschreibung des Oberamts Rottweil/Kapitel B 28

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Stetten ob Rottweil,
Gemeinde III. Klasse mit 403 Einwohnern, worunter 12 Evangelische. Kath. Pfarrdorf; die Evangelischen sind nach Flötzlingen eingepfarrt. 13/4 Stunden nordwestlich von der Oberamtsstadt gelegen.

Der mittelgroße, etwas weitläufig und unregelmäßig angelegte Ort hat in dem Eschachthale eine nicht unfreundliche, geschützte Lage und ist theils in die Thalebene, theils an die nicht unbeträchtlichen Gehänge gegen dieselbe zu beiden Seiten der Eschach hingebaut. Beide Ortstheile werden durch eine hölzerne Brücke über die Eschach in Verbindung gesetzt. Das Dorf besteht aus meist Wohlhabenheit verrathenden Bauernwohnungen, die theilweise noch mit Schindeln oder Stroh gedeckt, und deren Wände verschindelt, oder in sichtbarem Balkenwerk ausgeführt sind. Die Ortsstraßen befinden sich in gutem Zustande und Vicinalstraßen nach Lackendorf, Flötzlingen und Zimmern vermitteln dem Dorf seinen Verkehr mit der Umgegend.

Die inmitten des Ortes im Friedhof gelegene, dem h. Leodegar geweihte Kirche erhebt sich hart am lieblichen Ufer der Eschach, auf deren rechter Seite, und stammt in ihrer Anlage noch aus romanischer Zeit. Sie trägt jetzt einen Dachreiter auf dem First des Schiffes, mit drei neuen, 1866 von A. Hugger in Rottweil gegossenen Glocken; aber ihr rechteckiger schmälerer Chor, der innen von einem rippenlosen Kreuzgewölbe überspannt wird, ist noch der ursprüngliche; ebenso erhielten sich die weit vorragenden steinernen Träger des Dachgesimses und der rundbogige Westeingang; die rundbogigen Fenster des Langhauses sind im Zopfstil gehalten. Schon in den Jahren 1549–52 wurde die Kirche erneuert. Der Chor zeigt an seiner Ostseite einen alten Giebel und darin ein griechisches Kreuz ausgespart; auf dem Giebel selbst und auf dem der Westseite sitzen Steinkreuze. Betreten wir das Innere, so grüßen uns prächtig und feierlich von Wänden und Decken herab neugothische Fresken. An der Decke des Schiffes die Krönung Mariä, an der Ostwand Christus am Ölberg und die Grablegung, sonst an den Wänden die Legende des heiligen Leodegar.

| Im gewölbten mit gedrückt spitzbogigem Triumphbogen sich öffnenden Chor sind kleinere Fresken und ein schöner neugothischer Hochaltar. Die hübsche Renaissancekanzel zeigt wieder die Statuetten der vier Kirchenväter. Unter den Holzbildern auf den Altären befinden sich einige alte.

Der um die Kirche gelegene ummauerte Friedhof besitzt freundliche Grabdenkmälchen und treffliche Schmiedeisenkreuze.

Das in der Nähe der Kirche gelegene dreistockige Pfarrhaus ist schon sehr alt und erhielt im Jahr 1827 einen Anbau; es wird, wie auch die Kirche, von der Kirchenpflege unterhalten. Vor etwa 40 Jahren wurde der sog. Spitalhof, ein großes dreistockiges Gebäude, von der Gemeinde erworben und in demselben ein Schulzimmer, die Wohnung für den Schulmeister und die Gelasse für den Gemeinderath eingerichtet. Ein Armenhaus ist vorhanden.

Gutes, zum Theil sehr gutes Trinkwasser liefern hinreichend 7 laufende- und 20 Pumpbrunnen; es bestehen zwei Wasserleitungen, eine von etwa 600′ Länge zu 2/3 in eisernen und zu 1/3 in hölzernen Deucheln und eine von etwa 400′ Länge in hölzernen, letztere ist Eigenthum des Ortsmüllers und liefert vorzügliches Wasser. Überdieß fließt die Eschach mitten durch den Ort und der Teufenbach greift noch in den westlichen Theil der Markung ein. Auch ist die Markung westlich von dem Eschach-Thale reich an Quellen.

Die fleißigen Einwohner, von denen gegenwärtig nur eine Person über 80 Jahre alt ist, finden ihre Haupterwerbsquellen in Feldbau und Viehzucht, während die Gewerbe nur den örtlichen Bedürfnissen dienen, mit Ausnahme einer Mühle mit 3 Mahlgängen, einem Gerbgang und einer Hanfreibe, einer gewöhnlichen Leinwandfärberei und zwei Schildwirthschaften, worunter eine mit Bierbrauerei. Auch befinden sich 2 Kramläden im Orte. Als Nebengewerbe wird das Korbflechten von einem Mann, der seine Waare ins Badische absetzt, getrieben.

Die Vermögensverhältnisse der Einwohner sind befriedigend, indem der vermöglichste Ortsbürger 80 Morgen, der sog. Mittelmann 20–30 Morgen und die minder bemittelte Klasse 5–10 Morgen Grundeigenthum besitzt. Einer Unterstützung von Seiten der Gemeinde bedarf gegenwärtig niemand.

Die im Verhältniß zur Einwohnerzahl mittelgroße, von Ost nach West sehr in die Länge gedehnte Markung besteht mit Ausnahme der nicht unbeträchtlichen Thalgehänge der Eschach und der minder bedeutenden des Teufenthals aus einer flachwelligen, von mäßig eingefurchten Rinnen und Mulden durchzogenen Hochebene und hat im allgemeinen einen mittelfruchtbaren, theils schweren,| vorherrschend aber leichten, etwas hitzigen Boden, der aus den Zersetzungsprodukten des Hauptmuschelkalks, der Anhydritgruppe und des Wellendolomits, theilweise auch aus Lehm besteht; letzterer wird in einigen Gruben gewonnen. Bei den sog. „oberen Föhrlen“ erschließt sich dem Auge eine prachtvolle Rundsicht über einen großen Theil des Schwarzwaldes, an die Alb und an die Berner Hochalpen. Das Klima ist gemäßigt, auf den Höhen aber etwas rauh und feinere Gewächse wollen nicht gedeihen; Frühlingsfröste und Hagelschläge kommen zuweilen vor.

Die Landwirthschaft wird mit großem Fleiß gut betrieben und zur Verbesserung des Bodens kommen außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln noch Gips, Kompost und Asche in Anwendung. Die Flander- und amerikanischen Pflüge sind allgemein eingeführt, auch die eisernen Eggen, die Feld- und Dreschwalzen und die Repssämaschinen haben in verhältnißmäßiger Ausdehnung Eingang gefunden. Zum Anbau kommen vorherrschend Dinkel, Haber und Mengfrüchte, ferner Gerste, Weizen, Roggen, Kartoffeln, sehr viel Futterkräuter (dreibl. Klee, Luzerne, Esparsette, weniger Graswicken), Reps, Flachs und Hanf. Von den Getreideerzeugnissen kommen jährlich 9–1100 Scheffel Dinkel, 2–300 Scheffel Haber und 40–50 Scheffel Gerste an Händler zum Verkauf, die alsdann hauptsächlich nach Rottweil, Schramberg und Villingen (Stadt) wieder absetzen. Der Wiesenbau beschränkt sich auf das enge Eschachthal mit etwa 40 Morgen und auf die Höhe westlich vom Thal mit ebenfalls 40 Morgen; er liefert im Thal ein sehr gutes, auf den Anhöhen ein mittelmäßiges, theilweise saures Futter. Der Futterertrag wird im Ort verbraucht. Die Obstzucht, welche sich nur über die wenigen um den Ort gelegenen Obstbaumgärten ausdehnt, ist unbedeutend und beschäftigt sich hauptsächlich mit rauhen, spätblühenden Sorten und etwas Zwetschgen. Eine Ortsbaumschule und ein Baumwart sind vorhanden. Obstverkauf findet nicht statt.

Die Gemeinde besitzt 400 Morgen Nadelwaldungen, von deren jährlichem Ertrag jeder Bürger 1 Klafter samt Reisach als Holzgabe erhält; überdieß wird zu Gunsten der Gemeindekasse für 4–500 fl. Langholz verkauft. Ferner bezieht die Gemeinde aus der Brach- und Stoppelweide 400 fl., aus der Pferchnutzung 500 fl. und aus den an die Ortsbürger verliehenen 140 Morgen Allmanden 25 fl.

Pferdezucht wird nicht getrieben und auch die Pferdehaltung beschränkt sich auf 20–30 Stücke, dagegen ist die Rindviehzucht in gutem Zustande und erlaubt einen ziemlich namhaften Verkauf an Händler. Man züchtet einen tüchtigen Neckarschlag mit Simmenthaler Kreuzung und hat zur Nachzucht 3 Farren von derselben| Race aufgestellt. Viehaustrieb findet im Herbst statt. Auf der Gemeindeschafweide läßt ein fremder Schäfer den Sommer über 250 bis 300 Stück Bastardschafe laufen. Schweinezucht wird nicht getrieben und die Ferkel (halbenglische Race) werden alle von außen eingeführt und meist für den eigenen Bedarf aufgemästet.

Das Fischrecht in der Eschach, die vorzugsweise Nasen und Rauhfische, seltener Aale und Forellen beherbergt, hat der Staat und die Pfarrei; ersterer verpachtet es um 1 fl. 47 kr. jährlich.

Die Kirchenpflege besitzt 21.000 fl. Kapitalien und 67 Morgen jungen, noch nicht haubaren Wald; überdieß besteht ein Schulfonds von 500 fl.

Auf einer westlich vom Ort gelegenen Anhöhe stand eine Burg, der Ring genannt, von der noch vor nicht langer Zeit der rings herum geführte Graben sichtbar war. Bei Erweiterung der Vicinalstraße nach Zimmern wurden im Jahr 1872 auf dem östlich vom Ort gelegenen Rammertsbühl zwei mit Steinen umfriedigte und mit Steinplatten gedeckte Gräber aufgefunden, welche außer den Skeletten eines Mannes und einer Frau keine weiteren Gegenstände enthielten.

Der Ort wird zuerst erwähnt den 10. Mai 882, als ein gewisser Tunno seine Güter in Dietingen gegen des Kl. St. Gallen Besitz allhier vertauschte, dann den 28. Febr. 1139, als P. Innocenz II. dem Kl. Gengenbach hiesigen Besitz bestätigte, sowie als derselbe Pabst den 14. Apr. 1139 und P. Alexander III. den 26. März 1179 das Kl. St. Georgen mit dem Besitz der „villa Stetten“ (1179 samt der Kirche) in ihren Schutz nahmen. Auch dürfte der im J. 1225 als Zeuge des Bischofs Konrad von Constanz genannte Burchardus plebanus de Stetin vielleicht hierher zu beziehen sein (Wirt. Urkb. 1, 182. 2, 8. 10. 198. 3, 162).

In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erscheint der Ort im Besitze der Herrn von Falkenstein: den 19. Nov. 1331 räumten Konrad von F. als dem Herrn des Orts und der Gebauerschaft daselbst die Rottweiler Bürger, Gebr. Ulrich und Dietrich an der Waldstraße, in Folge eines durch den Herz. Konrad von Urslingen und die Rottweiler Dietrich Bletz und Eberhard Bock bewirkten Vergleiches die Waide auf Tenniloch und Braitenhart ein. Allein noch in demselben Jahrhunderte kam der Ort aus dem Besitze dieser Familie in den der Rottweiler Familie Bock: den 28. Sept. 1348 versetzte Konrad von F. die 3 Theile seines Dorfes St. an Frau Margarethe Bock, ihre Söhne Eberhard und Konrad, sowie ihren Tochtermann Hermann Gut, Rottweiler Bürger, für 208 Pfd. Hllr.; den 10. Mrz. 1369 überließen die Gebr. Egenolf und Erhard von F. an Konrad Bock ihr hiesiges Weiherle und den 11. Okt. 1371| verkauften sie an denselben die Hälfte des Ortes mit Zugehörden, die sie ihm zuvor schon um 350 Pfd. 30 Schill. Hllr. verpfändet hatten; endlich erwarb der genannte Bock den 25. Febr. 1374 die zweite Hälfte um 100 Pfd. Hllr. von den Gebr. Egnolf, Gerie und Oßwald von Wartenberg gen. von Wildenstein, welche sie von der Falkensteiner Familie als Pfand erhalten hatten. Dazu erwarb Konrad Bock noch den 17. Aug. 1367 von Claus an der Waldstraß (neben 1/3 am Gericht zu Omstorf) den 3. Theil der Dienste, welche die Stettener von den Feldern und der Waide im Tenniloch und Braitenhart zu thun hatten, während andererseits noch im J. 1440 der Laienzehente allhier und zu Flötzlingen von Erhard von Falkenstein den Rottweiler Bürgern Oswald Klein und Konrad Endinger hälftig zu Lehen gegeben war.

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Allein auch die Bocksche Familie blieb kein ganzes Jahrhundert im Besitze des Ortes: den 30. Apr. 1445 verpfändete Konrad Bock sein Dorf Stetten mit allen seinen dortigen Rechten dem genannten Endinger für die schuldige Rottweiler Steuer im Betrag von 33 Pfd. 51/2 Schill. 3 Hllr. und den 20. Sept. d. J. schon hatte Leonhard Schappel das Dorf von Konrad Bocks Schwester Margarethe Bock, Klosterfrau zu Rottenmünster, nach Pfandrecht erkauft. Zwar räumte er an genanntem Tage Konraden ein Wiederlösungsrecht um 155 Rh. Goldgulden ein, allein dazu kam es wohl nicht, und aus dem schappelschen Besitze kam der Ort nach dem Aussterben der Familie Schappel mit deren anderem Erbe (s. Lackendorf) an die Ifflinger. Den 17. Jan. 1564 bewilligte die Gemeinde dieser Familie ein Umgeld. Allein den 7. Sept. 1598 verkaufte Hans Georg Ifflinger mit verschiedenem sonstigem Besitz in der Gegend auch Stetten an die Stadt Rottweil um 77.000 fl. Da nun aber Hans Konrad Ifflinger, hohenbergischer Obervogt zu Fridingen „von wegen seiner ererbten Anwartschaft des Graneggschen Kaufs halber“ Schwierigkeiten erhob, kam nach längeren Verhandlungen zwischen den genannten beiden Ifflinger, ihren Gemahlinnen und den Vormündern Hans Jakob Ifflingers einer- und der Stadt Rottweil andererseits den 18. März 1603 zu Rottweil eine Richtung zu Stande, welcher gemäß der Stadt von Ifflingischer Seite 1) beide adelige Sitze und Schlösser Granegg und Frideck samt dem Mayerhof dabei, sowie verschiedenen Gärten, Höfen, Wiesen, Wäldern, Fischwassern; 2) der Flecken Nieder-Eschach mit Steuern, Zehenten, Kirchensatz u. s. w.; 3) der Seihenhof; 4) das Schloß Weckenstein zu Horgen im Dorf samt dem Garten, dem Fischwasser von Horger Brücke bis zur Flötzlinger Bahn und dazu gehörigen Stücken und Gütern; 5) der eigenthümlich anererbte Flecken Stetten zusamt dem alten adeligen Sitz und Burgstall (der Ring| s. o.), die Obrigkeit, Kollatur und Kirchensatz, auch die Mannschaft daselbst mit Frohn, Steuer, Dienst, Frevel, Strafen, Bußen, Rügungen, das Umgeld, das Fischwasser von Lackendorfer bis an Flötzlinger Bahn, verschiedene Zinsen, Gülten, Zehentantheile, 6) über 200 zum Schloß Granegg gehörige leibeigene Leute, ein Haus zu Rottweil am Heiligkreuzort u. s. w. um 81.000 fl. käuflich überlassen wurden.

Übrigens kam es wegen der Kollektation in den erkauften Orten im J. 1685 zu Streitigkeiten zwischen der Stadt und dem Ritter-Kanton Neckarschwarzwald, welchem Stetten einverleibt wurde, während Rottweil die hohe und niedere Gerichtsbarkeit hatte; dieselben wurden den 18. März 1688 durch den Bischof Franz Johann von Constanz zu Mörsburg dahin verglichen, daß der Reichsritterschaft in Stetten und Nieder-Eschach nicht nur das Kollektationsrecht mit Zugehör, sondern auch der selbsteigene Einzug der Steuern zustehen, das Simplum der Steuern in beiden Orten wie seither 95 fl. betragen, die Kollektation in den Schlössern Granegg und Frideck aber samt dem Seihenhof und zugehörigen Gütern der Stadt Rottweil verbleiben sollte.

In Betreff fremden geistlichen Besitzes ist zu erwähnen, daß im J. 1354 das Franciskanerkloster zu Villingen ein hiesiges Gut von Mechthild der Stainmerin erwarb, im J. 1499 ein hiesiger Hof des Klosters Gengenbach genannt wird, sowie daß das Kl. Salem im Beginn des 17. Jahrhunderts einen Hof, Haus, Hofraithe, Gärten, Baindt, Äcker, Hölzer, Felder u. s. w. allhier besaß, diesen Besitz jedoch den 8. Mai 1732 an das Kl. Rottenmünster verkaufte, welches ihn als Erblehen hinausgab.

Ein hiesiger Pfarr-Rektor kommt schon im J. 1275 (s. ob. S. 158), im J. 1499 ein hiesiger Kirchherr Jeorius Bock vor. Im J. 1447 wird Gr. Ludwig von Württemberg als präsentirend genannt, wie denn auch der große Zehente schon altwürttembergisch war.



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