Beschreibung des Oberamts Saulgau/Kapitel B 20

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II. K. fürstl. Thurn und Taxisches Amt und Rentamt Scheer, Forstverw. Sießen.
S. S. 96


20. Scheer,

ein kath. Städtchen an der Donau, unter 48° 4′ 20″ Br. und 26° 58′ 0″ L., 41/2 St. nordw. von Saulgau, mit 914 Einw.; Sitz eines K. Fürstl. Taxisschen Amts und Amtsgerichts, eines Fürstl. Rentamts und eines Revierförsters. Die Zehnten beziehen die Stadtpfarrey, der Fürst (früher Stift Buchau, in dem Gemminger Bezirke) und die Pfarrey Sigmaringendorf. Die Stadtpfarrey hat auch den Obstzehnten, und von 49 M. den Heu- und Öhmdzehnten, die übrigen Wiesen sind zehentfrey. S. Haid. Das Schafweiderecht hat die Stadt. Die Fischerey in der Donau gehört der Standesherrschaft und ist verpachtet; von dem alten Mühlwehr aufwärts bis an die Landesgrenze haben die Bürger, laut Vertrags von 1686, das Recht zu fischen.

Scheer bildet einen Bestandtheil der Herrschaft gleiches| Namens, welche K. Mannlehen ist. Der Name Scheer, welchen auch der alte Gaubezirk führte (S. 7.), rührt von der scheerenförmigen Gestalt der von der Donau umgebenen Landspitze her, an der die Stadt liegt. Die Stadt wurde deswegen ehemals gemeiniglich auch „zu der Scheer“ genannt, während der Bezirk „auf der Scheer“ hieß. Das Städtchen Scheer, einst eine Residenz, hat ein Schloß, mehrere Beamtenhäuser, ein Rathhaus, eine Pfarrkirche und 4 Capellen, 1 herrsch. Ziegelhütte, 3 Schildwirthschaften und 4 Brauereyen, worunter eine standesherrschaftliche ist. Es liegt hart an der Sigmaringischen Grenze in einer Schlucht an der Donau[1], an den Abhang der eben erwähnten Ecke angebaut. Oben steht die Pfarrkirche mit dem Pfarrhause, und auf der Spitze der Höhe das Schloß. Einige Häuser liegen auf dem linken Ufer der Donau, über welche hier eine hölzerne Brücke führt. Das Städtchen hat Mauern und Graben und 2 Thore – das Donauthor, und das Menger Thor, deren Thürme neuerlich dem Geschmack der Zeit weichen mußten. Die Häuser sind meist von geringer Art; das durch seine Lage ausgezeichnete Schloß ist aus ältern und neuern Theilen zusammen gesetzt, hat 2 Thürme und 1 Capelle, und ist zwar nicht eingerichtet, jedoch noch in bewohnbarem Stande. In dem Eingange des Schlosses steht der S. 20 erwähnte Römische Altar. Von der rückwärts liegenden Höhenfläche ist das Schloß durch einen tiefen Graben abgeschnitten, über welchen eine Brücke in den Schloßgarten führt, der die ganze Fläche der Höhe einnimmt, und auf beyden Seiten von steilen Abhängen begrenzt, eine ausgezeichnet schöne Lage hat, und wie das Schloß eine herrliche, bis auf die beschneiten Alpen gehende Aussicht gewährt. Das Schloß wurde i. J. 1486 von dem Erbtruchseßen, Grafen Andreas von Sonnenberg (von dem Besitze der Grafschaft Sonnenberg so genannt) erbaut; die Schloßkapelle | wurde 1505 eingeweiht. Aber offenbar ist das Schloß auf den Grund eines ältern gebaut, das vermuthlich schon den alten Gaugrafen von der Scheer zum Sitze gedient hat. Zu Ende des 13ten und Anfang des 14ten Jahrhunderts saß hier der Östr. Landvogt Schiltung, ein berühmter Mann seiner Zeit, der von da aus auch die Grafschaft Sigmaringen und die Vogtey Mengen verwaltet zu haben scheint. Während des Erbtruchseßischen Besitzes war das Schloß immer Residenz. Die Pfarrkirche zum h. Nikolaus ist nicht unansehnlich. Sie wurde ebenfalls von dem Grafen Andreas und zwar nach den Angaben i. J. 1509 erbaut, wahrscheinlich aber in diesem Jahre nur vollendet; denn außen an dem Chor steht die Jahrzahl 1492 mit dem Namen Andreas, und dem Wappen des Grafen. Unter dem Chor befindet sich eine Gruft der Erbtruchseßen, vormaligen Herren von Scheer. In der Kirche wird, außer mehreren heiligen Leibern, das Haupt, oder vielmehr ein Theil des Schädels von dem h. Wunnibald aufbewahrt, das durch eine Schenkung zweyer Markgrafen von Brandenburg an die Erbtruchseßen i. J 1606 in die Kirche gekommen ist. Im J. 1747 wurde die Kirche neu hergestellt; von dieser Zeit sind auch die ziemlich plumpen und nicht unanstößigen Deckengemälde darin. Die Baulast der Pfarrkirche, der Capelle und der Caplaney-Gebäude liegt auf der Kirchenpflege und der Procuratorie; die des Pfarrhofes auf dem Pfarrer. Die 4 Capellen sind 1) die Schloß-Capelle, 2) Georgs-Capelle, 3) die Loretto-Capelle, 4) die Gottesacker-Capelle zu St. Oswald, worin aber in keiner mehr Gottesdienst gehalten wird. An der Pfarrkirche standen früher neben dem Stadtpfarrer 11, und bis in die letzte Zeit noch 8 Caplane, jetzt sind es noch 2, wovon der eine zugleich das Präceptorat zu versehen hat[2]. Obgleich die Pfarrey | keine Filiale hat, und nie gehabt zu haben scheint, so ist sie doch sehr alt. Schon K. Rudolph und seine Söhne hatten mit Scheer auch das Patronat der Kirche gekauft, und nach einem Erlaß des Bischofs von Constanz v. J. 1320 wurde das Kirchweihfest in der Pfarrkirche St. Nikolai vom Charfreytag auf den zweiten Sonntag nach Ostern verlegt. Über die Verbindung der Pfarrey Jesumskirch s. Haid.

Scheer zeichnet sich, besonders Mengen gegenüber, durch eine sehr geringe Sterblichkeit aus. S. 46. Die Einwohner sind größtentheils unvermöglich, finden aber in den reichen Stiftungen des Orts bedeutende Unterstützung. Die Hauptbeschäftigung besteht in dem Feldbau; die Gewerbe sind von geringer Bedeutung, und nur die standesherrschaftliche Brauerey, welche verpachtet und Bannbrauerey ist, hat einen lebhaften Betrieb. Auch die 4 Jahrmärkte und die neuerlich wieder eingeführten Wochenmärkte sind nicht sehr lebhaft. Ein Nebenerwerb wird in der Weißstickerey und neuerlich im Spitzenklöppeln gesucht. Ehemals hatte die Herrschaft auch eine Mahl- und Sägemühle, oberhalb der Stadt, an der Donau; nachdem sie aber auch die Klostermühle zu Ennetach erhalten hatte, wurden diese Werke wegen Kostspieligkeit aufgegeben. Die Einkünfte der Stadt bestehen in Haus- und Güter-Bestandzinsen, 160 fl.; Holzerlös aus ansehnlichen Waldungen 500 fl.; Umgelds-Entschädigung 250 fl.; Schafweide und Pförch 210 fl.; Brücken- und Pflastergeld 50 fl. S. Tab. IV. S. 100 und 101.

Die Schul- und Unterrichts-Anstalten haben sich, unterstützt durch die ansehnlichen Stiftungen, einer vorzüglichen Pflege zu erfreuen, und es hat sich vorzüglich der dortige Stadt-Pfarrer Wagner, ein Mann von mannigfaltigen Kenntnissen, besonders auch in dem naturgeschichtlichen Fache, um dieselben verdient gemacht. Das Städtchen hat eine, i.| J. 1820 errichtete, lat. Schule, eine deutsche Elementarschule mit 2 Klassen und 2 Lehrern, eine Zeichnungsschule für Knaben und Erwachsene, eine Industrie-Schule für Mädchen im Stricken, Sticken, Nähen, Bändelwirken etc., deren sich der Herr Amtmann Möricke mit Eifer annimmt; auch wird für Erwachsene Unterricht im Spitzenklöppeln, Nähen und Spinnen mit Doppelspulen Unterricht ertheilt. Ferner hat die Stadt eine Unterrichts-Baumschule, und, was man selten finden wird, einen Giftpflanzengarten zur Belehrung der Jugend.
Wohlthätige Anstalten und Stiftungen.

1) Das Spital zum h. Geist. Ein Spitalgebäude ist nicht mehr vorhanden, aber das vorige Schulhaus trägt noch den Namen Spital. Nach einem Kaufbriefe scheint die Stiftung ins Jahr 1512 zu fallen. Das Vermögen, das in liegenden Gütern und Capitalien besteht, ist auf 21.104 fl. berechnet, wozu noch die Leprosenpflege mit 2900 fl. kommt. Die Einkünfte werden zur Unterstützung der Armen verwendet.

2) Herrschaftlicher Hausarmenfonds. Er besitzt ein Vermögen von 40.360 fl. Capital und wurde von der Gräfin Maria Anna 1775 für die Stadt und die Landschaft gestiftet. Ein Stiftspfleger verwaltet diesen, den Spital- und Leprosenfonds nebst den Schulfonds und der Kirchenbaupflege, welche letztere, einschließlich der besonders ausgestatteten Capellen, ein Vermögen von 48.000 fl. hat.

3) Die Reichlesche Stiftung. Sie besteht in 2100 fl., von dem vormaligen Dekan und Stadtpfarrer zu Scheer v. Reichle i. J. 1769 mit der Bestimmung gestiftet, daß jährlich zwey wohlgesitteten Bürgerskindern und zwar einem Jüngling zu Erlernung eines Handwerks 50 fl. und einer Jungfrau 50 fl. gereicht werden sollen.

Als Merkwürdigkeit verdienen angeführt zu werden: 1) eine reichhaltige naturgeschichtliche Sammlung des Herrn Stadtpfarrers Wagner, von Schmetterlingen, Käfern, Sämereyen, Eyern, Pflanzen etc;; 2) ein inhaltreiches Archiv| mit einem guten, von Hofrath und Archivar Epple i. J. 1786 gefertigten, Repertorium.

Scheer war der Hauptort der Grafschaft Friedberg-Scheer und bis 1806 Sitz eines Oberamts, unter welchem die obere Grafschaft stand. S. Friedberg. Scheer selber bildete übrigens in ältern Zeiten eine eigene, von Friedberg unabhängige, Herrschaft, wozu außer der Stadt Scheer die Dörfer Blochingen, Ennetach und (theilweise) Bremen gehörten[3]. Die Herrschaft war vermuthlich ein abgerissener Theil des alten Scheergaues und der, allen Umständen nach aus diesem hervorgegangenen, Grafschaft Sigmaringen-Pfullendorf. Als ein Zugehör der Grafschaft Sigmaringen wird Scheer auch, wie Mengen, in dem östr. Pfandschaftsrodel von 1313 aufgeführt, und noch jetzt reicht die Sigmaringische Gerichtsbarkeit bis in die Nähe der Stadt, so daß ein Theil der Felder noch darin liegt. Sigmaringen sprach auch die Hoheitsrechte in der Herrschaft an, und erst durch ein Kammergerichtliches Compromiß-Urtheil, dd. Speyer v. 25. Juny 1601, wurde entschieden, daß zwar die Truchseßen die hohe Obrigkeit in der Herrschaft Scheer, dagegen Hohenz.-Sigmaringen das Geleit haben solle.

Herren der Herrschaft Scheer waren die Pfafzgrafen| von Tübingen und Grafen von Montfort, die auch die Grafschaft Sigmaringen besessen haben. Graf Hugo von (Tübingen-) Montfort, der die Grafschaft Sigmaringen i. J. 1290 (nicht 1286) an den K. Rudolph verkaufte, veräußerte an ebendenselben auch die Herrschaft Scheer. Das Jahr, worin dieß geschehen, ist nicht bekannt; die Östr. Urbarien bemerken nur, daß die Herrschaft von Graf Hug von Montfort erkauft worden sey. Im J. 1287 nennt sich Hug noch Herr der Scheer (s. Repperweiler); dagegen belehnte, wie schon bey Mengen bemerkt worden, Herzog Albert von Östreich i. J. seines Regierungs-Antritts, also 1291, einen gewissen Eberhard (von Rosenau) mit einem „mit der Herrschaft Scheer erkauften" Hof in Mengen. Der Kauf muß also zwischen 1287 und 1291 geschehen seyn. Bald darauf aber wurde die Herrschaft, und zwar von Hz. Leopold von Östreich i. J. 1314, um 500 und wieder 400 M. S. an Gr. Wilhelm von Montfort wieder verpfändet, und die Grafen von Montfort blieben nun, gleichwohl nicht ungestört, 100 Jahre lang im pfandschaftlichen Besitze von Scheer. I. J. 1414 verpfändete Graf Rudolph v. Montfort die Herrschaft an Heinrich v. Reischach zu Dietfurt, und von nun an findet man bald die v. Stein, v. Zilnhardt, bald die Gremlich, die Truchseßen und bald wieder die Montfort im Pfandbesitze, bis endlich i. J. 1452 die Herrschaft mit der Grafschaft Friedberg von Herzog Sigmund von Östreich an den Erbtruchseß Eberhard förmlich verkauft wurde. Von dieser Zeit an theilte die Herrschaft alle Schicksale mit der Grafschaft Friedberg, mit der es auch Eine Landschaft bildete. S. S. 12 und Friedberg. Von der Landschaftskasse wurden i. J. 1821 – 120.000 fl. Schulden auf die K. Staatskasse übernommen. Das Wappen der Herrschaft und des Städtchens Scheer ist eine Scheere mit einem Fische. Das Städtchen ist sehr alt, und war vermuthlich einst der Hauptort, wenn nicht der ganzen Gaugrafschaft, doch| des Unterbezirks Scheer, weshalb der Ort wohl auch schon frühe sich zur Stadt, und zwar nicht blos zu einem Oppidum, ummauerten Platze, sondern zu einer Civitas, einer freyen Stadtgemeinde, erhoben hat. Kaiser Rudolph bestätigte, laut einer noch vorhandenen Original-Urkunde, i. J. 1289 die Rechte, Freyheiten und Gewohnheiten der Bürgermeister und Bürger der Stadt zu der Schere, welche sie nach Gewohnheit der Stadt Freyburg haben; mithin war Scheer schon vor 1289 eine Stadtgemeinde. Die Freyheiten der Stadt wurden in der Folge von mehreren Kaisern bestätigt und vermehrt. Sie umfaßten hauptsächlich das Umgeld, Zoll und Weggeld, das Tafernrecht, den Abzug und die Scortationsstrafen bis auf 15 fl. I. J. 1489 erhielt das Städtchen auch von K. Friedrich 2 Jahrmärkte und einen Wochenmarkt. Da indeß Scheer nicht, wie die Donaustädte, blos in pfandschaftlichem Besitze der Truchseßen war, so wurde es auch immer mehr als jene in Abhängigkeit erhalten. Darum waren die Einwohner auch immer unzufrieden mit ihrer Herrschaft, und ihre Unzufriedenheit äußerte sich mehrmals bis zur Empörung, wobey die übrigen Unterthanen der Herrschaft und der Grafschaft Friedberg sie jederzeit willig unterstützten. Unter Vermittlung einer Kais. Commission wurde endlich i. J. 1686 Friede gestiftet, und mit den Bürgern ein Vergleich unter folgenden wesentlichen Bedingungen zu Stande gebracht: 1) Bürgermeister und Rath sollen von der ganzen Bürgerschaft, der äußere Rath aber und die Gemeinde-Diener sollen von jenen gewählt werden; 2) der Stadtammann wird von der Herrschaft, auf den Vorschlag der Bürgerschaft von 3 ehrlichen Männern aus ihrer Mitte, gewählt; er hat das erste Votum im Magistrat und referirt bey dem Oberamte; 3) die Stadt erhält einen Theil der niedern Gerichtsbarkeit, und kann ohne Appellation über Streitsachen bis auf 15 lb. entscheiden; in Straffällen werden einige Rathsverwandte von dem Oberamte beygezogen; 4) ebenso wird zu den Umlagen von Reichslasten Jemand von der Bürgerschaft beygezogen;| 5) die Frohndienste werden erlassen; 6) die Stadt behält das Abzugsrecht, 7) der Stadt ist gestattet, das Umgeld von 1 Eimer Wein von 16 kr. auf 24 kr. zu erhöhen, und von dem Bier halb so viel zu beziehen; 8) die Herrschaft begnügt sich mit 6 Bürgertheilen an Holz, und darf mit ihren Beamten nicht mehr als 40 St. Vieh aufschlagen.

Trotz diesen Zugeständnissen brachen die Unruhen bald aufs Neue aus, und i. J. 1696 wurde der Graf Maximilian Wunibald sogar in seinem eigenen Schlosse eingesperrt gehalten. Ernstliche Executionen wirkten jedoch, und es blieb von nun an im Wesentlichen bey den Bestimmungen des Vertrags bis auf die neuesten Zeiten. – Der Magistrat wurde alljährlich neu gewählt, wozu nach Umständen von der Bürgerschaft noch 12 Bürger als s. g. äußerer Rath gewählt wurden. Für das Umgeld erhielt die Stadt in neuern Zeiten Entschädigung.

Daß Scheer lange Zeit Residenz gewesen, ist schon bemerkt worden. Graf Leopold war der letzte seiner Linie, und hinterließ eine Wittwe, die Gräfin Maria Anna, welche noch bis 1775 zu Scheer lebte. Nach dem Tode Leopolds trat ein Condominat des Waldburgischen Hauses ein, welches bis zu dem Verkauf der Herrschaft und der Grafschaft Friedberg dauerte. S. 13. Der neue Besitzer Fürst Karl Anselm von Thurn und Taxis hielt sich nach dem Kauf mit einem glänzenden Hofstaate einige Monate lang in Scheer auf. Von dieser Zeit an aber stand das Schloß leer. An die Stelle des nach der Mediatisirung aufgehobenen Oberamts trat in Folge der K. Declaration über die staatsrechtlichen Verhältnisse des fürstl. Hauses Thurn und Taxis im J. 1823 ein Amt und Amtsgericht für den standesherrlichen Amts-Bezirk Scheer ein.

Während des dreißigjährigen Kriegs, 1632, wurde in Folge eines zu Gunsten Würtembergs von dem Truchseßen Gebhard, Churfürsten zu Cölln, gemachten Testaments die Stadt und Herrschaft Scheer von Würtemberg in Besitz genommen. Als aber im folgenden Jahre sich das Kriegsglück| der Schweden wendete, hatte die Würt. Herrschaft wieder ein Ende[4]. In den Jahren 1635 und 1636 ließen Hunger und Pest von 800 Einwohnern kaum noch 300 übrig. Mehrmals hat die Stadt auch durch Überschwemmungen der Donau gelitten. I. J. 1760 stieg der Wasserstand 18 Fuß über die gewöhnliche Höhe, und beyde Brücken, die der Stadt und die bey dem Gottesacker, wurden weggerissen; 1778, den 28. Okt. stieg das Wasser 23 Fuß über den ordentlichen Stand, es stand 4 Fuß hoch in der Stadt, und es wurden wieder beyde Brücken und eine Scheuer weggerissen; 1799, den 28. Januar erreichte das Wasser eine Höhe von 26 Fuß, und riß ein Haus weg, 1801, 31. Dec. von 23 Fuß, 1805, 1 Febr. von 22 Fuß, 1824, 30. Okt. von 20 Fuß über den gewöhnlichen Stand, und richtete jedesmahl bedeutenden Schaden an, namentlich wurde 1801 abermals die Gottesacker-Brücke weggenommen, welche seitdem nicht mehr wieder hergestellt worden ist.

In der Umgebung der Stadt liegen:

1) Die Ziegelhütte, kaum 1/8 St. abwärts von der Stadt. S. o.

2) St. Oswald, eine Capelle mit Wohnung, 1/4 St. von der Stadt, auf dem Gottesacker, unterhalb der Ziegelhütte. Die Capelle ist als die Kirche des abgegangenen Weilers Gemmingen merkwürdig. Dieser Weiler, oder Hof, von dem noch ein besonderer Markungs-Bezirk den Namen Gemminger Feld trägt, kommt schon in dem Östr. Urbar v. J. 1303 als mit Scheer erkauft, und in dem Pfandschaftsrodel v. J. 1313 als an Mangold von Hornstein verpfändet, vor. Die Stadtpfarrey Mengen hat noch Zehnten in dem Bezirke unter dem Namen Gemminger Zehnten, und hatte dafür bis auf die neuesten Zeiten jährlich am weißen Sonntag in der Kirche zu predigen und in| der Capelle 16 Messen zu lesen. Ein anderer Theil des Zehnten kam an das Stift Buchau und an die Pfarrey Sigmaringendorf. Der Gottesacker der Stadt wurde i. J. 1545 zu der Capelle verlegt. Die kleine Wohnung bey St. Oswald, und ebenso die bey Loretto diente bis vor ungefähr 30 Jahren einem Bruder zum Aufenthalt; jetzt sind beyde armen Leuten eingeräumt.

3) St. Loretto, eine ansehnliche und gut gebaute Capelle, mit einer kleinen Wohnung auf der dem Städtchen gegenüber liegenden Höhe. Die Capelle wurde von dem Grafen Wilhelm Heinrich, Erbtruchseßen von Waldburg gebaut, und war früher eine besuchte Wallfahrtskirche.

Noch ist aus der Umgebung von Scheer zu bemerken:

Bartenstein, oder Bartelnstein, Bartelstein, eine zerfallene Burg, von der jetzt nur noch wenige Reste zu sehen sind. Die Burg stand auf einem Felsen über dem linken Donauufer, dem Schloß Scheer gegenüber. Sie bildete die Warte diesseits, wie die Burg Scheer jenseits des Donaudurchgangs. Sie soll erst im dreißigjährigen Kriege zerstört worden seyn. Auf den Trümmern der Burg ist jetzt eine Wohnung angebracht. Der Name ihrer Bewohner findet sich noch häufig in Salmannsweiler, Heiligkreuzthaler und andern Urkunden, von 1246 an. Ein Heinrich von B. hatte 1313 einen Hof zu Hitzkofen von Östreich zum Pfande, ein Heinrich von B. zu Krauchenwies verkaufte 1347 Güter zu Hochberg (s. Hochberg), und wieder ein Heinrich von B. verkaufte 1366 Güter zu Binswangen an das Kloster Heiligkreuzthal. Noch 1424, 1436, schenken die Brüder Hartung und Heinrich von B. eine Mühle und Güter zu Ennetach dem Kloster daselbst.


  1. 2277/8 M. Feldes von Scheer liegen noch im fürstl. Sigmaringischen Gebiete und sind deßwegen auch nicht in unserer Flächenmaß-Tabelle aufgenommen.
  2. Von obigen 11 Caplaneyen wurden 6 von den Grafen, 1 von dem Dekan v. Reichle, 1 von einem Pfarrer Stübenhober zu Saulgau, und 3 von den Bürgern gestiftet. Ihre Einkünfte werden unter dem Namen Procuratorie von einem Caplan verwaltet. Das Vermögen besteht in einem Capitalfonds von 70.000 fl., in Lehenhöfen, Zehnten etc., und ist auf 126.000 fl. berechnet. Mit den Einkünften sind neuerlich mehrere auswärtige Pfarreyen verbessert worden.
  3. In dem Kaufbriefe von 1785, wodurch Scheer an das F. Haus Thurn und Taxis gekommen ist, wird zu der Herrschaft und dem Lehen Scheer gerechnet: Schloß und Stadt Scheer, Ennetach, Blochingen, dann das Burgsäß-Lehen Bussen, der Laienzehnte zu Dietelhofen, die Mühle zu Hitzkofen und ein Lehen zu Sigmaringendorf. – In dem östr. habsb. Urbar von 1303 wird als zur Rechtung Scheer gehörig aufgeführt: a. Burg und Stadt zu der Scheer mit hohen und niedern Gerichten und dem Patronatrechte, b. ein Hof zu Gemmingen, c. Zielfingen, und d. Bünningen (Bingen), beyde jetzt Sigmaringisch, d. Mengen das Dorf etc. Blochingen war, wie gezeigt worden ist, schon mit Friedberg erkauft worden. Das obengenannte Burggesäß Bussen ist zu unterscheiden von der Burg und der Herrschaft Bussen. Die Herrschaft Bussen wurde zwar ebenfalls mit Friedberg und Scheer an Taxis verkauft; aber sie ist kein Theil des Lehens, sondern, wie schon bey Riedlingen bemerkt worden ist, eine heimfällige Mannsinhabung (ohne Muthung), wobey Östreich sich (1786) die Landeshoheit vorbehalten hatte.
  4. Pappenheims Chron. der Truchs. I 331 etc. 371. Während der Zeit bekamen die Würtemberger Händel mit den Schweden über die Art, wie das Nachtmahl gereicht wurde.