Beschreibung des Oberamts Tettnang/Kapitel A 3

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III. Einwohner.

1. Bevölkerung.
A. Stand der Bevölkerung.

a. Anzahl. Der Oberamtsbezirk hatte im Jahr 1822 18.074; 1832 19.277 und 1837 19.903 ortsangehörige Einwohner.

Im Jahr 1822 waren von den 18.074 Ortsangehörigen abwesend 999, dagegen Fremde im Bezirk 1369, mithin betrug die Zahl der Anwesenden 18.444. Im Jahr 1837 soll die Zahl der Ortsanwesenden 19.057, also 846 weniger, als die der Ortsangehörigen betragen haben, was kaum anzunehmen ist. Auf eine Quadratmeile kommen (ohne Einrechnung des Bodensee-Antheils) nach der| Zählung von 1832, 3442, also mehr, wie in den benachbarten Oberämtern Ravensburg und Wangen, aber um 1/4tel weniger als die Dichtigkeit der Bevölkerung im Durchschnitt des ganzen Landes ist.

b. Geschlechts-Verhältniß. Von der Zahl der Ortsangehörigen im Jahr 1837 waren 9.573 männlichen und 10.330 weiblichen Geschlechts, oder 757 mehr weibliche als männliche. Die männliche Bevölkerung verhielt sich demnach zur weiblichen, wie 100:108.

c. Altersstufen. Von der Bevölkerung im Jahr 1832 mit 19.277 standen in einem Alter von vollendetem

  männl.             weibl.       zusam. auf 1000 Einw.
6ten Jahre             1162 1230   2392 124,1
  6 –  14 " 1573 1723   3296 171,0
14 –  20 " 942 1119   2061 106,8
20 –  25 " 877 948   1825 94,7
25 –  40 " 2052 2175   4227 219,2
40 –  60 " 1913 2116   4029 209,0
60 –  70 " 513 543   1056 54,8
70 –  80 " 179 168   347 18,0
80 –  90 " 25 18   43 2,3
90 – 100 " 1   1 0,05
________________________________________
9236 10.041   19.277 1000

d. Familienstand im Jahr 1832

Verehelichte             5128 oder 2564 Ehen
Wittwer 310
Wittwen 315
Geschiedene 6
Unverehelichte 13.318
Zusammen       19.277

Auf 1 Ehe kommen 7,5, auf 1 Familie 5,7 Einwohner, also mehr, als im benachbarten Oberamt Ravensburg und als im Durchschnitt des ganzen Landes (63/10 und 47/10).

e. Kirchliches Verhältniß

Christen:
     a. Evangelische             207 
     b. Katholische 19.070 
Juden                  –      
Summe 19.277.
| f. Standes-Verhältniß im Jahre 1822.
Adelige             13
Bürgerliche 18.061
18.074


g. Gewerbs- und Nahrungs-Verhältnisse im Jahr 1822:

Bauern             1724
Tagelöhner             359
Gewerbsleute             939
Ohne Gewerbe             50


B. Gang der Bevölkerung

(nach langjährigen Durchschnitten, wobei jedoch zu bemerken ist, daß die Gemeinde Hirschlatt erst im Jahr 1813 zu dem Oberamte gekommen ist).

a. Geburten. Die Zahl der jährlichen Geburten betrug von

  1812/22           1822/32
männlich             318   336
weiblich             311   324
Summe 629   660
darunter unehelich 73   90

Todt kamen in dem ersten Zeitraum im Durchschnitt jährlich 85/10 zur Welt.

b. Gestorben sind jährlich:

  1812/22           1822/32
männlich             276   278
weiblich             268   267
Summe 544   545

Von 1812/22 waren unter den Gestorbenen 220 Kinder unter 1 Jahr und 132 Erwachsene über 60 Jahre. Von den folgenden Perioden kennt man diese Verhältnisse nicht mehr.

c. Die Wanderungen betrugen, und zwar:

a. die Einwand. 1812/22
     1822/32
aus fremd. Staaten.
 
     aus and. Orten
     des Königreichs
     aus fremd. Staaten.
 
     aus and. Orten
     des Königreichs.
152 2067 243 2183
b. die Auswand.
153 1905 233 1959
| d. Veränderungen im Stande der Ehen. Von 1812–22 wurden im Durchschnitt jährlich 110 Ehen geschlossen und 109 durch den Tod getrennt. Im ganzen Jahrzehnt kamen nur 5 Ehescheidungen vor. c. Wachsthum der Bevölkerung und Verhältnisse. Die Bevölkerung ist von 1822–32 um 1203, oder 7/10 Procent gewachsen. Über das natürliche Wachsthum nach Geschlechtern s. u. Das Verhältniß der jährlichen Geburten zu der Einwohnerzahl war von 1812/22 wie 1:274/5, von 1822/32 wie 1:28,7, also über dem Mittel des ganzen Landes (1:26,1). Die unehelichen Geburten verhielten sich zu den ehelichen von 1812/22 wie 1:84/7, von 1822/32 wie 1:74/10, ein Verhältniß, das unter dem Durchschnitt des ganzen Landes und ungünstiger als im benachbarten Oberamt Wangen ist, aber günstiger als im Oberamte Ravensburg. Auf 100 weibliche Geburten kommen im ersten Decennium 103, im zweiten 104 männliche. Das Verhältniß der Todtgebornen war von 1812–22 zur Gesammtzahl der Geburten wie 1:8,6. Die Gestorbenen verhielten sich zu den Lebenden von 1812–22 wie 1:321/9, und von 1822/32 wie 1:347/10, also etwas über dem Mittel der Sterblichkeit im ganzen Lande, geringer als im benachbarten Oberamte Ravensburg und mit dem von Wangen beinahe gleich. Von je 100 Kindern starben im Jahrzehnt 1812–22 im ersten Lebensjahre 35. Auf 100 Gestorbene weiblichen Geschlechtes kamen von 1812–22 männliche 103, von 1822–32 – 104. In dem erstern Zeitraum kam auf 159 Menschen jährlich 1 Heirath. Die Sterblichkeit der Kinder im ersten Lebensjahre ist zwar geringer, als in manchen andern oberschwäbischen Oberämtern, immerhin aber noch groß genug, um die Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen. Der Oberamtsarzt, Herr Dr. Dihlmann, sucht den Grund hauptsächlich in dem allzufrühen Taufen der Kinder, die bei jeder Witterung in die meist entfernte Pfarrkirche getragen werden, und in| der unordentlichen Ernährungsweise und Nichtdarreichen der Muttermilch. Betreffend das natürliche Wachsthum nach Geschlechtern, so sind in dem Jahrzehnt von 1822/32 mehr geboren als gestorben: männliche 582, weibliche 564. Es zeigt sich also auch hier eine stärkere Zunahme des männlichen, als des weiblichen Geschlechts.[1]

Durch besondere Bevölkerungs-Verhältnisse zeichneten sich in dem Zeitraum von 1826–35 folgende Orte aus. Das Verhältniß der Geborenen zu der Ortsbevölkerung war am größten in den an einander grenzenden Gemeinden Oberdorf (1:23,3), Nonnenbach und Laimnau (1:24,7), Eriskirch (1:25,5); am geringsten in den östlich davon liegenden schon höheren und rauheren Gemeinden Langnau (1:39,2) und Neukirch (1:37,3). Ganz dem auch anderwärts beobachteten Verhältniß entsprechend, zeigt sich in Oberdorf gegenüber der großen Zahl von Geburten auch eine große Sterblichkeit; das Verhältniß war in gedachtem Zeitraum wie 1:33,2; größer noch erscheint sie in Liebenau (1:30,4), Tettnang (1:31,8), Unter-Meckenbeuren (1:32,2), um weniges geringer in Flunau (1:32,4). Die günstigsten Sterblichkeits-Verhältnisse zeigen sich in Hemigkofen (1:43,7), Berg (1:40,3), Neukirch (1:40,9), Langnau (1:40,4), Friedrichshafen (1:39,4). Die meisten unehelichen Geburten hatten Ober-Theuringen (1:2,7), Tettnang (1:3,3), Tannau (1:3,8), Thaldorf und Ettenkirch (1:4,1), Unter-Meckenbeuren (1:4,2); die wenigsten: Schomburg (1:15,5), Nonnenbach (1:13,7), Hemigkofen (1:12,5), Laimnau (1:12,4).

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2. Eigenschaften und Gesundheits-Zustand der Einwohner.
a. Physische. Die körperliche Größe der Einwohner ist auffallend verschieden; nach den Conscriptionsergebnissen befinden sich unter je 1000 Conscriptionspflichtigen 297, die 6 Schuh und darüber groß sind, und der größte Mann unter allen Conscriptionspflichtigen in einem Zeitraum von 5 Jahren war aus dem Oberamt Tettnang, er maß 6′ 7″; dagegen waren unter 1000 Conscriptionspflichtigen 113 solche, welche die gesetzliche Größe (5′ 5″) nicht erreichten, eine Zahl, welche sonst in keinem der Oberämter des Donaukreises so groß vorkommt. Der Ort, welcher sich vorzugsweise durch kleine Leute auszeichnet, ist Langenargen, dessen Einwohner auch sonst in physischer Beziehung zurückstehen. Zum Militärdienst wegen Kränklichkeit und Gebrechen untauglich waren unter 1000 – 354, mithin weit mehr als in dem benachbarten Oberamte Wangen (310) und Ravensburg (278); eigentlich Kränkliche fanden sich jedoch unter 1000 – 60. Taubstumme waren unter je 10.000 Einwohnern 63/10. Tettnang ist der Größe dieses Verhältnisses nach das siebente Oberamt im Lande. Nach der Zählung vom Jahr 1832 waren unter je 1000 Einwohnern 75 über 60 Jahre alt; das Durchschnittsverhältniß des ganzen Landes ist 78 von 1000. Den kräftigsten Menschenschlag findet man in den Gemeinden Ailingen, Ettenkirch, Theuringen und Thaldorf; den Gegensatz davon bilden die Gemeinden am Bodensee und im untern Argenthale. Die herrschenden Krankheiten sind nach den ärztlichen Beobachtungen: rheumatisch-katarrhalische Leiden, Magen- und Verdauungsleiden, Leber- und Drüsenverhärtungen, chronischer Friesel bei den Weibern und chronische Gicht bei den Männern, dann Wassersucht und Lungen-Schwindsucht, an denen die meisten Menschen sterben. Sehr häufig sind in den Gegenden am See scrophulöse Übel und Kröpfe, am häufigsten in Langenargen, wo sie in Blödsinn und Cretinismus übergehen s. h.| b. Charakter, Sitten und Gewohnheiten sind dieselben, wie sie schon bei Ravensburg und andern oberschwäbischen Oberämtern geschildert worden sind. Namentlich findet man hier noch weniger, als dort eine Volkstracht. Der Bauer ist an seiner Kleidung kaum von dem Beamten zu unterscheiden, die Bäuerin zeichnet sich bloß durch die Haube aus. Eine nicht erfreuliche Beobachtung ist, daß in vielen Orten neuerlich das Branntweintrinken sehr überhand nimmt. Eine auffallende Schattenseite ist auch die Häufigkeit der Vergehen unnatürlicher Wollustbefriedigung. Die Mundart des Volks geht immer mehr in die Schweizerische über.
  1. Auch von 1832 bis 1837 hat die männl. Bevölkerung wieder um 12 Köpfe mehr zugenommen als die weibliche. Wenn daher nach den Listen die weibliche Bevölkerung seit 1822, wo sie 9373 betrug, während die männliche 8701 betrug, um 85 mehr als die männliche zugenommen haben soll, so kann diß nur auf einem auch bei anderen Oberämtern vorkommenden Irrthum beruhen; dann auch der Zuwachs durch Wanderung war 1822/37 beim männlichen Geschlecht um 71 größer, als beim weiblichen.