Beschreibung des Oberamts Vaihingen/Kapitel B 6

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Groß-Glattbach,
Gemeinde III. Kl. mit 833 Einw., wor. 2 Kath. – Evang. Pfarrei; die Kath. sind nach Hohen-Asberg eingepfarrt.

In dem engen, nicht sehr tief, aber schroff eingeschnittenen Glattbach-Thale ist der ziemlich große, aber unregelmäßig angelegte Ort größtentheils an die linken Thalgehänge hingebaut, so daß derselbe eine südöstlich geneigte Lage hat und nur der untere Theil des Dorfs eben liegt. An den durchgängig gekandelten Ortsstraßen lagern sich die etwas enge beisammen stehenden, ländlichen Wohnungen, die meist mit steinernen Unterstöcken versehen sind und nicht selten die Wohlhäbigkeit der Einwohner verrathen. Die beiden hochstehenden Kirchen tragen zu der malerischen Ansicht des etwas abgelegenen still ländlichen Dorfs Vieles bei, das überdieß durch die im Rücken desselben sich erhebende, mit Baumgärten und Reben bepflanzte Thalwand gegen Nordwinde geschützt ist. An der Südseite des Orts fließt der Glattbach vorüber, auf dessen jenseitigen Ufern noch einzelne Gebäude stehen; derselbe entspringt in einer sehr starken Quelle etwa 300 Schritte oberhalb des Dorfs und speist nicht nur zwei laufende Brunnen im Ort mit sehr gutem Trinkwasser, sondern setzt auch daselbst zwei Mühlen, je mit zwei Mahlgängen und einem Gerbgang in Bewegung. Der sog. Hummelbrunnen, eine periodisch fließende Quelle, befindet sich westlich vom Orte.

Das Nominationsrecht zur Pfarrstelle hängt von königlicher Collatur ab.

Die außerhalb des Orts, am nordwestlichen Ende desselben, frei gelegene Pfarrkirche zu St. Markus stammt aus zwei Perioden, der Chor aus der frühgermanischen, das Langhaus aus der spätgermanischen; im Laufe der Zeit wurde an dem Langhause mehrfach styllos geändert, während sich der mit einem halben Achteck schließende, mit Strebepfeilern und germanisch gefüllten Spitzbogenfenstern versehene Chor in seiner ursprünglichen Bauweise erhalten hat[1]. | Der nicht hohe, viereckige Thurm trägt ein einfaches Zeltdach und enthält keine Glocken, da auf der St. Peterskirche (s. unten) zur Kirche geläutet wird. Im Innern ist die Kirche unansehnlich und durch Emporen etc. verdüstert; von dem Langhaus führt ein Rundbogen in den Chor, welchen ein schönes Netzgewölbe deckt, dessen Schlußsteine eine Rosette und zwei leere Wappenschilde darstellen. Um die Kirche liegt der sehr geräumige, ummauerte Begräbnißplatz, der im Jahr 1842 bedeutend erweitert wurde.

Die an dem nördlichen Ortsende stehende Kirche zu St. Peter war stark befestigt und von einer mit Umlauf versehenen, dicken Mauer umfangen; um die nördliche, nicht von Natur feste Seite lief ein Zwinger und auf der südwestlichen Ecke der Kirchhofmauer stand ein Halbthürmchen, welches wie die Mauer in neuerer Zeit theilweise abgetragen wurde. Der ziemlich hohe, in seinen unteren Theilen nur mit Schußscharten versehene, viereckige Thurm, dem ein hölzernes Stockwerk mit einfachem Zeltdache aufgesetzt ist, scheint ebenfalls ursprünglich zur Vertheidigung gedient zu haben; auf demselben hängen zwei Glocken, von denen eine 24 Centner im Gewicht hält. Das Langhaus der Kirche ist verändert und modernisirt worden, während der platt schließende Chor schön gehaltene germanische Fenster aus der guten Periode enthält. Das Innere der Kirche ist im Jahr 1853 freundlich erneuert worden; die flachgetäfelte Decke des Langhauses stammt noch aus alter Zeit und ist mit germanischen Ornamenten verziert. Ein Rundbogen führt von dem Langhause in den Chor, das ein Kreuzgewölbe deckt, auf dessen Schlußstein ein sehr alter Christuskopf abgebildet ist. Eines der Chorfenster enthält ein altes, gut ausgeführtes Glasgemälde, den heiligen Petrus (Schutzpatron der Kirche) vorstellend. Das untere Stockwerk des Thurms enthält ebenfalls ein Kreuzgewölbe und der Schlußstein desselben einen Wappenschild mit zwei gekreuzten Schlüsseln. Diese Kirche, in der nur an Werktagen Gottesdienst gehalten wird, ist wie die Pfarrkirche Eigenthum der Stiftungspflege, der auch die Unterhaltung beider Kirchen obliegt.

Das ziemlich weit von der Kirche entfernt gelegene Pfarrhaus, welches der Staat zu unterhalten hat, befindet sich in gutem baulichen Zustande. Das Schulhaus, welches zugleich die Wohngelasse des Lehrers enthält, liegt frei und hoch mit schöner Aussicht in der Nähe der Peterskirche; im Jahr 1821 erbaut, brannte dasselbe im Jahr 1827 theilweise ab und ist hierauf wieder gut hergestellt worden. An der Schule unterrichten ein Schulmeister und ein Lehrgehilfe.

Das Rathhaus wurde im Jahr 1837/38 in einem freundlichen, | modernen Styl mit einem Gemeindeaufwand von 4000 fl. neu erbaut; auf demselben sitzt ein blechbeschlagenes Thürmchen mit Glocke, und in dem unteren Stockwerk befindet sich eine Obstmühle.

Weitere öffentliche Gebäude sind: eine ansehnliche Kelter mit zwei Bäumen, ein 1833 erbautes Gemeindegefängniß, ein seit 1839 bestehender Gemeindebackofen, ein Armenhaus und ein Schafhaus.

Die im Allgemeinen gesunden und wohlgewachsenen Einwohner sind sehr fleißig, sparsam und kirchlich gesinnt. Ihre ökonomischen Verhältnisse gehören zu den besseren des Bezirks, und für ihre Solidität spricht insbesondere, daß sie ohne Real-Versicherung gewöhnlich auf persönlichen Credit Anlehen erhalten. Im Einzelnen beträgt der ausgedehnteste Güterbesitz 40 Morgen, der gewöhnliche 8–10 Morgen, der geringste 2 Morgen; die Güterparcellen sind im Durchschnitt 1/2 Morgen groß.

Die mittelgroße, schön arrondirte Markung, welche mit Ausnahme der nicht bedeutenden Gehänge gegen das Glattbach- und Kreuzbachthal ziemlich eben ist, grenzt westlich an den Oberamtsbezirk Maulbronn und zwar an die Markungen Serres, Pinache, Dürrmenz und Lomersheim. Die ergiebigsten Güter liegen in der oberen und unteren Mehl, am Mönsheimer Weg, im Heerweg, Grund etc. Der größtentheils aus Diluviallehm bestehende Boden und das milde Klima begünstigen die Fruchtbarkeit der Gegend; nur Frühlingsfröste schaden nicht selten den Reben und Obstbäumen, besonders in dem Glattbach-Thale. Dagegen kommt Hagelschlag, welcher seit 1832 keinen bedeutenden Schaden mehr anrichtete, nur selten vor; die Ernte tritt fünf bis sechs Tage später als in Vaihingen ein.

Die Landwirthschaft wird mit Anwendung verbesserter Ackergeräthschaften (Suppinger-, Brabanter Pflüge, Walze etc.) und mit Rücksicht auf Düngerbereitung gut betrieben; man baut hauptsächlich Dinkel, etwas Einkorn, dann Hafer, Gerste, Wicken, Linsen. Bei einer Aussaat von 6 Sri. Dinkel, 4 Sri. Hafer und 2 Sri. Gerste, wird der durchschnittliche Ertrag per Morgen zu 10–12, zuweilen 14 Scheffel Dinkel, 7–8 Scheffel Hafer, 4–6 Scheffel Gerste angegeben. In der beinahe ganz angeblümten Brache baut man, wegen Mangels an Wiesen, besonders viel Futterkräuter, ferner Kartoffeln, Angersen, Ackerbohnen, Kohlraben, Kraut in Ländern, ziemlich viel Mohn, wenig Reps und Tabak. Die höchsten Preise eines Morgens Acker betragen 500 fl., die mittleren 200 fl. und die geringsten 80 fl. Ein beträchtlicher Verkauf an Dinkel, weniger an Hafer, findet hauptsächlich an einige im Ort ansäßige Fruchthändler statt, welche die Früchte in das Badische absetzen. Der | nicht ausgedehnte Wiesenbau, dem durchgängig Wässerung zukommt, liefert gutes und nahrhaftes Futter. Die meist dreimähdigen Wiesen ertragen per Morgen im Durchschnitt 30 Centner Heu und 12 Centner Öhmd; der dritte Schnitt wird grün verfüttert. Die Preise eines Morgens bewegen sich von 400–800 fl. Die sehr beträchtliche Obstzucht, welche sich hauptsächlich mit Mostsorten (Luiken, Fleiner, Knaus-, Palmisch-, Wöhrles-, Bratbirnen) und etwas Tafelobst beschäftigt, hat sich seit 20 Jahren nahmhaft gehoben und lieferte auf der Gesammtmarkung im Jahr 1847 etwa 15.400 Sri. Kernobst. Das Obst wird größtentheils im Ort selbst verbraucht, obgleich in günstigen Jahren auch ziemlich viel nach Außen zum Verkauf kommt. Auf dem Begräbnißplatz ist eine Gemeindebaumschule angelegt. Der Weinbau hat abgenommen, indem in neuerer Zeit die Rebengelände in der Ebene mit Getreide, an den Gehängen mit Futterkräutern angebaut werden, so daß gegenwärtig nur noch etwa 30 Morgen dem Weinbau gewidmet sind. Die vorherrschenden Rebensorten sind Affenthaler, Klevner, Elblinge, Silvaner und Veltliner, welche den Winter über bezogen werden, und 10–12 Jahre dauern; sie liefern einen sog. Schiller, der sich nicht auf das Lager eignet. Ein Morgen erträgt durchschnittlich 3–4 Eimer, und die Herbstpreise eines Eimers waren im Jahr 1846: 40 fl., 1847: 20 fl., 1848: 28-30 fl., 1849: 20–22 fl., 1850: 16 fl., 1851 und 1852 konnte der Wein nicht verkauft werden. Die Preise für den Morgen Weinberg bewegen sich von 80–200 fl. Der Wein bleibt im Ort. Als Nebennutzungen zieht man Welschkorn und Bohnen.

Die Gemeinde ist im Besitz von 700 Morgen Waldungen (Eichen, Buchen und nur wenig Forchen), welche im 40- und 70jährigen Umtriebe bewirthschaftet werden und einen jährlichen Ertrag von etwa 200 Klafter und 8000 St. Wellen abwerfen; hievon erhält jeder Bürger 1/4 Klafter und 30–40 Stück Wellen, das übrige Holz kommt zum Verkauf und sichert der Gemeinde eine jährliche Rente von 1800–2000 fl.

Die Schafweide wird nicht mehr verpachtet, weil seit zwei Jahren die Schäferei aufgehoben ist.

Die mit einem Neckarschlag sich beschäftigende Rindviehzucht wird mit drei Landfarren betrieben, für deren Haltung die Gemeinde jährlich 130 fl. an Ortsbürger bezahlt. Mit Zugvieh, besonders mit Stieren, wird ein lebhafter Handel getrieben. Die früher bedeutende Schweinezucht hat in Folge des Mangels an Kartoffeln abgenommen; die Bienenzucht ist von keinem Belang.

| Gewerbe außer den für den Localbedarf arbeitenden ganz gewöhnlichen Handwerken werden nicht betrieben.

Der Ort liegt 5/4 Stunden südwestlich von der Oberamtsstadt und eben so weit von der nächstgelegenen Eisenbahnstation Illingen. Zur Erleichterung des Verkehrs sind Vicinalstraßen nach Vaihingen, Pinache und Mönsheim angelegt.

Der Gemeindehaushalt ist geordnet; die Gemeindepflege besitzt außer ihrem schon angegebenen Waldeigenthum auch noch Kapitalvermögen; dagegen leidet die Stiftungspflege an einem Deficit, welches alljährlich von Seiten der Gemeinde gedeckt wird, (s. Tab. III.). Neben einer Armenstiftung von 1200 fl., aus deren Zinsen den Unbemittelten Brod angeschafft wird, steht die Gemeinde noch im Genuß der sog. Egonsgerechtigkeit, vermöge welcher sie zur Vertheilung unter die Ortsarmen alljährlich 21 Scheffel 2 Sri. 3 Vierling Dinkel von dem Staat bezieht.

In der Nähe der Einmündung des Glattbachs in den Kreuzbach befindet sich ein künstlich aufgeworfener Hügel, der Schloßbuckel genannt, auf dem nach der Volkssage ein Schloß gestanden sein soll. Auf dem westlich dieser Stelle gelegenen Edelberg kommt die Benennung „auf der Wartmauer“ vor. Eine Römerstraße führte unter der Benennung „Heerweg“ von Iptingen über den sog. Bürguff nach Groß-Glattbach und vereinigte sich 1/4 Stunde nördlich vom Ort mit der von der Auricher Höhe herkommenden Römerstraße (alter Postweg), welche durch die Waldungen Mosig und Enkertsrein weiter führte, (s. den allg. Theil). Ein weiterer alter Weg, ein Wallfahrtsweg, wie ihn das Volk nennt, zieht von Nußdorf her durch den Ort und weiter durch den Wald „Tiefenweg“ gegen Lomersheim. Nördlich von dem Rieberg trägt eine Flur die Benennung „in der wüsten Kirche“; hier soll nach der Volkssage eine Kirche gestanden sein.

Da die ältesten Urkunden zwischen Groß- und Klein-Glattbach nicht unterscheiden, so bleibt die nähere Bestimmung der ältesten Anführungen des Orts unermittelt. Am 8. März 782 schenkte ein gewisser Sigebold im Enzgau in der villa Glatebach fünfzehn Jaucherte, eine halbe Hube und einen Leibeigenen an das Kloster Lorsch (Cod. Laur. Nr. 2387; auch sonst noch eb. Nr. 2337 als Gladebach). Das elsäßische Kl. Weissenburg besaß in „Gladebach“ im 10., vielleicht schon im 9. Jahrhundert Güter nebst der Kirche (Trad. Wizenb. ed. Zeuss. 293. 305). Im Jahr 1023 ertauschte das Hochstift Speier ein Hofgut in villa Gladebach von einem Ritter Arnold (Wirt. Urkundenbuch 1, 255). | Gegen Ende des 11. Jahrhunderts erscheint G. im Stiftungsbuch des Kl. Reichenbach (Württ. Jahrb. 1852, I. S. 118).

Auf Groß-Glattbach saßen die Herren von Glattbach, ohne Zweifel Dienstmänner der Grafen von Vaihingen, unter deren Oberherrlichkeit der Ort überhaupt ursprünglich stund. Es kommen vor Anselm und seine Söhne Wolfram und Wienand von G. im Anfang des 12. Jahrhunderts (Cod. Hirsaug. 30b. 31a. 34a), Reinhard von G. im Jahr 1196 (Wirt. Urkundenbuch 2, 317) und Diemar 1254 in Kl. Maulbronner Urkunden, später Leutwein, welcher im Jahr 1263 von den Edeln von Weissenstein mit einem Antheil am Dorf Huchenfeld bei Pforzheim belehnt wurde (Sachs Baden 2, 14), im 14. Jahrhundert Heinrich (Mone Zeitschr. 5, 92). Als Wappen führten diese Herren eine Raute in goldenem Schilde.

Am 14. Oct. 1308 urkundete Graf Konrad von Vaihingen, daß er den rheinischen Pfalzgrafen Rudolph und Ludwig, sowie der Gemahlin des Ersteren, Mechthild, sein eigenes Dorf Glattbach aufgegeben und von denselben zu Burglehen wieder empfangen habe, also daß er zu Heidelberg ihr ledig Burgmann sein solle (Böhmer Wittelsb. Regg. 132).

Ansehnlichen Besitz hatte früher schon das Kl. Maulbronn erworben, bereits den 3. April 1243 einen Hof in „Gladebach“ von Gertrud, Schwester Alberts von Liebenstein. Auch in dem 14. und 15. Jahrhundert erkaufte es sich noch mancherlei Güter und Rechte, wenn es gleich auf der andern Seite auch wieder veräußerte, wie am 30. Nov. 1362 einen Hof an Konrad Zymerer, Bürger zu Vaihingen.

Seit obiger Lehens-Auftragung von Seiten der Grafen von Vaihingen und als Schirmvögte des Kl. Maulbronn waren die rheinischen Pfalzgrafen hier Meister, bis im Jahr 1504 das Kriegsglück des Herzogs Ulrich den Ort mit dem ganzen Klosteramte Maulbronn von der Pfalz hinweg dauernd an Württemberg brachte.

Ein hiesiger Kirchenrector erscheint im Jahr 1294 in der Person Emehards (St.-A.). Neben der Pfarrei bestund schon im 14. Jahrhundert eine Frühmesserei, wenigstens kommt den 7. Aug. 1332 Hermann der Frühmesser vor.

Gefällberechtigt war zur Zeit der Ablösungs-Gesetze von 1848 und 1849 die Finanzverwaltung, welche für Zehnten 30.706 fl. 17 kr. und für andere Gefälle 1083 fl. 31 kr. Ablösungsschilling erhielt.


  1. Nach der Pfarrbeschreibung stand an der Kirche die Jahrszahl 1403, welche ohne Zweifel bei den vorgenommenen Erneuerungen getilgt wurde.
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