Beschreibung des Oberamts Waiblingen/Kapitel B 13

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13. Gemeinde Hegnach,
Gemeinde dritter Classe, mit 573 Einw., worunter 1 Katholik.


Die Markung dehnt sich auf der südwestlichen Grenze des Oberamtes, über dem linkseitigen Remsufer aus und dacht sich allmählig gegen den Neckar und die Rems ab, während sie in der Richtung gegen die Straße hin so ziemlich eine Ebene bildet, die sich auf das Schmidener Feld im Oberamt Canstatt verläuft. Jener höher gelegene Punkt ist der etwa 300 Morgen große Staatswald Hardt, der besonders durch seine Anlagen sich auszeichnet. (Des hier befindlichen Erdfalles ist S. 8 gedacht.) Er ist von der Oberamtsgrenze durchschnitten und gewährt eine liebliche Aussicht nach Stuttgart. Hegnach selbst ist auf einer sanften Anhöhe gelegen, in welche das Remsthal gegen das Neckarthal ausläuft und bietet nach allen Seiten hin die schönsten Fernsichten. Unterhalb des Dorfes zieht sich das Remsthal hin, das hier viel enger, als oberhalb Waiblingens ist und die interessantesten Krümmungen hat. Die Thalsohle ist mit fetten Wiesen bedeckt; die 100 bis 200 Fuß hohen Seitenwände sind fast durchgängig sehr steil (bis 45 Grad und mehr), aber fleißig mit Obstbäumen und Reben angebaut. Da die Rems hier ein sehr tiefes Bett hat, so tritt sie seltener, als oben, aus.

Der Boden ist im Allgemeinen fruchtbar, doch nicht tiefgründig genug. Es ist eine Seltenheit, wenn das Obst nicht geräth. Das Klima ist mild, die Luft wegen der höheren Lage rein und gesund. Der Ort ist, da der Hardtwald mit seinen Eichen ihn schützt, vom Hagel verschont.

| Die Gemeinde ist dem Forstamt Reichenberg und dem Cameralamt Waiblingen zugetheilt. Letzteres bezieht noch alle Zehenten und andere Grundgefälle und erhebt jährlich für den großen Zehnten 156 Sch. Frucht nach Rauhem, 88 fl. für den kleinen, 14 fl. für den Heu-, 45 fl. für den Wein- und 27 fl. 38 kr. für den Noval-Zehenten, sowie 11 fl. Surrogatgelder, 83 Sch. 5 S. Frucht an Lehengefällen, 2 Sch. Landacht und 19 fl. 12 kr. für Bodenwein. Übrigens sind die sogenannten Hof- und Lehen-Güter zehentfrei.

Hegnach liegt an einem nordöstlichen Abhang, nordwestlich 1 Stunde von Waiblingen und stößt im untern Theile fast an die Rems. Im obern Theile des Dorfes führt die gute Vicinalstraße von Ludwigsburg nach Waiblingen vorüber. Weniger gut ist der Weg, welcher Öffingen mit Hegnach verbindet. Zwischen hier und Hohenacker besteht eine Schifferanstalt über die Rems. Der Sage nach bestand der Ort früher aus einigen Höfen, zu denen von der kaum erwähnten Straße ein Weg zwischen Hecken führte. Nun soll es, um auf jene Höfe zu weisen, geheißen haben: „dem Haag“ oder „der Hecke nach,“ woraus der Ortsname entstanden sey. Das Dorf bietet von der Ferne aus einen hübschen Anblick, besonders im Frühling, wo die blühenden Obstbäume wie ein Wald zwischen den Häusern hervorragen. Es hat keinen Wassermangel und Brunnen genug.

Hegnach zählt 81 Haupt- und 31 Neben-Gebäude. Die Kirche, in der Mitte des Ortes, jedoch seitwärts etwas abgesondert gelegen, ist ziemlich alt, bietet aber nichts Besonderes dar. Als Eigenthum der Gemeinde ist sie von den örtlichen Kassen zu erhalten. Nicht weit davon liegt der Begräbnißplatz. Zunächst der Kirche steht das vom Kirchenrath her durch den Staat zu erhaltende Pfarrhaus und das Schulhaus, welches die Ortskassen 1847 mit einem Staatsbeitrage von 700 fl. erbaut haben. Außerdem ist noch das sogenannte Jägerhaus zu erwähnen, welches zu den angenehmsten Punkten des Landes gehört und fast nach allen Richtungen hin eine freie Aussicht auf eine Entfernung bis zu 6 Stunden gewährt. Erwähnenswerth sind auch die jetzt vertheilten 3 ehemaligen Lehenhöfe, auch Schafhöfe genannt, deren Eigenthümer verschiedene Holz- und Weid-Gerechtsame in Staatswaldungen haben und für das Landgefährt jährlich 115 fl. vom Staat beziehen. Die Hauptnahrungsquellen sind Feld- und Obst-Bau; einige Einwohner sind sehr begütert, und auch die Andern finden ihr Auskommen. Sie, und namentlich die Vermöglicheren, leben auffallend kärglicher, als die der benachbarten Orte, und man sagt ihnen nach, die Müller müssen einen besondern Beutel | (d. h. einen gröbern, der das Mehl ausschüttelt), für sie führen. Die Markung enthält 7733/8 Morgen Baufeld, steht also der Bevölkerung unter dem Durchschnitt des Bezirkes. (1792 waren es 336 Einwohner.).

An der Straße nach Neckarrems ist ein Kalksteinbruch, der zur Erhaltung der Vicinalstraßen das Material liefert.

Die meisten Einwohner sind für den Fortschritt in der Landwirthschaft empfänglich; die alten Pflüge weichen immer mehr den neueren, und es wirkt das Beispiel des rationellen Landwirths Kayser sehr ermunternd ein. Der Dinkel – nebst Haber die Hauptfrucht und namhafter Ausfuhrgegenstand – hat einen guten Ruf und wird namentlich von den Stuttgarter Bäckern gesucht. Hanf wird viel gebaut und im Orte versponnen. Der Morgen Acker wird zu 700–900 fl. verkauft, indeß der Morgen geringster Art um 10 fl. zu haben ist. Die Wiesen sind ergiebig, können aber nicht gewässert werden. Seitdem die ebener gelegenen Weinberge mit Luzerne angebaut werden, sind die Wiesenpreise auf 520 bis 580 fl. gesunken. Kayser besitzt hier einen 6 Morgen großen Hopfengarten. Der Weinbau ist fast auf die absoluten Weinbaulagen zurückgedrängt. Die Weinberge liegen an einem Bergabhange gegen die Rems und geben einen Wein von mittlerer Güte. Der höchste Ertrag ist 4 Eimer vom Morgen. Die Obstzucht wird sehr eifrig und fleißig betrieben. Da es hier sehr gerne „obstet,“ selbst wenn es anderwärts weniger der Fall ist, so kann jährlich immerhin für 6000 fl. aus Obst erlöst werden. Es finden sich alle Arten von Früh- und Spät-Obst; einzelne Bäume sind wegen ihres üppigen Wuchses bewundernswerth. Kayser hat eine Baumschule von 11/2 Morgen. Er gibt sich viele Mühe um Anpflanzung der canadischen Pappel längs der Remsufer. Die etwa 50 Morgen betragenden Privatwaldungen liefern, weil sie zu schnell abgeholzt werden, einen geringen Ertrag. Die Weide gehört den hiesigen Schäfereibesitzern, welche sie um 200–400 fl. verpachten. Der Viehstand zeichnet sich nicht aus. Doch sind gute Farren da, welche von den reicheren Bauern abwechselnd gegen den Genuß von Wiesen gehalten werden. Auch sind Viehhändler im Orte. Ebenso ist ein Schneckengarten vorhanden. Die Veredlung der Schafzucht macht Fortschritte. Außer einer Brauerei im kleineren Maßstabe, einem Schreiner, 7 Webern, 2 Zimmerleuten und 5 Maurern sind die Gewerbe auf den Ort beschränkt.

Die Pfarrei wurde im Jahr 1501, bis wohin der Ort nach Waiblingen eingepfarrt war, errichtet. Sie hat keine Filialien und das Patronat steht seit ihrer Errichtung dem Landesherrn zu. Vor der Reformation war Hegnach Filial von Hohenacker und | bekam erst 1560 den ersten evang. Pfarrer. Von 1635 bis 1687 war die Pfarrei unbesetzt und Hegnach bald nach Waiblingen und bald nach Hohenacker eingepfarrt. An der Schule steht ein Lehrer. Zur Winterszeit besteht hier eine Industrieschule.

Das Gemeindevermögen ist kleiner als die Gemeindeschulden; daher eine ziemlich große Gemeindeumlage. Die Stiftungspflege besitzt 1977 fl.

Von dem Orte schrieb sich eine Adelsfamilie; Wipertus de Hegnach wird im Jahr 1281 als verstorben erwähnt, im Jahr 1309 kommt vor Rugger von Hegnach. Im Jahr 1410, Oktober 9, trug Rüdiger von Hegnach das Dorf mit der Vogtei und andern Rechten dem Grafen Eberhard zu Lehen auf (Sattler Grafen 2, 28); 1438 wurde Georg Dürner von Dürnau mit Hegnach belehnt, verkaufte aber 1467, Juni 15., dieses sein Lehen sammt dem hiesigen Schafhof für 447 Pfund Heller an den Lehensherrn, die Württemberger Grafen. Einen hiesigen Hof empfingen im Jahr 1344 von den Grafen von Württemberg die von Stammheim zu Lehen (Scheffer 22) und noch 1536 gehörte er ihnen (Gabelk.); später kam er an die Schertlinsche Familie. Graf Ulrich ertauschte 1463, December 20., den Steinbachshof daselbst von dem ebengenannten Georg Dürner von Dürnau. Außerdem besaß die Herrschaft 3, die Ortspfarrei 1 und die Prädicatur Waiblingen 1 Lehen.

Den großen Zehenten besaß 1530 das Predigerkloster zu Gmünd, das dem Ortspfarrer je 4 Moden Roggen, Dinkel und Haber und 8 Imi Wein zu reichen hatte. Die übrigen Zehnten standen der Dekanei zu Stuttgart zu. – Der römischen Alterthümer ist S. 91 gedacht.

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