Bilder aus den Höhlenlabyrinthen
Bilder aus den „Höhlenlabyrinthen“.
Künstliche, von Menschenhand gegrabene Höhlen finden sich in Nieder- und Oberösterreich, Salzburg und auch in Bayern. Es sind dies labyrinthartig angelegte, im „Löß“ sehr schön ausgearbeitete Kammern und Gänge von solch kleinen Dimensionen, daß sich der Leser selbst bei der Ziffernangabe nicht den richtigen Begriff von der Kleinheit dieser Höhlen machen würde. Ueber dieselben veröffentlichte vor einiger Zeit (Jahrg.1898, S. 685) die „Gartenlaube“ den Aufsatz „Dunkle Gebiete der Menschheitsgeschichte. Die Höhlenlabyrinthe in Bayern und Oesterreich“; im Anschluß daran werden den Lesern nachfolgende Mitteilungen willkommen sein.
Herr Lambert Karner, Pfarrer in Brunnkirchen in Niederösterreich, beschäftigt sich schon lange Jahre mit der Erforschung solcher Höhlen, bedauerte aber oft, daß er keine völlig naturgetreuen Abbildungen der sehr merkwürdigen und interessanten Kammern und Gänge erhalten konnte.
Seine Bemühungen, einen Photographen zu bewegen, mit in die Höhlen zu kriechen, scheiterten, da keiner in die anscheinend gefährlichen „Löcher“ hineinzukriechen wagte. Schließlich wandte sich Karner an die k. k. graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, um jemand mitzubekommen, der photographische Aufnahmen in den Höhlen anfertigen würde. Von der Direktion dieser Anstalt wurde ich bestimmt, die Arbeit auszuführen. In Begleitung Pfarrer Karners machte ich in 50 verschiedenen Höhlen photographische Aufnahmen, von denen ich einige als Typen nebst den entsprechenden Erläuterungen folgen lasse.
Auf beschwerliche und etwas unheimliche Art gelangt man zur Höhle in Aschbach, Niederösterreich. Der Besitzer, welcher seine Höhle selbst nie besucht hat, war schwer zu bewegen, den Brunnen, durch den man hinabsteigen mußte, zu öffnen, da er unser Verlangen, in seine „Lucken“, wie in dieser Gegend die Höhlen genannt werden, hinabzusteigen, für unsinnig hielt. Eine lange Leiter wurde in den Brunnen hinabgelassen, und ich stieg 5 m in die Tiefe, woselbst sich ein Loch als Eingang zur Höhle befindet. Auf allen Vieren kroch ich mit meinem photographischen Apparate durch diesen Engpaß und war nicht wenig erstaunt, als ich mich in einer halbkreisförmigen Kammer (Fig. 3) befand, welche erst den Einstieg zum Höhlensystem bildete. In der Mitte dieser Kammer, die 1,20 m hoch ist, sieht man auf dem Bilde einen kreisrunden senkrechten Schacht von 45 cm im Durchmesser, durch welchen man sich hinablassen muß, um zu den übrigen Kammern zu gelangen. Vom Boden des Schachtes führt ein horizontaler Gang, nach Durchkriechung einer Vorkammer, zu einem senkrechten Schacht, welcher in eine „Beratungskammer“ mündet; dieselbe weist an der Stirnseite als Zierde eine gotisch ausgeschnittene Nische auf. Diese Kammer, 1,60 m hoch, faßt 6 Personen und muß seiner Zeit bis zur halben Höhe der Nische mit Wasser gefüllt gewesen sein, wie aus der dunklen Färbung des Lehmes in dem unteren Teil der Kammerwand hervorgeht.
Eine andere Ansicht (Fig. 4) stammt aus der künstlichen Höhle in Matzendorf, Niederösterreich, ein auf den ersten Anblick originelles und belustigendes Bild, da gleich „Maulwürfen“ die drei Höhlenforscher aus den Gängen herauskriechen. Wir haben eine ganz merkwürdige Anlage vor uns. Der in der Mitte des Bildes (a) sichtbare P. Willibald aus Göttweig will in die 3 Stufen tieferliegende Kammer, 2,25 m hoch, kriechen. Der im unteren Teile des Bildes ersichtliche horizontale Schlurfgang (c), in welchem meine Wenigkeit zu liegen sich erlaubt, führt nach rechts zu in zwei weitere Kammern. Ungefähr in der Mitte dieses Ganges (c) führt nun ein senkrechter Schacht in den horizontalen Schlurfgang (b), aus welchem Pfarrer Karner heraussieht. Zu welchem Zwecke mag diese so komplizierte Anlage gedient haben? Unwillkürlich denkt sich der Besucher dieser Kammer, daß ein etwa durch einen von außen kommenden Feind Verfolgter, der mit der Anlage der Höhle vertraut ist, sich sehr leicht mit Hilfe des senkrechten Schachtes aus dem unteren Gange (c) in den oberen Gang (b) flüchten konnte, während der Verfolger in dem Gange (c), die Oeffnung in der Decke desselben nicht bemerkend, weiterkroch, um alsbald die Wahrnehmung zu machen, daß er in eine Sackgasse geraten sei. Der Verfolgte konnte mittlerweile ganz leicht aus Gang (b) in die Kammer herabspringen und dem aus Gang (c) zurückkehrenden Feind den Garaus machen.
Auch auf die Sicherheit waren die Erbauer dieser Zufluchtslöcher bedacht, was unsere Aufnahme Figur 2 veranschaulicht. Sie zeigt dem Beschauer eine 1,80 m hohe Kammer und am Boden derselben den Eingang zu dem eigentlichen System, rechts und links sieht man je einen sauber ausgeschnittenen Sitzsockel, welcher nur einem Wächter gedient haben konnte.
Daß alle derartigen Höhlen nicht zu Wohnstätten benutzt wurden, erkennt man daraus, daß in keiner Kammer Platz genug vorhanden ist, um einer oder mehreren Personen ein Nachtquartier zu bieten. Beinahe in allen Höhlen finden sich jedoch Kammern mit rechts- und linksseitigen Sitznischen, welche für vier oder höchstens acht Personen ausreichen und augenscheinlich nur zu Versammlungen behufs einer Besprechung gedient haben [254] können. Pfarrer Lampert Karner benannte auch derartige Kammern „Beratungskammern“. Interessant ist der Umstand, daß sich jede dieser Kammern immer am Ende des ganzen Höhlensystemes befindet, und daß der Zugang zu denselben möglichst schwierig und für den unberufenen Besucher verwirrend gestaltet wurde.
Unsere Abbildung Fig. 5 zeigt eine Beratungskammer der künstlichen Höhle in Reichering, Oberösterreich; man sieht sowohl rechts als links einen horizontalen Schlurfgang (1 m lang), deren jeder, wie ich weiter bemerken will, im rechten Winkel umbiegend als senkrechter Schacht (1,50 m lang) aufwärts geht, um wiederum als horizontaler Gang weiterzuführen. In der Mitte der Kammer (erkenntlich durch die davorstehende Kerze) befindet sich nun ein dritter Eingang, welcher, aus einem kreisrunden senkrechten Kamin (1,50 m Durchmesser, 4 m Höhe) kommend, den unbequemsten Eingang zur Beratungskammer bildet, da die Besucher auf Leitern hinabsteigen oder sich mit Seilen hinablassen mußten.
Die meisten der Höhlen sind jetzt mehr oder weniger zerfallen, oftmals mit großen Sprüngen in der Decke, ja in manchen Fällen sperrt ein großer herabgefallener Erdklotz den Weg ab.
Unstreitig schön zu nennen sind die Höhlen in Erdberg in Mähren. Ich habe nirgends so regelmäßig gearbeitete Gänge und Kammern vorgefunden wie hier. Vom Keller eines Bauern gelangt man zu dem spitzbogenförmigen Eingang, welcher, sich immer mehr verengend, zu dem Höhlensystem in die Tiefe hinunterführt. Hat man den etwa 20 m langen Gang durchkrochen, so gelangt man zu zwei sich gegenüberliegenden Kammern, deren Anblick für den an schmucklose Kammern und Gänge gewöhnten „Höhlenforscher“ eine Ueberraschung bilden. Die eine der Kammern entpuppte sich als eine kleine rundellförmig angelegte Beratungskammer (Figur 1).
Leider konnte ich, infolge der kurzen Aufstelldistanz, nur die Hälfte dieser Kammer photographieren. Doch glaube ich, daß der Beschauer dieses Bildes ersieht, daß es sich um ein nach oben spitz zusammenlaufendes Rundell handelt, welches im Kreise mit acht ovalförmigen Sitznischen versehen ist, von denen man in der vorliegenden Darstellung nur vier sehen kann.
Der Durchmesser der Kammer beträgt 1,50 m und die Höhe 2,20 m. In den Sitznischen findet ein Mann gerade Platz. Der auffällige, schräg über die Sitznischen laufende Streifen wird durch eine dunklere Färbung des Erdreiches hervorgerufen.
Gegenüber diesem Rundell befindet sich eine besonders schöne und merkwürdige Kammer. Ist man durch den schmalen Eingang in diese Höhle gekrochen, so sieht man eine große Kammer, an der linken Seite durch vier schöne Säulen geziert, welche vollkommen freistehend aus dem hellgelben Lehm herausgearbeitet sind. Diese ganz eigenartige Kammer hatte ursprünglich eine Höhe von 2,70 m, der Boden derselben ist jedoch durch angeschlämmtes Erdreich um etwa einen Meter erhöht.
Pfarrer Lambert Karner meint, daß diese Kammer einem ganz besonderen religiösen Zwecke gedient haben müßte und daß sie deshalb eine so auffallende, von der sonstigen Einfachheit der Höhlen abstechende Ausschmückung erfahren hat. Wenn man bedenkt, daß infolge der engen Beschaffenheit der Eingänge das Erdmaterial in Säcken oder Körben hinausgeschafft werden mußte, so kann man diese „wühlenden“ Menschen geradezu bewundern, welche diese Räume unter solchen Schwierigkeiten geschaffen haben.
Zum Schlusse will ich noch einiges über die Herstellung der photographischen Aufnahmen bemerken. Ein Stativ konnte in den wenigsten Fällen verwendet werden, da der Raum, wie schon gesagt, immer zu klein und zu eng war, so daß ich oft kaum wußte, wo ich die nötige Entfernung zwischen dem Apparat und dem zu photographierenden Teil der Höhle gewinnen sollte. In den meisten Fällen stellte ich den Apparat auf ein bis zwei mitgebrachte Ziegelsteine oder direkt auf den Erdboden. Doch war dies verhältnismäßig noch einfach, während die Anbringung des lichterzeugenden Magnesiumpulvers sich schwieriger gestaltete. Das Magnesiumpulver, welches, mit übermangansaurem Kali gemischt (Verhältnis 4:5), blitzartig abbrennt, wurde zur gleichmäßigen Erhellung des Raumes neben – hinter – oder über dem Apparate angebracht und mittels Salpeterlunten entzündet. Bei der Explosion erzeugt das Magnesiumpulver in der kurzen Zeit von 1/30 Sekunde ein grelles weißes Licht, genügend hell, um auf der photographischen Platte ein Bild zu erzeugen. Leider entwickelte das Pulver nach erfolgter Entzündung solch einen dichten weißen Rauch, daß bei den Höhlenaufnahmen das Abholen des Apparates nur wenige Sekunden Zeit in Anspruch nehmen durfte und ich nur durch einen mit Essig getränkten, vor den Mund gehaltenen Schwamm vor Erstickungsgefahr mich bewahren konnte.