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Bilder vom Buttstädter Pferdemarkt

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Textdaten
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Autor: Hermann Ferschke
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Titel: Bilder vom Buttstädter Pferdemarkt
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 556–559
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Bilder vom Buttstädter Pferdemarkt.

Von Herrmann Ferschke.0 Mit Zeichnungen von O. Herrfurth.

Die meisten bekannteren Städte Thüringens haben Erwerbsquellen, deren Anfänge bis in uralte Zeiten zurückreichen und aus denen heraus sich mit der Zeit recht bedeutende Industrien entwickelt haben. Zu diesen bevorzugten Orten gehört auch die achtzehn Kilometer nördlich von Weimar, zwischen dem Ettersberg und der Finne gelegene Stadt Buttstädt. Zwar eine Industrie kann man es gerade nicht nennen, was dieser Stadt Bedeutung unter ihren Schwestern verliehen hat. Der Klang ihres Namens geht aus von ihren altberühmten Roßmärkten, welche als eine Centralstelle für den Pferdehandel in Thüringen und Mitteldeutschland in bestem Rufe stehen und auch von Käufern aus entfernteren Gegenden zahlreich besucht werden. Sie stammen in der That aus unvordenklichen Zeiten und ihre Entstehung läßt sich mit Gewißheit gar nicht mehr feststellen. Eine Urkunde aus dem Jahre 1408, in welcher der Stadt ihre Marktgerechtigkeit bestätigt wird, besagt, daß diese Märkte „wie von alters her“, so auch künftig abgehalten werden dürfen; wir werden also in eine sehr ferne Vergangenheit zurückverwiesen.

So standhaft nun diese Märkte alle Zeitenstürme überdauert haben, so ist doch in einem Punkte eine wesentliche Wandlung mit ihnen vorgegangen.

Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß in früheren Jahrhunderten das Pferd ein Luxusgegenstand war, dessen Besitz sich nur wohlhabende Leute gestatten konnten, daß die Felder nur von Ochsengespannen bestellt und Wagenlasten bei dem fast gänzlichen Mangel an Kunststraßen ebenfalls vorwiegend von den gehörnten Zugthieren fortbewegt wurden, so dürfen wir uns nicht wundern, daß die Buttstädter Märkte in älterer Zeit weniger mit Pferden, als mit Ochsen beschickt wurden. Der Antrieb war aber ein so bedeuteter, oft bis zu 20 000 Stück, daß die Stadt, die einen großen Theil ihrer Felder zur Abhaltung der Märkte einräumen mußte, aus der Abgabe von zwei Pfennig für das Stück eine nach dem damaligen Werth des Geldes recht bedeutende Einnahme erzielte.

Aber nicht die Stadtkasse allein, sondern auch der größte Theil der Bürgerschaft betrachtete die Märkte als eine willkommene Gelegenheit zu einem stattlichen Verdienst, denn die zahlreich zusammenströmenden Menschen, Viehbesitzer, Treiber, Käufer und fahrendes Volk aller Art brauchten Wohnung, Verpflegung, Futter für das Vieh und allerlei andere nothwendige Gegenstände, welche denn auch in der Stadt reichlich zu haben waren. Aus diesem Bedürfniß heraus haben sich ansehnliche Industrien, wie Gerbereien, Seilereien, Sattlereien, vor allen Dingen aber Logier- und Gastwirthschaften entwickelt.

Nach alledem ist es sehr erklärlich, daß die Stadt eifrig bemüht war, sich ihre Privilegien zu erhalten und gegen nachbarlichen Wettbewerb nachdrücklich zu vertheidigen. Wiederholt wurde der regierende Herzog, einmal sogar Kaiser Karl V. angerufen, daß er einigen Nachbarstädten, welche es den Buttstädtern gerne nachmachen wollten, den Vieh- und Pferdehandel untersage. Und da Buttstädts Vorrecht, zwischen Saale und Unstrut allein derartige Märkte abhalten zu dürfen, über allen Zweifel erhaben war, so hatten diese Einsprachen in der Regel Erfolg; die Buttstädter besaßen damit eine recht bequeme Quelle der Wohlhabenheit und brauchten für den folgenden Tag keine sonderliche Sorge zu tragen.

Der Dreißigjährige Krieg aber machte, wie so vielen anderen, auch den Buttstädter Märkten ein Ende, denn die Ochsen waren während desselben im wahren Sinne des Wortes den Weg alles Fleisches gegangen und die Pferde von den Soldaten entführt worden. Es läßt sich lebhaft denken, daß die während des unseligen Krieges gänzlich verarmten Buttstädter mit Wehmuth ihrer früheren reichlichen, nunmehr versiegten Einnahmequelle gedachten und mit ihrem ganzen Sinnen und Trachten bestrebt waren, sich dieselbe wieder zu erschließen. Wie sie es gemacht haben, ist uns nicht überliefert, aber daß es ihnen gelungen ist, ihren Marktort nach und nach wieder in Aufnahme zu bringen, beweist die Gegenwart. Nur ist aus dem ehemals berühmten privilegierten Ochsenmarkt ein Pferdemarkt geworden, der sich trotz wesentlich ungünstigerer Bedingungen bis heutigen Tages erhalten hat.

Zu den drei uralten Märkten, zu Johannis, Michaelis und Allerheiligen, wurde der Stadt aus fürstlicher Gnade nach einem großen Brandunglück im Jahre 1684 ein vierter Markt, zu Fastnacht, gewährt; nach der Schlacht bei Jena-Auerstädt, welche auch der Stadt Buttstädt viel Schaden zugefügt hatte, bekam dieselbe das Recht, einen fünften Markt um Ostern zu veranstalten, und der neuesten Zeit war es vorbehalten, gleich zwei neue Märkte den fünf alten zuzufügen, so daß nunmehr jährlich sieben Pferdemärkte zu Buttstädt stattfinden, mit welchen fünf Krammärkte verbunden sind.

Wenn nun auch die jetzigen Roßmärkte mit den früheren Ochsenmärkten in Bezug auf die Zahl der angetriebenen Thiere kaum verglichen werden können, so sind sie in Anbetracht dessen, daß von Privilegien keine Rede mehr ist und daß auch in vielen anderen Städten Nord- und Mitteldeutschlands recht besuchte Pferdemärkte abgehalten werden, doch immer noch so [557] bedeutend, daß sie unsere Beachtung reichlich verdienen.

Vor dem Kauf.

Für Pferdeliebhaber, oder wer sonst gezwungen ist, zu wirthschaftlichen oder gewerblichen Zwecken sich auf den Pferdehandel zu begeben, wird es immerhin von Werth sein, auf den Plätzen der Stadt 2- bis 3000 Pferde jeder Rasse und jeden Alters wohlgeordnet zum Verkauf aufgestellt zu finden. Da sind sie alle beisammen: das feurige ausdauernde ostpreußische Reitpferd, der elegante mecklenburger Karossier, das schwere dänische und das noch schwerere Ardenner Zugpferd, der gedrungene Percheron, der feingegliederte, langmähnige Russe und der ausdauernde, stahlsehnige Ungar, nicht zu gedenken der Unmasse einzelner Gebrauchspferde, welche aus der Nähe und Ferne von Privatbesitzern zu Markt gebracht werden. Es begegnen sich hier die Händler aus Belgien und Rußland, Dänemark und Ungarn, Ostpreußen und Mecklenburg, Holstein und Hannover, ein jeder mit der Absicht, nicht nur zu verkaufen, sondern auch zu kaufen, seine eigenen Bestände zu ergänzen und dann andere Plätze damit aufzusuchen. Und dies ist das eigentlich Bezeichnende an den Buttstädter Roßmärkten, sie sind eine große Pferdemesse, in welcher die Händler ganz stillschweigend unter sich Geschäfte machen, von denen das Publikum meist gar nichts gewahr wird. Es geschieht das meist schon vor dem eigentlichen Markt, da die größeren Pferdehändler oft schon acht und mehr Tage vorher mit ihren Koppeln anlangen, um ihren Pferden nach oft langer und anstrengender Eisenbahnfahrt einige Erholung angedeihen zu lassen und sie wieder ein wenig herauszufüttern. Die Besitzer von Fohlen, welche zu den Herbstmärkten in großer Menge aus Belgien, Dänemark und Holstein erscheinen, treffen oft schon mehrere Wochen vor dem Markte ein, pachten sich Wiesen und schicken die jungen Thiere auf die Weide, damit sie sich von der langen Reise erholen können und ein möglichst gutes Ansehen erhalten.

Da in früheren Jahrhunderten die Stadt bedeutend kleiner war als heute, zudem mit Mauern, Wällen und Gräben umgeben, so mußten die Massen zugetriebenen Viehes mit ihren Treibern und Wächtern im Freien lagern, und es mag Mühe genug gekostet haben, Ordnung in dieses Gewoge zu bringen. Heute ist das anders. Jeder Bürger der Stadt hat das Recht, während der Märkte Fremde aufzunehmen und Gastwirthschaft zu betreiben; und da von diesem Rechte hinreichend Gebrauch gemacht wird, so ist das Bedürfniß nach Wohnung und Stallung jederzeit vollkommen gedeckt. Unter diesen sogenannten „Jahrmarktswirthen“ giebt es Leute, die ihre Grundstücke ausschließlich zur Aufnahme der Marktbesucher gasthofartig eingerichtet haben und von denen einige Stallungen besitzen, in welchen fast zweihundert Pferde untergebracht werden können. Wenn nun auch der vorhandene Raum nicht an jedem Markte besetzt ist – denn es giebt gute und schlechte Märkte, wie die Zeit- und Witterungsverhaltnisse es mit sich bringen – so hat so ein Jahrmarktswirth doch sein gutes Auskommen, und es ist kein Wunder, wenn er sein eigentliches Gewerbe schließlich an den Nagel hängt und von seinen Markteinnahmen ein beschauliches und behagliches Dasein führt.

Aber auch viele arme Leute aus der Stadt sehen der Wiederkehr des Marktes mit Sehnsucht entgegen, da ihnen daraus ein sehr willkommener Verdienst erwächst; die Männer treten bei den Jahrmarktswirthen als Hausknechte und Futtermeister ein, wobei, wenn das Glück günstig ist, recht ansehnliche Trinkgelder abfallen, während die Frauen zur Bedienung der Gäste angenommen werden oder sonst einen kleinen Handel auf eigene Rechnung treiben.

Merkwürdigerweise ist der Tag vor dem Markte, der sogenannte „Einzugstag“, für den Pferdeliebhaber der lohnendste. Ist das Wetter gut, dann bringen die Händler ihre Pferdekoppeln gegen Mittag auf den sehr geräumigen Marktplatz hinaus, der mit schönen alten Kastanienbäumen umgeben ist und genügend Schatten bietet, und hier hat man, da das Gedränge noch nicht so groß ist, hinreichend Muße und Gelegenheit, die schönsten Pferde aller Rassen zu betrachten und zu bewundern. Es ist dies eine Art Vorparade, bei welcher die Händler sich gegenseitig ihre Ware zeigen und viele Geschäfte untereinander abschließen.

Am frühen Morgen des eigentlichen Jahrmarktstages füllt sich der große Roßplatz und seine nächste Umgebung mit Pferdekoppeln und einzelnen zum Verkauf gestellten Pferden, alle nach Buttstädt führenden sieben Chausseen sind mit Wagen, Reitern und Fußgängern überfüllt, die alle einem Ziele entgegenströmen. Die an der Stadt vorüberführende Saale-Unstrutbahn hat Extrazüge eingelegt und führt Ströme von Menschen herbei, Geschäftsleute aller Art, Käufer und Verkäufer, Künstler und Schaulustige, harmlose Landleute und abgefeimte Taschendiebe aus den Großstädten, welche mit Vorliebe derartige Gelegenheiten mit Proben ihrer Fingerfertigkeit zu beehren pflegen.

Dieser gesamte Menschenmischmasch wimmelt nun durcheinander, ein jeder hat die beste Absicht, möglichst gute Geschäfte zu machen oder sich nach Kräften auf Kosten seines Geldbeutels zu belustigen.

Bei der „Vorparade“.

Der Pferdehandel ist bereits im besten Gange. Die Koppeln, d. h. eine Anzahl aneinandergebundener Pferde, werden langsam im Kreise herumgeführt, in dessen Mitte eine Schnapsverkäuferin mit ihrem kleinen Tische Posto gefaßt hat; Käufer und Verkäufer trinken sich hier gegenseitig Muth zu, und ist ein Geschäft zustande gekommen, so wird hier der Kaufpreis erlegt, wovon natürlich für die Tischbesitzerin ebenfalls eine Kleinigkeit abfällt. Dort kurbettieren einzelne Reiter, um einen Kaufliebhaber anzulocken und ihm möglichst glaubhaft zu machen, der Gaul sei echtes Vollblut, während andere Verkäufer ihre Pferde vor einen Wagen gespannt haben und damit, soweit der Raum dies gestattet, wie toll umherjagen, um zu zeigen, was ihre Thiere leisten können.

Mit dem Pferdehandel ist das so eine eigene Sache, und wer damit zu thun gehabt hat, wird dies gewiß bestätigen können. Es giebt Leute, die sonst ganz ehrenwerth sein mögen, aber bei einem Pferdegeschäft sich nicht genieren, ihren eigenen Bruder übers Ohr zu [558] hauen – das ist eine alte Geschichte und sie wird wohl immer so bleiben; der Doppelsinn des Wortes „Roßtäuscher“, womit man in früheren Zeiten den Pferdehändler bezeichnete und das man ebensowohl von „tauschen“ wie von „täuschen“ ableiten kann, ist gewiß kein zufälliger. Freilich muß man hierbei einige Unterschiede machen; der große Pferdehändler, welcher oft mit einem Material im Werthe von 20- bis 30.000 Mark auf den Platz kommt, betreibt seinen Handel selbstverständlich anders als der Zigeuner, welcher mit drei bis vier auserlesenen Schindmähren antritt, die in ihrer frühesten Jugend vielleicht einmal ausrangierte Artillerie- oder Kavalleriepferde gewesen sind.

Aber jede Ware findet ihren Herrn – und selbst der Roßschlächter ist auf dem Platze, um seine Einkäufe zu machen.

Die Macht der Ueberredung.

Es kommt höchst selten vor, daß Verkäufer und Käufer unmittelbar miteinander verhandeln; das ganze Geschäft wird von Kommissionären, sogenannten „Schmusern“, besorgt, deren hauptsächlichste Tugend ein unbesiegbares Mundwerk sein muß, welches beide Theile genügend zu bearbeiten versteht. Es ist selbstverständlich, daß diese Leute, welche mit den Händlern von einem Markt zum anderen ziehen, stets zum Vortheil dieser reden und handeln; ihre Hauptaufgabe aber ist es, einen Ton der Treuherzigkeit und Unparteilichkeit anzuschlagen, der das Vertrauen des Opfers gewinnen soll, namentlich wenn dasselbe ein fremder und in derartigen Geschäften unbewanderter Mann ist. Dies gilt nicht nur beim Verkauf, sondern auch beim Kauf eines Pferdes, denn es handelt sich nicht immer darum, jemand ein Pferd aufzuschwatzen, sondern auch oft darum, es seinem Besitzer abzuschwatzen.

Das abgeschlossene Geschäft wird durch gegenseitigen Handschlag besiegelt, und es ist höchst spaßhaft, mit anzusehen, wie der Schmuser diesen Handschlag während des Handels zu erzwingen sucht. Er bietet oder fordert, je nachdem es sich um Kauf oder Verkauf dreht, einen gewissen Preis, bemächtigt sich der Hand des Gegners und versucht in dieselbe einzuschlagen, dieser aber, dem der Preis noch nicht zusagt, zieht seine Hand schleunigst zurück, und der eifrige Schmuser schlägt in die Luft. Und nun geht das Reden und Schwören und Bieten von neuem los – wieder ein Handschlag in die Luft, wieder nichts, bis endlich beide einig werden, an den Zahltisch treten und ihre durch die Anstrengung ihrer Redewerkzeuge erschöpften Lebensgeister durch einige Schnäpse wieder auffrischen.

Seit einer Reihe von Jahren gehören auch die Zigeuner zu den Stammgästen der Roßmärkte. Sie erschienen plötzlich in größeren Massen mit Weibern, Kindern und ihren mit allerlei Plunder beladenen Wagen und machten sich in ihrer bekannten höchst Unbefangenen und unverschämten Weise bemerklich, lagerten sich in der Nähe des Roßplatzes, auf den Feldern und Wiesen, zündeten ohne Rücksicht auf die Feuersicherheit der Umgegend ihre Feuer an, schickten Weiber und Kinder zum Betteln in die Stadt, trieben des Nachts ihre halbverhungerten Pferde auf Wiesen und Kleefelder und statteten den Kartoffeläckern ihre sehr unliebsamen Besuche ab. Es hat viel Mühe gekostet, diesen Horden klarzumachen, daß auch sie die Gesetze zu respektieren haben, aber sie sind nunmehr belehrt und betragen sich im allgemeinen ruhig und anständig. Ihr Haupterwerbszweig, der Pferdehandel, muß in der That sehr einträglich sein, denn sie zeigen bei jeder Gelegenheit viel Geld, behängen ihre Frauen mit auffallendem Geschmeide und Putz und vertrinken bei ihren Weingelagen, bei welchen es ihnen mehr auf die Menge, als auf die Güte des Getränks anzukommen scheint, oft große Summen.

Der letzte Kampf.

Wer die Roßmärkte seit längeren Jahren kennt, findet stets alte bekannte typische Gesichter heraus. Da ist der schlaue Handelsmann, der alles kauft und verkauft, wobei etwas zu verdienen ist, und der auf keinem Markte fehlt; da wandert ferner der bankerotte ehemalige Cirkusbesitzer mit den Händen in den Hosentaschen umher und späht nach seinen ihm vor kurzer Zeit abgepfändeten Pferden. Ha, es ist alles vorbei! Da zieht ein Händler mit dem „unübertroffenen Springpferd Almansor“ von dannen und dort wandert mit gesenktem Haupte das Apportierpferd „Miß Cora“ hinter einem Roßschlächter her – sic transit gloria mundi! Da ist auch der „Herr Baron“, mit schäbiger Eleganz gekleidet, den Klemmer auf der Nase und die scheinbar mit Silber beschlagene Reitpeitsche in der Hand. Ach, er hat früher bessere Tage gesehen und seines Vaters „goldene Füchse“ wenn auch nicht, wie der lange Peter von Itzehoe, in einer einzigen Nacht, so doch in recht kurzer Zeit durchgebracht. Er träumt sich jetzt in seine schöne Vergangenheit zurück. Einst war er Pferdeliebhaber und hat wacker gekauft und verkauft – die Zeiten sind vorbei, die Passion aber ist geblieben. Und so handelt er fortgesetzt eifrig um Pferde, wird nur merkwürdigerweise niemals handelseinig und giebt schließlich kopfschüttelnd das Geschäft auf, indem er auf die heutigen hohen Pferdepreise schilt. So hat jedes Thierchen sein Plaisirchen!

Daß es auf diesen Roßmärkten an Schaubuden aller Art nicht fehlt, ist selbstverständlich, wie auch in den Gasthäusern die Muse des Gesanges in Kostümen aller Art, reichlich vertreten ist; dies hindert aber nicht, daß sich die im Freien befindlichen Resteurationsbuden, in welchen die Rostbratwurst als echtes Thüringer Kind vorherrscht, ebenfalls zahlreicher Gäste erfreuen. Weißt du, sehr geehrter Leser, was eine Rostbratwurst ist? Das ist eine Bratwurst, welche auf einem über glühenden Holzkohlen liegenden eisernen Rost gebraten wird und deren Zubereitung du, wenn der Wind danach steht, schon aus weiter Ferne zu ahnen vermagst. Wenn du einmal in einem Luftballon über die deutschen Länder dahinschwebst und du hast die Orientierung verloren und es steigt [559] dir von unten her ein qualmender Dampf und ein merkwürdiger brenzliger Fettgeruch in die Nase, dann kannst du mit Sicherheit darauf schwören, daß du dich oberhalb Thüringens befindest; Denn ein Jahrmarkt, eine Kirmes oder sonst ein Volksfest ohne Rostbratwürste gehört hier zu den Unmöglichkeiten.

Alte Kunden.

Ob die Geschäfte gut oder schlecht gehen, das merkt der erfahrene Zuschauer sehr bald an der mehr oder weniger frühzeitigen Abnahme des Pferdebestandes auf dem Marktplatz, der häufig schon gegen Mittag sich zu leeren beginnt. Früher war dies nicht der Fall und der Markt wurde dann noch einen zweiten Tag fortgesetzt; die Menschheit hatte eben damals mehr Zeit als heute. Die leidige Eisenbahn aber mit ihren pünktlich abgehenden Zügen läßt ihre Lokomotiven ganz in der Nähe pfeifen und jeder Pfiff mahnt zur Eile, weshalb man denn auch bald die Koppeln der Händler dem Bahnhof zustreben sieht, um dort verladen zu werden. Gegen drei Uhr nachmittags ist der weite Platz, der noch vor wenig Stunden von Menschen und Rossen wimmelte, still und leer und nur noch in einigen abgelegenen Winkeln wird um einige Andalusier letzter Güte mit Wortschwall und heftiger Leidenschaft geschachert und geprachert. Endlich sind auch diese Geschäfte erledigt und, der erkauften Schätze froh, zieht alles von dannen, um in einem der vielen Wirthshäuser Erholung und Stärkung von des Tages Last und Arbeit zu suchen.

Der Buttstädter aber freut sich, wenn wieder ein guter Markt vorüber ist, und rechnet sich bereits in Gedanken aus, wann der nächste stattfindet, denn von den Märkten hängt ja sein ganzes Dasein ab – er lebt davon, wie seine Vorfahren davon gelebt haben. Und wenn dann am nächsten Tage der Bürgermeister mit dem Kämmerer Kasse macht und die für den städtischen Haushalt so nothwendige Einnahme feststellt, dann vereinigen auch sie sich in dem gemeinsamen stillen Wunsche für das fernere Blühen und Gedeihen ihrer altehrwürdigen Pferdemärkte.