Boetticher:Wislicenus, Hermann

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Wisinger-Florian, Olga Malerwerke des neunzehnten Jahrhunderts – Zweiter Band (1901) von Friedrich von Boetticher
Wislicenus, Hermann
Wislicenus, Hans
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[1029] Wislicenus, Hermann, Historienmaler, geb. zu Eisenach am 20. Sept. 1825, gest. zu Goslar, wo er nach Vollendung seiner dortigen Gemälde seinen Wohnsitz genommen, am 25. April 1899 im 74. Lebensjahre, trat in seinem 19. Jahre in die Kunstakademie zu Dresden, wo er sich anfangs Bendemann, dann Jul. Schnorr anschloss. Nach einem Studienaufenthalt in Italien 1853–57 liess er sich als Hilfslehrer an der Kunstschule in Weimar nieder, folgte aber 1868 dem Ruf als Professor an die Akademie zn Düsseldorf. Durch den Brand des dortigen Akademie-Gebäudes in der Nacht zum 20. März 1872 verlor er nicht nur seine sämmtlichen Studien, sondern auch mehrere halbvollendete Gemälde. Dagegen errang er bei Concurrenz-Ausschreibungen wiederholt Preise mit Uebertragung der Ausführung. Die bedeutendste Aufgabe wurde ihm jedoch zuteil, als nach der 1875 ausgeschriebenen Wettbewerbung die Ausschmückung des grossen Kaisersaales zu Goslar 1877 ihm anvertraut wurde, eine 1879 begonnene, mit Hilfe seiner Mitarbeiter Weinack u. Strecker nach langjähriger Tätigkeit vollendeten Composition. Wislicenus war seit 1861 Ehrenmitglied der Dresd. Akademie, seit 1869 Director der Akad. zu Düsseldorf.

I. Oelgemälde.[Bearbeiten]

1. Abundantia und Miseria (Ueberfluss u. Elend). Bez: Wislicenus. h. 1,76, br. 1,93. E: Galerie Dresden. Die Kreidezeichnung besitzt das Städt. Museum zu Leipzig. Cartonstich von W. Unger. gr. qu. fol.
2. Die Phantasie von den Träumen getragen. Bez: H. W. h. 2,18, br. 1,44. E: Galerie Schack, München.
3. Caritas. 1857. Gest. von J. Felsing. gr. qu. fol.
4. Weiblicher Kopf. E: Dionys Pruckner in Stuttgart.
5. Germania. Bez: H. Wislicenus. E: Carl Westberg in Riga, der das Bild 1871 als Seitenstück zu Carl Sohn’s „Loreley“ bestellte. Dieses erste, fast vollendete Gemälde des Gegenstandes ging beim Brande der Ddorfer Akad. im März 1872 zu Grunde. Die Wiederholung wurde zu Anfang des Jahres 1874 vollendet.
6. Entwurf zu einem Theatervorhang für das neue Hoftheater zu Dresden. Apollon auf seinem von zwei weissen Rossen gezogenen Wagen emporgehoben. In den Wolken die Parzen im Schutze der Zeit, einer geflügelten Gestalt mit dem Schwert in der Rechten, dem Lorbeerkranz in der Linken. Rechts in schwebenden Gestalten die Tugenden, links die Laster. Vorn links Mephisto, rechts Held u. Heldin der Tragödie h. 1,455, br. 1,36. Bei der Concurrenz prämiirt. E: Galerie zu Dresden.
7.–10. Die vier Jahreszeiten. Vier allegorische Figuren von je h. 2,74, br. 1,49. Der „Lenz“ u. der „Sommer“ bez: H. Wislicenus 1876, der „Herbst“ u. der „Winter“ bez. mit dem Monogramm HW 1877. Wiederholungen der beim Düsseldorfer Akademiebrande 1872 untergegangenen Gemälde, E: National-Galerie Berlin, nach Bestellung angekauft 1876 u. 1878. „Lenz“ u. „Sommer“ waren bei Schulte in Ddf. 1876, „Herbst“ u. „Winter“ 1878 ausgestellt. Der „Sommer“ befand sich auf der intern. KA. zu München 1883.

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11. Die heil. Elisabeth Almosen spendend.
12. Eine Apotheose, ein fast vollendetes Gemälde, das beim Brande der Ddorfer Akad. in der Nacht zum 20. März 1872 vernichtet wurde.
13. Der Rhein. Ein fast vollendetes Gemälde, das beim Brande der Ddorfer Akademie 1872 zu Grunde ging.

II. Zeichnungen, Aquarelle.[Bearbeiten]

1. Ueberfluss und Elend. Carton, gez. unter Schnorr’s Leitung. – Dresd. ak. KA. 49 u. 53; Münch. deutsche allg. u. histor. KA. 58. h. 1,73, br. 1,90. E: Städt. Museum Leipzig, Geschenk des Dr. Platzmann-Beyer 1861.
2. Faust u. Gretchen. Zeichn. – Dresd. ak. KA. 51.
3. Der Herbst. Zeichnung. – Dresd. ak. KA. 53.
4. Der Sommer. Ausruhende weibl Gestalt mit Sichel. An sie lehnen zwei Kinder mit Blumen. Zeichnung. Radirt von W. Unger. Bez: H. W. 53. Durchm. 0,33.
5. Landgraf Ludwig der Springer, der Erbauer der Wartburg. Farbiger Carton.
6. König Lear. Der König, von seinen Töchtern verstossen, gelangt, nachdem er bei Nacht u. Unwetter auf der Haide umhergeirrt, an Edgar’s Hütte. Act. III, Scene 2.
5 u. 6 Kölner allg. d. u. histor. KA. 61.
7. Der Prometheus-Mythus. Cyclus von Compositionen in architektonischer Umrahmung. Aquarell. h. 1,14, br. 2,50. E: Städt. Museum zu Leipzig. Geschenk von Kunstfreunden 1862.
8. Ruhmeshalle deutscher Dichter (1740–1840). Kohlezeichnung. h. 3,14, br. 3,88. Bez: H. Wislicenus fec. 1863. Weimar. E: Museum Weimar, Geschenk von Fr. Bruckmann in München.
9. Die Deukalionische Flut als Wendepunkt der Titanenherrschaft und der olympischen Weltordnung. Entworfen als Lösung der von der Deutschen Goethe-Stiftung im J. 1865 gestellten Preisaufgabe einer Composition: „Der Mensch im Kampfe mit den Elementen“. Kohlezeichnung. h. 3,23, br. 3,90. Preisgekröntes Werk u. Eigentum der Deutschen Goethe-Stiftung. Aufbewahrt im Museum zu Weimar.
10. Kritik, Publicum, Malerei u. Kennerschaft. In einer Gruppe von vier Kindergestalten. Zeichnung. Im Holzschnitt in „Zeitschrift f. bild. Kunst“ 1867.
11. Scenen aus Romeo u. Julia. Carton.
12. Das Götterbachanal. Carton zu einem Fresko im Speisesaal des römischen Hauses in Leipzig. – Münch. int. KA. 69.
13. Musicirende Engel. Carton zu einem Fresco in der Schlosscapelle zu Weimar.
11–13 auf der perman. KA. zu Eisenach 1868.
14.–17. Ver, Aestas, Auctumnus, Hiems. Vier Aquarelle. E: Samml. der Handzeichnungen zu Dresden, Stiftung Dr. Müller’s. Eine erste Composition der „Vier Jahreszeiten“, vier für einen amerikan. Kunstfreund bestimmte, fast vollendete Gemälde, ging beim Brande der Ddorfer Akad. 1872 zu Grunde. Die Bilder „Aestas“ u. „Auctumnus“ hat Th. Langer in Kupfer gestochen. Rund. gr. fol. 1867.
18. Linke Seitengruppe zu einem Theatervorhang. Carton: „Mephistopheles mit den Leidenschaften (Neid, Geiz, Stolz, Zorn, Rachsucht, Eifersucht, Sinnenlust u. Torheit) als bewegenden Kräften des Dramas. – Berl. ak. KA. 74; Ddfer Ausstell. des KV. für Rheinl. u. W., Sommer 74.
19. Walpurgisnacht. Federzeichnung. Aus der Samml. des 1874 zu Dresden verstorbenen Otto Böhme auf der Dresd. Aquarell-A. neuerer Künstler 1877.
20. Allegorie. Aquarell. – Dresd. Aquarell-A. 77.
21. Ein Theatervorhang. Allegor. Composition nach den Worten Egmont’s (II., 2): „Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht, gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unseres Schicksals leichtem Wagen durch. . . .“ Aquarell. h. 0,74, br. 0,98. E: Liszt-Museum Weimar.
22. Ein Entwurf: „Frühling, Sommer, Herbst, Winter,“ Bleizeichnungen, wurde 1894 für die Berl. Nat.-Galerie angekauft.
23. Christus mit der Dornenkrone. Holzschnitt von A. Gaber. fol.
24. Cartons mit den Hauptmomenten der Geschichte der deutschen Kunst. Für das Treppenhaus des Museums zu Weimar bestimmt, doch nicht zur Ausführung gelangt.
25. Psyche in der Schule des Amor. Bleistiftzeichnung. Im Weimarer Künstler -Album 1859–61.
26. Carton: Cornelia u. die jungen Grachen.
27. Carton: Bontus, seine Söhne zum Tode verurteilend. In Temperafarben ausgeführt im römischen Hause zu Leipzig.

III. Wandgemälde.[Bearbeiten]

1. Die Brustbilder der vier Evangelisten in der zu Weimar neu erbauten Begräbnisskapelle der Grossfürstin Maria Pawlowna, in Tempera auf Goldgrund u. ein Christuskopf in der Höhe de Kuppel. 1862.
2. Die Ausschmückung des grossen Saales im Kaiserhause zu Goslar. Bildercyclus, welche sich auf eine Längswand, zwei schmale Seitenwände u. die Fensterwand verteilt. Das Mittelbild der Hauptwand ist eine Darstellung der Wiederaufrichtung des deutschen Kaiserreiches, während Nebengemälde Episoden aus der Geschichte des alten Reichs u. der Geschichte Goslar’s, kleinere Bilder Scenen aus deutsches Sagen u. Märchen schildern. Der Südliche Flügel der Hauptwand enthält folgende grössere historische Darstellungen:
1) Erbauung der Villa in Goslar unter Heinrich II. (1002–1024).
2) Heinrich II. (der Heilige) empfängt mit seiner Gemahlin Kunigunde die Kaiserkrone in der alten Peterskirche zu Rom von Papst Bendict VIII. am 14. Februar 1014.
3) Erbauung des Kaiserhauses unter Heinrich III. um 1050.
4) Heinrich III. (der Schwarze) führt Papst Gregor VI. gefangen nach Deutschland. Im Vordergr. der Caplan Hildebrand, der spätere Papst Gregor VII. 1047. Abb. „Kunst f. Alle“ 1889.
5) Die Fürsten schwören an der Wiege Heinrich’s IV. diesem Treue im Kaiserhause zu Goslar. Weihnacht 1050.

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6) Heinrich IV. im Banne wird von den Bürgern der Stadt Mainz aufgenommen. 1106.
7) Heinrich V. vom Blitz getroffen im Kaiserhause zu Goslar. (1107).
Der nördliche Flügel der Hauptwand enthält:
1) Konrad III. spricht Heinrich dem Stolzen, der die Kaiserwürde für sich beansprucht hatte, Bayern ab. Im Kaiserhause zu Goslar, 7. März 1138.
2) Kaiser Barbarossa bittet Heinrich den Löwen in Chiavenna fussfällig um seinen Beistand im Kampfe gegen Oberitalien. 1176.
3) Barbarossa belehnt Heinrich den Löwen (Sohn Heinrich’s des Stolzen) mit Bayern, im Kaiserhause zu Goslar. 1154.
4) Barbarossa als Sieger im dritten Kreuzzug in der Schlacht bei Iconium. 1190. Abb. „Kunst f. Alle“ 1889.
5) Friedrich II. versöhnt sich mit Heinrich dem Langen, dem Sohn Heinrich’s des Löwen, und empfängt die Huldigung für die welfischen Lande. 1218.
6) Friedrich’s II. glänzender Hof zu Palermo, wo er die dargebrachten Geschenke des ihm befreundeten Sultans in Empfang nimmt.
7) Das Kaiserhaus zu Goslar als Ruine nach dem Brande im 13. Jahrh.
Eine grosse Zahl von Zwischenbildern behandelt die denkwürdigsten Episoden während der Regierung der genannten Kaiser. Abbild. des Hauptgemäldes in „Ueber Land u. M.“ 1884 u. „Kunst f. Alle“ 1889.
Anfang des Jahres 1893 waren nur noch zwei Felder, das eine an der Südlichen, das andere an der Nördlichen Giebelwand des Kaisersaales bilderfrei. An der südlichen sollte die christliche Kaiserzeit unter Karl d. Gr. durch „Die Zerstörung der Irmensäule“, auf der nördlichen „Karl V. u. Luther auf dem Reichstage zu Worms “ dargestellt werden. Mit letzterer Composition betrat W. den Boden der Reformation, auf dem ja das neue deutsche Reich erstand. Das Jahr 1895 fand ihn u. seinen Mitarbeiter Weinack in voller Tätigkeit. Die Vollendung des grossen, 1879 begonnenen Werkes erfolgte erst 1899.
Vgl. „Erklärungstafel zu den vom Historienmaler Professor Wislicenus zu Düsseldorf unter Mitwirkung des Malers Weinack in den Jahren 1879–1890 gemalten Wandgemälden im Kaiserhause zu Goslar. Zusammengestellt von A. Behr“. Goslar 1890.
3. Das Götterbacchanal. Deckengemälde für das Haus des Dr. Friederici in Leipzig. In Weimar entstanden.