Briefe aus Persien

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Textdaten
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Autor: Literary-Gazette
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Titel: Briefe aus Persien
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 113; 118; 120.121 S. 449-450; 471-472; 477-478; 484
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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[449]

Briefe aus Persien.

Jede Nachricht über den Zustand von Persien muß in diesem Augenblicke, wie der Abschluß des Friedens mit Rußland dieses merkwürdige Land dem europäischen Interesse näher gerückt hat, als dieß seit den Zeiten des macedonischen Alexanders der Fall war, uns besonders willkommen seyn; um so angenehmer ist es uns, daß die neueste Numer der Literary Gazette uns in den Stand setzt, unsern Lesern eine Correspondenz aus Tauris über die Begebenheiten vom 24ten Oct. bis zum 25ten Nov. des vor. Jahrs mittheilen zu können, die uns äußerst characteristisch zu seyn scheint. Der Herausgeber des genannten englischen Journals bemerkt bei dieser Gelegenheit, daß andere Briefe aus St. Petersburg, wie von der persischen Grenze, die er erhalten habe, die wichtigsten Aufschlüsse über die neuesten Ereignisse gäben, und er bedaure, daß es ihm nicht erlaubt sey, dieselben in ihrem Detail bekannt zu machen. Alles beruhe indessen auf dem persönlichen Caracter des russischen Monarchen; und über diesen stimmen alle Urtheile auf das rühmlichste überein. „Der Kaiser,“ sagt ein Schreiben, „dessen Character wir in jeder Beziehung mehr als gewöhnliche Achtung schuldig sind, der Kaiser wird wahrscheinlich eine glückliche Regierung haben; gewiß verdient dieß nie ein Fürst in höherem Grade. Seine Gesinnungen sind so groß und edel, und sein öffentliches, wie sein Privatleben so männlich, so würdig, daß er als das Muster eines Gentleman und Monarchen betrachtet werden kann. Diese Meinung ist nicht blos meine eigene, obwohl durch meine persönlichen Erfahrung bestätigt, sondern dieselbe, die ich von allen fremden Ministern höre, welche die strengsten Beobachter seines Benehmens sind und die ihn in Tagen der Gefahr, wie in Stunden des Vergnügens gesehen haben.“


Mittwoch den 24 October. Diesen Morgen kamen Briefe von Sofian, an den Aga Reza und andere Häupter der Abtheilungen (kud khudas) von Tauris; sie waren von den Söhnen des Häuptlings von Merand, Nussur Ali Khan, geschrieben und benachrichtigten die Bewohner dieser Stadt von dem beabsichtigten baldigen Vorrücken der russischen Macht, die vor einigen Tagen in den genannten District eingerückt war. Es wurde darin der Rath ertheilt, keinen Widerstand zu bieten; denn wenn die Einwohner sich ruhig verhielten, so würde weder ihr Leben, noch Eigenthum die geringste Gefahr laufen. Diese Brief wurden aufgefangen und dem Assuf ed Daulah (Premierminster) Ala yar Khan gebracht, der sogleich die Personen, an welche sie gerichtet waren, vor sich fordern ließ, und sie beschuldigte, den Feind in die Stadt eingeladen zu haben. Die Kud khudas wiesen diese Anklage in den stärksten Ausdrücken zurück; aber da der Inhalt der Briefe öffentlich bekannt wurde, so ward die Wirkung, welche sie wahrscheinlich hervorbringen sollten, hierdurch vollkommen erreicht. Später an demselben Morgen kam ein Ghollam des Schahs von Sofian. Er berichtete, daß eine starke russische Avantgarde in diesem Dorfe eingetroffen wäre, als er dasselbe verließ. Von diesem Augenblick an verbreitete sich die äußerste Unruhe durch alle Quartiere von Tauris. Die Einwohner der Vorstädte sah man herbeiströmen, um innerhalb der Mauern eine Zuflucht zu finden; während die Bürger in geringerer Anzahl aus denselben zu entkommen und das Weite zu gewinnen suchten. Furcht und Unruhe waren auf allen Gesichtern ausgedrückt. Die Nachricht von der Annäherung der russischen Armee verfehlte auch auf die Arrak- und Mazanderoun-Truppen nicht ihre Wirkung, die der Schah, 6000 Mann stark, zur Vertheidigung der Stadt bestimmt hatte. Man sah sie, ruhig ihr Vieh beladen und in kleinen Abtheilungen den Weg nach Teheran einschlagen. Diese Bewegung wurde bald allgemein und vor Mittag hatte beinahe das ganze Corps die Stadt verlassen; nur wenige von den Anführern und den Muthigsten ihrer Leute blieben noch darin zurück.

Ala yar Khan wurde erst spät von der Desertion seiner Truppen unterrichtet. Man glaubt, daß diese Unruhe durch die Drohungen der Einwohner von Tauris vermehrt wurde, welche außer dem alten Haß, den sie gegen die Bewohner der südlichen Provinzen nährten, noch einen anderen Grund hatten, auf die Beschleunigung des Abzuges ihrer Vertheidiger zu dringen, indem sie fürchteten, daß sie die Stadt entweder selbst plündern würden, ehe sie dieselbe verließen, oder sie durch eine nutzlose Vertheidung einer üblen Behandlung von Seiten der Russen aussetzen könnten. Als Ala yar Khan ihre Flucht erfuhr, konnte er nur einige von ihren Anführern und sein eigenes Gefolge ihnen nachsenden, um sie aufzuhalten. Im ersten Zorn gab er dem Volk von Tauris den Befehl, sie gleichfalls zu verfolgen und zu plündern. Kaum war dieß geschehen, als eine Anzahl der bewaffneten Bürger die Südländer, die noch auf ihrem Posten geblieben waren, angriff und des Ihrigen beraubte. Um ein Uhr waren nur noch Wenige von den 6000 übrig. Vierhundert wurden zwar zurück gebracht und in der Citadelle (Ark) eingeschlossen, um eine zweite Flucht zu verhüten; aber als man das Thor derselben, welches in die Stadt führt, verschloß, vergaß man lächerlicher Weise, daß das alte Gebäude noch ein zweites hatte, und aus diesem säumten sie denn nicht zu entwischen. Die Arraks waren meist zwischen den äußern und innern Mauern gelagert gewesen; bei ihrem übereilten Rückzuge ließen sie viele ihrer Zelte und [450] eine Menge Gepäck auf dem Platze zurück. In diesem Moment würden zwei Bataillons, zwei Compagnien Russen hinreichend gewesen seyn, um Besitz von der Stadt zu nehmen. Jetzt wurden die zwei Bataillons Schaggangrier, die in geringer Entfernung von der Stadt aufgestellt gewesen waren, in dieselbe gezogen und befehligt, die Thore zu besetzen. Ala yar Khan ging von Mann zu Mann, um sie zu ermuntern, treu und fest zu bleiben. Nur kurze Zeit wurde er mit Aufmerksamkeit gehört, dann ergossen sie sich in einen Strom von Scheltworten über ihn und einige warfen Steine nach ihm. Den ganzen Tag über herrschten die widersprechendsten Gerüchte; so daß z. B. allen Ernstes versichert wurde, Abbas Mirza würde noch vor Abend mit der ganzen Armee von Khory eintreffen. Seif al Malk Mirza war mit einer starken Abtheilung Cavallerie gegen Sofian gesandt worden, um zu recognosciren. Gegen Sonnenuntergang schien sich alles beruhigt zu haben; man glaubte, daß der Prinz bei der Brücke von Aschi – vier engl. Meilen von der Stadt – angekommen wäre und es wurde den Kud khudas befohlen, ihm entgegen zu gehen. Die Weiber des Prinzen wurden gestern in den Garten entfernt; auch die Civilautoritäten mit ihren Familien haben die Stadt verlassen.

Donnerstag den 25ten. Es hat sich gezeigt, daß die Nachricht von der Ankunft der russischen Truppen zu Sofian nur zu wahr war. Die vergangene Nacht hatten sie ihr Lager zu Suning Kurpi, zwölf Meilen von der Stadt. Früh am Morgen sah man ihr Hauptcorps heranrücken. Bei ihrer Ankunft an der Brücke von Aschi machten sie Halt und stellten sich in Schlachtordnung. Die Schaggangrier-Bataillons besetzten die Mauern auf dieser Seite der Stadt; die Artillerie, die vor wenigen Tagen auf die Bastionen und Thürme gebracht worden war, wurde geladen, die Thore wurden verwahrt. – Ala yar Khan erschien zu Pferde zwischen den inneren und äußeren Mauern; er versuchte seine Truppen zu ermuthigen und befahl die Kanonen abzufeueren. Nur drei – zwei mit Kartätschen, die andere mit einer Kugel geladen – wurden abgefeuert; ohne daß man sich übrigens die Mühe genommen hätte, sie auf die Marschlinie der Russen zu richten. Sie dienten nur als Signal für die persische Infanterie, die in der äußersten Geschwindigkeit aus der Stadt floh. –

Mir Fatha, das Haupt der Mollahs, eilte mit andern Priestern zur Stelle. Er verlangte von dem Assuf, er solle von ferneren Versuchen, den Zorn der Russen zu reizen, abstehen, da Widerstand unter den gegenwärtigen Umständen doch unmöglich sey; er möge daher nur seinen Posten aufgeben und seiner Wege gehen. Ala yar Khan zog sich darauf mit zwei Begleitern zurück und begab sich auf den Weg nach Teheran. Da die Thorschlüssel der Stadt verborgen gehalten waren, so befahl Mir-Fatha sie aufzubrechen. Darauf zog er an der Spitze der Priesterschaft und der angesehensten Einwohner dem General, Fürsten Arristaff, entgegen, um ihm die Stadt zu übergeben. Er fand die beste Aufnahme und erhielt die Zusicherung, daß alles Privateigenthum vollkommen respectirt werden sollte. Während das Hauptcorps vorrückte, hielt Fürst Arristaff mit den Generalen Pankratieff, Sacken, Oberst Mouravieff, dem Chef des Generalstabes und mehreren Uhlanen und Cosacken durch das Thor von Constantinopel seinen Einzug in die Stadt. Zuerst wurde das Arsenal besetzt und Maßregeln getroffen, um die darin aufgewahrten Vorräthe zu sichern. Fürst Arristaff und sein Gefolge ging darauf zu dem Palast, der vor ihrer Ankunft von den Merand’schen und Nukschiwanschen Reitern und dem Pöbel geplündert worden war. Außer Teppichen, Möbeln und Zelten war wenig darin zurückgeblieben; diese waren aber von bedeutendem Werthe.

Auf dem Hause des englischen Gesandten wehte die brittische Flagge; Major Monteith begab sich, begleitet von den übrigen Offizieren, die sich zu Tauris fanden, um drei Uhr des Nachmittags nach dem Palaste, um dem russischen General seine Aufwartung zu machen. Dieser empfängt sie sehr freundschaftlich. Major Monteith setzte den General davon in Kenntniß, daß sie zwar den Befehl erhalten, Tauris bei der Annäherung der russischen Armee zu verlassen, dieß zu thun jedoch unmöglich gefunden haben, wegen ihres unerwarteten Vorrückens und der allgemeinen Verwirrung, die darauf folgte. Er bat um eine Wache für den Fall, daß Unruhen in der Stadt ausbrechen sollten. – Die russischen Offiziere bezeugten insgesammt das größte Erstaunen darüber, daß sie bei ihrer Annäherung nicht den geringsten Widerstand gefunden hätten. Sie hatten erwartet, daß es zu einem harten Gefecht kommen würde, und statt dessen war außer den erwähnten drei Schüssen von beiden Seiten nicht ein Korn Pulver verbraucht worden. – Die Russen gingen, ohne die geringste Sorge, einzeln durch die Straßen; die Einwohner waren von einem panischen Schrecken ergriffen und beobachteten das tiefste Stillschweigen. Die Infanterie und die Artillerie der Armee wurde außerhalb der Mauern, dem Thore von Constantinopel gegenüber, aufgestellt; die regelmäßige und unregelmäßige Cavalerie nahm die Höhen diesseits des Aschi ein; auf die Brustwehren von dieser Seite der Mauern wurden Wachen gestellt, die Thore besetzt; ein Batallion war in das Schloß, ein anderes in den Palast gelegt worden. Gegen Sonnenuntergang kam eine Wache vor Oberst Macdonald’s (des Envoyé) Wohnung.

[471] Freitag den 26 Oct. Früh am Morgen erfuhr ich bereits, daß Ala yar Khan gefangen genommen worden war. Als er die Stadt verließ, schlug er anfangs die große Straße nach Teheran ein; aber – ob er die Lust verlor, sich dem Schah zu zeigen, oder ob er fürchtete, bei Tage erkannt und verfolgt zu werden – ehe er noch aus den Gärten hinaus war, suchte er eine Zuflucht in dem Hause von Mirza Dschabbur, einem frühern Vertrauten des Sirdar von Erivan. Unglücklicher Weise war dieser Mann ein Bekannter der Söhne des Khans von Merand, die sogleich von dem Platze, wo der Assuf verborgen war, unterrichtet wurden. Eine Abtheilung Kosacken wurde eilends abgesandt, sich seiner Person zu versichern. Ala yar Khan, als er das Haus umringt sah, versuchte Widerstand zu leisten und feuerte seine Pistolen ab; doch wurde er gefangen, ohne den geringsten Schaden gethan oder erlitten zu haben. Ohne Zweifel war er der Haupturheber dieses Krieges, und es ist wahrscheinlich, daß er auch der letzte gewesen seyn wird, der in demselben gefochten hat. –

Wir wurden unterrichtet, daß General Arristaff die brittischen Offiziere zwei Stunden vor Mittag in seinem Lager zu empfangen wünschte. Wir gingen dahin und fanden die Infanterie und eine Abtheilung abgesessener Cavalerie in einem hohlen Viereck aufgestellt, in dessen Mitte der Stab und andere Gruppen von Offizieren versammelt waren, um den General zu erwarten. Nach einer halben Stunde kam dieser aus seinem Zelt, und ging schnellen Schritts vor der Fronte eines jeden Bataillons vorüber, um ihnen Glück zu wünschen zu der Einnahme von Erivan, oder nach russischer Sitte, sie zu befragen, ob sie wohl wären. Er begab sich darauf in die Mitte des Carrés, wo ein Altar aufgerichtet worden und ein russischer Priester bereit war, den Gottesdienst zu verrichten. Ich hörte, daß eine Messe gelesen wurde, weil der Geburtstag der Kaiserin Mutter sey. Während der ganzen Zeit des Gottesdienstes stand Aga Mir Fatha, der erste mahommedanische Priester, nahe bei dem General; der Kadi der Stadt und andere Mollahs waren gleichfalls gegenwärtig, erschienen aber erst ungefähr eine Viertelstunde, nachdem die Gebete angefangen hatten. Es wurde ihnen eben keine besondere Aufmerksamkeit erwiesen und ein General bemerkte, daß sie uneingeladen gekommen wären. Nachdem der Gottesdienst beendigt war, brachen die Truppen in Colonnen ab und defilirten bei uns vorüber. Es waren nicht mehr als 2500 Mann Infanterie, 200 donische und 200 casanische Cosacken und einige Uhlanen. Das Benehmen des Fürsten Arristaff und der [472] russischen Offiziere gegen uns war äußerst zuvorkommend und freundlich. Am Abend wurde das große verfallene Gebäude in der Citadelle durch Fackeln illuminirt, die auf den Zinnen gestellt waren.

Sonnabend am 27ten. Das russische Corps vertauschte seinen Standpunkt mit dem offenen Platze hinter der verfallenen Moschee am Thore von Teheran; acht Zwölfpfünder waren gegen die Stadt gerichtet. – Der Palast des Prinzen (Abbas Mirza) war vor Arristaffs Ankunft geplündert worden. Die Beute der Russen wäre sonst sehr reich gewesen; in den Frauengemächern waren, wegen Mangels an Zugvieh, die reichsten Betten, Silbergeschirr, kostbare Teppiche u. s. w. zurückgelassen worden, deren sich die ersten Plünderer bemächtigten. Als der General in die Stadt einzog, hatte er nur ein kleines Detachement Uhlanen und Cosacken in seiner Begleitung; so viele von diesen entbehrt werden konnten, wurden als Schildwachen an die Haupteingänge des Palastes gestellt. Als wir den Palast besuchten, war noch keines von den Gemälden in dem großen Audienzsaal beschädigt worden. Bei der Rückkehr des Generals in das Lager drang indeß eine Menge von dem Pöbel der Stadt und vermuthlich auch einige von den zerstreuten Merandern und Nukschiwanern durch die unverwahrten Eingänge ein, oder überstiegen die Mauern und verübten jede Art von Ausschweifungen. Die Fenster in vielen Theilen des Gebäudes wurden zerschlagen, die Spiegel zerbrochen, die Gemälde zerrissen und die Bosheit so weit getrieben, daß sie den Porträts des Schahs und des Prinzen die Augen mit Messern ausschnitten. Die Plünderer waren zu zahlreich, um von dem wachhabenden Offiziere, der nur geringe Mannschaft hatte, mit Gewalt zurückgetrieben werden zu können. Als indessen das Werk der Zerstörung im Innern des Palastes, der von großem Umfang ist, begonnen hatte, und der Offizier dieß durch den Lärmen, der dabei gemacht wurde, bemerkte, so eilte er herbei, um weitern Unfug zu verhüten; und die Elenden ergriffen die Flucht, obgleich er nur von zwei oder drei Soldaten begleitet war. Die Ankunft des Bataillons verhinderte fernere Unordnungen. – Auch die Häuser der vornehmsten Civil- und Militärbeamten des Prinzen wurden an dem Tage, an dem die Russen ankamen, geplündert, und in der Nacht darauf eine Menge Räubereien in der Stadt verübt; das Benehmen der russischen Truppen indeß war in jeder Beziehung ordentlich und achtungswerth.

Sonntag den 28ten. Ich wurde diesen Morgen unterrichtet, daß die Merand- und Nukschiwan-Reiter, welche der Familie des Prinzen nachgesetzt hatten, sie bei dem Sluttel-Paß erreichten, diesen aber durch die Infanterie von Masanderan, die jener zur Bedeckung diente, besetzt fanden. Bei dem Versuch, das Defilee zu erzwingen, wurden viele der Verfolgenden getödtet. Sie suchten jetzt andere Passagen durch das Gebirge und bekamen bald das Harem zu Gesicht. Banger-khan Dschellibiunlu deckte mit den Reitern seines Stammes den Rückzug desselben. Es gelang ihm, die Feinde zurück zu treiben; doch verlor eine der Frauen des Prinzen mehrere Packwagen. Die russischen Offiziere erklären, daß sie keinen Befehl gegeben hätten, die Familie des Prinzen zu verfolgen. Die Söhne des Nussur Ali Khan hatten den General gedrängt, eine Abtheilung Cavalerie zu entsenden, da ihre Frauen, die zu Geiseln genommen worden waren, wahrscheinlich mit denen des Prinzen fortgeführt wurden. Da aber damals Tauris angegriffen werden sollte, so konnte kein Mann entbehrt werden, um die Wünsche eines Einzelnen zu erfüllen. Die Söhne des Khan waren über die Gleichgültigkeit, die man in Bezug auf die Frauen zeigte, sehr entrüstet; und ungeachtet der Einwendungen, die ihre eignen Leute machten, brachen sie am 27ten von Suhillan auf, um diese theuren Unterpfänder wieder zu gewinnen.

Mondtag den 29ten. Oberst Luzzeroff ist zum Commandanten der Stadt ernannt worden; er wohnt im Palaste. Gestern wurden mehrere Offiziere beauftragt, den Rest von dem Eigenthum des Prinzen mit Beschlag zu belegen. Die Einwohner fangen an, über ihr kleinmüthiges Benehmen zu klagen; Aga Mir Fatha, der als die Hauptperson unter denen betrachtet wird, die zu Gunsten der Russen handelten, wird laut getadelt. Auf der andern Seite haben die Häupter der vornehmsten Familien von Tauris den Schutz des Kaisers Nicolaus nachgesucht und gebeten, daß ihre Stadt bei dem Friedensschlusse nicht zurückgegeben werden möge. Selbst an Freiwilligen fehlte es nicht unter ihnen, die sich erboten, ein Detaschement zu führen, das sich der Person des Prinzen bemächtigen sollte. Die Ursache ihrer Unzufriedenheit mit seiner Regierung liegt in der üblen Behandlung, die sie seit so vielen Jahren haben erfahren müssen. Sie waren aller Macht und alles Ansehens beraubt und hofften durch eine Regierungsveränderung wieder zu Einfluß zu kommen. Aga Mir Fatha, der ganz auf die Seite der Russen getreten ist, wird von General Arristaff als die erste Person der Stadt behandelt.

Dienstag den 30ten. Diesen Morgen wurden genaue Nachsuchungen gemacht, um das aus dem Palaste geraubte Eigenthum des Prinzen wieder zu erhalten. Da viele der Plünderer bekannt waren, so wurden ihre Häuser von russischen Soldaten durchsucht und ein bedeutender Theil der Effekten darin gefunden. Mirza Dschaffer, einer der jungen Männer, die auf des Prinzen Kosten nach England gesandt worden waren, um dort erzogen zu werden, war einer der eifrigsten Plünderer gewesen. – Ich hörte, daß Aga Mir Fatha heut den Fürsten Arristaff besuchte, um ihm zu entdecken, daß die Bürger einen Aufstand und die Ermordung der Russen beabsichtigten. Gewiß ist, daß von Seiten der letzteren größere Vorsicht bewiesen wird, als bisher. Die Möglichkeit des Gelingens eines solchen Anschlags kann nicht geläugnet werden, doch besitzen die Einwohner weder den Muth, noch die Einigkeit, die dazu erforderlich wären. – Die Häupter der verschiedenen Quartiere der Stadt sind für die Sicherheit der in ihren Bezirken aufgestellten Wachen verantwortlich gemacht worden.

[477] Mittwoch den 31ten. General Paskewitsch und sein Stab kamen gestern mit einem Detaschement der Hauptarmee in Suhillan an. Neugierig, die Truppen zu sehen, ging ich diesen Morgen zu der Aschi-Brücke. Der General war, umgeben von seinen vornehmsten Offizieren, an der Spitze der Colonne. Ungefähr drei Stunden von der Stadt empfing ihn eine Deputation der vornehmsten Einwohner, Aga Mir Fatha an der Spitze; die Unterhaltung mit ihnen dauerte nur kurze Zeit. Die Colonne der Truppen wurde eröffnet durch drei Bataillons Infanterie; denen folgte ein Regiment Dragoner, zwei Regimenter Uhlanen, drei Batterien Artillerie, ein Regiment donischer Kosacken und ein anderes vom schwarzen Meere. Das ganze Corps marschirte auf das Lager der Cavallerie, auf der Höhe zwischen der Stadt und dem Aschi, wo die Division des General Arristaff aufgestellt war, um den Oberfeldherrn zu empfangen, vor welchem darauf die ganze Armee Revue passirte. Alle Bewegungen wurden mit der größten Regelmäßigkeit vollzogen. Das Aeußere der Truppen war, wenn auch nicht glänzend, doch vortrefflich zum Dienst geeignet. Die Infanterie-Bataillons waren jedes ungefähr 700 Bayonette stark, die Leute frisch und gesund, ihr Marsch fest, gleichmäßig und in der besten Ordnung. Die Cavallerie zeigte in ihren Bewegungen dieselbe Präcision; die Pferde waren etwas abgemagert, aber im Ganzen noch so wohl bei Kräften, daß sie es mit einer bei weitem überlegenen Zahl der besten persischen Reiter aufgenomnmen haben würden. Die donischen Kosacken gewähren in ihrer vollen Uniform immer einen prächtigen Anblick; die vom schwarzen Meer, obwohl von rauherem Aeußerem, werden für die thätigsten und tapfersten Soldaten geachtet. Die Pferde von beiden sind kleine unansehnliche Thiere, die aber große Anstrengungen aushalten. Die Artillerie marschirte in Brigaden vorüber; die Zwölfpfünder von sechs Pferden gezogen, die von geringerem Caliber von vier. Jedem Stück Geschütz folgten zwei leichte zweiräderige Munitionskarren, mit zwei oder drei Pferden bespannt. Das Ganze muß sich auf dreißig Stück Geschütz belaufen haben. – Als die verschiedenen Corps vorüber marschirt waren, setzte sich General Paskewitsch in Bewegung gegen die Stadt, wo er von den Kanonen der Thürme und Bastionen mit einer doppelten Salve begrüßt wurde. Seine Division war von Eriwan dreizehn Tage marschirt, ohne zu rasten; die Entfernung beträgt 180 engl. Meilen. Bei Einbruch der Nacht waren die Thürme und der Giebel des alten Schlosses mit Fackeln erleuchtet.

Donnerstag den 1ten November. Der Cayim Mukum kam diesen Abend in dem Dorfe Kallamull, vier Meilen von der Stadt an. Es wurde ihm nicht erlaubt, dieselbe zu betreten, weil sein Ansehen bei den Einwohnern sehr groß ist und die Russen daher von seiner Gegenwart einen nachtheiligen Einfluß befürchteten. Man sagt, daß er zu Friedensunterhandlungen beauftragt sey.

Freitag den 2ten. Die russischen Kriegsgefangenen, meist Offiziere, die zu Maragha aufbewahrt wurden, sind frei gelassen und von den Einwohnern dieser Stadt zum Zeichen ihrer friedlichen Gesinnung an General Paskewitsch gesandt worden. Beinahe alle Districte der Provinz Aserbeidschan sind dem Beispiele von Tauris gefolgt. Die Einwohner von Khoi haben eine Deputation an General Paskewitsch gesandt, um zu bitten, daß keine Truppen gegen ihre Stadt marschiren möchten, da sie willig wären, dieselbe zu übergeben, wenn die Provinz unter russischer Herrschaft bliebe. Der District von Caradagd hat sich unterworfen und Mahommed Kuli Bey, der von dessen früheren Häuptlingen abstammt, ist zum Gouverneur ernannt worden. Die Schah-Sawaner und Schaggangrier sind größtentheils unter den Waffen gegen den Prinzen Deschehan Gir Khan; der erbliche Fürst des letzteren Namens hat sich offen mit den Russen vereinigt und ihre Oberherrschaft anerkannt. Es ist ein Sohn des berüchtigten Asad Khans, der dem gegenwärtigen Schah den Thron streitig machte. Die Einwohner von Maragha sind in ihrem Benehmen am gewaltthätigsten gewesen. Fath Ali Khan, ein älterer Bruder des Assuf, dessen Schwester die vornehmste Frau des Prinzen ist, war seit einigen Jahren ihr Gouverneur, und eine von Abbas Mirzas Töchtern, seine Schwester und die Frau von Mahommed Mirza suchten daher, als sie Tauris verlassen mußten, eine Zuflucht bei ihnen. Aber sie waren nicht lange in der Stadt, als der Pöbel in das Haus des Gouverneurs brach und dasselbe zu plündern anfing. Die jüngeren Söhne Achmed Khan’s, des früheren Häuptling’s von Maragha, werden als die Hauptanstifter dieser Unruhen angegeben; zum Glück nahm Dschaffer Kuli Khan, ein älterer Bruder, sich der Frauen an, die indessen – wie es heißt – alle ihre Juwelen und andere Kostbarkeiten verloren. Am nächsten Morgen führte er sie nach Miendah, einem zwanzig Meilen von der Stadt entfernten Ort; aber selbst bis dahin verfolgte sie die Wuth des [478] Pöbels, welcher nun durch einige Kartätschenladungen von der Artillerie unter Jusuf Khan, der zum Schutz des Harems gesandt war, bald zerstreut wurde.

Sonnabend den 3ten. Die Stadt ist, den Umständen nach, seit der Ankunft der russischen Armee sehr ruhig gewesen. Das Benehmen dieser Truppen verdient in der That das höchste Lob; nur wenige sah man betrunken auf der Straße, obwohl sie freien Gang in der Stadt zu haben scheinen; und von Unannehmlichkeiten von einiger Bedeutung hat man noch gar nichts gehört. Das Einzige, was Mißvergnügen erregt hat, war, daß sie die öffentlichen Bäder besuchten, wodurch dieselben nach der Meinung der Muselmänner unrein geworden sind. Die Civilregierung der Stadt bleibt unter Aga Mir Fatha. Anfangs war eine Behörde errichtet worden, in der vier der angesehensten Einwohner den Vorsitz hatten. Diese mußten von allem, was vorgegangen war, Bericht an den Obersten abstatten, ohne dessen Genehmigung ihre Beschlüsse nicht vollzogen werden durften. Auf die Vorstellung des Aga Mir Fatha, daß dieß Tribunal seinen Einfluß auf die Einwohner vermindern würde, wurde die innere Verwaltung der Stadt ausschließlich seinen Händen anvertraut. Dieser Mensch hat die Absicht, sich zu dem ersten Machthaber von Aserbidschan zu machen; schon hat er Zuschriften an alle Ortshäuptlinge erlassen, worin er sie auffordert, sogleich die Partei von Rußland zu ergreifen, mit der Drohung, sie nach Sibirien zu schicken, wenn sie sich nicht beeilten, diesem Befehl nachzukommen. Dieß Verfahren, wenn es auch vortheilhaft war, soferne es manchen veranlaßen mochte, seinen Schritten zu folgen, wurde von General Paskewitsch nicht gebilligt. Mir Fatha vergißt, daß, wenn er sich seines Characters als Oberpriesters entkleidet, er dadurch die Macht selbst zerstört, die er bisher über die Gemüther seiner Mitbürger ausübte. Bei einer Gelegenheit machte er sich uneingeladen zum Gast an der Tafel des Oberbefehlshaber; er brachte einige Gerichte mit, die in seinem eigenen Hause gekocht waren, verschmähte aber auch andere von russischer Zubereitung nicht. Dieß Benehmen, das den Vorurtheilen der schiitischen Mahommedaner so sehr entgegen ist, hat in der Stadt zu seinem Nachtheil große Sensation erregt. – Aga Mahommed Ali, der Hofschmid des Prinzen, ist beauftragt worden, Schlüssel für die Thore von Tauris zu machen, da die alten verloren sind und doch dem Kaiser Schlüssel übergeben werden sollen. Auch vier Kanonen sollen gegossen werden zum Gedächtniß der Einnahme von Abbas-abad, Surdar-abad, Eriwan und Tauris; eine jede soll dann mit dem Namen von einem dieser Plätze bezeichnet werden. Die Einwohner der Stadt haben bisher an ihrem Eigenthum durch die Gegenwart der Russen noch keinen Verlust erlitten; anders war es aber der Fall in den umliegenden Dörfern. Das provisorische Gouvernement hat den Befehl an sie ausgestellt, Fourage für die Cavallerie und Zugvieh für die Armee zu liefern; beides wurde ohne die geringste Ordnung erhoben, indem das Vierfache der geforderten Quantität weggenommen und nicht das Geringste bezahlt wurde, worüber die Landleute sich bitterlich beklagen, weil sie dadurch ihrer Voräthe beraubt sind, die sie gesammelt hatten, um ihr Vieh zu überwintern.

[484] Sonntag den 4ten Nov. Die erwartete Truppenabtheilung, bestehend aus dem Regiment der in Ungnade gefallenen Moscower Garden, einem Bataillon von den neuen Garden, dem Scheriwaner Grenadier-Regiment, dem Regiment von Tiflis, zehn Stücken Geschütz und einigen Schwadronen Kosacken ist diesen Morgen angekommen. Die Arrieregarde der Armee bleibt zu Merad stehen; auch der Artilleriepark ist beordert worden, dort zurück zu bleiben. Gestern Abend ging der russische Bevollmächtigte, General Obriscaff, nach Kallamellug, um daselbst mit dem Cayim Mukum eine Zusammenkunft zu halten; diese endigte damit, daß der General dem persischen Minister einen Entwurf der Bedingungen übergab, auf denen der Frieden geschlossen werden könnte. Der Kayim Mukum kehrte mit demselben in das Lager des Prinzen zu Salmaß zurück, um die Genehmigung desselben einzuholen, die innerhalb sechs Tagen bei dem Oberbefehlshaber eingegangen seyn muß.

Mondtag den 5ten. Oberst Macdonald wurde von General Paskewitsch eingeladen, einer Revue der russischen Armee beizuwohnen. Es war befohlen worden, ein Te Deum zu singen; der Gesandte lehnte daher ab, an dieser Ceremonie Theil zu nehmen, doch machte er Gebrauch von dem Anerbieten, die russischen Truppen nach Beendigung derselben zu sehen. Um Mittag erschien ein Uhlanen-Rittmeister mit einer Abtheilung seines Regiments, um den Gesandten abzuholen. Die Armee war auf der Fläche hinter dem Garten des Prinzen in einem großen Viereck aufgestellt, von welchem die Infanterie zwei Seiten bildete; die beiden andern die regelmäßige Cavallerie, die Cosacken und die Artillerie. Als wir ankamen, war der Gottesdienst eben beendigt; die Offiziere, die während desselben in der Mitte des Vierecks versammelt gewesen waren, gingen auf ihre Posten ab und es wurde eine Salve von fünfzig Kanonen abgefeuert. Wir schlossen uns an das Gefolg des Obergenerals an; die Truppen brachen in Colonnen ab, um bei demselben vorüber zu marschiren: es war ein imposanter Anblick: alle Bewegungen mit bewunderungswürdiger Präcision ausgeführt, die Befehle ohne unnöthiges Geschrei ertheilt und mit der größten Schnelligkeit vollzogen. Nachdem die Truppen vorüberdefilirt waren, bildeten sie sich in eine Masse mit einer Fronte von vier Bataillons. General Paskewitsch gallopirte die Linie vorüber, ging durch die Zwischenräume der Colonnen und wurde von jedem Corps mit lautem Zuruf empfangen. Ich schätzte die Stärke der Armee auf:

12 Bataillons Infant. zu 550 Mann .. 06600 M.
02 Bataillons auf Posten ... 01100 "
01 Regiment Dragoner ... 00600 "
03 Regiment Uhlanen zu 400 M. .. ... 01200 "
000Cosacken ... 02000 "
52 Stücke Geschütz, jedes mit 20 M.  01040 "
12,540 M.
Im Ganzen, wenn wir die im Dienst oder Krankheits halber Abwesenden dazu rechnen, mag die russische Macht zu Tauris sich auf 14,000 Mann belaufen. [1]
  1. Wir haben absichtlich bei diesen militärischen Details länger verweilt, weil nach den neuesten Berichten diese Armee zu einem Einfall in die asiatische Türkei bestimmt ist und sogar bereits den Befehl zum Marsch erhalten haben soll.