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Bundesgerichtshof - Disney-Parodie

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Autor: Bundesgerichtshof
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Titel: BGH 26. März 1971 I ZR 77/69 "Disney-Parodie"
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Entstehungsdatum: 1971
Erscheinungsdatum: 1971
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Quelle: GRUR 1971, Heft 12. S. 588-590 (E-Text)
Kurzbeschreibung: Entscheidung zur freien Benutzung (§ 24 Urheberrechtsgesetz) in satirischer Absicht
Siehe auch Urheberrecht
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[588] BGH 26.03.1971 I ZR 77/69 "Disney-Parodie"

UrhG §§ 24, 103

Zum Anspruch auf Urteilsbekanntmachung gemäß § 103 UrhG.

Amtliche Leitsätze:

Bildet den Gegenstand einer Parodie ein unter Urheberschutz stehendes Werk, so darf die Parodie nur dann ohne Genehmigung des Urhebers des parodierten Werkes vervielfältigt und verbreitet werden, wenn sie ein selbständiges Werk darstellt, das in freier Benutzung des parodierten Werkes geschaffen worden ist. Ob und inwieweit urheberrechtlich geschützte Teile des parodierten Werkes unverändert oder mit unwesentlichen Änderungen in die Parodie übernommen werden dürfen, hängt u. a. davon ab, inwieweit die Entlehnung erforderlich ist, um die parodistische Wirkung zu erreichen.


BGH, Urteil vom 26.03.1971 - I ZR 77/69 (OLG Frankfurt) ("Disney-Parodie")

Sachverhalt

Die Kl. besitzt die Verwertungsrechte des amerikanischen Künstlers Walt Disney für die von ihm erdachten und geschaffenen Trickfilm- und comic-strip-Gestalten, unter anderem des "Donald Duck" mit seinen drei "Neffen" sowie "Micky-Maus" und "Goofy". Der beklagte Verlag veröffentlichte erstmals im Dezember-Heft 1966 seiner Zeitschrift "pardon" solche Figuren von Walt Disney. Walt Disney starb im Dezember 1966. Im Februar-Heft 1967 druckte der Bekl. eine von dem Zeichner und Schriftsteller Hans Traxler zusammengestellte Bildergeschichte "Der Himmel lebt. In Memoriam Walt Disney" ab. In der Mehrzahl der insgesamt 31 Bildkästchen befinden sich eine oder mehrere Darstellungen der oben genannten Disney-Figuren. In einem Bildkästchen erscheint Walt Disney selbst, in drei weiteren Bildern ist er zwar nicht bildlich gezeigt, wird aber von den von ihm geschaffenen Figuren, die bildlich dargestellt sind, angesprochen. In vier Bildkästchen sind Gestalten aus Gemälden Michelangelos und Raffaels wiedergegeben. Der Text zu diesen Bildern befindet sich in sogenannten Sprechblasen. Die Geschichte hat den Inhalt, daß der verstorbene Walt Disney Donald Duck mit seinen drei Neffen zu sich in den "Himmel" ruft und mit ihrer Hilfe und mit seinem Pinsel dessen Bewohner, das sind Gestalten der Renaissance-Malerei, in Figuren nach seiner Art umzugestalten beginnt. Dabei erscheint in einem Bilde Micky-Maus in der Pose eines Engels aus einem Gemälde Raffaels. Nachdem dieser Versuch teilweise gelungen ist, erscheint aus einer Wolke eine Hand, deren ausgetreckter Zeigefinger schließlich die Spitze von Walt Disneys Pinsel berührt. Es gibt einen Knall. Das Ganze stellt sich als in Traum des Donald Duck heraus. Die Geschichte endet mit dem Satz: "Na geben Sie's zu: Sie wären alle ganz schön erleichtert, wenn Mr. Disney das Jenseits gestalten würde." Im Inhaltsverzeichnis desselben Heftes ist auf Seite 3 eine Darstellung der Figur des Donald Duck enthalten. Nachdem die l. den Bekl. vergeblich zur Unterlassung aufgefordert hatte, erschien im März-Heft 1967 der genannten Zeitschrift eine Glosse, in der der Bekl. dem Leser mitteilte, daß die Kl. ihn wohl zur Unterlassung aufgefordert, dann aber nichts mehr unternommen habe.

Die Kl. hat vorgetragen, mit der veröffentlichten Bildergeschichte von Traxler verletze der Bekl. das Urheberrecht an den Figuren von Walt Disney. Traxlers Geschichte sei keine selbständige eigene freie Leistung, auch keine Parodie. Die Kl. erlangt mit der Klage die Verurteilung des Bekl. zur Unterlassung und Auskunftserteilung. Ferner begehrt sie die Feststellung, daß der Bekl. zum Ersatz des Schadens verpflichtet sei. Schließlich beantragt die Kl., ihr die Befugnis zuzusprechen, den verfügenden Teil des Urteils - ohne Strafandrohung und ohne Kostenentscheidung - jedoch ohne weiteren Zusatz innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist auf Kosten des Bekl. einmal im redaktionellen Teil der Zeitschrift "pardon", in der Typengröße des diesbezüglichen Artikels auf Seite 64 des pardon-Heftes 3/1967 öffentlich bekanntzumachen.

Der Bekl. hat geltend gemacht, die Bildergeschichte von Traxler sei ein frei geschaffenes, selbständiges Werk. Es enthalte eine Parodie des Werkes Walt Disneys. Traxler habe gezeigt, daß sich nicht jede Landschaft des Menschlichen oder es Überirdischen mit dem Pinsel Walt Disneys in ein buntes Kinderparadies verwandeln lasse. Er habe dessen Gestalten [589] verfremdet und sie dazu benutzt, diese Darstellungsweise ins Lächerliche zu ziehen. Er habe davor warnen wollen, sich durch diese Figuren von den tatsächlichen Problemen des menschlichen Lebens ablenken zu lassen und das Überirdische auf die Stufe des Banalen zu ziehen. Die Bildergeschichte Traxlers sei auch von ausgeprägter Eigenart. Schließlich habe dieser lediglich Figuren der Zeitgeschichte dargestellt und von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Eine Veröffentlichungsbefugnis könne der Kl. schon wegen der verstrichenen Zeit nicht zugebilligt werden.

Das LG hat den Bekl. antragsgemäß verurteilt.

Die Berufung des Bekl. ist zurückgewiesen worden.

Auch die Revision des Bekl. blieb ohne Erfolg.


Entscheidungsgründe

I. 1. Die Annahme des BerG, ebenso wie die von Walt Disney entworfene Figur der Micky-Maus (BGH in GRUR 1963, 485 , 487 zu Ziff. 3 - Micky-Maus-Orangen) seien auch die von ihm geschaffenen Figuren des Donald Duck mit seinen drei Neffen und die des Goofy als Werke der bildenden Künste im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG anzusehen, ist frei von Rechtsirrtum.

2. Das BerG führt sodann aus, die vom Bekl. in der Zeitschrift "pardon" veröffentlichte Bildergeschichte von Hans Traxler stelle keine freie Benutzung der Werke Disneys im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG dar. Die Grenzen des Bereichs der freien Benutzung seien zugunsten des Urhebers eng zu ziehen. Die Parodie nehme insofern keine Sonderstellung ein. Abgesehen davon, daß schon zweifelhaft sei, ob die angegriffene Bildergeschichte eine Parodie sei, vermittle sie jedenfalls dem unbefangenen Durchschnittsleser nicht die Erkenntnis, daß es sich um eine Parodie des Gesamtwerks von Disney handele. Werde aber unterstellt, es liege eine Parodie vor und diese werde von einem rechtlich erheblichen Teil der Durchschnittsleser auch erkannt, so erfülle die Bildergeschichte nicht die Voraussetzungen einer freien Benutzung, da Traxler die Gestaltung der Figuren und deren charakteristische Einzelheiten vollkommen und ihre Aussagen im wesentlichen unberührt gelassen habe. Da das Verhalten des Bekl. weder durch das Recht der freien Meinungsäußerung noch durch andere Verfassungsnormen oder sonstige gesetzliche Einschränkungen des Urheberrechtsschutzes gedeckt sei, liege eine Verletzung des Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechts im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UrhG vor.

Diese Ausführungen halten im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

II. 1. Der Handlungsablauf der Bildergeschichte und deren sprachliche Formgebung sind gegenüber dem Werk Disneys neu und selbständig. Dafür, daß Traxler die Aussagen der Figuren Disneys im wesentlichen unberührt gelassen habe, wie das BerG ausführt, ist kein Anhalt ersichtlich. Allein daraus, daß er sie mit der gleichen naiven kindlichen Sprechweise auftreten läßt, liegt keine Urheberrechtsverletzung, da der Stil als solcher nicht geschützt ist. Soweit in der Erzählung die von Disney geschaffenen Figuren auftreten, ist eine solche Bezugnahme auf Figuren aus fremden Werken durch den urheberrechtlichen Schutz keineswegs schlechthin unterbunden (BGH in GRUR 1958, 402 , 404 l. Sp. - Lili Marleen), zumal anderenfalls für eine Parodie kein Raum wäre (BGHZ 26, 52, 57 - Sherlock Holmes 1 ).

Die bildliche Darstellung der Figuren Disneys hat Traxler zwar nicht - wie die Kl. behauptet - unverändert aus dem Werk Disneys entnommen. Wie der Vergleich der von der Kl. bezeichneten Bilder Traxlers mit den von ihr als Vorbilder angegebenen Bildern Disneys zeigt, kehren jedoch diejenigen Züge, welche die schöpferische Eigenart der von Disney geschaffenen Figuren maßgeblich bestimmen, in den entsprechenden von Traxler gezeichneten Figuren in mehreren Bildkästchen wieder. Diese gleichen daher in ihrem ästhetischen Gesamteindruck den Vorbildern Disneys, wobei dem Bekl. einzuräumen ist, daß sie von Traxler in der Haltung und in verschiedenen Nebenzügen abweichend, meist vereinfachend gezeichnet sind.

Grundsätzlich ist bei der Beurteilung, ob das nachgeschaffene Werk in freier Benutzung eines anderen Werks geschaffen und daher als selbständiges Werk anzusehen ist, kein zu milder Maßstab anzulegen und eine zulässige freie Benutzung nur dann anzunehmen, wenn angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werks verblassen (BGH in GRUR 1959, 379 , 381 mit weiteren Nachw. - Gasparone). Ein geschütztes Werk der bildenden Kunst ist daher nicht nur gegen identische Nachbildungen, sondern auch gegen solche in veränderter Gestalt unter Hervorbringung eines anderen Werks geschützt (BGH in GRUR 1960, 251 , 252 zu Ziff. 3 b - Mecki-Igel II; 1958, 501 zu Ziff. I - Mecki-Igel). Werden die Zeichnungen Traxlers für sich allein mit den entsprechenden Vorbildern Disneys verglichen, so reichen jedenfalls bezüglich des Donald Duck bei der Mehrzahl der Bilder, auf denen er gezeigt wird, der Micky-Maus und des Goofy die Änderungen nicht aus, um die in der Bildfolge Traxlers gezeigten Darstellungen dieser Figur als freie Benutzungen im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG ansehen zu können. Denn die Änderungen betreffen bei der Mehrzahl der Bilder nur nebensächliche Züge, während die die Eigenart des Vorbilds prägenden Merkmale übernommen worden sind.

2. Es bleibt zu prüfen, ob der Revision darin zu folgen ist, daß in diesem Punkt bei einer Parodie ein anderer Maßstab anzulegen sei und, wenn das bejaht wird, ob aus diesem Grunde keine Urheberrechtsverletzung vorliegt.

a) Hierzu ist zunächst klarzustellen, daß das Urhebergesetz die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein unter Urheberrechtsschutz stehendes Werk von einem anderen als Ausgangspunkt für sein eigenes künstlerisches Schaffen benutzt werden darf, in § 24 UrhG abschließend regelt und insoweit keine Sonderbestimmungen für Parodien enthält. Parodien, die das geschützte Werk eines anderen zum Gegenstand haben, sind somit nur zulässig, wenn sie als "selbständiges" Werk in "freier Benutzung" der parodierten Vorlage geschaffen worden sind.

Das Kennzeichen einer Parodie ist in der Regel die antithematische Behandlung (BGHZ 26, 57 1 ). Richtet sie sich gegen die in einem bestimmten einzelnen Werk oder gegen die im gesamten Schaffen eines Schriftstellers oder Künstlers zum Ausdruck gelangten Eigenheiten der Formgebung oder des Inhalts, so behält sie zumeist Stil und Manier des Vorbilds bei, schiebt diesen aber einen nicht mehr entsprechenden Inhalt unter, wodurch die angegriffenen Eigenschaften ins Komische oder Satirische gezogen werden. Ob im Einzelfall eine Parodie vorliegt, ist demnach im wesentlichen objektiv danach zu beurteilen, ob diese Art der Behandlung für denjenigen erkennbar ist, dem das parodierte Werk bekannt ist und der das für die Wahrnehmung der Parodie erforderliche intellektuelle Verständnis besitzt. Ebenso wie ein Werk durch die ausdrückliche Bezeichnung "Parodie" nicht zu einer solchen wird (OLG Hamburg in MuW 1931, 576 - Schlagerparodien), wird einem Werk die Eigenschaft einer Parodie entgegen der Ansicht des BerG nicht dadurch genommen, daß sie nicht von sämtlichen Personen als solche verstanden wird.

b) Zu Recht geht jedoch das BerG davon aus, daß nicht schon aus der erkennbar parodistischen Zielsetzung eines Werkes ein Freibrief für unfreie Entlehnungen aus dem parodierten Vorbild entnommen werden kann. Dies könnte zu einem erheblichen Einbruch in die gesetzlich verankerten Ausschließlichkeitsrechte desjenigen führen, dessen Werk zum Gegenstand der Parodie gewählt wurde. Der Urheber des parodierten Werks müßte dann gegen seinen Willen selbst umfangreiche, unveränderte Entlehnungen aus seinem Werk hinnehmen, die er ohne die parodistische Tendenz des neuen Werks nicht zu dulden brauchte. Es liegt auf der Hand, daß dies zu unerfreulichen Mißbräuchen führen könnte. Es ist ' hiernach dem BerG beizupflichten, daß auch bei einer Parodie stets zu prüfen bleibt, ob sie sich bei Benutzung des parodierten Werks innerhalb der Freiheitsgrenzen des § 24 UrhG gehalten hat.

Hierbei ist jedoch bei Anwendung des Grundsatzes, daß von einer freien Benutzung nur die Rede sein könne, wenn angesichts der Eigenart des neuen Werks die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes "verblassen", auf die in der Natur der Parodie liegenden Besonderheiten Rücksicht zu nehmen. Da die Parodie sich gegen bestimmte Eigenheiten richtet, die im Werk eines Schriftstellers oder Künstlers zu Tage treten, setzt die Parodie ihrem Wesen nach voraus, daß diese Eigenheiten in ihr überhaupt als Gegenstand der Auseinandersetzung erkennbar sind. Hierzu ist jedoch keineswegs immer die Verwendung von urheberrechtlich geschützten Teilen des parodierten Werks erforderlich. In welchem Umfang eine Parodie geschützte Teile des [590] parodierten Werkes entlehnen darf, um noch als freie Benutzung angesehen werden zu können, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab. So kann außer der Werkart (Schriftwerk, Werk der bildenden Künste, Werk der Musik) auch die Frage von Bedeutung sein, inwieweit die Entlehnung zur Erreichung der parodistischen Wirkung erforderlich ist. In jedem Falle muß aber das selbständig Geschaffene von solcher Eigenart sein, daß ihm die eigentliche Bedeutung zukommt und der entlehnte Teil nur als Anknüpfungspunkt für den parodistischen Gedanken in Erscheinung tritt. Dies bedeutet einerseits, daß der entlehnte Teil zwar nicht bis zum Verblassen zurückzutreten braucht, andererseits aber ein selbständiges Werk geschaffen sein muß, das erkennen läßt, daß es sich bei der Anknüpfung nur um ein notwendiges Mittel zur Durchführung der Parodie handelt.

Im Streitfall richtet sich die Parodie gegen die von Disney mit Hilfe der bildnerischen Gestaltung der von ihm geschaffenen Figuren aufgebaute Scheinwelt "Disneyland" und deren Wirkung. Dabei werden die von Disney geschaffenen Figuren als solche nicht parodiert. Die Parodie liegt im gedanklichen Inhalt der Bildergeschichte. Es kann dahinstehen, ob in einem solchen Fall überhaupt eine Übernahme der bildlichen Darstellung von Disneys Figuren' mit ihren charakteristischen Merkmalen zulässig ist. Denn selbst wenn das bejaht wird, ist dem BerG jedenfalls darin zu folgen, daß die Bildergeschichte insoweit kein selbständiges, in freier Benutzung der Figuren Disneys geschaffenes Werk darstellt. Disneys Gestalten sind mit ihren charakteristischen Merkmalen nicht nur auf der Mehrzahl der Bilder dargestellt, sondern auf zahlreichen Bildern auch in einer das Bild jeweils beherrschenden Weise. Gegenüber dieser den bildlichen Gesamteindruck der Bildergeschichte prägenden Wirkung von Disneys Figuren steht der neu geschaffene Bildinhalt keineswegs im Vordergrund. Zutreffend weist das BerG ferner darauf hin, daß durch diese bildliche Gestaltung der Gesamteindruck der beanstandeten Bildergeschichte derart geprägt werde, daß ein nicht unerheblicher Teil der Leser gar nicht wahrnehmen werde, daß es sich um eine Parodie handelt. Es kann daher auch nicht angenommen werden, der gedankliche Gehalt der Parodie stehe vor deren bildlichen Gestaltung derart im Vordergrund, daß die Übereinstimmungen mit den Figuren Disneys in der Bildgestaltung gegenüber der Selbständigkeit und Eigenart des Grundgedankens der Parodie zurücktreten. Die von Disney entlehnten Teile der Bildergeschichte sind daher mehr als nur ein Mittel zur Anknüpfung und damit zur Durchführung der Parodie.

Bei dieser Sachlage ist es aber rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das BerG angenommen hat, die beanstandete Bildergeschichte sei, soweit in ihr Disneys Figuren übernommen worden seien, kein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werks eines anderen geschaffen worden sei (vgl. § 24 Abs. 1 UrhG).

3. Mit Recht hat das BerG auch verneint, daß die Veröffentlichung aus dem Grund keine Urheberrechtsverletzung sei, weil die Figuren Disneys Gemeingut der Gesellschaft geworden seien.

Soweit der Bekl. geltend macht, aus dem Umstand, daß die nicht gegen den amerikanischen Maler Roy Lichtenstein vorgegangen sei, der Disneys Mäuse und Enten auf seinen Bildern verwende, sei zu folgern, daß die Kl. allgemein die freie Benutzung der Disney-Figuren zulasse, die damit "Gemeingut" seien, kann dem nicht gefolgt werden. Selbst wenn die Kl. gegen diesen Maler hätte vorgehen können, weil dessen Verwendung der Disney-Figuren möglicherweise als Urheberrechtsverletzung angesehen werden könnte, sie ein Vorgehen jedoch unterlassen hat, so berechtigt dies allein keinen Dritten, die Rechte der Kl. zu verletzen. Denn dieses Verhalten der Kl. erlaubt nicht die Folgerung, daß sie auch gegen Dritte nicht vorgehen werde.

4. Ohne Erfolg greift die Revision auch die Auffassung des BerG an, daß das Recht des Bekl. auf freie Meinungsäußerung zu keiner anderen Auslegung der angewendeten Gesetzesbestimmungen führe.

Das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG), findet seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG). Es ist anerkannt, daß die "allgemeinen A Gesetze" ihrerseits aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen (BVerfGE 7, 198, 209 - Lüth).

Durch die Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes wird niemandem verwehrt, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Untersagt ist, soweit es hier in Betracht kommt, lediglich die Vervielfältigung und Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Werken der bildenden Künste im Sinne des § 2 Abs. 1 UrhG. Das Recht, seine Meinung - wie hier - in Gestalt des Bildes frei zu äußern und zu verbreiten, erfordert angesichts der Vielzahl der Gestaltungsmöglichkeiten nicht den Eingriff in urheberrechtlich geschützte Werke. Werden aber geschützte Gestaltungselemente verwendet, so kann und muß dies so geschehen, daß eine Urheberrechtsverletzung vermieden wird.

5. Auch die Annahme des BerG, die Bestimmung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, derzufolge Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte ohne Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden dürfen, beziehe sich nur auf Bildnisse von Menschen, nicht aber auf Abbildungen von Fantasiegestalten, ist frei von Rechtsirrtum. Diese auch nach Erlaß des neuen Urhebergesetzes aufrechterhaltene Bestimmung ist nach einhellig in Rechtsprechung und Schrifttum vertretener Meinung dem Persönlichkeitsrecht und nicht dem Urheberrecht zuzuordnen. Ihre von dem Bekl. erstrebte rechtsähnliche Anwendung auf Kunstwerte "aus dem Bereich der Zeitgeschichte" würde eine Aushöhlung des § 51 UrhG zur Folge haben, der der sog. Zitierfreiheit enge, fest umrissene Schranken setzt. Sie würde weiterhin dazu führen, daß künstlerische Werke um so weniger Schutz genießen, je bekannter und verbreiteter sie sind. Das aber würde Sinn und Zweck des Urheberrechts widersprechen, durch die Zuerkennung von Ausschließlichkeitsrechten sicherzustellen, daß der Urheber während der Schutzfrist grundsätzlich allein über Art und Umfang der Verwertung seiner Werke durch Vervielfältigung und Verbreitung bestimmen kann.

6. Hiernach ist das BerG ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangt, daß der Bekl. das der Kl. zustehende Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht an den Disney-Figuren verletzt hat.

III. Den Unterlassungsantrag hat das BerG zu Recht als begründet erachtet. Da der Bekl. sich für berechtigt hält, die beanstandene Bildergeschichte zu vervielfältigen und zu verbreiten, besteht Wiederholungsgefahr.

Das Verschulden des Bekl. hat das BerG frei von Rechtsirrtum bejaht, weil diesem die nachgeahmten Figuren Disneys bekannt gewesen seien und er die Urheberrechtsverletzung in Kauf genommen habe. Somit ist der die Schadensersatzpflicht des Bekl. betreffende Feststellungsantrag und zur Ermittlung des Schadensumfangs auch der Auskunftsantrag begründet.

Mit Recht hat das BerG auch bejaht, daß die Kl. ein berechigtes Interesse hat, daß das Urteil öffentlich bekanntgemacht werde (§ 103 Abs. 1 UrhG).

Bei der Abwägung der Interessen beider Parteien fällt entscheidend ins Gewicht, daß der Bekl. in der Ausgabe März 967 seiner Zeitschrift das Verhalten der Kl., die inzwischen wegen der streitigen Bildergeschichte durch einen Anwalt an ihn herangetreten war, glossiert und seinen Lesern gegenüber behauptet hat, zur Verbreitung der die Disney-Figuren enthaltenden Bildergeschichte berechtigt zu sein. Die Glosse schloß damit, daß bis Redaktionsschluß vergeblich auf die on der Kl. verheißenen Gegenmaßnahmen gewartet worden sei, vielleicht habe ein milder Wink aus dem Jenseits den juristischen Eifer zum Stillstand gebracht. Der Bekl. hat mit dieser Glosse in weite Leserkreise die irrige Rechtsauffassung getragen, er sei zur Veröffentlichung der Bildergeschichte befugt gewesen, das habe wohl inzwischen auch die Kl. eingesehen. Unter diesen Umständen kann aber der Kl. ein berechtigtes Interesse an der Richtigstellung des Sachverhalts gegenüber dem Leserkreis durch die Bekanntmachung des Urteils in der Zeitschrift des Bekl. nicht abgesprochen werden.

Auch die weiteren Ausführungen des BerG, daß das Interesse der Kl. an der Urteilsbekanntmachung nicht infolge Zeitblaufs entfallen sei, lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen.

Anmerkungen (Wikisource)

Zur Kritik an dem Urteil siehe den SPIEGEL 11/1972 online (mit Abbildung). Zu Hans Traxler und Walt Disney siehe jeweils die Wikipedia.