Zum Inhalt springen

Bundesgerichtshof - Stadtplanwerk

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: unbekannt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Bundesgerichtshof - Stadtplanwerk
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1998
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft: Bundesgerichtshof
Quelle: E-Text bei JurPC Web-Dok. 54/1999, pdf auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Mai 1998 (I ZR 81/96), Stadtplanwerk

UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2

Leitsatz

Auch eine Karte, die als einzelnes Kartenblatt aufgrund einer vorbekannten gestalterischen Konzeption erstellt ist, kann urheberrechtlich schutzfähig sein, wenn bei ihrer Erarbeitung gleichwohl ein genügend großer Spielraum für individuelle formgebende kartographische Leistungen bestanden hat. Dem in einem solchen Fall geringeren Grad der Eigentümlichkeit des Werkes entspricht ein engerer Schutzumfang.

Der Eigentümlichkeitsgrad und damit der Schutzumfang kann jedoch bei einem Kartenwerk (z. B. bei thematischen Karten) höher sein, wenn es bereits nach seiner gestalterischen Konzeption von einer individuellen Darstellungsweise geprägt ist, die es zu einer in sich geschlossenen eigenschöpferischen Darstellung des betreffenden Gebiets macht.

Tatbestand

Der Kläger ist der Kommunalverband Ruhrgebiet, ein Zusammenschluß der Ruhrgebietsgemeinden. Beginnend in den sechziger Jahren erarbeiteten der Rechtsvorgänger des Klägers, der Siedlungsverband des Ruhrkohlenbezirks, und danach dieser selbst zusammen mit den beteiligten Städten und Vermessungsämtern das "Stadtplanwerk Ruhrgebiet". Das im Jahr 1971 fertiggestellte Kartenwerk umfaßt lückenlos das Gebiet der im Kläger zusammengeschlossenen Gemeinden. Gegen Entgelt vergibt der Kläger an Dritte Nutzungsrechte zur Vervielfältigung von Teilen des Stadtplanwerkes.

Der Beklagte betreibt ein kartographisches Ingenieurbüro. Er entwirft Stadtpläne, vor allem für Branchentelefonbücher ("Gelbe Seiten"). Von ihm stammen die Pläne in den "Gelben Seiten D. 1993/94" und "B. 1994/95". Bei deren Erstellung lag ihm das "Stadtplanwerk Ruhrgebiet" vor.

Der Kläger verlangt von dem Beklagten aus eigenem Recht und aufgrund von Ermächtigungen der ihm angeschlossenen Gemeinden zur Rechtsverfolgung in eigenem Namen Schadensersatz wegen der Vervielfältigung und Verbreitung der Pläne für die "Gelben Seiten" D. und B. Er ist der Ansicht, das "Stadtplanwerk Ruhrgebiet" sei urheberrechtlich geschützt. Bei der Schaffung des Stadtplanwerkes sei ein eigener Zeichenschlüssel erarbeitet worden, der eine in allen Bereichen inhaltlich gleich strukturierte, nach vorgegebenen Kriterien generalisierte kartographische Aussage gewährleiste. Die Festlegungen hinsichtlich der Darstellung der Verkehrswege, der bebauten und sonstigen Flächen und der symbolhaften Angaben seien eine individuelle Lösung des grundlegenden Gestaltungsproblems und verkörperten den Kern der eigenschöpferischen Leistung des Kartenwerkes.

Der Kläger hat behauptet, die vom Beklagten erstellten Pläne für die "Gelben Seiten" D. und B. seien trotz vieler kleiner Änderungen im wesentlichen Kopien der entsprechenden Karten seines Stadtplanwerkes; wesentliche Teile seien mit diesem deckungsgleich. Dies beruhe darauf, daß der Beklagte zur Erstellung seiner Pläne die Karten des Klägers abgepaust oder zur digitalen Bearbeitung am Bildschirm eingescannt habe. Der Kläger verlangt als Schadensersatz eine angemessene Lizenz entsprechend den von ihm sonst vertraglich vereinbarten Nutzungsvergütungen. Er hat dabei in der Klageschrift auf den Abdruck der Pläne des Beklagten in den "Gelben Seiten D. 1993/94" und "B. 1992/93" abgestellt.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 228.171,75 DM nebst Zinsen zu bezahlen.


Der Beklagte hält die Karten des Stadtplanwerkes nicht für urheberrechtlich schutzfähig. Die Art und Weise der Darstellung von Verkehrswegen und der Bebauung darin gehöre seit langem zum üblichen kartographischen Repertoire. Der Beklagte hat weiter behauptet, er habe seine Karten ohne gezeichnete Entwürfe digital am Bildschirm erstellt. Dabei habe er sich lediglich inhaltlich an dem bestehenden Kartenmaterial, insbesondere der topographischen Karte 1:25000, orientiert.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.

Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat das Stadtplanwerk des Klägers als urheberrechtlich schutzfähiges Werk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG angesehen. An das Vorliegen einer eigenschöpferischen Leistung dürfe bei solchen Werken kein zu enger Maßstab angelegt werden. Der Beklagte habe jedoch die Urheberrechte am Stadtplanwerk nicht verletzt. Den verhältnismäßig niedrigen Schutzanforderungen entspreche bei Landkarten ein enger Schutzumfang. Da die Darstellung in weiten Bereichen durch die Realität vorgegeben sei, müsse sich der urheberrechtliche Schutz auf die Bereiche beschränken, in denen der Planersteller einen darstellerischen Freiraum habe. Trotz der bestehenden Übereinstimmungen könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Beklagte das Stadtplanwerk nicht nur als Vorlage für die darzustellenden Informationen benutzt, sondern auch eigenschöpferische Züge daraus entnommen habe. Bei einer genauen Darstellung desselben Gegenstandes ergäben sich notgedrungen starke Übereinstimmungen. Ins Auge stechend seien diese bei einem Vergleich der Karten der Parteien vor allem bei der Wiedergabe der Verkehrswege. Diese könnten aber auch dadurch entstanden sein, daß jeweils von derselben topographischen Karte ausgegangen worden sei und die Verkehrswege dann nach ähnlichen Kriterien verbreitert worden seien. Die Klassifizierung der Verkehrswege nach vorgegebenen Kategorien und ihre entsprechend breite und herausgehobene Darstellung sei allgemeiner Standard der Kartographie; sie weiche im einzelnen bei den zu vergleichenden Karten voneinander ab.

Bei der Generalisierung der Gebäude unterschieden sich die Karten des Beklagten wesentlich stärker von den topographischen Karten als von dem Kartenwerk des Klägers, wichen aber auch von diesem verhältnismäßig stark ab. Dies bestätige sich überall bei einem genauen Vergleich. Das Kartenwerk des Klägers lege deutlich mehr Wert auf die Einzelhausdarstellung, während der Beklagte stärker generalisiert habe. Deutliche Unterschiede bestünden auch bei der Beschriftung. Die Karten des Beklagten verzichteten zudem auf eine Reihe von Informationen, so auf die Wiedergabe der Straßenbahn- und Buslinien und die Darstellung von Böschungen.

Eine entscheidende Abweichung zeige sich bei der Kolorierung. Das Stadtplanwerk des Klägers habe eine typische, es besonders auszeichnende Farbgestaltung, die maßgeblich zum Kontrastreichtum der Darstellung und damit auch zur Übersichtlichkeit der Karten beitrage. Als Grundfarbe sei weiß verwendet. Von den im allgemeinen blaugrau dargestellten Gebäuden unterschieden sich Industriebauten durch ihre blau-violette, Gebäude öffentlicher Institutionen durch ihre rote Farbe. Der Beklagte verwende demgegenüber für seine Pläne herkömmliche Farben.

Das Berufungsgericht hat schließlich auch einen Schadensersatzanspruch aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz (§ 1 UWG) mit der Begründung verneint, daß Umstände, aus denen sich die wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit einer Leistungsübernahme ergeben würden, nicht ersichtlich seien.

II. Die Abweisung des Schadensersatzanspruchs hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um die Beurteilung zu tragen, daß die Vervielfältigung und Verbreitung der beanstandeten Karten des Beklagten nicht die Urheberrechte an den entsprechenden Karten des "Stadtplanwerkes Ruhrgebiet" verletzt haben.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß Stadtpläne und Landkarten als Darstellungen wissenschaftlicher, technischer Art gemäß § 2 Abs. l Nr. 7 UrhG Urheberrechtsschutz genießen, wenn es sich um persönliche geistige Schöpfungen im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG handelt (vgl. BGH, Urt. v. 20.11.1986 - I ZR 160/84, GRUR 1987, 360, 361 - Werbepläne; Urt. v. 2.7.1987 - I ZR 232/85, GRUR 1988, 33, 35 = WRP 1988, 233 - Topographische Landeskarten). Der dargestellte Inhalt, insbesondere die verwendeten Vermessungsdaten und die sonstigen in die Karte eingearbeiteten Informationen sind allerdings urheberrechtlich frei; das Berufungsgericht hat es deshalb auch zu Recht als unerheblich angesehen, daß der Beklagte aus dem Kartenwerk des Klägers dort absichtlich gemachte Fehler übernommen hat. Die Leistung eines selbständig arbeitenden Kartographen erschöpft sich aber schon deshalb nicht in der Mitteilung geographischer und topographischer Tatsachen, weil Karten auf einen bestimmten Benutzerzweck hin gestaltet werden müssen. Die schöpferische Eigentümlichkeit einer Karte kann sich demgemäß, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, bereits daraus ergeben, daß die Karte nach ihrer Konzeption von einer individuellen kartographischen Darstellungsweise geprägt ist, die sie zu einer in sich geschlossenen eigentümlichen Darstellung des betreffenden Gebiets macht (vgl. BGH, Urt. v. 3.7.1964 - Ib ZR 146/62, GRUR 1965, 45, 46 - Stadtplan). Ebenso wie bei der urheberrechtlichen Beurteilung von Sprachwerken auch ein geistig-schöpferischer Gehalt, der in Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des Materials zum Ausdruck kommt, zu berücksichtigen sein kann (vgl. BGHZ 94, 276, 285 - Inkasso-Programm; BGH, Urt. v. 12.3.1987 - I ZR 71/85, GRUR 1987, 704, 705 - Warenzeichenlexika), können bei Karten urheberrechtlich bedeutsame schöpferische Züge auch in der Gesamtkonzeption liegen, mit der durch die individuelle Auswahl des Dargestellten und die Kombination von - meist bekannten - Methoden (z. B. bei der Generalisierung) und von Darstellungsmitteln (z.B. bei der Farbgebung, Beschriftung oder Symbolgebung) ein eigentümliches Kartenbild gestaltet worden ist.

Der Freiraum für eine individuelle Gestaltungsweise zur Erreichung eines Kartenbildes, das möglichst zweckentsprechend, verständlich und übersichtlich, dazu klar und harmonisch ist, kann bei Karten entsprechend der Aufgabenstellung sehr unterschiedlich sein - sehr eng begrenzt etwa bei Katasterkarten, etwas größer dagegen bei topographischen Karten und regelmäßig noch größer bei thematischen Karten (vgl. Pape, Kartographische Nachrichten 1979, 228 ff.; Twaroch, Medien und Recht 1992, 183, 185 ff.). Pläne wie die Karten des "Stadtplanwerkes Ruhrgebiet" stehen zwischen topographischen und thematischen Karten (vgl. dazu Hake/Grünreich, Kartographie, 7. Aufl., S. 17).

Karten können aber auch dann, wenn sie in der Gesamtkonzeption ihrer Gestaltung keine schöpferischen Züge aufweisen (wie z. B. bei der Erarbeitung eines einzelnen topographischen Kartenblatts nach einem vorbekannten Muster), urheberrechtlich schutzfähig sein. Auch in einem solchen Fall kann dem Entwurfsbearbeiter oder Kartographen - trotz der Bindung an Zeichenschlüssel und Musterblätter - ein für die Erreichung des Urheberrechtsschutzes genügend großer Spielraum für individuelle formgebende kartographische Leistungen bleiben. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine solche kartographische Gestaltung die Mindestanforderungen an die schöpferische Eigentümlichkeit erfüllt, darf kein zu enger Maßstab angewendet werden (BGH GRUR 1987, 360, 36l - Werbepläne; BGH GRUR 1988, 33, 35 - Topographische Landeskarten). Allerdings folgt aus einem geringen Maß an Eigentümlichkeit auch ein entsprechend enger Schutzumfang für das betreffende Werk (vgl. BGH GRUR 1988, 33, 35 - Topographische Landeskarten; vgl. auch Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 Rdn. 132).

2. Das Berufungsgericht hat die urheberrechtliche Schutzfähigkeit des "Stadtplanwerkes Ruhrgebiet" vor allem damit begründet, daß es eine - nicht zuletzt auf die ungewöhnliche Farbgebung zurückzuführende - hervorragende Übersichtlichkeit mit einer erstaunlichen Detailfülle verbinde. Dadurch könne es die Bedürfnisse eines weiten Benutzerkreises befriedigen. Die Annahme einer urheberrechtlichen Schutzfähigkeit des Stadtplanwerkes, die auch unter Berücksichtigung des Sachvortrags des Beklagten ohne weiteres durch das vorgelegte Kartenwerk bestätigt wird, läßt nach dem Maßstab der vorstehend dargelegten Grundsätze keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revisionserwiderung nicht angegriffen.

3. Das "Stadtplanwerk Ruhrgebiet" hat dem Beklagten bei der Erstellung der Karten vorgelegen und ist von ihm dabei unstreitig auch benutzt worden. Bei dieser Sachlage war zu prüfen, ob die beanstandeten Pläne des Beklagten in unfreier Benutzung des Stadtplanwerkes (§ 23 UrhG) entstanden sind. Der Ansicht des Berufungsgerichts, daß die beanstandeten Karten des Beklagten keine abhängige Bearbeitung der entsprechenden Karten des "Stadtplanwerkes Ruhrgebiet" seien, kann nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand nicht zugestimmt werden.

a) (1) Bei der Prüfung, ob eine unfreie Benutzung vorliegt, ist zunächst im einzelnen festzustellen, durch welche objektiven Merkmale die schöpferische Eigentümlichkeit des benutzten Originals bestimmt wird. Maßgebend ist dafür ein Gesamtvergleich mit den vorbekannten Gestaltungen, bei dem vom Gesamteindruck des Originals und der Gestaltungsmerkmale, auf denen dieser beruht, auszugehen ist. Das Ergebnis dieses Gesamtvergleichs bestimmt zugleich den Grad der Eigentümlichkeit, von dem der Schutzumfang abhängt. Soweit sich im vorliegenden Fall dabei hinsichtlich der Gesamtkonzeption, die den konkret zu beurteilenden Karten das Gepräge gibt, schöpferische Eigenheiten feststellen lassen, sind sie dem Schaffen des Durchschnittsgestalters gegenüberzustellen. Die rein handwerksmäßige Fortführung und Entwicklung des Vorbekannten bleibt außerhalb der Schutzfähigkeit (vgl. BGHZ 94, 276, 287 - Inkasso-Programm; BGH GRUR 1987, 704, 706 - Warenzeichenlexika). Davon unberührt bleibt bei Karten als Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art die bereits dargelegte Möglichkeit, daß auch die Ausnutzung von Spielräumen bei der Erarbeitung eines einzelnen Kartenblatts ein urheberrechtlich schutzfähiges Werk entstehen lassen kann, wenn auch nur - entsprechend dem geringen Maß an Eigentümlichkeit - mit einem geringen Schutzumfang.

(2) Den Ausführungen des Berufungsgerichts läßt sich nicht hinreichend entnehmen, ob es bei seiner Beurteilung diese Prüfungsmaßstäbe im Blick behalten hat. Das Berufungsgericht hat nicht - wie erforderlich - den für den Schutzumfang maßgeblichen Grad der schöpferischen Eigentümlichkeit durch einen Gesamtvergleich mit den vorbekannten Gestaltungen ermittelt. Der Umstand, daß es die urheberrechtliche Schutzfähigkeit des "Stadtplanwerkes Ruhrgebiet" gerade aus Besonderheiten seiner Konzeption, die zu einer hervorragenden Übersichtlichkeit verbunden mit einer erstaunlichen Detailfülle geführt habe (BU 9), hergeleitet hat, läßt allerdings darauf schließen, daß es den Eigentümlichkeitsgrad des Stadtplanwerkes nicht zu niedrig ansetzen wollte. Damit stimmt jedoch nicht überein, daß das Berufungsgericht (BU 10) bei der Frage der Nachbildung offensichtlich von einem engen Schutzumfang ausgegangen ist.

(3) Bei der Ermittlung des Grades der Eigentümlichkeit ist u. a. das Vorbringen des Klägers zu würdigen, das Stadtplanwerk sei mit seinem einfachen, exakten und betont graphischen Aussehen eine schöpferische Lösung des sich bei jedem Stadtplan stellenden Gestaltungsproblems. Die eigenwillige kartographische Darstellung, die für den Fachmann ohne weiteres als typisch für das Stadtplanwerk erkennbar sei, führe nicht zu einem übervollen Vermessungsplan, sondern zu einer handlichen Karte für das Büro mit Fernwirkung, die bei einer sehr hohen Informationsdichte alle für die Städte notwendigen Informationen enthalte. Um diese Gesamtwirkung zu erreichen, sei ein einheitlicher Zeichenschlüssel neu geschaffen worden. Ein besonderer inhaltlicher Schwerpunkt der Karten sei bei den Verkehrswegen gesetzt worden. Diese seien unterhalb der Bundesstraßen ausschließlich nach ihrer Verkehrsbedeutung abgestuft dargestellt. Dadurch sei die Wiedergabe der bebauten Flächen zurückgedrängt. Trotzdem seien - anders als bei herkömmlichen Stadtplänen - die Bebauungsstrukturen bis hin zu den einzelnen Gebäuden dargestellt, wobei in bestimmter Weise generalisiert worden sei. Dadurch werde der Charakter der Bebauung, insbesondere die Unterscheidung zwischen offener und geschlossener Bauweise, deutlich hervorgehoben. Das Liniennetz der Eisenbahnen sei strukturiert, die Gleishäufungen reduziert dargestellt worden. Die gelungene - in den Plänen des Beklagten allerdings nicht übernommene - Farbgebung sei für das Stadtplanwerk typisch.

Bei der Ermittlung des Grades der Eigentümlichkeit des Stadtplanwerkes ist ebenfalls das Gegenvorbringen des Beklagten zu würdigen. Dieser läßt jedoch bei seinem Sachvortrag weitgehend unberücksichtigt, daß der Einsatz bekannter Darstellungsmittel bei der Schaffung einer Karte nicht ausschließt, daß im Einzelfall durch die Art und Weise des Einsatzes dieser Mittel in der Gesamtschau ein schutzfähiges Werk entstanden sein kann und daß diesem nach dem Maß der schöpferischen Leistung im Einzelfall auch ein größerer Schutzumfang zukommen kann als sonst Werken dieser Art. Verteidigt sich der Beklagte mit dem Einwand, die Schutzfähigkeit entfalle oder der Schutzumfang sei eingeschränkt, weil der Urheber auf Vorbekanntes zurückgegriffen habe, so ist es seine Sache, durch Vorlage von konkreten Entgegenhaltungen darzulegen, inwieweit bei dem Stadtplanwerk in der gestalterischen Konzeption und in der Wahl der Darstellungsmittel auf vorbekanntes Formengut zurückgegriffen worden ist (vgl. BGHZ 112, 264, 273 - Betriebssystem; BGH, Urt. v. 27.5.1981 - I ZR 102/79, GRUR 1981, 820, 822 - Stahlrohrstuhl II; Urt. v. 24.1.1991 - I ZR 78/89, GRUR 1991, 531, 533 - Brown Girl I; Urt. v. 6.11.1997 - I ZR 102/95, WRP 1998, 377, 379 - Trachtenjanker).

(4) Die Revision rügt weiterhin mit Erfolg, daß das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen ist. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist das Stadtplanwerk unstreitig nicht von der - stärker generalisierten - topographischen Karte 1:25000 ausgegangen, an der sich der Beklagte bei der Planerstellung orientiert haben will, sondern von der Deutschen Grundkarte 1:5000. Dies wird im erneuten Berufungsverfahren bei der Beurteilung des Eigentümlichkeitsgrades des "Stadtplanwerkes Ruhrgebiet", aber auch bei der Frage, ob eine unfreie Bearbeitung anzunehmen ist, zu berücksichtigen sein.

b) Der Kläger hat im Verfahren umfangreich zum Tatbestand der Übernahme vorgetragen. Er hat - schon ausweislich des Tatbestands des Berufungsurteils - vorgetragen, die Karten des Beklagten seien ein Plagiat, wie bereits der Umstand zeige, daß diese in wesentlichen Teilen mit dem Stadtplanwerk deckungsgleich seien. Er hat weiter behauptet, daß der Beklagte mit der Übernahme der individuellen Kartendarstellung im einzelnen auch die darin zum Ausdruck kommende eigenschöpferische Kartenkonzeption übernommen habe. Soweit der Beklagte in seiner Revisionserwiderung (S. 2-5) Bedenken hinsichtlich der Schlüssigkeit des Klagevorbringens äußert, wird dem der Tatrichter nachzugehen haben.

c) Nach Prüfung dieses Vorbringens ist zur Beurteilung, ob eine unfreie Benutzung im Sinne des § 23 UrhG anzunehmen ist, in einem weiteren Schritt durch Vergleich der gegenüberstehenden Werke zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eigenschöpferische Züge des Stadtplanwerkes übernommen worden sind. Maßgebend für die Entscheidung ist letztlich ein Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks der gegenüberstehenden Gestaltungen, in dessen Rahmen sämtliche übernommenen schöpferischen Züge - seien es solche der Gesamtkonzeption der Gestaltung, seien es solche der Kartendarstellung im einzelnen - in einer Gesamtschau zu berücksichtigen sind (vgl. BGH GRUR 1987, 704, 705 - Warenzeichenlexika). Bei der Beurteilung der Frage, ob eine unfreie Benutzung vorliegt, ist kein zu milder Maßstab anzulegen (vgl. BGH GRUR 1965, 45, 47 - Stadtplan).

d) Diesen Prüfungserfordernissen wird das Berufungsurteil nicht voll gerecht.

(1) Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, daß es bereits an der Übernahme eigenschöpferischer Elemente in die Pläne des Beklagten fehle. Es hat jedoch bei seiner Beurteilung nicht durchgängig beachtet, daß die Frage, ob eine unfreie Benutzung im Sinne des § 23 UrhG vorliegt, nicht aufgrund einer zergliedernden Betrachtungsweise beurteilt werden darf, sondern eine Gesamtschau aufgrund eines Vergleichs der gegenüberstehenden Gestaltungen vorzunehmen ist. Das Berufungsgericht durfte sich deshalb nicht darauf beschränken, bei der Sachprüfung die vom Kläger behaupteten Übereinstimmungen im einzelnen abzuhandeln und jeweils beschränkt auf diese zu entscheiden, daß der Umfang der Übernahmen eine Urheberrechtsverletzung nicht oder nicht hinreichend begründe.

(2) Das Berufungsgericht hat zudem - verursacht durch den Wechsel des Vortrags des Klägers - übersehen, daß sich der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch - jedenfalls nach der Klageschrift (anders nach der Berufungsbegründung) - nicht auf die Karten des Beklagten in den "Gelben Seiten" "B. 1994 /95" bezieht, sondern auf die Kartenabdrucke in der früheren Auflage "B. 1992 /93". Der Kläger hat den Streitgegenstand seiner bezifferten Klage dadurch bestimmt, daß er in der Klageschrift zum Zweck der Substantiierung seiner Schadensersatzforderung auf zwei Lizenzrechnungen vom 22. Juni 1994 gerade für die Auflagen "B. 1992/93" und "D. 1993/94" Bezug genommen und mit Schriftsatz vom 3. Januar 1995 einen Leitzordner vorgelegt hat, in dem er die Karten des Beklagten in den "Gelben Seiten" "B. 1992/93" und "D. 1993/94" den entsprechenden Teilen seines Stadtplanwerkes gegenübergestellt hat. Die Kartenabdrucke in den genannten Auflagen der "Gelben Seiten B." stimmen zwar weitgehend, jedoch nicht vollständig überein. Das Berufungsgericht hatte danach keine ganz zutreffende Grundlage für seine Prüfung, in welchem Umfang urheberrechtlich schutzfähige Elemente von Karten des Stadtplanwerkes in die beanstandeten Pläne des Beklagten übernommen worden sind.

(3) Das Berufungsgericht hat weiter nicht ausreichend berücksichtigt, daß Übernahmen eigenschöpferischer Elemente aus Karten, insbesondere hinsichtlich der gestalterischen Konzeption, auch dann vorliegen können, wenn bei der Übernahme von Einzelheiten jeweils kleinere Veränderungen, wie etwa bloße Weglassungen oder Vergröberungen, vorgenommen werden (vgl. dazu auch BGH GRUR 1965, 45, 48 - Stadtplan).

Dazu kommt, daß das Berufungsgericht - wie dargelegt - irrtümlich davon ausgegangen ist, daß das Stadtplanwerk ebenso wie die Pläne des Beklagten die topographische Karte 1:25000 als Grundlage gehabt haben. Diese unzutreffende Annahme kann sich dahin ausgewirkt haben, daß das Berufungsgericht den für individuelle Gestaltung gegebenen Spielraum bei der konkreten Ausarbeitung des Stadtplanwerkes und dementsprechend den Umfang der Übernahmen daraus in die Pläne des Beklagten zu gering eingeschätzt hat.

(4) Bei der Beurteilung der Frage, ob die Urheberrechte an benutzten Karten durch unfreie Übernahme schöpferischer Elemente verletzt sind, wird sich das Gericht mangels eigener Sachkunde regelmäßig der Hilfe eines gerichtlichen Sachverständigen bedienen müssen (vgl. BGH GRUR 1988, 33, 35 - Topographische Landeskarten; G. Schulze, Die kleine Münze und ihre Abgrenzungsproblematik bei den Werkarten des Urheberrechts, S. 249; Twaroch, Medien und Recht 1992, 183, 188). Im vorliegenden Fall wird die Beiziehung eines gerichtlichen Sachverständigen schon mit Rücksicht auf die von den Parteien vorgelegten - einander widersprechenden - Privatgutachten notwendig sein.

III. Auf die Revision des Klägers war danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.