Burg Lauenstein
Burg Lauenstein.
Hoch über dem waldumrauschten, felsenzerrissenen Loquitzthale erhebt sich hart an der Grenze von Thüringen und Franken Burg Lauenstein. Seit ihrer 1896 begonnenen Wiederherstellung und inneren Ausschmückung ist Thüringen um ein Juwel deutscher Burgromantik reicher, zu dem man fortan wallfahren wird, um dann den Ruhm dieser neuentdeckten Stätte draußen im Reiche zu verkünden. Geschichte und Sage, Architektur und Landschaft klingen hier zu einem vollen Akkord zusammen.
Obgleich seit 1814 durch Austausch an Bayern gekommen und politisch seitdem zu Oberfranken zählend, ist die ehemalige Grafschaft Lauenstein trotzdem immer thüringer Boden gewesen, gleich dem benachbarten heute ebenfalls bayrischen Städtchen Ludwigstadt, wohin durch Jahrhunderte hindurch die Besitzer von Lauenstein ihren letzten Weg nahmen, wenn es aus war mit Liebe und Haß, Streit und Fehde. Sprache und Sitte, Tracht und protestantischer Glaube, alles ist thüringisch geblieben. –
Erst mit der Eröffnung der Bahnstrecke Saalfeld–Probstzella–Ludwigstadt und hinüber nach Oberfranken ist der Reiz und die Schönheit des Loquitzthales gleichsam entschleiert worden, das nunmehr durch Burg Lauenstein eine erhöhte Zugkraft empfangen hat.
Dicht unter dem Rennstiege, dem uralten Grenzweg und Bergzinnenpfad des Thüringer Waldes, entspringen die Quellen der Loquitz, die nach gut halbstündigem Laufe Lehesten und seine weltberühmten Schieferbrüche grüßt, in denen an 2000 Menschen arbeiten und deren Schieferplatten und -tafeln, Wetzsteine und Griffel weit hinaus über alle Meere gehen. Durch ein einsames Bergthal windet sich die Loquitz nach Ludwigstadt, berührt noch einige kleine Siedelungen und wendet sich dann wie mit einem Ruck scharf rechts nach Osten.
Hier, an der Spitze dieses Rechtecks (die Thalsohle liegt 400 m hoch) erhebt sich auf einem scharf profilierten Bergkegel (600 m hoch) Burg Lauenstein, im Volksmunde auch die Mantelburg genannt.
Nur rückwärts nach dem Gebirge hin ist sie durch einen Sattel mit dem vorüberstreichenden Bergzug verbunden, die übrigen drei Seiten des Bergkegels, jetzt von bequemen Wegen überwebt, fallen jäh hinab zu Thale.
Leuchtend und unnahbar thront wie eine Königin Burg [277] Lauenstein in einsamer Höhe, herrschend über die Hütten des Dorfes. Ihrer Zinnen Zier, Türme, Söller, Erker und die langen Fensterreihen des gewaltigen Baues schauen in die Tiefe und Ferne, über wogende Wälder zu blauumdufteten Höhen, thalauf und -ab, auf träumende Bergmatten und den schäumenden Bach zwischen den Felscoulissen.
Und durchstreift man die Tannenwälder rings, zieht über die freien Höhen: allüberall taucht als ein Wahrzeichen dieser Landschaft Burg Lauenstein auf und lockt uns wieder magnetisch in ihren Bann.
Auf dem Burgwall, hart an der äußeren Burgmauer, steht ein altes Amtshaus, heute traulich ausgestattet. Der neue Schloßherr hat es in ein angenehmes Gasthaus mit Pension umgewandelt und ihm den schönen Namen „Burgfried zum Lauenstein“ gegeben. Ein idealer Aufenthalt ohne Kellnerfracks und Hoteltreiben. Wer hoch über der ruhelos hastenden Welt, umweht von herbfrischer Bergluft, Frieden und Schönheit gleichzeitig genießen will, der sollte hier vor Anker gehen. Leib und Seele müssen hier gesunden. – –
Burg Lauenstein schaut in wenigen Jahren auf eine tausendjährige Vergangenheit zurück.
Als die Sorben (Wenden) aus den Niederungen der mittleren Elbe immer kühner und energischer gegen den Thüringer Wald vordrängten und Thüringer wie Franken teilweise sogar bis über den Kamm desselben zur Werra scheuchten, da begann man längs der Saale steinerne Festen aufzurichten, die unholden Gäste zurückzuweisen. So entstand auch an der Loquitz Burg Lauenstein.
Mutmaßlich im Jahre 915 ließ Kaiser Konrad I sie aufbauen. Aus jenen frühen Tagen ist freilich nicht mehr allzuviel vorhanden. Ein nach Süden vorspringendes Thor, starke Mauerreste, sowie der 4 m hohe Stumpf eines gewaltigen Burgfrieds – das ist alles. Sehr charakteristisch für diese frühe Bauzeit ist die schräg aufstrebende Mauerung der unbearbeiteten Feldsteine, die man als ährenformig bezeichnen könnte.
Mit der Burg wurde sehr früh das hochangesehene, besonders in Südthüringen mächtig angesessene Grafengeschlecht der Henneberger belehnt. Das dazu gehörige Gebiet bildete späterhin eine eigene Grafschaft Lauenstein. Alte Chroniken erzählen, daß im Jahre 945 Graf Popo I von Henneberg starb und sein irdisch Teil von der Burg hinab nach Ludwigstadt übergeführt und in der dortigen Marienkapelle beigesetzt wurde. Diese Kapelle, ein Rundbau aus unbehauenen Steinen, steht noch heute völlig erhalten, dient aber seit Jahren einem wackeren Meister als – Hufschmiede.
Allzulange saßen übrigens die Henneberger nicht auf der Mantelburg. Ihnen folgten die Grafen von Orlamünde, die sich in drei Hauptzweige teilten: Orlamünde a. d. Saale, Lauenstein und Plassenburg bei Kulmbach. Unter ihrer Herrschaft scheint die Burg erst den Namen Lauenstein empfangen zu haben. Denn die Orlamünder führten den Löwen als Wappentier, und Lauenstein ist nur eine Umschmelzung des Wortes Löwenstein.
Graf Wilhelm von Orlamünde war es, der mit reichem Gefolge im Jahre 1002 dem Kaiser Heinrich II entgegenzog und ihn dann feierlich hinauf zum Lauenstein geleitete. Dort hat der Kaiser einige Zeit anscheinend vergnüglich gewohnt, denn zum Dank überhäufte er den Schloßherrn und seine Nachfolger mit vielen Gnadenbeweisen, vor allem enthob er sie des jährlichen Tributs, den die Henneberger noch hatten entrichten müssen.
Aber die Orlamünder haben im allgemeinen diese kaiserliche Huld nicht schön belohnt. Dem Zuge und Geschmack der Zeit folgend, warfen sie sich auf das einträgliche und amüsante Geschäft der Wegelagerei, überfielen die Kaufleute drunten im Thale und sengten und raubten rings in den Dörfern. Als daher Kaiser Rudolf von Habsburg 1290 auf Wunsch seiner getreuen Erfurter, bei denen er ein Jahr lang geweilt hatte, eine Liste all der Raubfesten aufstellen ließ, welche man zu züchtigen habe, da ward auch Burg Lauenstein draufgesetzt. Kaiserliche und Erfurter rückten im genannten Jahre vor die Burg und legten sie in Trümmer.
Sie ist dann notdürftig wieder ausgeflickt worden, bis endlich 1390 Otto VI sie neu aufführen ließ. Der sogenannte Orlamünder Flügel legt heute noch Zeugnis davon ab. 1400 starb der Wiedererbauer und ward in Ludwigstadt begraben, wo man in der St. Michaeliskirche seinen wohlerhaltenen Grabstein schauen kann, der ihn in voller Lebensgröße darstellt.
Derselbe Orlamünder hatte eine Tochter, Katharina Elisabeth, deren Andenken noch heute im Gemüt des abergläubischen Volkes nicht erloschen ist. Denn sie ist die „weiße Frau“, welche der Sage nach den Hohenzollern den Tod ihrer Regenten vorher anzeigt.[1]
Katharina war jung und schön, als sie ihren Vetter von Orlamünde-Plassenburg heiratete. Dieser Ehe entsprangen zwei Kinder. Leider starb ihr Gemahl bald danach. Katharina, [278] erfüllt von brennender Lebensgier, warf ihre Augen bald auf den jungen Friedrich von Hohenzollern, Burggrafen von Nürnberg. Ihre Leidenschaft fand Erwiderung, und sie wäre wohl auch sein Weib geworden, hätten nicht seine Eltern Einspruch erhoben.
Eines Tages eröffnete er dem begehrlichen Weibe, er könne sie nicht heimführen, denn „vier Augen stünden ihm im Wege“. Er hatte die seiner Eltern damit gemeint. Katharina aber, von Leidenschaft bethört, glaubte, dies gelte ihren Kindern. In einer Nacht ermordete sie die unschuldigen Kleinen, damit nichts mehr ihrem Wunsche entgegenstehe. Man sagt, daß sie die Kinder mit einer Stricknadel erstochen habe. Doch die That kam ans Licht.
Katharina ward zum Tode durch den Scheiterhaufen verdammt. Das Urteil wurde aber dahin gemildert, daß man sie hieß, bis an ihr Lebensende als büßende Nonne in das Kloster Himmelskron bei Kulmbach einzutreten. Dort ist die Sünderin gestorben und begraben. Man sagt, daß sie von der Plassenburg bis zum Kloster habe auf den Knien rutschen müssen. Vorher aber habe sie noch einen furchtbaren Fluch auf den vermeintlichen Mörder ihres Glückes ausgestoßen, auch verkündet, daß sie ihm und allen Hohenzollern fortan wolle als Verkünderin ihres Todes kurz vor demselben in gespenstischer Tracht erscheinen.
Sie ist denn auch in den Schlössern Plassenburg, Bayreuth und Berlin des öftern „gesehen“ worden. Auch Napoleon I soll sie erschreckt haben. In Berlin will man sie im Jahre 1850 zum letztenmal nachtwandelnd durch die Korridore des grauen Schlosses haben schreiten sehen.
Aber auch auf Burg Lauenstein – so erzählt sich das ringsum sitzende Volk – soll die „weiße Frau“ zuweilen mitternächtlich umgehen. –
Von den Orlamündern kam die Mantelburg durch Ankauf an die Grafen von Gleichen, 1460 an die Grafen von Schwarzburg und darauf an eine Reihe anderer Besitzer. 1506 gelangte sie endlich in den Besitz der Freiherren Ritter von Thüna. Damit ging ein neuer Stern über der Burg auf.
Friedrich von Thüna stand als Geheimer Rat dem Kurfürsten von Sachsen, Friedrich dem Weisen, sehr nahe. Er soll es gewesen sein, der in Worms auf dem Reichstage seinem fürstlichen Herrn den Rat gab, den kühnen Augustiner Luther unterwegs heimlich aufheben und in gesichertes Versteck bringen zu lassen. Als dann Friedrich von Thüna selbst heimkehrte, führte er sofort die evangelische Lehre in seinem Lande ein.
Sein Bruder und Nachfolger, Christoph von Thüna, war ein echter Sohn der Renaissancezeit. Genußfroh und prachtliebend, begeistert für die Kunst, warmblütig und verschwenderisch, ließ er in den Jahren 1551–54 auf Burg Lauenstein den herrlichen Thünaschen Neubau aufführen und denselben im Innern durch alle vier Stockwerke hindurch mit einer Pracht und Vornehmheit ausstatten, die uns zur Achtung und Bewunderung zwingt. Auch den anstoßenden Orlamünder Flügel unterzog er in seinen Innenräumen einer durchgreifenden künstlerischen Umgestaltung. Ebenso erbaute er ein Stück oberhalb Saalfeld am rechten Saaleufer das reizende Schlößchen Obernitz.
Bis zum Jahre 1622 saßen die Freiherren von Thüna droben auf Lauenstein. Dann verkauften sie den stolzen Besitz um 40 000 Goldgulden an die Markgrafen von Kulmbach-Bayreuth. Da die Markgrafen aber nur zur Jagd auf der Burg weilten, im übrigen sie ihren Verwaltern überließen, so begann der Verfall auf Lauenstein heimlich still einzuziehen. Die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges thaten dann noch ein übriges. Als 1791 die Kulmbacher Linie ausstarb, kam Lauenstein an Preußen, dann unter Napoleons Zwingherrschaft und endlich 1804[WS 1] an das Königreich Bayern. Bis auf die eingesetzten Beamten ist aber in der ehemaligen Grafschaft alles thüringisch geblieben. –
Die bayerische Regierung, unbekümmert darum, was an der äußersten Grenzmark für eine interessante und schöne Stätte dem Verfall preisgegeben war, ging nüchtern praktisch vor. Sie verlegte den Sitz des Amtsgerichts auf das ehrwürdige Schloß. Doch die Steilheit des Aufstieges, die Weltabgeschiedenheit der Lage waren nicht nach dem Geschmack der bequemen Beamten. Man erhob Beschwerde auf Beschwerde. München blieb ungerührt. Da packte den damaligen Landrichter Sondinger – man schrieb das Jahr 1806 – ein Heldenmut der Verzweiflung. Eines Tages faßte er seine Akten zusammen, verließ die Mantelburg und wanderte nach Ludwigstadt, wo er sich, ein echter Freibeuter, einfach im Rathause festsetzte. Zwar gab es in München darob verdutzte und lange Gesichter. Schließlich aber machte man gute Miene zum bösen Spiele, erbaute ein Amtsgericht in Ludwigstadt, wo hinein dann der gefeierte Held mit seiner Schreiberschar zog.
Die Burg ward nun seitens der Regierung an einen Privatmann für ein Spottgeld verschleudert. Als dessen Sohn anfangs der siebziger Jahre verarmt war, brachten seine Gläubiger den Lauenstein an sich, bildeten eine Genossenschaft und vermieteten als solche den kostbaren Schloßbau an kleine Leute. An 25 Familien hausten jetzt darinnen: Schieferbrucharbeiter, Tagelöhner und Handwerker, und wo einst Kaiser Heinrich II gebechert und geweilt hatte, da trieb sich in den Bankettsälen allerlei Hausgetier gemütlich herum; auf dem Estrich des Rittersaales loderten die Feuer, an denen man kochte, wusch und hantierte.
Doch noch einmal sollte ein heller Stern des Glückes über Burg Lauenstein aufgehen. Zu ungeahntem Glanze sollte die Feste aufblühen. Dornröschen erwachte! Im Jahre 1896 war es Dr. jur. E. Meßmer aus Halle, welcher die Burg käuflich an sich brachte und durch einen im Burgbau wohlerfahrenen Architekten außen wie innen stilgemäß wieder herstellen ließ. Und dabei zeigte sich, wieviel Wertvolles und Schönes unter all der Vernagelung, Tünche und Vermauerung sich noch erhalten hatte.
Was der jetzige Besitzer, ein begeisterter und kenntnisreicher Sammler altdeutschen Kunstfleißes, bisher all die Jahre unermüdlich und mit bedeutenden Opfern an Gegenständen der Kunst und des Kunsthandwerkes zusammengetragen hatte, das schmückt jetzt einen Teil der imposanten Räume der Feste. Auch noch den übrigen Teil des umfangreichen Schloßbaues allmählich einzurichten, dies hat sich der neue Burgherr als seines Lebens Ziel gesetzt. Er wird damit Thüringen ein Juwel zurückschenken, auf das es stolz sein darf! Was aber den Aufenthalt in der Burg so angenehm macht, so eigenartig erscheinen läßt, das ist, daß ihre Räume kein Museum ziel- und zwecklos zusammengetragener Gegenstände darstellen, vielmehr fast jedes Ding in den täglichen Gebrauch mit hereingezogen ward, soweit es sich eben nicht um dekorative Ausschmückung und Augenweide handelte. Das giebt dem Lauenstein ein so behagliches Gepräge!
Vom Bahnhofe Lauenstein führt außer dem breiten, fahrbaren Burgweg noch ein bequemer, an entzückenden Niederblicken reicher Zickzackpfad hinan. Ruhesitze, zum Genießen, sind hier wie über die ganze Berggegend ringsum ausgestreut. Nähert man sich westlich vom Oberdorfe her der Burg, so berührt man nach Durchschreitung des Thores das hart an der [279] Außenmaner sich erhebende Gast- und Pensionshaus „Burgfried zum Lauenstein“.
Ein Rundgang von hier aus über den breiten Burgwall, am Burggärtlein, Mauergetrümmer vorbei, entrollt ein herrliches Rundbild landschaftlicher Schönheiten.
Dann stehen wir vor der den tiefen Wallgraben überwölbenden Brücke und dem großen Eingangsthor zur Innenburg. Ein mächtiger rotbrandenburgischer Adler schmückt die Thorflügel, darüber leuchtet uns der Spruch entgegen:
Dies Schloß – einst eine feste Burg,
Erbaut in Kriegsgefahren –
Fortan als Denkmal deutscher Kunst
Mag Gott es uns bewahren.
Der Glockenturm, des Thorwarts malerische Wohnung, sowie die aus dem Felsgestein gleichsam herauswachsenden Mauerreste der allerersten Burganlage Kaiser Konrads begrenzen den Eingang. Inmitten des geräumigen Schloßhofes plätschert ein Springbrunnen aus altertümlichem Steinbecken. Zur Rechten liegt der Orlamünder Flügel, charakteristisch in seinem Erdgeschoß durch eine säulengetragene Wandelhalle, darüber eine offene Loggia. Seine innere Einrichtung bleibt noch der Arbeit und Sorge des Schloßherrn vorbehalten. Von den bemerkenswerten Räumen sei hier nur das sogenannte Tafelzimmer hervorgehoben.
In den herrlichen Thünaschen Bau tritt man durch ein reich im Sandsteinschmuck der Frührenaissance ausgeführtes Portal.
Man steht im Treppenhause, einem Turm, durch den sich vier Stockwerke hindurch eine gewundene Sandsteintreppe schlängelt, die als ein Meisterwerk bezeichnet werden muß. Reichtum und Vornehmheit charakterisieren alle Räume dieses Baues. Kräftig profilierte Rundbogenthüren, Wandtäfelungen, fort und fort wechselnde, seltene und kunstvolle Plafonds in Stein und Holz, die reizvollsten Rippenwölbungen in den Erkern – dies alles setzt sich fort bis hinauf ins vierte Geschoß. Hier sei nur von den oberen Räumen der Hirschensaal mit seinem reich in Holz geschnitzten Jagdfries und dem überaus malerischen Erker, sowie der Kapellenraum erwähnt, dessen Wände mit bunten Freskengemälden eines unbekannten, wahrscheinlich italienischen Meisters bedeckt sind.
Die kostbar ausgestatteten Wohnräume der Schloßherrschaft befinden sich im Erdgeschoß des Thünaschen Baues. Ein verschwenderischer Reichtum des Schönen und Kostbaren ist darinnen ausgestreut.
In dem imposanten Rittersaale, dessen vier Gewölbe von einem mächtigen Rundpfeiler getragen werden, spielt sich zumeist das tägliche Leben der Schloßbewohner ab. Mit seinen tiefen Fensternischen, den gotischen Rippengewölben, dem weit hineingebauten Kamin, all den Truhen und Schränken, Malereien und Webereien, Gewaff und Gehörn, den Eisenbandkronen, all der Fülle altertümlichen Hausrats, Krügen, Tellern, Humpen und Kannen – übt der Rittersaal die meiste Anziehungskraft auf alle Besucher.
Unweit des Kamins öffnet sich auch eine kleine Rundbogenthür zu dem geheimen Treppengang, der im obersten Geschoß beginnt, in der starken, ausgesparten Mauer durch alle Stockwerke schneidet, um schließlich in den ganz gewaltigen Kellern zu enden, von wo er sich in einer Ecke soll durch den Berg fortgesetzt haben. Angefangene Nachgrabungen scheinen auch das Gerücht zu bewahrheiten. – – –
Wer als Gast auf Burg Lauenstein ein- und ausgehen durfte, der hat noch einmal volle Burgromantik genossen. Wenn im Kamin die Flammen aus den prasselnden Holzscheiten züngelnd emporleckten und ihre Purpurglut sich mit dem milderen Lichte der Kronen und Lichter verband, wenn es aus den dämmernden Nischen geheimnisvoll zu raunen und zu grüßen schien, wie Mär verklungener Tage – dann empfand man den vollen Stimmungszauber von Burg Lauenstein.
Dann ergriff wohl der Burgherr sein Horn und schmetterte, weich anhebend, sein Lied empor zu den Wölbungen des Saales, oder vom offenen Altan hinaus in die aufhorchenden Bergwälder, das schlafende Thal.
Zurück zum Kamin! Die Römer aufs neue gefüllt! Warm und lebendig geht die Rede. Fremdes und Selbsterlebtes fließt durcheinander. Nebenan kündet eine alte Uhr mit dünner, bebender Stimme Mitternacht. Zerrissener Harfenton klingt dazwischen. Wir horchen unwillkürlich auf. Will sich die weiße Frau von Orlamünde zeigen?!
Der Burgherr lächelt still.
Dann hebt er den Römer hoch, daß das Licht sich in des Weines goldener Flut bricht. Und wir stoßen an!
Möge das Glück zu Lauenstein wie seine Mauern auf Felsengrund erbaut sein!
- ↑ Nach anderen Ueberlieferungen soll die „weiße Frau“ Agnes, eine geborene Herzogin von Meran, gewesen sein, die einen Grafen von Orlamünde heiratete und nach seinem Tode mit ihren Kindern auf die Plassenburg zog. Vgl. „Gartenlaube“, Jahrg. 1896, S. 505.[WS: Nummern-Ausgabe: S. 491]
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Das Fürstentum Bayreuth kam nicht 1804, sondern erst 1810 von Frankreich an Bayern.