Californische Goldgräber

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Titel: Californische Goldgräber
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aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 67–68
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[67] Californische Goldgräber. Eine der neuesten Nummern der in San Francisco erscheinenden Zeitung „The Wide West“ enthält eine treu nach dem Leben entworfene Schilderung der verschiedenen Charaktere und Nationalitäten, aus welchen die dortige Goldgräberbevölkerung zusammengesetzt ist.

Eigentlich zerfallen sämmtliche Goldgräber, welcher Nation sie auch übrigens angehören mögen, in zwei Hauptklassen: in die, welche mit Glück arbeitet und eine reiche Ausbeute vor sich bringt, und in die, welche wenig oder nichts findet, und in der Regel die wenigen Mittel, die sie mit an Ort und Stelle gebracht, noch obendrein zusetzt.

Der dieser letzteren Klasse angehörige unglückliche Goldgräber meint, ganz Californien sei weiter nichts, als ein ungeheurer Humbug, und nach seiner Ansicht ist es mit der Goldgräberei so gut wie aus. Er meint, wenn er im Jahre 1849 herübergekommen wäre, so hätte er noch sein Glück machen können, aber nicht mit der Goldgräberei, sondern als Landwirth, denn damals sei mit schon urbargemachten und angebauten Grundstücken noch ein Schlag zu machen gewesen. Da Californien weiter nichts ist, als Humbug, so würde er gern wieder in sein Vaterland zurückkehren, wenn ihm nicht Vetter Hinz und Kunz schon vor seiner Abreise prophezeit hätten, daß er in Californien kein Glück machen, sondern froh sein werde, wenn er wieder zu ihnen zurückkommen könne. Um keinen Preis möchte er diesen guten Leuten zugestehen, daß sie Recht hatten. Lieber will er verhungern. Davon ist er auch übrigens nicht sehr weit entfernt. Allerdings könnte er für eine der Aktiengesellschaften, welche Goldgräbereien nach ächt bergmännischem System betreiben, um’s Tagelohn arbeiten, aber er liebt die Unabhängigkeit und da er auch einige Rücksicht auf Ausbildung seines Geistes zu nehmen wünscht, so mag er täglich nicht länger arbeiten als acht Stunden. Auch ist es nicht seine Absicht, blos seinen nothdürftigen Lebensunterhalt zu verdienen – das hätte er zu Hause auch gekonnt. Sein Glück wird schon noch blühen, denn Alles in der Welt kommt auf’s Glück an. Schon Mancher hat eben so lange und noch länger als er vergebens gegraben, und doch noch plötzlich einen großen Fund gemacht. Uebrigens würde er dieses Californien, welches schon seine besten Kräfte aufgezehrt hat, gern mit Australien vertauschen, wenn ihm Jemand das dazu nöthige Reisegeld geben wollte. Nach Hause schreibt er selten.

Der glückliche Goldgräber huldigt dagegen ganz anderen Ansichten. Er glaubt nicht an plumpes Glück, sondern meint, daß er die gute Ausbeute, die er gemacht, einzig und allein seinem Fleiße und angebornem Scharfsinn zu verdanken habe und daß Jeder, der nur den guten Willen habe und fleißig sei, es eben so weit bringen könne. Er wird nie müde, nach Hause an seine Freunde zu schreiben, besonders an die, welche ihm von der Auswanderung abriethen. Er ist bereits Mitbesitzer einiger „Stores“ oder Victualienzelte in verschiedenen Theilen der Gräbereien oder „Diggings“ und macht gewöhnlich neue Ankömmlinge, die ihn um seinen Rath fragen, wo sie anfangen sollen, auf jene Lokalitäten aufmerksam. Er ist fest überzeugt, daß er eine Pfanne voll Erde schneller auswaschen und mehr Gold daraus gewinnen kann, als irgend ein anderer Mann in den Diggings. Das Schlafen unter einem Zelte betrachtet er als einen verweichlichenden Luxus. Er bedarf weiter nichts als eine Decke und einen Stein.

Eine dritte Art von Goldgräber ist der Indianer. Dieser ist ein tölpischer Kerl mit schwarzem, zusammenklebendem Haar und einer unfreundlichen abstoßenden Physiognomie. An Kleidern trägt er Alles oder nichts – das heißt, er trägt die Kleider, die er bekommen kann und so viel er deren besitzt. Wenn er Glück gehabt hat, so sieht man ihn vielleicht mit drei bis vier Hemden, Röcken und Hosen übereinander bekleidet. Hat er kein Glück gehabt, so trägt er vielleicht weiter nichts als ein einziges [68] Paar Strümpfe. Was die Seife für einen Nutzen hat, vermag er nicht zu begreifen, und Wasser berührt seine Haut blos, wenn er hinein geht, um zu fischen. Sein Lieblingsgericht besteht aus Eicheln und Heupferden, die er zu einer klebrigen Masse durcheinander quetscht und entweder frisch verzehrt oder zum Gebrauch für den Winter an der Sonne trocknet und aufhebt. Er ist ein Liebhaber des Tanzes, wobei jedoch von einem Ballanzuge so wenig als möglich die Rede ist. Auch das Spiel liebt er, obschon nicht mit Karten oder Würfeln, deren Bedeutung er nicht zu begreifen vermag, sondern nach Art der Kinder, indem er, nachdem er in die eine Hand ein Geldstück genommen, zwei Fäuste macht, und seinem Mitspieler eine davon wählen läßt. Schweinefleisch ißt er nicht, freut sich aber mit seiner ganzen Sippschaft, wenn ein Wallfisch auf den Strand geworfen wird. Wenn er stirbt, so wird seine Leiche verbrannt, und seine Verwandten suchen eine Ehre darin, sich so nahe als möglich in einem Kreise um den Scheiterhaufen zu stellen. Sein trauerndes Weib setzt eine von Pech gefertigte Wittwenhaube auf und trägt dieselbe mehrere Monate.

Ein anderer bemerkenswerther Charakter ist der Chinese. Ueberall, wo Geld zu verdienen ist, verdient es John Chinaman, wie man ihn hier zu nennen pflegt. In Dupontstreet ist er ein Fleischer, in Sacramento ein Kaufmann, in Rincon Point ein Fischer und Fischpökler, in Lagoon eine Waschfrau, und seine Art und Weise, wie er die Wäsche plättet und mangelt, setzt die dortigen Angelsachsen in nicht geringes Erstaunen. Seine Feinde wollen behaupten, daß die ihm übergebene Wäsche sich in seinen Händen sehr leicht in Baumwolle verwandele. Wenn ein Chinese eine Last vom Boden zu heben hat, so ermittelt er erst, ob ein Mann sie zu heben im Stande ist, und wenn dies der Fall ist, so holt er noch drei herbei, um die Arbeit wirklich auszuführen. Alle übrige Arbeit wird nach demselben Maßstabe verrichtet. Um sich das Tragen einer Bürde zu erleichtern, balancirt der Chinese dieselbe an den beiden Enden einer Stange, die er auf der Schulter trägt. Wenn er ein fünfzig Pfund wiegendes Bündel, welches sich nicht theilen läßt, an das eine Ende seiner Stange zu hängen hat, so hängt er dann noch fünfzig Pfund von irgend etwas als Ballast an das andere Ende. John Chinaman entspricht seiner Gestalt und seinem Costüme nach durchaus nicht den Begriffen, die man sich in Europa von dem Anmuthigen oder Schönen zu machen pflegt. Kleine californische Knaben schießen mit Stecknadelbolzen nach ihm, wer ihm auf dem Trottoir begegnet, „römpelt“ ihn und die Hunde schnappen ihm nach den Waden. Niemand ist ihm gut und er hat keine Freunde als seine Landsleute, diese aber kommen ihm stets mit Einmüthigkeit und Energie zu Hülfe. Wenn er vor Gericht steht und ein Alibi braucht, so sind zwanzig Chinesen bereit, zu beweisen und zu beschwören, daß er zur fraglichen Zeit an zwanzig andern Orten war. Wenn John Chinaman einen Einkauf zu machen wünscht, so verfährt er dabei ebenfalls nach einer ihm eigenthümlichen Weise. Er tritt in einen Kaufladen und betrachtet den Gegenstand seines Wunsches mit schweigendem, stumpfem Blicke eine lange Zeit. Der Kaufmann zieht sich ärgerlich in den Hintergrund seines Ladens zurück und macht endlich Miene, den trägen Kunden hinaus­zustecken. Nun versucht dieser, sich in englischer Sprache verständlich zu machen, fragt nach dem Preise, den man für den Gegenstand verlangt, und bietet sodann ungefähr den zehnten Theil. Sein Gebot wird zurück­gewiesen und er entfernt sich; bei dem ersten Besuche aber bietet er niemals mehr. Nach einigen Tagen kommt er wieder, um sein Gebot zu wieder­holen und, wenn es nochmals zurückgewiesen wird, zu bewilligen, was der Verkäufer verlangt, Der Chinese lebt sehr mäßig und sparsam, ausge­nommen, wenn er Geflügel haben kann; junge Hühner besonders gehen ihm über Alles. Vor mehreren Jahren noch zeichneten sich die Chinesen in San Francisco als Inhaber der wohlfeilsten und besuchtesten Speise­häuser aus. Jetzt sind sie jedoch, namentlich von einigen Deutschen, in dieser Beziehung überflügelt worden.

Ein armer als Goldgräber verunglückter Franzose hatte zuerst den Einfall, als Stiefelputzer aufzutreten und jetzt giebt es deren eine Menge. Vor der Börse in San Francisco bilden sie eine ziemlich lange doppelte Reihe und wer mit schmutzigen Stiefeln zwischen ihnen hindurch geht und kein Kunde ist, muß sich so lange verhöhnen lassen, bis er sich entschließt, von ihren Diensten Gebrauch zu machen. Der erste Stiefelputzer gewährte seinen Kunden die Bequemlichkeit eines hölzernen Schemels. Die Con­currenz führte zum Ankauf eines Lehnstuhls. Hierauf betrat das Kapital den Kampfplatz mit gepolsterten Lehnstühlen und zu den Lehnstühlen gesellten sich Zeitungen. Hier stockte die Erfindung, bis endlich Jemand auf die Idee kam, die Stiefeln in eigens dazu bestimmten Häusern zu putzen. Der in diesen Häusern hängende Tarif ist folgender:

Stiefel zu wichsen, nicht naß oder geschmiert 25 Cents.
     do. „ „ naß oder geschmiert . . 50 „

Wem dies zu theuer ist, wird ersucht, sich auf den Platz an der Börse zu begeben, wo das Geschäft billiger besorgt wird.

Da ein Cent nach unserm Geld vier Pfennige ist, so ersieht man hieraus, daß in Californien ein Paar Stiefel nicht weniger als 10 bis 20 Neugroschen zu putzen kosten!