Christliche Symbolik/Altar
Nach dem strengsten christlichen Begriffe ist der Altar nur da, wo ein Opfer gebracht wird und wo das Kreuz steht, denn das Sakrament des Altars ist eine Wiederholung des Opfertodes am Kreuze, und auch alle Gebete am Altare sind nur zu dem gerichtet, der am Kreuze hängt, und weil er durch den Kreuzestod unser Erlöser ist. Also kein Altar ohne Kreuz und auch kein Kreuz, ohne dass es den Ort, wo es steht, zum Altare machte.
Der christliche Altar ist aber zweitens der Tisch des Abendmahls. Insofern gehören zu ihm die Altardecke als Tischtuch, das Brodt und der Wein, und zur Aufbewahrung, Reinhaltung und Austheilung derselben die erforderlichen Schreine, Gefässe, Deckel und Tüchlein. Das weisse Altartuch, welches immer von Leinwand und dreifach übereinander gelegt seyn muss, ist ein Sinnbild der Grableinwand, in welche der Leichnam des Heilands gewickelt wurde. Lucä 23, 53. Bei den Altardecken, Baldachinen ist Gebrauch in der Kirche, die Farben zu ändern. Bei den Festen der Martyrer ist das Altartuch roth, am Charfreitag und bei jedem Todtenamt schwarz, im Frühling eine Zeitlang grün, im Herbst eine Zeitlang violett. Vergl. Alt, christl. Cultus S. 101. Das sogenannte Sakramenthäuschen oder Sanctuarium (ciborium, turris) mit dem heiligen Leibe und Blute wurde in ältern Zeiten oft als eine goldene oder silberne Taube geformt, später aber als Kasten und Thurm. In den gothischen Kirchen wurde das thurmartige, oft höchst zierlich gearbeitete Sakramenthäuschen mit den darin aufbewahrten Hostien neben den Altar gestellt, und auf dem Altare blieb nur das Tabernakel mit den heiligen Gefässen, Monstranz und Kelch. Man bedeckt dasselbe mit einem kostbaren Mantel. Von der Monstranz mit dem Brodte oder der Hostie und von dem Kelch mit dem Weine werde ich in besondern Artikeln handeln. Zur Austheilung gehört noch der Hostienteller [48] und das Tuch dazu (corporate), der Weinkrug, aus dem der Wein in den Kelch gegossen wird, mit dem Kelchtüchlein. Daneben steht auch noch die Büchse (pixis), in welcher das heilige Sakrament vom Altar hinweg zu Kranken getragen wird.
Auf den Altar gehören Lichter, weil es sich von einem Mahle am Abend handelt, und weil zugleich durch sieben Lichter, im Sinne des siebenarmigen Leuchters im Tempel zu Jerusalem, die Erleuchtung von oben, die sieben Gaben des heiligen Geistes bezeichnet werden. Man zündet aber auch dreizehn Lichter an nach der Zahl der zwölf Apostel, die mit dem Herrn vereint das erste Abendmahl feierten. Alle Lichter werden angezündet an der vor dem Altare brennenden ewigen Lampe, die nur in der Osternacht gelöscht und neu angezündet werden darf. Ferner gehört auf den Altar das im Wort offenbarte Licht oder das Evangelienbuch und zum Gebrauch des Priesters das Messbuch.
Zum Altardienst gehört auch das Weihrauchgefäss, zum Verbreiten des Wohlgeruchs beim Gottesdienst. Das hat nach christlichem Begriff nur den Zweck, die Luft um den heiligen Altar zu reinigen und eine Atmosphäre zu verbreiten, in welcher der gegenwärtige Gott von nichts Unreinem berührt wird, ist aber zugleich noch eine Erinnerung an das alte Rauchopfer der Juden.
In den katholischen Kirchen wird im Altare eine Reliquie aufbewahrt, wo möglich von dem Patron derselben Kirche. Das ziemt sich insofern, als für einen so verehrten Gegenstand kein heiligerer Platz in der Kirche ist, als eben der Altar. Doch wird damit auch eine Erinnerung an die Martyrer verbunden, deren Gräber die ersten Christen namentlich in den römischen Katakomben als Altäre benützten. Zuletzt aber verbindet sich noch damit die Idee eines Grabcultus, der dem Heiland selber dargebracht wird. Das heilige Grab in Jerusalem ist der Hauptaltar für die gesammte Christenheit, und durch die Reliquien seiner Jünger und Getreuen wird die Heiligkeit jenes allerheiligsten Altars gleichsam stufenweise auf die übrigen Altäre ausgedehnt. [49] Die Sehnsucht der Kreuzzüge, das noch heute fortdauernde Pilgern nach dem heiligen Grabe und das Zurückbringen unzähliger Reliquien von dort hängt genau mit der Bereicherung der abendländischen Altäre zusammen.
In katholischen Kirchen liegt in der Mitte der Altarplatte ein geweihter Stein, bedeutend den Felsen Petri, auf dem die Kirche gegründet ist.
Ueber dem Altare steht der Idee nach im Allerheiligsten der Kirche immer das Kreuz, dessen Stelle aber durch die Monstranz mit dem heiligen Leibe vertreten wird. Das Altarbild ist erst aus der Verzierung des Kreuzes oder der Monstranz entstanden, und erst später von dieser Bedingung freier geworden. Das Crucifix erweiterte sich zu ganzen Gruppen von Schnitzwerk aus der heiligen Geschichte oder von allegorischer Art. Die gemalten Bilder fanden sich ursprünglich nur auf den innern Seiten der Thüren, mit denen das Sakramentshäuschen geschlossen war, und erst wenn man dieses aufschloss, zeigten sich die Bilder und in der Mitte die Monstranz. Später wurden diese bemalten Sakramentshäuschen zu grossen und hohen Altarschreinen, welche einen ganzen Cyclus von Bildern umschlossen, zuweilen mehrere Stockwerke bildeten und mit reichem Schnitzwerk baldachinartig überhängt waren. Den Untersatz des Schreins unmittelbar über dem Altare bildete die verkürzte predella, gleichfalls bemalt. Die zweiflüglichen Schreine hiessen Diptycha, die dreiflüglichen Triptycha. So wurde in Deutschland meist die alte Mitte von den Seiten überflügelt, in Spanien dagegen breitete sich die Monstranz in der Mitte in colossaler Grösse aus und bildete über den Altären Sonnen von weitestem Umfang, oder Kelche und Thore des Lichts, strahlend von Juwelen.
Indem man das Bild unter einen Baldachin stellte, nahm derselbe den Charakter eines Thrones an, zu dessen Füssen man huldigte und Opfer brachte. Dem entsprechen die Blumengefässe und das Opferbecken auf dem Altare, das Bildchen zum Küssen (osculatorium), so wie die zur Schau ausgestellten anderweitigen Opfergaben und die Symbole der Kirchengewalt, [50] besonders die mit Edelsteinen geschmückte Bischofsmütze. Ferner die dem Altare angehängten Votivbilder.
Dem Begriffe des Thrones entsprechen auch die Altarstufen, auf denen man dem Herrn naht. Hugo de St. Victor verglich sie mit den Tugenden, durch deren Uebung man sich Gott nähere.
Je nach Trauer- und Freudenzeiten werden die Altäre schwarz oder roth bekleidet, während die gemeine Farbe des Altartuchs die weisse ist. In der Buss- und Fastenzeit werden die Altäre zugedeckt, in der Freudenzeit der hohen Feste prangen sie in Purpur, um den Triumph des Himmelskönigs zu bezeichnen. Vollkommen entkleidet, zum Zeichen der tiefsten Trauer, wird der Altar am Gründonnerstagsabend, vorbereitend den Charfreitag. Ebenso werden in der Charwoche die Altarlichter nacheinander ausgelöscht. Im Gegensatze gegen diese tiefe Trauer werden aber an Ostern auch neben dem übrigen Glanze und Schmuck des Altars auf demselben noch Fahnen entfaltet, zur Erinnerung der Siegesfahne, die Christus bei seiner Auferstehung trug (Augusti, Denkwürdigkeiten II. 11.). Wo mehrere Altarflügel vorhanden waren, wurden bald diese, bald jene Bilder derselben hervorgekehrt, die heiteren bei frohen, die traurigen bei Trauerfesten. Kunstblatt 1831. Nr. 47. Alte kirchliche Regel war aber, man solle nie einen Altar entblössen, um den andern zu bedecken.
In Bezug auf die äussere Umgebung des Altars gilt vor Allem, dass er orientirt seyn muss, d. h. er muss am Ostende der Kirche stehen, weil alles Licht von Morgen kommt. Das Chor oder Ostende der ältesten christlichen oder byzantinischen Kirche schloss in einem reinen Halbzirkel ab, der eine Nische bildend den Altar einschloss. Die spätere mittelalterliche oder deutsche, sogenannte gothische Baukunst bildete den Chor dreiseitig und lehnte den Altar an die mittlere oder Endseite. Aus drei Seiten wurden, wie die Kirchen sich erweiterten oder die Baukunst zu luxuriren anfing, auch mehr Seiten, z. B. sieben Seiten eines Zehnecks. [51] Auch rückte der Altar später von der Wand mehr in den Brennpunkt des Chores und stand von allen Seiten ganz frei da, wie in der grossen Peterskirche zu Rom. Desgleichen entstanden neben dem Hauptaltar, d. h. Hoch- oder Fronaltar, im Chor noch mehrere kleinere Altäre in den Nischen der Seitenschiffe, gleichsam Kapellen oder kleine Kirchen in der grossen.
In der griechischen Kirche wird das Altarbild Ikonostasis genannt. Diese ist indess vom Altare selbst getrennt, steht vor demselben und bildet die breite, quer durch die ganze Kirche laufende Wand, welche dem gemeinen Volke den Anblick des Altars entzieht, und den Chor der Kirche von der Gemeinde trennt. Es ist die gleichsam selbständig gewordene Vorderseite des Altars; der Grund ist vergoldet, die Bilder auf demselben sind steif und stereotyp, die Madonna, Christus und die Heiligen als Patrone der betreffenden Kirchen. In den katholischen Kirchen wird der ganze Chor durch ein Gitter vom Schiffe der Kirche getrennt und den Priestern vorbehalten.
Nach Durandus, rat. offic. I. 7. ist der Altar ein Bild dessen selbst, der an ihm verehrt wird. Wie Christus menschliche Natur annahm, die von Erde ist, so soll der Altar von Erde aufgeführt werden. Wie Christus getauft wurde mit Wasser und mit Blut, so soll der Altar mit Wasser und Wein gewaschen werden. Wie Christus mit Dornen gekrönt wurde, so soll man den Altar mit Zweigen ausschmücken etc.
Auch im Sakramente des Altars, wenn der Priester Messe liest, wird das Leiden Christi symbolisch dargestellt. Alle Bewegungen und Handlungen des Priesters wiederholen den Gang des Heilandes zum Oelberg und auf Golgatha. Vergl. Messe. In den ersten Zeiten des Christenthums stand der Priester hinter dem Altare und kehrte der Gemeinde das Gesicht zu. Später musste er vor dem Altare stehen, das Gesicht nach Osten gewendet, daher der Gemeinde den Rücken kehrend. Von der heiligen Nonna meldet die Legende [52] (acta SS. I. 23.), dass sie dem Altare nie den Rücken gewendet habe.
Früher waren alle christlichen Altäre Asyle, wohin Verbrecher flüchten konnten, ein Gebrauch, der noch früher auch schon in den Heidentempeln eingeführt war. Da, wo Gott weilte, sollte keine irdische Gewalt eindringen dürfen.
Umgestürzte Altäre (der Heiden) sind Attribut des heiligen Alexander und heiligen Victorinus.