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Christliche Symbolik/Dornen

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Dornen.

Vor Adams Sündenfall soll es noch keine Dornen gegeben haben; sie wuchsen erst mit der Sünde. Pater Abraham, Judas IV. 278. Sie sind daher ein Sinnbild der aus der Sünde entsprungenen Schmerzen. Der unfruchtbare Dorn wird zum Gegenbild der lockenden Frucht des Apfelbaums im Paradiese.

Der berühmte Dornbusch, in welchem Jehovah als eine grosse Flamme dem Moses erschien, soll als die schlechteste und verrufenste Pflanze der ihn durchdringenden Gottheit zur Folie dienen. Vgl. Busch. An diesen Contrast muss man denken und nicht an die rothen Hagebutten, die den Strauch gleichsam in Feuerfarbe eingehüllt haben sollen, wie [207] einige alberne rationalistische Erklärer vermuthet haben. Derselbe Contrast des Niedrigsten und Höchsten findet sich auch in der schönen Fabel wieder, die uns das Buch der Richter Kap. 9. aufbewahrt hat. Die Bäume wollen sich einen König wählen, aber alle, auf welche die Wahl fällt, weigern sich. So der Oelbaum, die Feige, der Weinstock. Da kommen sie endlich an den Dornbusch, der die hohe Würde annimmt, aber seinen neuen Unterthanen auch gleich sagt: „Ist’s wahr, dass ihr mich zum König salbet über euch, so kommt und vertrauet euch meinem Schatten; wo nicht, so gehe Feuer aus dem Dornbusch und verzehre die Cedern Libanons.“

Ganz derselbe Contrast motivirt auch die symbolische Bedeutung der christlichen Dornenkrone. Jene stechenden Dornen, die einst dem Heiland zu seiner Verhöhnung als König der Juden aufgedrückt wurden, sind wirklich die Krone aller Kronen, das Diadem des höchsten aller Herren geworden. Die Krone soll aus dem Hundsrosenstrauch genommen worden seyn, in den seitdem nie ein Blitz einschlägt. Büsching, wöchentl. Nachr. IV. 35.

Eine Geschichte der Dornenkrone des Heilands findet man in Nieremberg, hist. naturae V. 491. Darin wird die Angabe widerlegt, nach welcher man die erste Krone von Weissdorn dem Heiland vor der Kreuzigung abgenommen haben soll, um ihm eine zweite de juncis marinis aufzusetzen. Im südlichen Europa gilt überall der purpurnblühende Weissdorn als die spina santa oder spina Christi (der Schwarzdorn blüht weiss). Nieremberg schildert, mit welcher Feierlichkeit Ludwig der Heilige die echte Dornenkrone nach Paris gebracht, nachdem er sie von den Griechen erkauft habe. Gibbon aber hat in seinem grossen Geschichtswerke (übersetzt von Sporschil 1837) S. 2316 diesen Gegenstand noch ausführlicher behandelt. Die Barone der Romania versetzten während des kurzen lateinischen Kaiserthums in Constantinopel im Jahre 1217 die Dornenkrone den Venetianern, durch grosse Geldnoth dazu gezwungen. König Ludwig von Frankreich löste sie aus. Kaiser Friedrich II. erlaubte ihr den ehrenvollen [208] Durchpass durch Deutschland; König Ludwig aber ging ihr mit seinem ganzen Hofe bis Troyes entgegen und holte sie mit grösstem Pompe nach Paris ein. Gibbon schöpfte aus du Cange, hist. d. C. P. IV. 11. und Fleury, hist. eccl. XVII. 201. Die Spanier zählen am heiligen Dornenkranze 72 Stacheln, eine mystische Zahl. Clarus, span. Lit. II. 213. Ein einzelner Zweig aus dem heiligen Dornenkranze, der zu Piacenza aufbewahrt wird, soll an jedem Charfreitag blühen. Desgleichen zu Malta, Montone und Donauwörth. Bagatta, admir. VI. 2. P. Abraham, Judas I. 341, IV. 146. Zu Brixen schwitzt er Blut, das. I. 341. Der Weissdorn soll an eben diesem Tage deutlich seufzen. In Pisa heisst eine Kirche della spina, weil hier einer von den heiligen Dornen anlandete. Nach dem altital. Gedicht Leandra (Schmidt, ital. Heldengedichte S. 120.) war die Dornenkrone schon an Karl den Grossen gekommen, in dessen Hand sie blühte.

Um dem Heiland nachzuahmen, tragen bekanntlich alle Mönche die Tonsur, als ein Surrogat für die Dornenkrone. Die heilige Rosa von Lima trug zeitlebens einen Kranz von blutig stechenden Dornen. Desgleichen die heilige Verona, Magdalena da Pazzis, Johannes de Deo. Um die biblische Frage zu beantworten: „Wer kann Trauben lesen von den Dornen?“ liess der heilige Maximus aus Dornen eine Weintraube hervorwachsen, deren Genuss den sterbenden Felix von Nola wieder belebte; daher ein Dorn mit einer Traube das Attribut des heiligen Maximus ist. Der heilige Benedikt und der heilige Franz von Assisi wälzten sich in Dornen. Der Letztere offenbarte seine Heiligkeit dadurch, dass aus jedem Dorn plötzlich eine Rose wuchs. Die heilige Lidwina von Schiedam wurde im Traume nach Rom entrückt, verwundete sich dort an einem Dorn und fand am Morgen noch die Wunde. Auch Britta von Cassia, eine Augustinernonne, wurde bei Betrachtung des Crucifixes von einem lang vorschiessenden Dorn aus Christi Dornenkrone tief in die Stirn verwundet. Torelli, hist. ord. Aug. Görres, Mystik II. 417. [209] Eine Dornenkrone, um ein durchbohrtes Herz gelegt, ist Attribut des heiligen Franciscus von Sales.

Die zehntausend Martyrer unter Kaiser Hadrian wurden in Dornen gespiesst, was auf schauerliche Weise noch in altdeutschen Bildern zu sehen ist.

Die Lilie unter den Dornen ist allgemeines Sinnbild der höchsten sittlichen Reinheit und Unschuld unter den Gefahren der Sünde und unter den irdischen Leiden, daher vorzugsweise Bild der heiligen Jungfrau Maria, aber auch der christlichen Religion überhaupt. In einem schönen alten Wallfahrtsliede im Paderborner Liederbuch Nr. 99. heisst es:

Maria durch den Dornenwald ging,
Der hatte sieben Jahre kein Laub getragen.
Was trug Maria unter ihrem Herzen?
Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen.
Als das Kindlein durch den Wald getragen,
Da haben die Dornen Rosen getragen.

Es gibt mehrere Wallfahrtsorte, wo „U. L. Frau in Dornen“ verehrt wird, weil man einmal hier ihr wunderthätiges Bild unter Dornen gefunden. So zu Rovet und zu Numantia in Spanien. Gumppenberg, marian. Atlas I. 172. 383. So auch zu Turzan in Mähren, das. I. 118; bei Kaltenbäk, Mariensagen 17, heisst der Ort Turas.

Die Kunst hat fast immer die Dornenkränze verschönert und auf’s Zierlichste geflochten. Auf einem altfranzösischen Miniaturbilde, das Waagen (Paris 388) sah, findet sich das kunstreichste Dornengeflecht als Randverzierung. In einer Kirche zu Rio Janeiro ist ein Dornen- und ein Sternenkranz ineinander geflochten. Meyen, Reise I. 91.

Ein Dornenzweig, der um einen Todtenschädel sich schlingt, ist das schönste Sinnbild der Verdammniss, des über das Grab hinausreichenden Unglücks, des nie endenden Schmerzes.