Christliche Symbolik/Heilige

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Heilige.

Die griechische Kirche unterscheidet dreierlei Heilige: 1) reine Geister oder Engel, 2) heilige Menschen des alten Bundes, die Patriarchen und Propheten, 3) desgleichen des neuen Bundes. Jamin, Geschichte der Kirchenfeste S. 349. Die römische Kirche lässt die Heiligen des alten Bundes ganz weg, unterscheidet aber unter den Heiligen: 1) die heilige Jungfrau, 2) die Engel, 3) die Heiligen des neuen Bundes, und zwar zuerst die Apostel, dann martyres, confessores, virgines. Durandus, rationale offic. VII. 1. 34. Martyrer (Zeugen) sind Alle, die um des Glaubens willen den Tod gelitten. Sie, wie die Bekenner und Jungfrauen, sondern sich nach verschiedenen Gesichtspunkten wieder in Unterabtheilungen, in heilige Könige und Königinen, Ritter (milites), gerechte Richter, Kirchenväter und Lehrer (doctores), Heidenbekehrer und Missionäre, Stifter von Kirchen und Orden, Einsiedler, Pilger, endlich heilige Kinder. Zugleich vertheilen sich die Gaben des heiligen Geistes, die christlichen Tugenden an die verschiedenen Charaktere der Heiligen, und dienen ihre acta als praktische Beispiele zur christlichen Lehre. Die Legenden der Heiligen sind ein Spiegel des Dogma wie der Sittenlehre. Ihr Charakter oder ihre eigenthümliche Wirksamkeit hat viele Heilige geeignet, vorzugsweise Patrone (Schutzheilige) zu werden für Länder und Völker, Stände, Berufsarten, Geschlechter und Alter, in Nöthen des Leibes und der Seele etc.

Die Kennzeichen der Heiligkeit sind: 1) die Auserwählung durch den Heiland selbst, das apostolische Kennzeichen; 2) die Blutzeugschaft, die Besieglung des Bundes mit Christo durch das eigne Blut, das Martyrerkennzeichen; 3) die [376] Virginität (Jungfräulichkeit im höhern Sinne), als Grundbedingung aller folgenden Gaben; 4) der persönliche Umgang mit den höchsten Personen der Gottheit, der heiligen Jungfrau, den Engeln und Heiligen, durch deren Erscheinungen, eine Auserwählung gleich der apostolischen, jedoch zweiten Grades; 5) die Wundergabe, durch welche der Heilige über die gewöhnlichen Naturgesetze gestellt wird; 6) das Patronatsrecht, die Macht des Schutzheiligen; 7) das Recht der Fürbitte für die Menschen bei Gott.

Dass die Engel im Cultus ein wenig hinter die menschlichen Heiligen zurücktreten, hatte einen guten Grund. Die Engellehre der Gnostiker drohte das Christenthum in heidnischen Pantheismus aufzulösen. Die Kirche musste hier Uebertreibungen entgegentreten. Zudem stehen die Heiligen als Menschen in einem innigen Verhältniss zum Menschensohne, und ihr Wirken ist inniger in den welthistorischen Aufbau der Kirche verwebt. Daher das Patronat der Heiligen in allen Beziehungen, in denen der Mensch im objectiven Daseyn seiner Zeit aufgeht, während nur das Subjectivste seines Individuums den Schutzengeln anheimgegeben bleibt. Mit dieser Einschränkung wird der heidnische Pantheismus aus der Engellehre am sichersten ausgeschlossen.

Das innigere Verhältniss jedes Heiligen zu Christo und die auch noch seinen irdischen Ueberresten inwohnende Wundergabe und Heilkraft bedingte und förderte den Gebrauch, jede Kirche durch Niederlegung einer Reliquie in den Altar zu segnen. Weil aber auch in dieser Beziehung frommer Uebertreibung begegnet werden musste, wurde in den mittlern Zeiten dringend nöthig, dem Papst das Recht der Heiligsprechung (Canonisation) vorzubehalten.

Wie die Hauptfeste des Heilands selbst in ihrer jährlichen Wiederkehr genau auf die Tage fallen, deren Verhältniss zur Jahreszeit und zum Sonnenlauf in symbolischer Beziehung zum Geisteslicht, zum geistigen Frühling und zur geistigen Wiedergeburt stehen, ganz derselben Symbolik gemäss sind auch die Namen der Maria, der Apostel und [377] der vornehmsten Heiligen auf alle übrigen Tage des Jahres dergestalt vertheilt, dass wenigstens in den wichtigsten Fällen eine symbolische Beziehung zwischen dem Charakter und Wirken des betreffenden Heiligen und der Jahreszeit oder dem Sonnenstande, wohin sein Tag fällt, wiedererkannt wird. In andern Fällen ist das symbolische Verhältniss des Heiligen zu seinem Jahrestage vielleicht nur durch die Zeit verdunkelt worden und noch nicht wiedererkannt. Das Fest Allerheiligen am 1. November war erforderlich, um allen den Heiligen, die der Kalender nicht an einzelne Tage wies, die besondere Verehrung an einem gemeinschaftlichen Tage des Jahres zu sichern. In der Wahl dieses Tages aber, im Beginne des Winters, spricht sich ein schöner Sinn aus. Die Heiligen widmeten fast ohne Ausnahme ihr Leben dem Kampf mit der alten Nacht des Heidenthums und der Sünde. Sie gingen den Gläubigen voran durch die Schrecken des Todes. Sie gaben sich zum Opfer hin dem Winter, um den künftigen Geschlechtern den Frühling zu erobern. Sie gingen in die Finsterniss des Grabes ein, wie das Saatkorn in die Erde, um tausendfältige Früchte zu tragen.

Unter der grossen Zahl von Heiligen finden sich einige problematische Namen, und im Volke geht manche Legende um, die von der Kirche nie beglaubigt worden ist. Manches wurde von einem Heiligen auf den andern übergetragen, und selbst der rühmliche Fleiss der acta SS. hat die Nebel nicht alle lichten können, die am äussersten Horizont der Heiligengeschichte lagern. Allein in der Mitte dieser Heiligenwelt, in der ihre vornehmsten Gestalten seit Jahrhunderten als Säulen der Kirche feststehen, ist Alles klar, und eben so fest und klar ist das Kriterium der innern Wahrheit, welches die Legenden nach dem Maasse der Glaubenslehren und der davon unzertrennlichen Symbolik misst, Alles fallen lassend, was damit unvereinbar ist.

Allgemeines Kennzeichen der Heiligen in der Kirchenmalerei ist die gewöhnlich goldne Kreisscheibe oder der noch einfachere goldne Reif um das Haupt. Vgl. den Artikel [378] Nimbus. Indem die Maler sich vom Herkommen der Kirche entfernten, liessen sie häufig jenen Nimbus weg, und schmeichelten sich, aus eignem Kunstgenie durch die Vortrefflichkeit von sogenannten Charakterköpfen ihre Heiligen genugsam zu bezeichnen. Allein sie hätten der ehrwürdigen alten Regel wohl treu bleiben dürfen. In die Charakterköpfe und Charaktergestalten der Heiligen hat die Künstlergenialität nur zu oft unheilige, dem Geist der Kirche ganz fremde, nur vom Theater geborgte Effekte hineingelegt, falsches, anmassliches Pathos in die männlichen, Koketterie in die weiblichen Bildnisse. Die fromme Pflicht, Heilige für die Andacht der Gläubigen, würdig des Platzes in der Kirche Gottes, darzustellen, wurde und wird nur zu oft verabsäumt. Alle jene weltliche Unruhe und Leidenschaft, gegen welche die Kirche mit ihrem ewigen heiligen Frieden wirken soll, sind durch die manierirten Heiligenbilder in die Kirche eingeschmuggelt worden. Wer kennt nicht jene Kirchenplafonds, auf denen ein Gewirr von heiligen Armen und Beinen nach allen Richtungen, in der gewaltsamsten und unnatürlichsten Geberdung, in athletischen Stellungen, hässlichen und unanständigen, aber von den sogenannten Kunstkennern bewunderten Verkürzungen durcheinanderraset, wie bei Tänzern eines Cancan in Paris? Auch die Schaustellung der entsetzlichsten Martyrien hat von Seiten der Künstler keineswegs den Zweck gehabt, zu rühren und mit tiefer Andacht zu ergreifen, sondern die Bewunderung der Anatomen und Chirurgen zu ärndten durch die Meisterschaft der Naturnachahmung. Als diese Schlächtereien, die nie in den Kirchen hätten Eingang finden sollen, endlich Mode zu werden aufhörten, trat an ihre Stelle eine sentimentale Weichlichkeit, die den Heiligen, sonderlich den jungfräulichen, ein kokettes Schmachten anlog, und in ihre geistigen Entzückungen den Ausdruck der feinsten sinnlichen Wollust mischte.

Alles Unreine und Unruhige im Ausdruck widerspricht der Heiligkeit. Die griechische, wie die ältere römische Kirche hat bei aller hieratischen Steifigkeit der Heiligen [379] doch die Würde und den Ausdruck des innern Friedens in denselben besser gewahrt, als die Kirchenmalerei der letzten Jahrhunderte. Ich will mich hier durchaus nicht gegen die edle Freiheit der Kunst erklären, aber gegenüber so vielen Beispielen ihres Missbrauchs ist es unerlässlich, an die wahre Aufgabe der Kirchenmalerei zu erinnern.