Christliche Symbolik/Henoch

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Henoch.

Nach 1. Mos. 5, 24. wurde Henoch, der Siebente nach Adam oder dessen Enkel im sechsten Grade, seines göttlichen Lebens wegen von Gott hinweggenommen, und ward nicht mehr gesehen, d. h. er kam lebendig in den Himmel. Für ihn gab es keinen Tod. Vgl. Sirach 49, 16. Ebräer 11, 5. Seiner wird in der heiligen Schrift nur noch gedacht in der Epistel Judä 14, wo es heisst: Henoch habe das Weltgericht (die Sündfluth) verkündet. Doch ist wahrscheinlich, dass er und Elias unter den zwei Zeugen vor dem Weltende gemeint war. Herrad von Landsberg, von Engelhardt S. 48. Vgl. Elias.

Sollte man es für möglich halten, dass gelehrte Theologen eine Parallele ziehen konnten zwischen dem Henoch, den Gott aus Wohlgefallen an seiner Frömmigkeit zu sich nahm, und dem Ganymed, den Jupiter wegen seiner Schönheit entführte? de Wette, bibl. Theologie 89. Henke, Magazin VI. 194. Winer Realw. s. v. Wollte man eine Parallele ziehen, so konnte man nur auf die Asträa fallen, diese Personification himmlischer Unschuld, nicht auf den unsaubern Ganymed.

Es ist bedeutsam, dass Henoch der siebente Sethite ist, während das Geschlechtsregister der Kainiten gerade im siebenten Gliede schliesst. Henoch wird in den Himmel erhoben in demselben Sinn, wie die jungfräuliche Asträa zum Himmel zurückkehrte, indem fortan das Unrecht und sittliche Verderben auf Erden zurückbleibt. Dieses Verderben, aus der Vermischung der Kinder Gottes mit den Töchtern der Menschen erzeugt, wird bei den ersten sieben Geschlechtern der Kainiten noch nicht erwähnt, sein Beginn fällt also wohl mit dem Ausgang Henochs zusammen.

Betrachten wir aber die ganze Zeit zwischen Adam und Noah als ein Vorbild der künftigen Weltgeschichte, so erscheint sie zugleich als deren optisches Gegenbild in [384] umgekehrten Verhältnissen. Henoch wird hier das Vorbild Christi, geht aber in den Himmel zurück, wie dieser aus dem Himmel auf die Erde niederkommt; und auf Henoch folgt erst das Verderben, aus welchem Christus erlöst.

In demselben Sinn steht Henoch dem Lucifer entgegen, wie denn die weibliche Form Anahid dem männlichen Namen Enoch ziemlich nahe verwandt scheint. Der Abendstern bedeutet den gefallenen Engel, der Morgenstern den zum Himmel erhobenen Menschen.

Mit Henoch ist auch zu vergleichen Annakos, ein fabelhafter König in Phrygien, der vor der Sündfluth gelebt haben soll, der einzige reine und tugendhafte Mann unter der gänzlich verwilderten antediluvianischen Menschheit, dem zu Liebe Gott die Strafe so lange verschob, dass Annakos dreihundert Jahre lang regieren konnte. Aber nach seinem Tode brach unaufhaltsam die Sündfluth herein. Nach Apollodor III. 12. 6. Diodor IV. 61. Stephan. Byzantinus. Buttmann, Mythologus I. 176, erkennt in ihm mit Recht den Henoch wieder. Bei Zenobius heisst er Nannakos.

Im apokryphischen Evangelium des Nicodemus, Cap. 25, rühmt Henoch, er und Elias, die beide lebendig zum Himmel gekommen, würden von da wieder zur Erde herabkommen, wenn das Weltende nahen würde, um mit dem Antichrist zu streiten. Die Juden fabeln, Henoch sey der grosse Engel Metatron geworden, von μετὰ θρόνον, der nächste am Throne. Vgl. auch Gfrörer, Kirchengesch. I. 119, dessen Jahrh. d. Heils I. 321. Eisenmenger II. 397. Die Muhamedaner haben wieder eine wunderschöne Legende. Henoch, der bei ihnen auch Idris heisst, war der erste Schneider, der erste Schreiber, der Erste, der die Waage erfand. Er that viel Gutes und predigte, obwohl vergeblich, den bösen Kainiten. Da sandte ihm Gott den Todesengel in schöner Jungfrauengestalt, um ihn zu prüfen. „Komm mit mir,“ sprach der Engel, „und hilf meine Schwester befreien, die ein Kainite entführt hat.“ Idris nahm sein Schwert und folgte dem Engel. Sie [385] wanderten den ganzen Tag; da ward es Nacht. Sie ruhten und Idris hungerte. Der Engel wies ihm ein weidendes Schaf, aber Idris wollte sich, als an fremdem Gute, nicht an dem Schaf vergreifen. Am andern Tage ging es eben so; da durstete Idris unsäglich. Der Engel wies ihm einen liegen gebliebenen Schlauch, aber auch an ihm wollte sich Idris nicht vergreifen. Am dritten Abend liess Gott über Idris eine dattelvolle Palme wachsen und zu seinen Füssen einen frischen Quell entspringen. Idris ass und trank und lud den Engel ein, dasselbe zu thun. Dieser aber sprach: „Ich esse nicht und trinke nicht, denn ich bin der Todesengel.“ „So nimm meine Seele,“ sprach Idris. Der Engel nahm sie, gab sie ihm aber auf Gottes Befehl im nämlichen Augenblicke wieder. Idris wollte nun die Unterwelt sehen, und der Engel führte ihn zu Malik, dem Pförtner der Hölle. Dieser öffnete ihm den Abgrund der Verdammniss, und Idris schauderte. Da bog sich ein Zweig aus dem Paradiese herüber, Idris klammerte sich an denselben fest und wurde leicht in's Paradies gehoben. Malik und der Todesengel saben ihm staunend nach. Hammer, Rosenöl I. 30. Weil, biblische Legenden S. 62. In Rückerts morgenländ. Sagen I. 9. ist die Legende anders und weniger schön aufgefasst. Idris darf hier das Paradies betrachten, verliert seinen Schuh darin, geht noch einmal zurück, um ihn zu holen, und darf nun darin bleiben. Eine Legende bei Herder (zur Theologie IX. 29.) gesellt dem jungen Henoch einen himmlischen Schwan zu. Mit einer demselben entfallenen Feder schreibt Henoch sein berühmtes Buch. Am Ende seines Lebens erscheint der Schwan wieder und trägt ihn in den Himmel.

In der altdeutschen Legende vom heiligen Brandanus, der durch unbekannte Meere zum Paradiese schiffte, kommt auch der himmlische Pallast des Henoch vor, durch ein Land voll ewiger Nacht in hellem Glanze schimmernd. Dadurch wird sehr sinnig die Einsamkeit bezeichnet, in der sich Henoch mit Elias allein im Himmel befunden habe. [386] Das apokryphische Buch Henoch, welches 1833 von Hoffmann übersetzt und commentirt wurde, verbindet Sabäismus (chaldäischen Sternencultus) mit dem Judenthum und schreibt sich aus der Zeit der babylonischen Gefangenschaft her. Henoch spricht darin von dem, was er Alles im Himmel gesehen hat. Es sind aber nur confuse Wiederholungen von gemeinen Vorstellungen, worin Sterne, grosse Lichter und Berge, schöne Bäume, Wasserfälle, Quellen, Engel und Selige in Unzahl vorkommen. Nur Gott selbst, als „Herr der Geister“, erscheint originell mit vier Flügeln von riesenhafter Grösse, dass alle Seligen im Schatten derselben singen können. Gelegentlich wird auch ein Blick in die Hölle geworfen, aber auch hier wird Reichthum der Phantasie durchaus vermisst. Das Beste in diesem langweiligen Buche ist im Anfang die Schilderung, wie die Engel zur Erde hinabsteigen, sich mit den Töchtern der Menschen vermischen und ein greuliches Riesengeschlecht zeugen, zu denen nachher Henoch, obwohl vergeblich, aus dem Himmel hinuntergeschickt wird, um sie von ihren Schandthaten abzumahnen. Die Strafe erfolgt durch die Sündfluth, ist aber hier nur kurz und mit dem allgemeinen Weltgericht zusammengefasst. Vgl. über das Buch: Gfrörer, Urchristenthum I. 47. II. 93. v. Meyer, Blätter für höhere Wahrheit VII. 378. In der Zahl 365 (so viele Jahre lebte Henoch) erkennt v. Bohlen, Genesis 69, eine astronomische Beziehung und macht Henoch zu einem Träger des Sabäismus.