Christliche Symbolik/St. Martin

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
<<< St. Martin >>>
{{{UNTERTITEL}}}
aus: Christliche Symbolik
Seite: {{{SEITE}}}
von: [[{{{AUTOR}}}]]
Zusammenfassung: {{{ZUSAMMENFASSUNG}}}
Anmerkung: {{{ANMERKUNG}}}
Bild
[[Bild:{{{BILD}}}|250px]]
[[w:{{{WIKIPEDIA}}}|Artikel in der Wikipedia]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[[Index:{{{INDEX}}}|Wikisource-Indexseite]]
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[110]
St. Martin,

der berühmteste Heilige in Frankreich, war ein heidnischer Krieger, als ihm einmal ein armer Bettler ohne Kleid im harten Winter begegnete. Sogleich schnitt er seinen Mantel mitten entzwei und reichte von seinem Ross herab dem Bettler die Hälfte. Dieser aber war Christus selbst, oder Christus erschien ihm doch gleich darauf mit dem halben Mantel angethan in den Wolken und sagte: „Was du dem armen [111] Manne gethan, das hast du mir gethan.“ Da bekehrte sich Martin zum Christenthum, und wurde ein grosser Heiliger. Als Bischof von Tours übte er grossen Einfluss auf die Christianisirung Galliens, bekehrte viele Heiden, zerstörte Tempel etc. Man erzählt viele kleine Wunder von ihm. Einmal, als er Messe las, schwebte die Hostie auf und glänzte über seinem Haupt, wie eine Sonne. Einen Aussätzigen heilte er durch einen Kuss. Ein Hase flüchtete zu ihm vor den Hunden. Als er einen heiligen Baum der Heiden fällen liess, stellte er sich auf die Seite, wo der Baum hinfallen sollte, machte aber nur das Kreuz und der Baum fiel auf die andere Seite. Als er, von einem Heiden verwundet, ganz allein liegen blieb, pflegte ihn ein Engel. Der Teufel erschien ihm in Gestalt des Jupiter, der Venus und anderer Götter und Göttinnen, ja endlich in der Gestalt Jesu selbst, entfloh aber, als Martinus, den Betrug merkend, die Wundenmale suchte. Als er vor Valentinian erschien, glaubte dieser als Kaiser wohl sitzen bleiben zu dürfen, aber auf einmal wurde ihm der Stuhl glühend heiss und geschwind stand er auf. Einst sah er Christen beten am Grabe eines vorgeblichen Heiligen; aber auch hier bewährte sich sein Scharfblick: er zwang die Seele des hier Begrabenen, sich zu stellen, und sie gestand, einem Strassenräuber und nicht einem Heiligen angehört zu haben. Als er starb, hörte sein Freund Bischof Severin in Köln aus weiter Ferne mit seinen Mönchen den Gesang der Engel. Wo die Leiche des Heiligen durch’s Land geführt wurde, grünte und blühte Alles, wie im Frühling, obgleich er am 11. November starb.

Unter den Reliquien des Heiligen genoss die höchsten Ehren sein gallischer Rock mit Kaputze (cappa). Dieses Kleid wurde an seinem Fest in Prozession herumgetragen und die Träger hiessen capellani, der Ort, wo es aufbewahrt wurde, capella. Davon gingen die Namen Capellane und Capelle auch auf andere Kirchen und Heiligthümer über. Die merovingischen Könige trugen die Cappa in Schlachten, um den Sieg zu erringen. Vgl. Legenda aurea, ed. Graesse p. 759. Du Cange, glossar. II. 211. [112] Das Ansehen dieses Heiligen war so gross, dass ihm allein unter denen, die nicht martyres, sondern nur confessores waren, eine Octave oder Festwoche gewidmet wurde. Durandi, rat. offic. VII. 37. Dieses Ansehen erklärt sich hinreichend aus dem wichtigen Einfluss, den er auf die Bekehrung Galliens und auf die Consolidirung der Kirche in Frankreich übte, wie denn auch die Hauptzüge in seiner eben mitgetheilten Legende die Hauptgegensätze des Christenthums und Heidenthums, der Kirche und des weltlichen Kaiserthums, der guten Werke und des menschlichen Elends, der wahren Heiligkeit und der Scheinheiligkeit betreffen, so dass Martin recht im Centro der kirchlichen Idee und des kirchlichen Lebens steht.


Sankt Martins Sommer nennt man in England einen schönen Spätherbst. Shakespeare, Heinrich VI. erster Theil, Act I, Scene 2. Le mal de St. Martin ist die Trunkenheit, weil man im Spätherbst den neuen Wein trinkt. Leroux, dict. comique s. v. Uebrigens unterscheidet man den Todestag des Heiligen, 11. November, als Martinus frigidus vom 4. Juli, seiner Ordination und Kirchweihe, der Martinus calidus heisst. Otte, Kunstarchäol. S. 136.

Es ist indess kein Zweifel, dass von Seiten der Neubekehrten viel Heidnisches in seinen Cultus aufgenommen wurde. Sein Fest im Spätherbst fällt mit einem ältern grossen Jahresfest der Heiden zusammen, an welchem der Abschied der guten Jahreszeit und der Beginn des Winters gefeiert wurde. In der griechischen Kirche beginnt von Martini an ein vierzigtägiges Fasten. Das Volk pflegt daher an diesem Tage noch einmal sich recht voll zu essen und zu trinken. In der abendländischen Kirche wurde nun zwar dieses Fasten aufgehoben, aber die Völlerei nichts desto weniger am Martinstage beibehalten, wahrscheinlich in Folge einer ältern heidnischen Gewohnheit, an diesem Tage zu schwelgen. Vgl. Strauss, Kirchenjahr S. 30. 377. Alt, christl. Cultus S. 527. Insbesondere ass man und isst man noch am Martinsabend die Martinsgänse (wie denn die Gänse um diese Zeit am [113] wohlschmeckendsten sind). Die noch im Volk, sonderlich bei den Kindern üblichen Martinslieder wurden von Armen gesungen, die vor den Thüren der Kirchen um Speise und Trank baten, um das Fest mitfeiern zu können. In Norddeutschland bäckt man an diesem Tage die sogenannten Martinshörner, ein Gebäck in Hornform, was man auf die Trinkhörner des altdeutschen Donnergottes bezogen hat, die auf heidnischen Runenkalendern den Martinstag bezeichnen. Nach der nordischen Olaf Tryggvasons Saga 24. gebot König Olaf bei einem grossen Heidenfeste, den Becher nicht mehr zu Ehren des Gottes Thor, sondern des heiligen Martin zu leeren. Ich glaube hier das Heidnische in der Martinsfeier nicht weiter verfolgen zu sollen, und verweise auf Marks Geschichte des Martinsabends und Simrocks Martinslieder.

Martinus wird als Bischof gemalt oder als Ritter auf weissem Rosse mit dem Mantel. Auch erkennt man ihn an der mit Sonnenstrahlen über seinem Haupte schwebenden Hostie, die wohl nicht blos aus einem Vorfall in seiner Legende zu erklären ist, sondern seine grosse Bedeutung für die Kirche überhaupt andeuten soll, mahnend an die über Christo bei der Taufe schwebende Taube und an die Worte: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Ein seltsames Bild in der Kathedrale zu Chartres stellt den Heiligen nackt mit der Bischofsmütze und gefalteten Händen in einer grossen Glorie dar. Didron, icon. p. 128. Das bedeutet aber nur seine Seele, denn Seelen wurden immer als nackte kleine Kinder dargestellt.

Nach der Legende ist einmal der Teufel dem heiligen Martin erschienen und hat die Gestalt des Heilands selber angenommen, um ihn desto gewisser zu täuschen und irre zu führen; aber Martin erkannte sogleich an der Ueberladung mit königlichem Purpur in des falschen Heilands Gewandung und an der gravitätischen Majestät desselben, wen er vor sich habe, und bannte ihn von dannen. Judas von P. Abraham IV. 395.