Christliche Unterhaltungslectüre für Jung und Alt

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Titel: Christliche Unterhaltungslectüre für Jung und Alt
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 702
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[702] Christliche Unterhaltungslectüre für Jung und Alt. Vor mir liegt eine Sammlung kleinerer und größerer Schriften, die sich unter den obigen Gesammt-Titel bringen lassen; sie sind ein Stück des geistigen Lebens der heutigen Zeit, also wohl werth, beachtet zu werden. Greifen wir nach dem ersten dieser Werkchen. Der Titel lautet: „Der Hirt“; darunter steht der Zusatz: Zum Besten der Missions-Anstalt „Kommet zu Jesu!“ zu Alt-Tschau bei Neusalz in Schlesien. Es ist also ein Buch, welches frommem Zwecke dient; so muß es so wohl selbst fromm sein, und man wird gern den kleinen Beitrag für das fromme Werk einsenden und dasselbe seinen Kindern, Hausgenossen und vielleicht Gemeindegliedern in die Hände geben. Aber nehmt euch in Acht mit dergleichen Sachen! Sie sind oft gefährliches Gift.

Ich will nicht von Geschmacklosigkeiten oder plumpen Erfindungen sprechen, von denen zum Beispiel das vorliegende Schriftchen wimmelt, denn welcher Sachverständige wird es glauben, daß ein zwölfjähriges Mädchen unter solchen Umständen zwanzig Menschen vom Wassertode erretten kann, wie es auf Seite 113 geschildert ist; ich will auch nicht von einer Moral sprechen, wie Seite 22 sie bietet, wo jedem Gesetze Hohn gesprochen wird und gelehrt wird: „Was du findest, das ist ein Geschenk Gottes und gehört dir darum von Rechtswegen zu;“ weit bedenklicher als dies ist unter vielem Andern eine Geschichte wie die „Der Commandant von Hohentwiel“ betitelte. Von diesem Mann und dieser Burg wird gesagt: „Gott der Herr hatte sie schon mächtig befestigt. Dazu setzte der Herzog einen Mann hinauf, den derselbe Gott inwendig fest gemacht hatte, damit der feste Mann die feste Burg gegen alle Anläufe des Feindes halte“. Und von diesem selben frommen Manne heißt es weiter, daß er sich von der Beute, die er bei seinen klugen und kühnen Ausfällen reichlich machte, eine Kirche baute, ja, daß er so viel erbeutet hatte, daß er sogar für künftige Zeiten dieser Kirche noch einen Kirchenschatz stiftete. Geht das nicht noch über die Geschichte vom heiligen Crispinus? Aber es kommt noch besser! Lesen wir Seite 120.

„Nun hatte er eine Kirche und einen Pastor; aber die Deutschen singen einmal gern. Zu gutem Kirchengesang gehört auch eine Orgel. Orgelbauer waren damals seltene Leute; sie waren noch schwerer zu haben, als sein Pastor Paulitz. Doch auch da fand sich Rath.(!) Nicht weit von Hohentwiel liegt die Stadt Ueberlingen; in dieser war ein Kloster mit einer schönen Orgel. Als er einst eine zahlreiche Mannschaft in der Festung hatte, rückte er im Dunkel der Nacht ganz still aus. Als der Morgen graute, kam er vor Ueberlingen an. Die Thore waren geschlossen. Er selbst schrob eine mit Pulver gefüllte Petarde an das Thor an und sprengte dasselbe. Die Wache saß gerade beim Kartenspiele und konnte an keine Gegenwehr denken. Seine ganze Schaar rückte in die Stadt. Ohne einen Tropfen Blut zu vergießen, hatte er sie genommen. Die Bürger sind in Todesangst vor dem gefürchteten Manne. Aber kein Haus wird geplündert; kein Stück fremden Eigenthums wird angerührt; die strengste Mannszucht wird gehalten. Die Mönche jenes Klosters bebten ganz besonders vor ihm – ich weiß nicht, warum. So boten ihm eine Summe Geldes an. Er schlug sie aus, bat sich aber ihre Orgel aus, ‚weil er keine in seiner Kirche habe‘. (Triftiger Grund!) Mit tausend Freuden ward sie ihm bewilligt.

Nun hatte er einen Pastor, eine Kirche und eine Orgel. Man merkte es an ihm und seinen Leuten, daß Gottes Wort lebendig und kräftig unter ihnen wohnte.“

So wird von dem frommen Manne erzählt; dergleichen steht in einem Buch, zum Besten einer Missionsanstalt! Was bedarf es mehr?